Montag, 24. März 2014

Detlefs Bericht vom Folk Club 46 im März 2014


Folk Club Nr. 46 im März platzt aus allen Nähten

Den Eindruck muss man haben und zwar gleichermaßen mit Blick auf Publikum und Akteure. Der Saal war erneut proppenvoll und unser Programmdirektor Steven Perry hat stets mehr Mühe, die zahlreichen Auftrittswünsche mit Anstand im Programm unterzubringen, ohne dass der Abend denn doch zu lang wird. Der Folk Club hat offenbar seine Gemeinde gefunden, die sich jeden Monat darauf freut, musikalisch überrascht zu werden und in einer familiären Atmosphäre einen genussvollen Abend  teilweise mit Gänsehauteffekt und vielen interessanten Künstlern zu erleben.

Die Erwartungen wurden auch diesmal nicht enttäuscht. Es gab Besinnliches, Schwungvolles, schöne Stimmen und herrliches Zusammenspiel gepaart mit Humor, Virtuosität, Phantasie und schier unendlicher Kreativität.

John Harrison, der anders als die übrigen Akteure des Organisationsteams – der Hofberichterstatter eingeschlossen – noch keinen einzigen Folk Abend seit dem Start im Februar 2010 ausgelassen hat, übernahm auch diesmal wieder den Warm up mit d e m Klassiker aller Lieder, die sich mit dem „Thema River Songs/Lieder über Flüsse“ beschäftigen. „Ol’ Man River“ aus dem Musical Showboat von Jerome Kern und Oscar Hammerstein bildete den perfekten Einstieg in das Thema des Abends. John begann das Lied a capella anfangs allein und dann mit zunehmend intensiverer Gesangsunterstützung von Steve Perry. Die beiden harmonierten sehr schön und bekamen gleich einen tollen Applaus. Weiter ging’s mit einem anderen Duopartner Johns, dem ebenfalls im Folk Club nicht unbekannten Werner Krotz-Vogel, diesmal aber nicht mit der Gitarre sondern einem veritablen Kontrabass ausgestattet. Man merkte beiden an, dass die Lieder von John Martyn „May You Never“, „Fairy Tale Lullaby“ und „Solid Air“ ihnen besonders am Herzen lagen. Beide warfen ihre ganze Virtuosität und Spielfreude ins Rennen. Kleine Gitarrenkunde von John am Rande: „Solid Air“ baut auf dem eher ungewöhnlichen Akkord mit der Bezeichnung Cm11 (für Freunde der Harmonielehre in anderen Worten: c moll-Septakkord mit None und Undezime) auf. John nutzte ferner die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der Schöpfer der Lieder am 29. Januar vor fünf Jahren im Alter von 60 Jahren gestorben war.

Etwas lyrischer aber ohne Anspielungen an Flüsse ging’s dann bei Christian Schuster und Tom Wilke zu. Mit virtuoser Gitarrenbegleitung, herrlichen Riffs und schönem zweistimmigem Gesang gab es von Passenger den Ohrwurm „Let Her Go“ zu hören. Nicht minder eingängig ist „One“ von U2 und „Heart of Golden Glory“ der schottischen Gruppe Runrig. Das Lied ist in Schottland ein echter Heimatgefühl-Hit mit ähnlichem Gänsehaut-Faktor wie – der Vergleich sei mir verziehen – für manchen Kölner und Bonner z.B. das Bläck Fööss Lied „Unser Stammbaum“. Ein Ausschnitt aus dem Lied mag es verdeutlichen:
“I caught a fleeting glimpse, Of life, And though the water's, Black as night, The colours of Scotland, Leave you young inside”, das hat schon fast Hymnen-Charakter;
und weiter geht es mit:
“There's a vision, Coming soon, Through the faith, That cleans your wound, Hearts of golden glory, Will be renewed”
– Referendum über die schottische Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich (eigentlich eher von England) ick hör dir trapsen. Immerhin, Kurköln strebt nicht die Unabhängigkeit von Deutschland an. Großer Applaus für die beiden!

