Montag, 2. März 2015

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 55 am 6. Februar 2015


Folk Club Nr. 55 im Februar 2015 – „Lustige Lieder”
Offenbar ist dieses ziemlich harmlos anmutende Motto für einen Folk Club doch erheblich zu ambitioniert, und das obwohl wir mitten im Karneval waren. Der typische  Folk Club-Künstler liebt nun mal traurige Lieder, Lieder, die von der bösen, ungerechten Welt handeln, das Thema Liebe in allen Variationen, oftmals natürlich um das Leid, das die Liebe verursacht, behandeln – seufz! Nun, ganz ohne lustige Lieder verlief der Abend nicht, aber auch der unlustige Teil war wie immer äußerst hörenswert.
Den Anfang machte traditionell John Harrison mit einem Lied im klassischen Blues-Muster „All by Myself“ von Big Bill Broonzy. Zusammen mit Steve Perry sang er „The Man That Waters the Workers' Beer“. Das Lied beklagt den hinterhältigen Brauer, der das Bier der schuftenden Arbeiter mit Wasser streckt. Steve benutzt seine Waldzither als Slide Guitar, sehr apart. In die lustige Kategorie fällt das Lied „The Librarian’s Lament“, das John und Steve gemeinsam a capella sangen. Das Lied benutzt ein witziges Wortspiel, das aus der Aussprache von „pawnbroker“ (Pfandleiher) herrührt. Schnell ist eine unbeabsichtigte Verbindung zu „Porn“ hergestellt. Das Erkennungszeichen der Pfandleiher, drei goldene Kugeln an der Geschäftstür werden schließlich für die Aussage „he is the man with three balls“ umgemünzt. Witzig auch Steve als Frau des Pfandleihers mit strubbeliger Perücke.
Alles andere als lustig war Janero del Rosarios Beitrag in seiner Muttersprache Tagalog. Das Lied handelt über die Gedanken, die sich jemand über einen Freund macht, nachdem dieser Selbstmord begangen hat. „Hoy, hoy Buloy“ stammt von der philippinischen Gruppe Parokya ni Edgar (Edgars Gemeinde).
In die Liedermacherwelt der 1970er Jahre entführte uns danach GW Spiller. Ulrich Roskis satirisches Lied mit dem für Roski charakteristischen Sprechgesang „Des Pudels Kern“ war damals ungeheuer populär, aber heute kennt es kaum noch jemand – ein herrlicher Beitrag zum Thema des Abends.
Ebenfalls aus der lustigen Kiste kam der Beitrag der „meoneo-Family“ (Claudia Huismann und Werner Krotz-Vogel zusammen mit Claudias Kindern Annette und Jan sowie GW Spiller). Den Nonsens-Ohrwurm „Mana-Mana“, der durch die Puppen-Interpretationen aus Sesamstraße und Muppet-Show  weltbekannt wurde, nahm das Publikum begeistert auf. Annette und Jan steuerten sogar die nötigen Puppen-Einlagen bei.
Werner startete danach ein kleines Ratespiel nach dem Motto „erkennen Sie die Melodie?“ Ratefuchs und Musikprofi Mario Dompke war der schnellste, der nach den ersten Takten schon „Das Loch in der Banane“ identifizierte und erhielt als Preis eine Banane. Das Instrumentalstück von Klaus Weiland diente im NDR-Fernsehen jahrelang als Pausenmusik und gilt als eines der bekanntesten deutschen fingerstyle-Stücke – Natürlich hat auch Werner die Melodie im Repertoire – Klasse.
Benedict Steilmann und seine Schlagzeugerin Julia beschäftigten sich danach mit dem Schlaraffenland der Hobos, der amerikanischen Landstreicher. „Big Rock Candy Mountain“ von Harry McClintock ist das Lied über das Land, wo dem Landstreicher die gebratenen Tauben (und natürlich Zigaretten, Whisky usw.) buchstäblich ins Maul fliegen. Ein tolles Land, wo man sogar seine Socken nicht zu wechseln braucht. Julia machte aus der Not eine Tugend und benutzte eine Stuhllehne als Schlagzeug.
Mit Abstand die jüngsten Musiker des Abends waren Michael und Tilman („schon 15 oder doch erst 14?“), die sich gleich an einem Klassiker versuchten: „All Along The Watchtower“ von Rock-Legende Jimi Hendrix. Die beiden Jungs waren eine Wucht. Auch die nicht einfachen Gitarrensoli meisterte Michael mit Bravour. Bei „Sweet Home Chicago“, konnten beide erneut ihre schönen kräftigen Stimmen und ihr Können an den Gitarren bei den klassischen Blues-Riffs einsetzen. Ein kleiner Beitrag zum Thema und die an dem Abend (leider) einzige Referenz an die 5. Jahreszeit war zum Abschluss „Pirate“ von Kasalla. Das Publikum war begeistert. Auch dem anwesenden Gitarrenlehrer der beiden, Ralf Wackers, der schon mehrfach selbst mit seiner Folk Band Currach im Folk Club aufgetreten war, gebührt ein dickes Lob für die Ausbildung der beiden jungen Musiker – mehr davon!
