Montag, 5. Oktober 2015

Folkclub goes Space
Marios Bericht - FC 62 in Oktober 2015

Wo sind wir – wo gehen wir hin?
Diese Frage stellte sich so mancher Besucher des 62ten Folkclub Bonn nachdem das bekannte „Laaaadiiies and Gentlemen“ ertönte. Mit einem Nachhall von mindestens 45 Sekunden hatten alle ausreichend Zeit sich Gedanken zu machen, ob dieser Ruf in einem nicht vollständig gefüllten Dom, einer, eine neue Zukunft versprechenden, Bahnhofshalle oder tatsächlich aus Wartungshallen der ESA (European Space Agency) erschallte – kurz bevor die Rakete einer Arche Noah gleich in den Weltall abhob, um alle Folkies in eine glücklichere Welt zu entführen (hier klicken für ein Tondokument).

Doch ein kurzer Blick (oder auch ein längerer Blick – es lohnt sich) durch die gastgebende Halle führte eher in die jüngere Vergangenheit, eine Vergangenheit der zeitlosen Sehnsucht nach Freiheit, nach Natur und nach Loslassen zivilisationsbedingter Fesseln. Gastgeber des 62ten Folkclubs war das Base Camp in Bonn, welches als schrillstes Hotel eben dieses Gefühl vermittelt. Eine Ansammlung liebevoll restaurierter Wohnwagen, angefangen beim Hakengnubbel (also die Zweimenschkugel für Kleinwagen) über luxuriöse, ziehbare Heimstätten bis hin zu der Zeltstatt auf dem Trabi – alles ist vertreten; ja sogar ein Eisenbahnwagon mit Schlafpritschen und eine ehemalige Kabine der Wupertaler Schwebebahn. Alles in einer Lagerhalle, wie auf einem Camplingplatz arrangiert, ergibt ein unvergleichliches Gefühl.

Für den Folkclub besonders wichtig jedoch – eine Bühne. Ungewöhnlich für den FCB zwar, dass die Künstler erhöht und das Publikum in Stuhlreihen angeordnet waren, aber für ein Ausweichquartier ein super tolle Erfahrung. So wurde, zwar leicht grummelnd, auch der Hall hingenommen, wurde die schlechte Durchdringung der Stimmen bis zu den letzten Stuhlrehen in Kauf genommen und auch die kleinen Partys vor den Wohnwagen, die sich nicht so recht in das Musikereignis eingliedern ließen, ertragen. Immerhin, standen doch mit Fill Campbell und Tom Mc Farland special guests auf dem Programm, die zu hören nicht alltäglich ist. Aber, wie immer, versetzten auch die local Heroes, die Musiker und Musikerinnen aus dem Bonner Umland das Publikum in eine freudige Stimmung.

Nachdem ihr euch jetzt an den Hall gewöhnt habt, heben wir gemeinsam in das Land der musikalischen Freiheit ab. Wer, wenn nicht John Harrison himself, sollte nach dem Begrüßungsruf den musikalischen Auftakt machen. „Take this hammer“ passte nicht nur in die hallige Wartungshallenatmosphäre, sondern regte schon als erstes Lied zum Mitsingen an. Es hörte sich sehr nach a capella an, jedoch schon nach wenigen Takten war ein tiefes Tüten zu hören – fas so als würde ein Überseedampfer ablegen (in den Weltraum?). GeWe, bekannter Weggefährte und für die tiefen Resonancen im Folkclub zuständig (er spielt auch den Akustikbass) hatte heute dem Motto entsprechend (Wind Instruments - Blasinstrumente) seine Tuba mit gebracht. Und die führte er im zweiten Stück mit John dann richtig vor; spricht doch der „Tuba Blues“ auch die Sinnfrage „to be or not Tuba“ an.

In echter, musikalischer Rattenfängermanie erweiterte sich die Gruppe auf der Bühne von Stück zu Stück und so waren beim „Harmonica Blues“ und bei der Feststellung „Nobody knows“ nun drei Musiker auf der Bühne. Erst mit zwei Wind Instruments (Harmonoca und Tuba) dann mit zwei Gitarren, die unterschiedlicher nicht sein können (Metallresonator und Gypsie Jazzgitarre).

Nach reichlich Applaus leerte sich die Bühne nicht ganz – GeWe Spiller blieb und erwartete seine Freunde Mary Krah und Ivo Janzik. Eine neue Kreation von Blasinstrumenten entstand. Unüblich aber sehr schön, spielten Tuba und Querflöte von der Gitarre begleitet ein Petite expérience, nämlich das Lied „Petite fleur“ in dieser unüblichen Besetzung. Deep and high – so wie im Leben, aus der Tiefe der Erde hollte die Tuba die Blume hervor, um sie dann mit der Querflöte im Sonnenlicht spielen zu lassen.

