Mittwoch, 30. August 2023

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 137 im Juli 2023

Folk Club im Juli 2023 mit Besuch aus Kanada

Am letzten Folk-Club-Abend vor der Sommerpause durfte sich das Publikum auf einen ausführlichen Beitrag unseres Gastes aus Kanada, des Gitarristen Don Bartlett, freuen. Umrahmt wurde das Programm wie immer mit Beitragen von John Harrison und Musik lokaler Künstler. Zudem kam zum zweiten Mal in diesem Jahr die Kölner Gruppe Hofjebräu auf die Folk-Club-Bühne.

Aber wie immer der Reihe nach. Die traditionellen Aufwärmübungen wurden von John Harrison absolviert. Als kleine Anspielung auf Don Bartlett, dessen Heimat die kanadische Provinz Alberta ist (doppelt so groß wie Deutschland mit rund 4,5 Mio. Einwohnern), startete John mit dem Lied „Alberta, Alberta“. Das hat allerdings nichts mit Kanada zu tun, sondern ist auf eine Frau gleichen Namens gemünzt. Der Ursprung der Melodie ist nicht geklärt. Die erste Aufnahme von 1926 wird dem Blues-Gitarristen Blind Lemon Jefferson zugeschrieben. Damals hieß das Lied noch „Corrinne, Corrina“. Andere wiederum geben Bo Carter Chapman als Urheber an. Den Text zu Ehren einer Alberta wurde erst später mit der Melodie verbunden und stammt von Lead Belly. Aber bei den alten Blues-Melodien ist es nicht unüblich, dass verschiedene Autoren als Urheber vermutet werden und einiges miteinander vermischt wurde. Die Keule des Urheberrechts war noch nicht entwickelt. Eindeutig von John selbst stammt das Lied „Trouble And Strife“, das sich mit den verheerenden Ereignissen im Jugoslawienkrieg 1991 beschäftigt. Ebenfalls aus Johns eigener Feder stammt das Lied „AlbertMc Shah“, das einen etwas ungewöhnlichen Scheich besingt, in dessen Harem 50 Frauen leben, die gerne Blues singen. Die Frauen singen aber leicht schräg. Hier setzte John gekonnt seine Resonator-Gitarre mit Bottleneck-Slide-Technik ein – sehr witzig!

Hans Ihnen hat immer wieder kleine Edelsteine der Folk Musik früherer Jahre auf Lager. Diesmal hatte er sich Lieder des unvergessenen John Denver vorgenommen, die gut zum Thema des Abends „Ankunft und Abschied“ passten: Bei „Leaving On A Jet Plane“ sangen bereits manche Zuhörer mit. „Back Home Again“ war offenbar nicht ganz so bekannt bei den Zuhörern, aber nicht weniger schön. Das dritte Lied war dann eine Referenz sowohl an Kanada als auch an Darrel Delaronde, der zusammen mit seiner Frau Saskia im Mai 2018 im Folk Club als Duo „Great Plains“ begeisterte. Darrel ist aber traurigerweise im Oktober 2020 verstorben. „My Father’s Land“ ist eines seiner Lieder aus dem Album „Holy Ground“ – Vielen Dank, Hans, für deine Lieder und besonders für die Erinnerung an Darrel und Saskia.

Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit griff Mario Dompke diesmal auf Lieder anderer Autoren zurück. „Ich bin Soldat“ ist ein Lied, das erstmals im Zusammenhang mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 bekannt wurde. Das Lied wird dem sächsischen Sozialisten Max Kegel zugeschrieben, aber auch der Zwickauer Zeitungsredakteur Karl Hirsch wird als Urheber des Textes vermutet. Mario brachte das Lied zudem in Verbindung mit den Napoleonischen Kriegen, die rund 70 Jahre früher stattfanden. Wie dem auch sei, einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde das Lied in der Interpretation der Gruppe Zupfgeigenhansel im Jahr 1976. Das Lied „Leicht Gepäck“ mit der Refrainzeile „Mein ganzer Reichtum ist mein Lied“ stammt von Georg Herwegh. Herwegh war ein Zeit- und Gesinnungsgenosse Kegels, der sich für die Befreiung vom Obrigkeitsstaat einsetzte und sich aktiv an der Revolution von 1848 beteiligte. Einen Griff in die Volksliederkiste tat Mario dann mit dem Lied „Lustig, lustig, ihr lieben Brüder“, bei dem das Publikum den Refrain

