Magie ganz ohne Elektriktrick
Und? Kennt ihr ihn noch – Catweazle? Der Zauberer aus dem
Mittelalter, der in das 20. Jahrhundert versetzt wurde und das Betätigen des
Lichtschalters eben als Elektriktrick bezeichnete (natürlich meine ich das
Original mit Geoffrey Bayldon und nicht die deutsche Neuverfilmung mit Otto
Waalkes). Im Folk Club wurde dieser Elektriktrick wie gewöhnlich nicht
angewandt und die Musik kam unverstärkt mit dem Biotrick aus den Personen
selbst. Und das – auch wie immer – meist in ausreichender Lautstärke. Diese
wurde nun vorgegeben vom Zeremonienmeister John Harrison, der – auch wie
immer – die Begrüßung lautstark mit dem Ruf „Laaaddddieeees and
Gentlemeeeen…..“ in den Raum rief.
Nachdem so, schon wieder wie immer, für die notwendige Aufmerksamkeit gesorgt
wurde, begann er den abendlichen Reigen mit dem kleinen Gedicht aus eigener
Feder „Release The Cudgeon” (heißt
„Knüppel“ und ist Johns eigene Wortschöpfung).
Anschließend erinnerte er mit seinem schon etwas älterem, aber leider
immer noch aktuellen Song „1001 Protest Song“ an die Greueltaten des
Vietnamkrieges. 1001 im Titel, da John das Gefühl hatte, dass es bereits 1000
Protestlieder gab, aber sich nichts veränderte und so ein Zusätzliches trotzdem
noch sinnvoll sei. Wieder in die unbegleitete Poesie stieg John dann mit seinem
Song „Two Cents A Brew“ ein – eine Art Sprechgesang mit einem Refrain,
den das Publikum mitsprechen durfte/ konnte/ sollte. Es geht in diesem Lied
darum, dass der Teegenuss mal ein großer Luxus war und nun durch Eigenmarken in
Supermärkten nur noch etwa 2 Cent pro Tasse kostet. Den Abschluss seines
musikalischen Beitrages (moderiert hat er ja weiter) machte John mit dem
ebenfalls aus seiner Feder stammenden „Trouble And Strife“. Ein Lied,
welches einen anderen Krieg anprangert, nämlich den Jugoslawienkrieg. Und
wieder einmal sehen wir, dass die Menschheit nichts lernt, ob Klimazerstörung
oder Kriege (die natürlich auch gewaltig zur Klimazerstörung beitragen) – es
geht leider immer weiter: Ukraine, Gaza, Afrika, Asien – überall wüten kleine
oder große Zerstörungen.
Als Fotograf und Berichterstatter für viele andere Musikevents in
Bonn war John Hurd in der letzten Zeit ziemlich beschäftigt, so dass er
dem Folk Club einige Male nicht beiwohnen konnte. Umso erfreulicher war es,
dass er diesmal nicht nur anwesend, sondern auch musikalisch aktiv teilnahm.
Mit dem Bob-Dylan-Song „If You See Her, Say Hello” präsentierte er uns wieder einmal seine musikalische Vielseitigkeit.
Als nächstes kam ein Überraschungsgast auf die Bühne, den John
Hay mitgebracht hatte und diesen auch auf seiner Gitarre begleitete.
Der 13jährige Keyaan begeisterte uns alle mit seinem Saxophonspiel und
seiner Stimme. Zuerst in dem Stück „Careless Whisper“ - allen bekannt
von dem großartigen George Michael – und hernach mit dem Song zum Mitsingen „Let
It Be“ von den nicht weniger großartigen Beatles. Leider kommt Keyaan nicht
aus Bonn, sondern war hier nur zu Besuch, so dass es ungewiss bleibt, ob wir
ihm noch einmal lauschen dürfen.
Sicher noch öfter lauschen dürfen wir aber John Hay, der nun noch allein das „Hallelujah“ von Leonard
Cohen spielte und sang. Es war ihm ein Bedürfnis, nachdem er diesen Song wegen
der 2 Minuten Regelung beim Folk Club Nr. 150 nicht voll ausspielen konnte :-).