Wie auf einem richtigen Campinplatz war nach erstem gemeinsamen Musizieren die Volkerverständigung an der Reihe. Irland tauchte auf – genauer gesagt Nordirland, denn von dort kommen Fill Campbell und Tom McFarland (Tom ist der Mann betonte Fill, denn in England glauben alle Fill wäre ein Männername. Feine Töne wurden angechlagen, keine robuste Lagerfeuermusik, keine gröllfreudigen Trinklieder, sondern ein Irland, welches sich durch sein mildes und doch meeresrauhe Klima, seine durch Weitläufigket geprägte Zusammengehörigkeit und die Romantik beinhaltende, allgegenwärtige Frabe grün wurde dem Publikum nahegebracht. Die Iren sind es gewohnt auch mit widrigen Randbedingungen fertig zu werden, ohne ihre Freude insbesondere an der Musik zu verlieren. Und so verzauberte Fill mit ihrer klaren und Intonatuionssicheren, auch die Oktavgrenzen überschreitende Stimme die Zuhörer. Die Gitarre war der leisen und romantischen Stimmung angepasst – ebenso die Perkusionsbegleitung mit Congas und Bodhran – leise, mild und trotzdem die Seele ausfüllend, zweistimmig und zum Mitsingen animierend – ein Irland also, dass sich jeder wünscht, wenn er/sie/es an Urlaub, wandern und musizieren denkt. Ich will hier gar nicht alle Titel einzeln aufführen, die gesungen und gespielt wurden. Nachzuhören sind sie alle auf den CDs, die die beiden im Gepäck hatten, aber neben Tradinionals wie „Connemara Cradle Song“ oder „It's better to be a single“ „Down the Moor“ oder „Let Mr Maguire sit down“ in englischer Sprache wurden auch gälische Traditonals wie „Seoladh na nGamhna“ oder „Níl Sé'n Lá“ gesungen. Ebenso kamen irische Komponisten wie David Francey mit „Come Rain and Come Shine“ und der Nachbar der beiden Barden Tommy Sands mit „Home Away From Home“ zu Wort (oder besser zu Gesang?). Aber natürlich bewiesen sich die Zwei auch selbst als Komponisten und Texter mit den Liedern „This is Home“ oder „The White Beach“.

Auch wenn ich mit den genannten Liedern schon das zweite Set vorweggenommen habe, sei gesagt, dass es auch ein Pause gab. Diese wurde reichlich genutzt, um die Leckereien des Base Camp Imbiss zu genießen – unter anderem gab es chilie con carne mit vielen Bohnen – ob die Programmdirektion dies gewusst hat und deshalb das Motto Wind Instruments gewählt hat :-).

Die zweite Hälfte eröffnete die im Folkclub auch schon bekannte Gruppe Pisco Sour. Jose und Maria Isaza-Kazolis, Adriana und Thomas Monnerjahn sowie John Hay haben eine Puerto Ricoanische, englische und deutsche Gruppe aufgestellt, die sehr feurig und stimmungsvoll Lieder aus Kuba („Hasta Siempre, Comandante“ und „Chan Chan“) und Spanien („Me Llaman Calle“) auf die Bühne brachten. Hier zeigte sich auch wieder, dass die Musiker durch den und im Folkclub immer wieder zu neuen Formationen kommen, denn Thomas Monnerjahn war ja nun zum dritten Mal, jeweils in unterschiedlicher Bestzung auf der Bühne.

Nach Psico Sour kamen wieder Fill und Tom zum Einsatz – geschrieben habe ich darüber bereits. Bliebe aber noch zu erwähnen, dass trotz der ruhigen Musik und der unruhigen Umgebung, das Publikum vehement eine Zugabe forderte, die natürlich gerne gegeben wurde.

Das abschließende Jock Stewart durfte natürlich nicht fehlen – wenn es auch diesmal keine Texte zum verteilen gab. Detlef, der sonst immer dafür sorgt, dass alle den Text vor Augen haben, hat sich den Fuß gebrochen und konnte deshalb nicht da sein (weshalb ich jetzt versuche einen Bericht zu schreiben) – Lieber Detlef, von dieser Stelle sei dir von uns allen ein aus tiefstem Herzen kommendes „Gute Besserung“ zugerufen. Aber auch rufe ich allen Künstlern, Strammgästen usw zu – der Text ist im Blog zu finden – lernt ihn auswendig :-)

So
nun aber: lernen, üben und aufs nächstemal freuen.

Mario