Zwar unser Handwerk ist verdorben

Die besten Saufbrüder sind gestorben

Es lebet keiner mehr als ich und du

mitsingen durfte. Das Lied handelt von den Erlebnissen eines wandernden Handwerksgesellen, der durch ganz Europa herumgekommen ist.

Nach dieser etwas längeren Einstimmung gab Don Bartlett, der Featured Artist des Abends, uns in seinem ersten Set vor der Pause eine Kostprobe seines virtuosen gitarristischen Könnens. Um es vorwegzunehmen: Wenn Ihr seinen Namen irgendwo auf einem Programmzettel lest: Nix wie hin! Es war schlicht ein musikalisches Feuerwerk, wie man es nicht oft zu hören bekommt. Don, der bereits vor vier Jahren im Folk Club zu Gast war, hat sich seither enorm weiterentwickelt und ist ein echter musikalischer Glanzpunkt.

Für den heutigen Abend hatte er hauptsächlich die instrumentale Interpretation von Stücken anderer Autoren ausgesucht. „Spritual Groove“ von Antoine Dufour ist ein furioses Stück mit Perkussionselementen auf dem Gitarrenkorpus. „Nothing Else Matters“ von Metallica bekommt durch Dons Instrumentalversion erst die richtige Wirkung. Zum Weinen schön ist seine Fassung des Liedes „Here, There And Everywhere“ von den Beatles. Weitere Interpretation waren „We Don’t Talk Anymore“ von Charlie Puth und ein Arrangement des Kanadiers Lenny Breau über Bob Dylans „Don’t Think Twice, It’s Allright“ mit kunstvoll eingeflochtenen Ergänzungen von Jazz-Elementen.

Den zweiten Teil des Abends startete erneut John Harrison, diesmal begleitet von Christoph Thiebes und Michael Ralph Pfeil mit ihren Mundharmonikas. „Walking Blues“ ist ein Stück aus den 1930er Jahren. Geschrieben wurde es von Son House, aber seine Popularität bekam es in der Interpretation von Robert Johnson. „Mr. Solitaire“ stammt aus Johns eigener Feder, während der Blues „Little Red Rooster“ von Willie Dixon geschrieben wurde. Bekannt wurde es 1961 in der Aufnahme mit Howling Wolf).

Auch John Hay hatte zum Motto des Abends passende Lieder ausgesucht, die zudem gut zum Mitsingen geeignet waren. Offenbar ist John Denver zum Thema Ankunft und Abschied“ eine echte Fundgrube, hatte sich im ersten Teil des Abends ja schon Hans Ihnen in der Kiste bedient. Der Text von „Country Road“ erfüllt das Motto-Kriterium vollkommen. Auch „Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader passte gut und war zudem ein deutschsprachiger Beitrag, bei dem das Publikum kräftig mitsang. Einen stark religiösen Bezug hat das Lied „Oceans“ von Hillsong United, einem Musikkollektiv, das zur australischen „Hillsong-Gemeinde“ gehört, einer zur christlichen Pfingstkirchen-Bewegung gehörenden Glaubensrichtung.

