Dienstag, 26. August 2014

Detlefs - diesmal sehr verspäteter - Bericht zum Folk Club Nr. 49 im Juni 2014


Folk Club Nr. 49 im Juni 2014 – Musik zum Lobe des Herrn

Wenn man einen Folk Club Abend unter das Motto „Spirituals und Gospels“ stellt, darf man sich nicht wundern, dass es fromm beziehungsweise spirituell wird. Und so war es dann auch bei der 49. Ausgabe des Folk Clubs im Juni. Dass Musik mit dem Bezug zum Göttlichen begeistern kann, verwundert nicht. Ist Musik denn nicht schon von sich aus ein Ausdruck des Göttlichen auf der Erde?
Zum warm werden gab es dann aber erst mal ein paar Kostproben aus John Harrisons weltlichem Repertoire. „Rambling On My Mind“ von Altmeister Robert Johnson ist ein traditioneller Blues. John zauberte ein wunderbares Gitarrensolo hervor, für das er Szenenapplaus bekam. Bei „Silver City“ von Mance Lipscome – ebenfalls einem der alten Blues-Heroen – erhielt John Verstärkung von Paolo Pacifico, dessen Mundharmonikaspiel immer wieder begeistert. Paolo brillierte dann auch mit einem feinen Solo bei „Fare Thee Well“ (auch bekannt als Dink’s Song). Das traurige Lied einer Frau, die mit einem Kind unterm Herzen sitzen gelassen wurde und dem Mann dennoch nachtrauert, erhielt in „Inside Llewyn Davis“ ein filmisches Denkmal. John und Paolo entwickeln sich mehr und mehr zu einem kongenialen Duo.
So gut eingestimmt durfte sich das Publikum auf Jutta Brockmann freuen, die mit „Above All Else“ ein schönes Lied zum Thema des Abends beisteuerte. Das Lied ist ein religiöser Popsong von Vicky Beeching, einer emanzipationstheologischen Kirchenikone in England. Mit ihrer weichen und einfühlsamen Stimme gab sie dem melodiösen Lied eine wunderbares Gewand.
Daniel Macleod aus dem schottischen Edinburgh sang zwei selbst geschriebene Lieder. „I See You, Can You See Me” ist eine Liebeserklärung an seine Frau. Das zweite Lied „Wedding Bells and Heather" hatte Daniel für Freunde geschrieben, die nach ihrer Heirat ins weit im Nordwesten gelegene Ullapool gezogen waren. Daniels volle Tenorstimme harmonierte herrlich zur vorzüglich gespielten Gitarrenbegleitung. Daniels Lieder haben etwas leicht Melancholisches und erinnern in ihrer Art an die Musik unseres treuen Gefolgsmannes Simon Kempston, der ebenfalls in Edinburgh lebt. Es erstaunt schon, dass sich beide nicht kennen.
Zurück zum Thema des Abends ging es mit Larissa Laë, der engagierten Galeristin aus der „Kuhl“ (das ist die wahre – aber jetzt ehemalige – Bonner Altstadt am Rheinufer, im Kriege und zum Teil auch danach völlig zerstört und später ziemlich scheußlich wieder aufgebaut), die zusammen mit John Harrison, Steve Perry und Paolo Pacifico den schönen und melodischen Gospel „Bright Morning Stars Are Rising“ sang. Die vier meisterten das Lied aus den amerikanischen Appalachen mit bezaubernder Mehrstimmigkeit – ein Hochgenuss. Auch der Bluegrass-Gospel „Angel Band“ (von den Stanley Brothers) war für die Vier wie geschaffen. Der Refrain „Oh bear me away on your snow white wings“ wurde von der Gemeinde mit Inbrunst mitgesungen – Herrlich! Ebenfalls einen Bezug zum Religiösen hat das Lied „It Ain’t Necessarily so“ aus dem Musical „Porgy and Bess“ von George Gershwin. Der Gauner Sportin’ Life versucht seine Zuhörer davon zu überzeugen, dass ja doch nicht alles stimme, was in der Bibel steht. Es könnte ihm so passen! John und Paolo durften sich bei Soli austoben – Großer Applaus.