Holger Riedel kündigte
seinen Kurzauftritt mit den Worten „Holger übt Klavier“ an. Nun Holger hat ganz
gut Klavier geübt – das funktionierte mit dem gewählten Stück „Currywurst“
recht gut. Nur darf er noch etwas weiter üben, denn noch muss er sich sehr auf
das Klavierspiel konzentrieren, so dass für den Gesang nicht ausreichende
Konzentration übrigbleibt. Aber wie wir Holger kennen: er gibt nicht auf, so
dass wir sicher bald beides (Klavier und Stimme) im Einklang hören werden. Ich
finde es toll, dass Holger uns wieder einmal vor Augen geführt hat, dass der
Folk Club Bonn eine Begegnungsstätte sowohl für Profis wie auch Hobbymusiker
ist und die Betonung des Events auf dem Spaß miteinander liegt.
Einfach und Kantig sind die
Musiker Dennis, Jakob, Michael, Christoph und Kilian. Und so heißt dann auch ihre Band,
mit der sie uns zuerst mit dem Lied „Flieh‘n nach Holland“ beglückten.
Als Instrument kam unter anderem auch das Klavier zum Einsatz, und hier zeigte
es sich, dass die rein akustische Darbietungsform des Folk Clubs die
Notwendigkeit der „manuellen Lautstärkeregelung“ (Biotrick) beinhaltet. So ist
der Folk Club auch eine Möglichkeit herauszufinden, ob und wie die einzelnen
Instrumente in ihrer Lautstärke beherrscht werden können, um alle anderen
Instrumente auch noch zum Zuge kommen zu lassen und auch der Stimme ohne
Verstärkung ausreichend Raum zu bieten. Dies ist sicher eine gehörige
Herausforderung für Bands, die laute Instrumente in ihren Reihen haben wie z.
B. Klavier oder Cajon – im Falle von Einfach und Kantig ist beides vertreten.
Mit anderen Worten, der Folk Club Bonn bildet musikalisch weiter – also, sollte
jemand beim nächsten Folk Club länger arbeiten müssen, so beantragt einfach
Bildungsurlaub und besucht den FCB :-).
Aber zurück zur musikalischen Darbietung. Abgesehen von der
schweren Verständlichkeit des Textes durch die zu leise Stimme (oder war es
doch das zu laute Klavier) waren die dargebrachten Lieder super. Voller Witz
und trotzdem kritisch den geschilderten Situationen gegenüber beschrieb das
Lied „Lachen“, wie durch die Vergnügungssteuer die letzte kostenlose
Domäne der Freude des Armen geraubt wird. Bei dem instrumentalen „Keep On
Gwine“ musste sich der Klavierspieler keine Gedanken um die Ausgewogenheit
der Lautstärke mit der Stimme machen und so konnte er seine ausgezeichnete
Fingerfertigkeit musikalische Kapriolen schlagen lassen. Ich gebe zu, meine
Finger wären schon beim 12. Takt verknotet gewesen (oder schon beim 2.?).
Die Featured Artists des Abends waren diesmal Midnight Fyre.
Noch nie gehört? Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass die beiden
Musikmenschen (hach, habe ich das nicht schön gegendert?) uns bisher als
Butterfly Moon bekannt waren. Nun haben sie aber kurzerhand beschlossen, den
ehemaligen Bandtitel als Titel ihrer ersten CD zu nehmen und sich selbst noch
mysteriöser eben Midnight Fyre zu nennen. Und diese erste CD stellten die
Beiden im Folk Club vor (obwohl sie käuflich erwerbbar erst im kommenden Jahr erscheint).
Um nicht bei jedem Liedtitel in Begeisterung ob der Darbietung zu verfallen,
fasse ich es hier einmal zusammen. Ash und Gaz singen keine Lieder, sie spielen
Lieder. Jedes einzelne Lied ist eine dargebotene Geschichte, die durch Stimme,
Gitarrenspiel und körperliche, schauspielerische Leistung einem Kurzmusical
gleicht. Die Gitarre versteht es durch rhythmische Gestaltung zu brillieren,
ohne sich aufzudrängen, versteht es durch Plectronpickung leise Töne mit
gestrummten, lauten Akkorden abzuwechseln und zu vereinen und versteht es, ein
Rolle in der jeweilig erzählten Geschichte zu übernehmen. Gareth (Gaz) führt
hierbei die Regie und ist so, obwohl meist eher ruhender Pol, ebenso ein
wesentlicher Teil der Geschichte. Im Vordergrund steht bei allen Minimusicals
aber Ashleigh (Ash), die sich selbst in eine ganze Schauspielgruppe aufteilt.