Zurück auf den Boden der Tatsachen brachten uns „Hofjebräu“, die bereits Anfang des Jahres einen Auftritt hatten. Die Gruppe besteht aus Michael Ralph Pfeil und Axel Meyer. Die beiden widmen sich mit großer Inbrunst deutschsprachiger Rockmusik. Als eine gelungene Kombination aus Ruhrgebiet (Michael) und Rheinland (Axel) haben sie dann auch Lieder in rheinischer Mundart im Repertoire. Mit „Helfen kann dir keiner“ von BAP legten sie gleich los und mischten das Publikum ordentlich auf. Begleitet wurden sie dabei von John Harrison und Christoph Thiebes auf der Mundharmonika. Die Abteilung Ruhrgebiet bekam danach ihren Beitrag mit dem Lied „Willie und Gerd“ von Stoppok, bei dem die Beiden richtig abrockten. Zurück ins Rheinische und Besinnliche ging es danach mit „Wellenreiter“ von BAP, bei dem Axel zeigen konnte, dass er in der rheinischen Mundart sattelfest ist. Gut geeignet für eine Hommage an unser Lokal „Dotty’s“ erwies sich Marius Müller-Westernhagens Lied „Hier in der Kneipe“, das die beiden textlich etwas angepasst hatten. Großer Applaus für „Hofjebräu“!

Anschließend hatte Don Bartlett den Rest des Abends zur freien Verfügung. Zu Ehren seines Freundes Steve Perry, der voriges Jahr verstorben war, hatte sich Don eine von Steve komponierte Melodie vorgenommen und sie neu arrangiert. „Today Is Forever“ lautet der Titel des Stückes, in das Don Elemente von Eric Claptons „Tears In Heaven“ eingeflochten hat – Wir sind sicher, dass es Steve gefällt!

Offenbar auch in Kanada bekannt ist Nenas Lied „Neunundneunzig Luftballons“, für das Don eine wunderbare Instrumentalversion arrangiert hat. Erneut eine Kombination aus Elementen verschiedener Melodien war das folgende Stück. In den „Cannonball Rag“ von Merle Travis (der Gitarrenvirtuose Tommy Emanuel nennt das Stück „die Hymne der Fingerpicking-Gitarristen“) wob er „Freight Train“ von Elisabeth Cotten ein und kombinierte dies mit einem Ritt durch mehrere Tonarten – sehr virtuos und apart. Zur Abwechselung mal mit Gesang präsentierte Don die heimliche Hymne Schottlands, „Caledonia“ von Dougie MacLean – eine Referenz an Dons schottischen Vorfahren. Das Lied gab es schon mehrmals im Folk Club zu hören – es ist schlicht herzergreifend. Danach ging es mit Instrumentalstücken weiter: „Can’t Get You Out Of My Head“ von Kylie Minogue, „Mad World“ von Tears for Fears und zu guter Letzt das bearbeitete und leicht verfremdete Beatles-Lied „Nowhere Man“. Nein, ganz zu Ende war Dons Auftritt danach nicht. Ohne Zugabe ließ ihn das begeisterte Publikum nicht gehen. Seine Wahl fiel auf das Stück „Midna’s Lament“. Witzigerweise ist es ein Titellied eines Videospiels, das Don als Jugendlicher gespielt hatte: „The Legend Of Zelda“.

Nun, Legenden haben wir nicht zu erzählen, dafür aber „true stories“. Eine dieser wahren Geschichten ist, dass der Folk Club nach den Unterbrechungen und Einschränkungen durch die Corona-Welle wieder zu einem Publikumsmagnet entwickelt hat. Eine weitere „true story“ ist, dass die nächste Ausgabe des Folk Clubs bereits vor der Tür steht, und zwar am 1. September. Diesmal gibt es eine Singers‘ Night. Lasst euch überraschen!

Noch etwas: Wer nicht genug bekommen kann von Folk- und Blues-Musik, sollte am 31. August 2023 ab 20 Uhr einmal im Lokal Kater 26 an der Römerstraße 26 vorbeischauen. John Harrison gibt dort ein Konzert unter dem Thema "A little bit of Folk and a whole lotta Blues!"

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