Zum Thema des Abends passte auch der immer wieder gern gehörte Werbespot, den Steve Perry in einem lokalen amerikanischen Radiosender gehört hatte und hier in schönem breiten Amerikanisch vortrug. Dabei wird der Hörerschaft eine wunderbare Familienbibel für nur 29,99 $ und als Zugabe ein von Jesus höchstselbst signiertes leuchtendes Bild angepriesen. Bestellen kann man das Wunderwerk unter dem Code B-I-B-L-E – zum Piepen! (der Text ist hier nachlesbar).
Larissa hatte aber noch ein paar Schmankerl parat. Mit ihrer schönen Stimme sang sie einige spirituelle Lieder in „fremder Sprache“. Der Text hätte auch ein Kunstgebilde ohne konkrete Bedeutung sein können, der mantraartige Gesang erzeugte eine schwebende Stimmung, mit der sie die Zuhörer verzauberte – Riesenapplaus für die Vier, aber ganz besonders für Larissa.
Ein wahres Stimmgewitter löste danach Petra Koitka („ich bin die Petra aus der Eifel“) über uns aus. Mit ihrer ungeheuer voluminösen Altstimme trug sie wunderbar melodisch und eindrucksvoll ihre selbst komponierten Lieder vor. „Time in Your Life“ „Call His Name“ und „I See the Light“ waren die Titel. Petra, die hier diesmal allein musizierte, tritt sonst zusammen mit ihren Begleitern Oliver Fregin und Ralf Neukirch als Gruppe „Acoustic Spirit“ auf.
Nach der Pause gab sich Simon Wood die Ehre, der schon im Monat davor im Folk Club zwar nicht körperlich so doch virtuell als Auslöser der Diskussion um Bonner Regelwut bei der Straßenmusik zugegen war. Der Bonner General-Anzeiger hatte in einem Artikel am 26. April 2014 das Thema über Sinn und Unsinn von speziellen Genehmigungen und Gebühren für Straßenmusiker aufgegriffen. Simon, der in Bad Godesberg lebt und dort als Straßenmusiker schon Bekanntschaft mit den sperrigen Behördenregeln gemacht hatte, war Kristallisationskern des Artikels gewesen. Der Folk Club nahm den Vorfall zum Anlass für eine Petition an die Stadtregierung, die Einschränkungen für die Straßenmusik zu überdenken. Wer sich noch in die Liste eintragen will, möge sich vertrauensvoll an John Harrison wenden.
Als Vorbild für Bonn könnte, so unsere Recherche, sogar Düsseldorf dienen.  
Jawohl, D ü s s e l d o r f !  
Dort gibt es zwar auch Regeln, die die Musiker ein wenig einschränken, aber man benötigt als Straßenmusiker keine Genehmigung, und Gebühren werden schon gar nicht verlangt. Dass Bonn sich ausgerechnet an Düsseldorf ein Vorbild nehmen sollte, müsste allen kurkölnischen Lokalpatrioten ein wahrer Stachel im Fleische sein! Aber Kölsch hin oder Altbier her, was recht ist, muss billig bleiben. Und Düsseldorf ist in dieser Hinsicht nun mal nicht so verschnarcht und provinziell borniert wie Bonn. Aber wen’s tröstet: Selbst die tolle Weltstadt London würgt gerade mit abstrusen und undurchschaubaren Regeln einschließlich hierzulande undenkbarer Eingriffe ins Privateigentum (Konfiszierung von Instrumenten zur Begleichung von Geldbußen) die Straßenmusik ab. Bei Interesse nachzulesen in der Tageszeitung „The Guardian“.