Erster „Featured Artist“ des Abends war Tom Kannmacher, der zuletzt  2011 einen gefeierten Auftritt im Folk Club hatte. Damals trat er mit dem komplizierten irischen Dudelsack (Uilleann Pipes) auf. Diesmal brachte er die sogenannte Gitarrenlaute mit, ein altes traditionelles deutsches Zupfinstrument (schaut mal auf die Bildergalerie!). Traditionell waren auch seine Beiträge, aber wer kennt diese schönen deutschen Volkslieder noch? „Ein Spielmann ist aus Franken kommen“ handelt von einem Spielmann, der Einlass in den Himmel begehrt. Er muss wohl ein ziemlicher Taugenichts gewesen sein. Erst die Fürsprache der Kinder, die seine Musik so lieben, erweicht das Herz des Herrn – ergreifend gespielt. Seitensprung und Erpressung ist das Thema beim Lied „Der Wasserkrug“, bei dem eine Dienstmagd beinahe Opfer der Eifersüchteleien ihrer Dienstherrin wird und sich nur durch den Hinweis auf deren eigene außereheliche Betätigungen retten kann. Ebenfalls um heimliche Liebe geht es bei den Liedern „Der Bettelmann aus Ungarland“ und „Das Geigenbüwele“ – herrlich gespielt und gesungen.
Ein recht ungewöhnliches Instrument ist die Epinette des Vosges (Vogesenspinett), das uns Tom mit dem nächsten Lied vorstellte. Dabei handelt es sich um eine Vertreterin der sogenannten Bordunzithern und ist mit dem Scheitholt verwandt und auch mit dem Appalachian Dulcimer, den wir im Januar zu hören bekamen. Das Lied vom Edelmann und seinem Knecht setzt das Thema heimliche Liebe, Untreue usw. fort.
Wieder mit der Gitarrenlaute spielte Tom danach die Lieder „Es war einmal eine Müllerin“, „Das Lied vom Tannhäuser“ und das mit Textpassagen auf Deutsch und Französisch versehene Lied „Il faut toujours lustig sein“ aus Lothringen. Großer Applaus für Tom Kannmachers wunderbare Interpretationen und seinen Beitrag, fast vergessenes Liedgut in Erinnerung zu bewahren.
Nach der Pause setzte Jutta Mensing mit einem wunderschön a capella gesungenen Lied „Es war einmal ein Mädchen“ Toms Thema von kleinen Betrügereien in Liebesangelegenheiten fort.
Einen mittelschweren Knoten im Gehirn verschaffte uns Barry Roshto als zweiter Aufwärmer nach der Pause mit seinem Lied „I’m My Own Grandpa“. So verwickelt können Familienbeziehungen kaum sein, oder etwa doch? Im Internet kursieren jedenfalls Notizen von Leuten, die sich stundenlang damit beschäftigt haben, die durch das Kreuz- und Quergeheirate von Vater und Sohn entstandenen verzwickten verwandtschaftlichen Beziehungen aufzudröseln – herrlich!
Gerhard Haug sorgte dann auf dem von ihm vor der Session gestimmten Klavier (großes Dankeschön!) mit einigen Jazz Klassikern (u.a. „Misty“ von Erroll Garner) für Wohlfühl Effekte.
In eine komplett andere musikalische Richtung drehte uns unser zweiter „Featured Artist“ des Abends David Blair aus Kanada. Mit seiner ungeheuren stimmlichen Vitalität und seinem gekonnten Gitarrenspiel gab er uns ein paar Kostproben aus dem Repertoire seiner selbst geschriebenen Lieder. Wunderbar poetische Texte kombiniert er mit Melodien, die dem Ohr schmeicheln. „This is the Soundtrack to Our Conversation“, When I think of You“, „Stronger, Higher, Faster“, What I’m Worried About“, „Nothing Left to Prove“ waren einige Titel seiner Lieder. Witzig war seine Interpretation des Hits von Britney Spears „Baby One More Time“, bei dem er den Refrain ins Deutsche übertrug „Schlag mich Baby noch einmal“ – zum Piepen! Eine tolle Interpretation lieferte er ferner bei dem Elton John Hit „Your Song“. Bemerkenswert war seine wunderbare Stimmbeherrschung auch in der Höhe und der mühelose Registerwechsel von Brust- zu Kopfstimme – Wir können uns glücklich schätzen, dass David bei uns auf seiner Tour durch das nördliche Europa einen Abstecher gemacht hat, einfach Klasse.
Als Floor Spot hatte sich kurzfristig Matthew Phillips aus London angesagt, der sich als ein echter Kracher entpuppte. „Crime And Punishment“ und „Cold Blood“ waren die Liedtitel, die euer Chronist verstanden hat. Dazu kam noch ein Lied über eine Begegnung eines Mannes und einer Frau bei einem Flug über den Ozean. Das Flugzeug stürzt aber ab. Verwunschen und hintergründig sind seine Texte, filigran und verwegen die Melodien. Seine äußerst variable und voluminöse Stimme erinnert zuweilen an Bryan Ferry von Roxy Music. In England ist er mit der Band Kites aktiv. Wir können nur hoffen, dass auch er uns einmal wieder mit einem Auftritt beglücken wird. 

Der Abend war wie fast immer wieder voller positiver Überraschungen und musikalischer Glücksgefühle. Natürlich ging er nicht zuende, ohne dass der übliche Rausschmeißer Jock Stewart gebührend gewürdigt wurde.

Auf Wiedersehen bis zum 6. März. Wir erwarten dann als „Featured Artist“ den Kanadier Paul O’Brien. Wer Lust hat, kann sich hier schon einmal auf seine Musik einstimmen.

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