Mit witzigen und charmesprühenden Ansagen und Erläuterungen leitet sie in die
Handlung ein. Mit ihrer wechselfähigen Stimme führt sie durch die gesungenen
Handlungen und erläutert durch die Modulation der Stimme die Geschichten –
selbst, wenn die Zuhörer den Text nicht verstehen würden. Mit ihrer
Körperuntermalung ihres Vortrages betont sie die Dramaturgie der Geschichte.
Nun, ihr merkt, Ich bin nach wie vor begeistert von den Beiden. Ich hatte die
Ehre, bereits ihren ersten Auftritt im Folk Club im März 24 zu kommentieren,
und meine Begeisterung hat nicht nachgelassen. Nun aber zu den Stücken, die ich
hier einfach mal aufzähle, um die Lust auf die bald erscheinende CD zu
entfachen.
„Rotate The
Night“ ein Lied über die Erlebnisse in Griechenland, „Step
Out To The Silence“ die Geschichte über die Ruhe ohne allgegenwärtige
Information, „Still Gonna Be There“ die Erzählung über die Schönheit des
Lebens, „Go Your Way” angekündigt als britischer Folksong (und als der
Einzige des Abends, der nicht aus eigener Feder entsprang), “How’m I Gonna
Know” der Bericht über ihr Leben auf einem narrow boat. Anzumerken sei
hier, dass Go Your Way“ ein Lied von Robert Plant und Alison Krauss ist; also
im eigentlichen Sinne kein Traditionell – aber wie heißt es im Folk Club Bonn –
Folksongs sind alle Lieder, die das Folk(Volk) singt. Dann nach der Pause und
den Darbietungen anderer regionaler Künstler ging es in der zweiten Hälfte
weiter mit den Songs “Northern Lights” welches die Beiden allen Müttern
widmen, “Shine Your Lights“ mit dem sie den Beginn ihrer persönlichen
Beziehung besingen, „Feels Like Home” eine Ode an das Heimatgefühl bei
der Betrachtung des Ozeans, “Second Home” die Beschreibung des Lebens in
vielen Hotels (hier einem Hostel in Istanbul), “Happy Song”, welches so
heißt, weil es die Beiden beim Spielen immer glücklich macht und “Intertwine”,
welches nach der TV Show The Witch geschrieben wurde und dem Abend entsprechend
sehr magisch ist. Natürlich wurde Midnight Fyre nicht ohne eine Zugabe
entlassen, die sie zum gemeinsamen Singen durch das Lied “House Of The
Rising Sun” erfüllten. Da die Beiden immer mal wieder auf Reisen sind,
hoffe ich, sie noch oft im Folkclub zu hören.
Aber springen
wir zurück zum Beginn der zweiten Hälfte des Folk Clubs, welche durch den
Hausmagier – ähh, Hauspoeten – Wolfgang Schriefer eröffnet wurde. Mit
seinem Song „Die Magie der Ruhe“ (auf die Melodie von Paul Simons
„Sounds Of Silence“) begann er. Ein paar Mal verhaspelt, aber durch spontane
Kommentare gerettet und so sein Publikum zum Lachen gebracht, kommentierte
Wolfgang später seinen Auftritt mit den Worten „Menschen zum Lachen zu bringen,
ist auch eine Kunst“. Seinen Abschluss machte Wolfgang mit seinem Lied „I’m
Happy Just To Be With You“, welches im Original „Afterglow Of Your Love“
heißt und von Steve Marriott von den Small Faces stammt, welcher 1991 in seinem
Bett verbrannte (auch hier wieder die Weiterbildungsakademie des Folkclubs :-)
).