Zurück zur musikalischen Seite von Simon Wood: Der Mann ist einfach Klasse! Er motiviert junge Musiker zum Mitmachen und schleppt drei junge Freunde mit in den Folk Club, die voller Enthusiasmus Simon zu seinen überwiegend selbst geschriebenen Liedern begleiten. Den Einstieg machten die Vier aber mit „The Whole of the Moon“ von The Waterboys und zeigten dabei viel Spielfreude. Spektakulärer fand euer Chronist hingegen die von Simon selbst verfassten Lieder, die er – oh Wunder über Wunder – in deutscher Sprache textet. Das ist doch mal was. Viele unserer deutschen Musiker krampfen sich etwas auf Englisch zurecht, und das deutschsprachige Publikum versteht nur Bahnhof (vielleicht ist es ja manchmal auch besser so). Da kommt ein Held aus Liverpool daher und zeigt, dass man auch durchaus in der Muttersprache des Publikums singen darf, na ja, der Mehrheit des Publikums. Witzige und nachdenkliche Texte hat Simon auf Lager und ganz ohne erhobenen Zeigefinger – wunderbar. „Ferienprogramm“, das Lied passt gut zur Jahreszeit, ist ein gute-Laune-Lied, das uns in bester Tote Hosen-Manier einen Monat lang Sonne verspricht und uns auffordert: „Wir genießen das Ferienprogramm“. Das Lied „Das ist deine Zeit“ gibt ein wenig zum Nachdenken: Simon ist davon überzeugt, dass die Dinge, die wir nicht benötigen, von selbst von uns wegfließen. Übrig bleibt, was seinem Zweck dient. Manchmal wünschte ich, es wäre so. Simon, du solltest häufiger im Folk Club auftreten! – Dicker Applaus für die Vier, die sich vom Fleck weg einen Fanclub geschaffen haben.
Kaum zu glauben, dass er noch einige Stunden zuvor in der Fußgängerzone gesungen hatte: Daniel Cota aus Mexiko war ein „Fundstück“ von John Harrison auf seinem Weg zum Folk Club. Irgendwie muss man den Eindruck haben, dass in Mexiko Verstärker generell überflüssig sind (siehe Folk Club im Mai). Daniels Tenorstimme, mit der er „Adios Amor“ ein mexikanisches Schmachtlied sang, gleicht einem Vulkan. Bei „Besa me mucho“ darf dann das Publikum auch wieder mitsingen. Großer Applaus für Daniel und viel Glück mit seiner Musik.
Noch einen schönen musikalischen Höhepunkt mit Bezug zum Thema des Abends bescherte uns die Endenicher Gruppe Funny Thursdays. Rio Reisers („Ton, Steine, Scherben“) Lied „Über’s Meer“ sangen sie mit schönen Stimmen und voller Inbrunst mit wunderbarer Mehrstimmigkeit. Chorleiter Jörg Schall betätigte sich als perfekter Motivator. Bei „Down by the Riverside“ glänzte der Chor mit herrlichem Bass. Zum Abschied gab es dann no jet för et Jeföhl: „In unserem Veedel” von den Bläck Fööss.
Noch einmal richtig zurück zum Thema ging’s dann bei dem letzten Duo des Abends. Miliart nennen sich die beiden jungen Männer, einer aus Litauen, der andere aus Albanien. „There’s Power in the Blood of the Lamb“ ist ein Klassiker, und auch “My Redeemer Lives” von Nicole Mullen kann sich nicht über einen Mangel an Interpreten beklagen. Das baltisch-balkanische Duo sang seine Lieder mit tollen Stimmen und schöner Gitarrenbegleitung. Den Abschluss bildete dann noch ein weiterer Klassiker aus der Country-Ecke: „Praise the Lord, I Saw the Light“. Altmeister Hank Williams muss vor Freude im Grab rotiert haben, und die Folk Club Gemeinde hing den beiden an den Lippen – Herrlich! Und wirklich, das letzte Lied sprach die Dankbarkeit und die Glücksgefühle aus, die uns jedes Mal am Ende eines Folk Club Abends mit so vielen wunderbaren musikalischen Geschenken erfüllt: Praise the Lord!
Ganz zum Schluss wurde es denn dann doch ein wenig weniger andächtig, dafür aber umso intensiver: Die Musikergemeinde scharte sich um den obligatorischen „Jock Stuart“ und gab dem Abend einen würdigen Abschluss.
Auf Wiedersehen am 5. September 2014 bei der 50. Ausgabe des Folk Club mit einem besonderen Programm. Diesmal geht es schon um 18:00 Uhr los und, es gibt zum Start der Veranstaltung einen kleinen Umzug mit Dudelsackbegleitung durch Graurheindorf zu den früheren Stätten der inzwischen über vierjährigen Folk Club Historie. Details zum Programm und zum Umzug findet Ihr in einem Beitrag weiter unten auf diesem Blog.

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