Sonnenschein, Licht und Farben
Es mag sicherlich unterschiedliche Ausprägungen der Wirkung von Musik geben, aber ich bin fest davon überzeugt, dass bei allen Musikhörenden und -machenden die Wirkung der Aufhellung von Launen und Gefühlen verbunden ist. Mag die Musik auch noch so finster sein, so spricht sie immer unser Seelenleben an und unterstützt uns in unseren Gefühlen. Was liegt da näher als ein Thema für den Folk Club zu wählen, welches sowohl in dunklen wie auch in hellen Jahreszeiten unsere Lebensmotivation und unser Wohlgefühl verstärkt: Sonnenschein, Licht und Farben.
Nun, auch wenn nicht jedes Lied des Abends explizit dieses Motto vertreten hat, so doch, durch eben die oben geschilderte Wirkung, implizit. Und so eröffnete unser Zeremonienmeister John Harrison wie gewohnt sowohl mit dem Weckruf „Laaaadieeees and Gentlemen….“ wie auch mit dem Inbegriff der musikalischen Gefühlswelt – dem Blues – den Abend des 158. Folk Clubs Bonn. Begleitet wurde John von Christoph Thiebes auf dessen Mundharmonikas, die er, wie wir schon häufiger erleben durften, meisterhaft spielt. „All by myself“ ein Blues von Big Bill Broonzy schildert die gefühlt ausweglose Situation, dass jemand ganz allein ist und mit niemanden sprechen kann – ganz im Sinne der Musik singt er und schon verbessert sich seine Laune (schließlich muss im Blues die schlechte Situation herausgesungen werden, um mit eben dieser im wahren Leben fertig zu werden). Weiter ging es mit einem Lied aus Johns eigener Feder über den Jugoslawienkrieg „Trouble and Strife“. Nun kann man sich auch hier wieder die Frage stellen, was das mit Aufhellen der Stimmung zu tun hat – und ich würde die Antwort wagen, dass auch in sehr dunklen Zeiten Musik und auch Musik, die sich auf schlimme Begebenheiten konzentriert, hilft, die Gesamtsituation zu verarbeiten und wieder einzelne Sonnenstrahlen zu sehen. Mit dem Song „Gypsum Sack“ beschreibt John seine Erlebnisse, als er während des Studiums Geld mit dem Abfüllen von Gips in Säcken verdiente. Ob er die Sonnenstrahlen in dieser Zeit sah, nachdem er sich abends endlich wieder den Staub von der Haut waschen konnte, oder wenn er den Wochenlohn ausbezahlt bekam, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Kleine Quizfrage – wann scheint die Sonne am häufigsten? Im Sommer, genau, und da liegt es nahe ein Lied über den Sommer zu singen – und als Blues natürlich das allseits bekannte „Summertime“.
Nach John erklomm der inzwischen im Folk Club wohl bekannte Kai Hofstetter die Bretter, die die Welt bedeuten (im Folk Club allerdings nach wie vor ebener Boden). Kai hatte etwas Besonderes mitgebracht, nämlich einen Protestsong aus den 1960er Jahren, der der bürgerlichen
Gesellschaftsschicht so etwas wie ein Protest-Feigenblatt vermitteln durfte. War dieses Lied „Welche Farbe hat die Welt“ doch auf der Schlagersingle B-Seite von Marmor, Stein und Eisen bricht. Kai wäre aber nicht Kai, würde er nicht mit seinen Liedern wieder in die fränkische Mundart fallen. Und dies tat er diesmal mit einer freien Übersetzung eines Gedichtes des chinesischen Dichters Li Bai. „Der Mond, mei Schatte un ich“ beschreibt – dem Blues nicht unähnlich – die Lösung zu einer ausweglosen Situation. Mit wem soll ich den saufen, wenn ich allein bin? Na, ganz einfach, ich stelle mich ins Mondlicht, proste dem Mond zu und sehe, wie mein Schatten dasselbe tut – die Party ist gerettet.