Daniel
Habermann hat die Lust am Folk Club entdeckt, und so kam er nun
wieder einmal auf die Bühne, um eigene Lieder zu präsentieren. Im Gegensatz zum
weiter oben beschriebenen Klavier kam er eher leise daher, was aber im Folk
Club nur bewirkt, dass das Publikum ebenso noch leiser wird, um dem Vortrag
andächtig zu lauschen. In seinem ersten Lied beschrieb er die Magie des
Lächelns, und genauso hieß der Song auch „S-M-I-L-E“. „Tender World“
ist eine Erzählung – oder Hoffnung? – über unsere Welt, wie sie wäre, wenn sie
sich nicht so hart präsentieren würde, sondern etwas zarter daherkäme. Seinen
dritten Song bestritt David mit dem Lied „The Universe“ in dem er auch
eine Welt in Frieden beschreibt. Ich mag die Musik von David sehr, da er die
Seele mit seinen leisen aber nichtsdestoweniger eindrücklichen Tönen berührt.
Die Magie des à
cappella-Gesangs durften wir schon häufiger in eben diesem Thema gewidmeten
Folk Clubs genießen. Aber auch ohne einen expliziten à cappella-Abend
begeistert Barber-Shop-Musik immer wieder. Und so auch im 160. Folk Club mit The
Wash Queens (Bettina Vogel, Miriam Mentel, Ulrike Koll, Ines Schoofs). Vier
tolle Stimmen, die den tonalen Raum des Barbershop-Gesangs herrlich abbilden,
entführten uns mit „Everything“ von Michael Boublé, mit „They Just
Keep Moving The Line” aus dem Musical SMASH und dem allseits bekannten “Sing,
Sing, Sing” von Louis Prima in eine träumerische Welt. Die Darbietung war
so genial, dass natürlich eine der im Folk Club eher seltenen Zugaben (selten?
hä???) hermusste. Diese erklang nach der Melodie und mit dem gleichnamigen
Titel “Lass mich Dein Badewasser schlürfen“ – allerdings mit einem Text,
der die Gleichberechtigung der Frau deutlich machte – dies hier zu beschreiben,
wäre nur möglich, in dem der gesamte Text abgedruckt würde. Deshalb empfehle
ich euch, das nächste Konzert der Wash Queens zu besuchen und euch das Lied
noch einmal genau anzuhören. Es war jedenfalls ein toller Spaß und
musikalischer Genuss.
Fast jeder
Fluss mündet irgendwann in ein anderes Gewässer, und oft sind solche Mündungen
Ansiedlungsorte für unterschiedliche Kulturen, die eben dort eine eigene, neue
Kultur begründen. Sehr bekannt ist dieses Phänomen im Mississippi-Delta. Aber so
weit mussten wir diesmal nicht reisen, denn Kai Hofstetter führte uns
wie gewohnt ins Main Delta, um uns dort mit seinem fränkischen Blues zu
beglücken. Kai wählt in seinen Liedern bodenständige Sagen und Aberglauben des
Alltags aus, die er mit eigenen Worten zu Liedtexten gestaltet und sie dann zu
bluesigen Rhythmen darbietet. Diesmal aber, nach seinen eigenen Worten, Rock
‘n‘ Roll. So beschrieb er mit dem Lied „Der Deifl un der Moust“, wie der
Teufel aus Apfelwein Champagner macht.
War’s das?
Natürlich nicht, denn alle gemeinsam huldigten dem Schirmherrn des Folk Clubs
mit dem Lied „Jock Stewart“ und erinnerten sich daran, dass nach dem
Folk Club vor dem Folk Club ist. Am 3. Oktober wird es dann wieder eine
Zitterpartie geben – nämlich steht dann die Waldzither ein weiteres Mal im
Fokus des Geschehens, um an unseren verstorbenen Steve Perry zu erinnern. Für
den 161. Folk Club hat Tim Liebert (Doc Fritz) aus Jena zugesagt, der
maßgeblich dazu beigetragen hat, die Waldzither in der Musik wieder salonfähig
zu machen.
Also, Out of the Bedroom und seid am 3. Oktober dabei
Euer Mario