Mit ein wenig Schmalz (den lieben wir ja) ging es weiter bei Renate Dohm und Winfrid Bode. Herrlich gespielt und gesungen durften wir erneut „El Paso“ hören, eines der Cowboylieder, die Steven Perrys Beitrag zum Thema des Abends beim Folk Club im Februar war. Wunderbar kitschig der Text über einen verliebten Cowboy, der sein Leben im Kampf um eine Amour Fou verliert. Die entschuldigenden Worte von Winfried über den nicht mehr zeitgemäßen Text waren eigentlich nicht nötig, denn dann müssten im Folk Club und auch bei anderen Musikveranstaltungen recht häufig solche „disclaimer“ vorweg gestellt werden.
Nicht minder sentimental ging es bei „Greenfields“ von den Brothers Four zu, einem Lied aus den 50er Jahren. Renate und Winfried konnten bei diesem Ohrwurm ihre tollen Stimmen so richtig glänzen lassen. Im Text kommt zudem ein Fluss vor. Bei „Rivers of Babylon“, dem alten Klassiker von Boney M, der Frank Farian-Disco-Kunsttruppe stehen die Flüsse sogar im Titel. Renate und Winfried zogen dabei aber nicht mit einem Disco-Fox vom Leder sondern präsentierten das Lied, das ursprünglich von der jamaikanischen Rocksteady-Gruppe Melodians stammt, in einer sehr schönen, ungewöhnlichen, etwas verfremdeten Version, natürlich gekonnt gesungen und gespielt von den beiden. Großer Applaus für Renate und Winfried.

Die als Special Guest des Abends angekündigte Gruppe musste zwar lange auf ihren Auftritt warten, wurde aber mit viel Beifall begrüßt. Gerd Schinkel mit Kanuten stellten sich erst einmal richtig vor: Gerd ist ja inzwischen schon fast ein alter Bekannter im Folk Club. Seine Begleiter sind tatsächlich Kanufreunde: Wolfgang Kassel (Gitarre), Frank Tschinkel (Mandoline) und Gerd-Wolfgang Spiller (Bassgitarre). Die Truppe startete mit dem Lied „Ausstand“ über die Erfahrungen die entstehen, wenn ein Arbeitsleben zuende geht und man seinen langjährigen Arbeitsplatz räumt. Als nächste gab es ein vom Alt-Barden Graeme Allwright adaptiertes Lied das Gerd mit einem deutschen Text versehen hat mit einer Beziehung zu  dem Flüchtlingsstrom, der aktuell  von Afrika und dem Nahen Osten in Richtung Europa zieht. Vielen noch gut bekannt ist das Lied aus der Atom-Protestbewegung der Siebziger Jahre „Katastropheneinsatzplan“. „Es besteht kein Grund zur Aufregung“ lautet die Eingangszeile des Refrains. Mit dem Lied „Es ist, wie es ist“ beschlossen Gerd und die Kanuten unter großem Applaus den ersten Teil ihres Auftritts.

Nach der Pause erschien  eine bunte Truppe auf der Bühne, die sich als „Dodge City Blues Band“ vorstellte. Die Musiker waren Matthew Robb (Gesang und Gitarre), „Fliege“ Hermann Josef Wolf (Gitarre, Mundharmonika), Astrid Robb (Cajón), Bijan Mahdjub (Saxophon) und Dietrich (Teekistenbass). Mit Schwung und Elan legten sie los mit dem Blues „You Drink too Much“. Schon nach den ersten Takten entpuppte sich die Gruppe als ein weiteres Glanzlicht des Abends und zog das Publikum augenblicklich in ihren Bann. Der Titel des ersten Liedes und eine kleine Bemerkung aus der Band über die trockene Luft im Raum zauberten denn auch unmittelbar spendiertes Flüssiges für die Bandmitglieder auf die Bühne. „Please Come Back Home“ war ein eigenes Lies von Matthew über die Liebe, die kommt und geht. Ebenfalls selbst komponiert hatte Matthew den Beitrag zum Thema des Abends „The River“. „There is a River That Runs Through You ... That Runs Through Me” lautet der Refrain. Das Publikum war begeistert. Natürlich musste noch eine Zugabe her: „Dead Men Have no Dreams“ lautete der Titel – Riesenapplaus für die fünf!

Nach diesem Feuerwerk hatte es Janero del Rosario etwas schwer, mit seinen etwas ruhigeren Liedern das Publikum für sich zu gewinnen. Aber nach ein paar Takten des Liedes „Find the River“ von R.E.M. aus dem Album „Automatic for the People, war der Bann gebrochen. Mit schöner sicherer Stimme und feiner Gitarrenbegleitung trug er die Ballade vor, deren Text gut zum Thema des Abends passte. Etwas aus Janeros philippinischer Heimat war ein Lied in seiner Muttersprache, das sich ebenfalls mit dem Thema „Fluss“ beschäftigt: Der Fluss wird als Metapher für das dahinströmende Leben gesehen. Janero sang das Lied a capella mit einer zuvor schnell einstudierten Rhythmus-Unterstützung durch das Publikum. Großer Beifall für Janero aber auch ein Kompliment an das musikalische Publikum.

Als Walk-in trug Benedict Steilmann zum Motto des Abends bei mit dem Lied „Mississippi“ von Bob Dylan. Allerdings bezieht sich Mississippi hier nicht auf den Fluss sondern auf den gleichnamigen Bundesstaat der USA – ein Hinweis auf den Fluss kommt aber auch im Text vor. Benedict meisterte das schwierig zu begleitende Stück mit schönem Fingerpicking und sang mit seiner kräftigen, intonationssicheren Stimme – ein vielbeklatscher Beitrag.