Frauke Jessen hat vor einiger Zeit (vor genau zwei Jahren) den Mut aufgebracht im Folk Club ihre Künste auf der Ukulele zu präsentieren. Der Erfolg (sprich Applaus) hat sie davon überzeugt, es wiederzu tun und diesmal kam sie mit ihren musikalisch umgesetzten Eindrücken aus einem im schönen Italien durchgeführten Ukulelentreffen. Mit deutschen Texten zu bekannten italienischen „Schnulzen“ mischte sie nicht nur gute Laune unter das Publikum, sondern regte auch zum Mitsingen an.
Nach Frauke durfte euer Chronist Mario Dompke sich an dem Thema versuchen. Schon lange wollte ich mit der Band Fomiander das Lied von Phil Ochs (When I’m Gone) arrangieren. Da ich aber reine Coverversionen für mich selbst nicht sooo toll finde, habe ich den Text übersetzt und eine deutschsprachige Version geschrieben „Bin ich erst weg“ durfte ich im Folk Club ausprobieren, und nun glaube ich, dass ich es meiner Band als gemeinsames Lied vorschlagen werden.
Die Waldzither hat mich angeregt, auch den irischen Lebensstyle stärker in meine Musik einzubringen. Mit dem Lied „Im Osten“ habe ich es versucht und zufällig auch das Motto des Abends ganz gut getroffen – heißt es doch in diesem Lied „Im Osten da schau ich der Sonne entgegen……“.
Auch wenn schonhäufiger im Folk Club gespielt, war das Lied „Alt werden“ eine Premiere, denn bisher entschuldigte ich die Nutzung der Gitarre anstelle der Waldzither immer mit den fehlenden Bandmitgliedern. Diesmal jedoch versuchte ich, die Melodie aus den Akkorden heraus zu spielen und somit auch ohne Begleitband klarzukommen – es gab Applaus, also scheint es gelungen zu sein.
Hofjebräu – laut, frech und rotzig, aber immer voller Stimmung, beendete die erste Hälfte. Aber war es überhaupt Hofjebräu – ich denke ja, wenn auch in abgespeckter Form (nur Michael Pfeil), dafür unterstützt durch John Harrison und am Ende Christoph Thiebes. Mit dem ersten Lied wurde das Publikum direkt getröstet (es wurde sozusagen wieder Sonnenschein in die Bude gebracht) in dem ausgesagt wurde „Wie gut, dass wir hier sind“. Ob die Befürchtung bestand, dass nicht jeder dies positiv sieht, weiß ich nicht (glaub ich aber nicht), jedoch kam musikalisch direkt danach die Aussage „Besser mal geh’n”. Den Abschluss der ersten Folk Club Hälfte machte der Song „Dumpfbacke”, zu dem kaum etwas gesagt werden muss, da doch viele ihn sehr gut kennen – warum wohl sonst haben viele mitgesungen? Warum schreibe ich nicht zu den Inhalten der Lieder? – nun, hab ich doch: laut, frech und rotzig :-) Und weil‘s so schön war, kam Hofjebräu in der featured Version auch in der zweiten Hälfte noch einmal wieder. Mit ähnlichen Liedern, schließlich bleibt sich Hofjebräu treu (das reimt sich). „Schwafel nicht rum“, „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ und „Verliebt, verlobt, verheiratet, vertan“ sind alles Lieder, die der bürgerlichen Welt ade sagen, der Lebensfreude hingegen guten Tag und das Leben nicht zu ernst nehmen.
Aber zurück zum Beginn der zweiten Hälfte. Es kam ein (positives) Gefühl eines Poetry Slams auf, denn zuerst gab es ein wenig Biologieunterricht in Gedichtform mit den Versen von John Harrison über den Mauersegler „Swift“. Und direkt im Anschluss zeigte der inzwischen als Hauspoet bezeichnete Wolfgang Schriefer sein Können in der Lyrik „Gedicht über das Liegen im Sonnenschein“, worin die Gefahren, aber auch die Wohlgefühle des Aufenthalts im Sonnenschein beschrieben werden.
Mit einem denglischen Text zu den Klängen des „California Dreamings“ beschrieb Wolfgang sein Verhältnis zu dem Folk Club.
Seine persönlichen Gefühle zur politischen Lage unseres Landes drückte Wolfgang dann in seinem Gedicht „Ich und Du, Friedrich“ aus – nun glaube ich zwar, dass Wolfgang der ideale Kandidat für einen deutschen Kanzler wäre, aber hat unser Land es jetzt besser getroffen?