Bob Marabitos Spezialität sind a capella gesungene Lieder ohne Schnickschnack und Firlefanz. Sein heutiger Beitrag war das bekannte Lied „Sitting on the Dock of the Bay“ des unvergessenen und leider sehr jung bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Otis Redding. Bob machte seine Sache bei dem nicht ganz einfachen Lied mit seinen chromatischen Passagen wunderbar und bekam den verdienten Applaus.

Stephan Weidts Beiträge zum Folk Club sind immer kleine Edelsteine und dies gilt auch für diesmal. „Moon River“, Henri Mancinis ebenso einprägsame wie gefühlvolle Komposition aus dem berühmten Film „Frühstück bei Tiffany“, sang er mit seiner wunderbar klaren, variablen und intonationssicheren Stimme zur gekonnten Gitarrenbegleitung mit schönem Fingerpicking. Großer Applaus für Stephan.

Als ob der Abend nicht schon genug Höhepunkte gehabt hätte, ging es weiter mit einem erneuten Glanzlicht von Tom Hanusch und Birger Klein alias „Strandcafé“. „I Had a Dream“ lautete der erste Titel aus der Reihe ihrer Eigenkomposition. Die beiden glänzten mit wunderbarem zweistimmigen Gesang und schöner Instrumentalbegleitung, Tom auf der Gitarre und Birger mit meisterhafter Beherrschung seiner kleinen Handtrommeln. Verstärkt durch die schöne strahlende Stimme von Renate Dohm bekam das Lied „Sailing“ einen besonderen Glanz. „Enough is Enough“ lautete der Titel eines „Wutliedes“, bei dem sich die Stimmen der drei besonders gut bei den schwierig zu singenden Harmonien (Close Harmonies, wie im Barbershop) ergänzten. Birger setzte einen Schlusspunkt mit einem formidablen Perkussionssolo – wunderbar!

Zum Schluss des langen Abends brachten Gerd Schinkel und seine Kanuten noch mal Leben in die Bude. „Die Geschichte von Benjamin Button“ war die witzige Erzählung eines Lebens, das anders als normal von hinten nach vorn verläuft – ein großer Spaß – Die Sache „endet“ bei der Zeugung. Die Geschichte stammt von F. Scott Fitzgerald als Kurzgeschichte aus den 1920er Jahren. Ein Lied auf der Melodie von „Across the Borderline“ von John Hiatt und Ray Cooder erzählt vom Trugbild des Glücks, das man immer jenseits der Grenze vermutet. Die vier harmonierten wunderbar bei dieser getragenen, gefühlvollen Ballade. „Teil mit mir“ handelt von der Kunst des Zusammenlebens. „Steht das im Weg, bleibt das da steh’n?“ ist ein ironisches Lied auf fragwürdige Kunstgegenstände, die dem naiven Betrachter ihre „Kunsteigenschaft“ nicht ohne Weiteres offenbaren – Joseph Beuys’ Fettecke und der pragmatische, reinlichkeitsbewusste Düsseldorfer Hausmeister lassen grüßen. In Kölscher Sprache sangen die vier dann das Lied „De Brill“ über das Elend eines zerstreuten, vielleicht schon etwas älteren Brillenträgers, der seine Brille vergeblich sucht, die seelenruhig hochgeschoben auf seinem Kopf thront. Den Abend beschlossen die vier mit dem zur Gelegenheit passenden Lied „Wenn man vom letzten Lied die letzte Strophe singt“. Großer Applaus der Gemeinde für einen unterhaltsamen Beitrag mit schöner Musik von Gerd und seinen Mannen.

Trotz der fortgeschrittenen Zeit fand sich noch eine Gruppe Aufrechter, die das traditionelle Rausschmeißer-Lied „Jock Stuart“ anstimmte und tatsächlich auch Unterstützung erhielt. Der Abend war wieder einmal voller musikalischer Glanzlichter und garniert mit vielen Glücksgefühlen.

Wir freuen uns auf die Session am 4. April mit der Jazz-Formation „Astatine“ als Special Guest. Wer sich schon einmal einstimmen möchte, der schaue einmal in unseren Bericht vom Mai 2013. Astatine hat damals schon einmal den Folk Club entzückt. Wer John Hurds englische Berichte (mit seinen tollen Fotos) bevorzugt, dem sei der entsprechende Artikel bei 3Songs Bonn anempfohlen. Es gibt auch diverse Youtube-Clips der Gruppe um die Sängerin Ana Maria Cutac – viel Vergnügen!

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