Nun kam, ich nehme einfach vorweg, der absolute Hammer des Abends. Rick Fines, ein kanadischer Musiker, der zurzeit in Plittersdorf lebt, schickte uns alle in eine Zauberwelt aus rauchiger Stimme und filigranem Fingerpicking. Hat Rick früher von der Musik gelebt, so sorgt er heute hauptsächlich für das leibliche Wohl seiner Frau und seine Tochter. So gerne ich auch seine Kochkünste probieren würde, so sehr habe ich mich gefreut, dass er im Folk Club nicht gekocht, sondern musiziert hat. Mit drei Stücken aus eigener Feder bewies er seine Vielseitigkeit und ich gebe es zu, ich habe im Nachgang mir verschiedene Stücke von seiner Webseite angehört und gemerkt, dass er insgesamt noch viel vielseitiger ist.
Jazz in Reinform, Blues mit Seele aber auch Balladen – Rick hat alles drauf. Ich kann euch nur empfehlen, hört mehr von ihm denn die Stücke „In The Arms Of What Will Be”, „Just Got Back“ und „Laundry On The Line“ sind wirklich nur ein kleiner Ausschnitt seines Könnens – aber so gut dargebracht, dass es für mich ein Muss ist, mich weiter mit seiner Musik zu beschäftigen.
Miguel Garcia Gonzalez und Thomas waren auch nicht zum ersten Mal im Folk Club. Miguel blieb auch diesmal seiner Grundausrichtung der mystisch und esoterisch angehauchten Musik treu. Mit dem Stück „Alma” (auf Deutsch Seele) beschreibt er die unterschiedlichen Gefühle, die eine Seele im Menschen lebt. „Camino de tierra” ist ebenfalls ein der spanischen, mexikanischen Kultur verbundenes Lied über das einfache Leben.
Miguel drückt sowohl in seiner Musik, seinen Texten, aber auch in seiner besonderen Art der musikalischen Interpretation aus, dass das Leben in den kleinen Dingen sich als lebenswert zeigt. Und was macht das Leben auch immer aus? Die Liebe, gemeinsam durch das Leben tanzen und natürlich sich in allen Situationen (Freude und Leid) in den Arm nehmen, um gemeinsam Gefühle zu leben. „Loving, Dancing, Hugging” drückt eben dieses Gefühl aus.
John Hay hat schon oft bewiesen, dass er tolle Musik sowohl in der Gruppe als auch als Solokünstler machen kann. Heute stand er wieder allein auf der Bühne und besang verschiedene Alltagssituationen – so z. B. die Geschichte über „Stella”, einer Bedienung in einem kleinen Café, die er von seinem Bruder erzählt bekommen hat. Oft begreifen wir Menschen erst, was wir für ein Glück im Leben haben, wenn dieses Glück gefährdet ist. So beschreibt John in seiner Komposition „In der Zielgeraden”, wie er glücklicherweise noch die Reißleine ziehen konnte, als er merkte, dass er durch Beruf und andere Beschäftigungen mit sich selbst andere ihm nahestehende Personen vernachlässigte.
Und in ähnlichem Sinne beschrieb er in seinem dritten Stück „A Tree That Is Mine” einen virtuellen Rückzugsort. Einen Ort, an den man sich begeben kann, wenn die Welt gefühlsmäßig über einem zusammenbricht, ein Ort, der in Gedanken aufgesucht wird, ohne dass er physisch erreicht werden muss.
Zum Abschluss schenkte uns John noch seine mit einem deutschen Text versehene Version des wunderschönen Liedes „Caledonia”, welches er nun „Unendlich viel” nennt.
Zu dem zweiten Teil von Hofjebräu wurde schon geschrieben – bliebe nur noch zu sagen, dass auch diesmal der Patron des FCB Jock Stewart von allen Anwesenden besungen wurde und wie immer nach dem Folk Club auch vor dem Folk Club ist. Also: Out of the Bedroom und rein in den nächsten Folk Club am 04. Juli 2025 wenn der australische Instrumentalgitarrist Darren Cross unser "Featured Artist" sein wird.
Euer
Mario
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