Sonntag, 21. September 2025

Marios Bericht vom Folk Club Nr. 160 am 5. September 2025

 Magie ganz ohne Elektriktrick

Und? Kennt ihr ihn noch – Catweazle? Der Zauberer aus dem Mittelalter, der in das 20. Jahrhundert versetzt wurde und das Betätigen des Lichtschalters eben als Elektriktrick bezeichnete (natürlich meine ich das Original mit Geoffrey Bayldon und nicht die deutsche Neuverfilmung mit Otto Waalkes). Im Folk Club wurde dieser Elektriktrick wie gewöhnlich nicht angewandt und die Musik kam unverstärkt mit dem Biotrick aus den Personen selbst. Und das – auch wie immer – meist in ausreichender Lautstärke. Diese wurde nun vorgegeben vom Zeremonienmeister John Harrison, der – auch wie immer – die Begrüßung lautstark mit dem Ruf „Laaaddddieeees and Gentlemeeeen…..“  in den Raum rief. Nachdem so, schon wieder wie immer, für die notwendige Aufmerksamkeit gesorgt wurde, begann er den abendlichen Reigen mit dem kleinen Gedicht aus eigener Feder Release The Cudgeon” (heißt „Knüppel“ und ist Johns eigene Wortschöpfung).  Anschließend erinnerte er mit seinem schon etwas älterem, aber leider immer noch aktuellen Song „1001 Protest Song“ an die Greueltaten des Vietnamkrieges. 1001 im Titel, da John das Gefühl hatte, dass es bereits 1000 Protestlieder gab, aber sich nichts veränderte und so ein Zusätzliches trotzdem noch sinnvoll sei. Wieder in die unbegleitete Poesie stieg John dann mit seinem Song „Two Cents A Brew“ ein – eine Art Sprechgesang mit einem Refrain, den das Publikum mitsprechen durfte/ konnte/ sollte. Es geht in diesem Lied darum, dass der Teegenuss mal ein großer Luxus war und nun durch Eigenmarken in Supermärkten nur noch etwa 2 Cent pro Tasse kostet. Den Abschluss seines musikalischen Beitrages (moderiert hat er ja weiter) machte John mit dem ebenfalls aus seiner Feder stammenden „Trouble And Strife“. Ein Lied, welches einen anderen Krieg anprangert, nämlich den Jugoslawienkrieg. Und wieder einmal sehen wir, dass die Menschheit nichts lernt, ob Klimazerstörung oder Kriege (die natürlich auch gewaltig zur Klimazerstörung beitragen) – es geht leider immer weiter: Ukraine, Gaza, Afrika, Asien – überall wüten kleine oder große Zerstörungen.

Als Fotograf und Berichterstatter für viele andere Musikevents in Bonn war John Hurd in der letzten Zeit ziemlich beschäftigt, so dass er dem Folk Club einige Male nicht beiwohnen konnte. Umso erfreulicher war es, dass er diesmal nicht nur anwesend, sondern auch musikalisch aktiv teilnahm. Mit dem Bob-Dylan-Song If You See Her, Say Hello” präsentierte er uns wieder einmal seine musikalische Vielseitigkeit.

Als nächstes kam ein Überraschungsgast auf die Bühne, den John Hay mitgebracht hatte und diesen auch auf seiner Gitarre begleitete. Der 13jährige Keyaan begeisterte uns alle mit seinem Saxophonspiel und seiner Stimme. Zuerst in dem Stück „Careless Whisper“ - allen bekannt von dem großartigen George Michael – und hernach mit dem Song zum Mitsingen „Let It Be“ von den nicht weniger großartigen Beatles. Leider kommt Keyaan nicht aus Bonn, sondern war hier nur zu Besuch, so dass es ungewiss bleibt, ob wir ihm noch einmal lauschen dürfen.

Sicher noch öfter lauschen dürfen wir aber John Hay, der nun noch allein das „Hallelujah“ von Leonard Cohen spielte und sang. Es war ihm ein Bedürfnis, nachdem er diesen Song wegen der 2 Minuten Regelung beim Folk Club Nr. 150 nicht voll ausspielen konnte :-).

Holger Riedel kündigte seinen Kurzauftritt mit den Worten „Holger übt Klavier“ an. Nun Holger hat ganz gut Klavier geübt – das funktionierte mit dem gewählten Stück „Currywurst“ recht gut. Nur darf er noch etwas weiter üben, denn noch muss er sich sehr auf das Klavierspiel konzentrieren, so dass für den Gesang nicht ausreichende Konzentration übrigbleibt. Aber wie wir Holger kennen: er gibt nicht auf, so dass wir sicher bald beides (Klavier und Stimme) im Einklang hören werden. Ich finde es toll, dass Holger uns wieder einmal vor Augen geführt hat, dass der Folk Club Bonn eine Begegnungsstätte sowohl für Profis wie auch Hobbymusiker ist und die Betonung des Events auf dem Spaß miteinander liegt.

Einfach und Kantig sind die Musiker Dennis, Jakob, Michael und Kilian. Und so heißt dann auch ihre Band, mit der sie uns zuerst mit dem Lied „Flieh‘n nach Holland“ beglückten. Als Instrument kam unter anderem auch das Klavier zum Einsatz, und hier zeigte es sich, dass die rein akustische Darbietungsform des Folk Clubs die Notwendigkeit der „manuellen Lautstärkeregelung“ (Biotrick) beinhaltet. So ist der Folk Club auch eine Möglichkeit herauszufinden, ob und wie die einzelnen Instrumente in ihrer Lautstärke beherrscht werden können, um alle anderen Instrumente auch noch zum Zuge kommen zu lassen und auch der Stimme ohne Verstärkung ausreichend Raum zu bieten. Dies ist sicher eine gehörige Herausforderung für Bands, die laute Instrumente in ihren Reihen haben wie z. B. Klavier oder Cajon – im Falle von Einfach und Kantig ist beides vertreten. Mit anderen Worten, der Folk Club Bonn bildet musikalisch weiter – also, sollte jemand beim nächsten Folk Club länger arbeiten müssen, so beantragt einfach Bildungsurlaub und besucht den FCB :-).

Aber zurück zur musikalischen Darbietung. Abgesehen von der schweren Verständlichkeit des Textes durch die zu leise Stimme (oder war es doch das zu laute Klavier) waren die dargebrachten Lieder super. Voller Witz und trotzdem kritisch den geschilderten Situationen gegenüber beschrieb das Lied „Lachen“, wie durch die Vergnügungssteuer die letzte kostenlose Domäne der Freude des Armen geraubt wird. Bei dem instrumentalen „Keep On Gwine“ musste sich der Klavierspieler keine Gedanken um die Ausgewogenheit der Lautstärke mit der Stimme machen und so konnte er seine ausgezeichnete Fingerfertigkeit musikalische Kapriolen schlagen lassen. Ich gebe zu, meine Finger wären schon beim 12. Takt verknotet gewesen (oder schon beim 2.?).

Die Featured Artists des Abends waren diesmal Midnight Fyre. Noch nie gehört? Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass die beiden Musikmenschen (hach, habe ich das nicht schön gegendert?) uns bisher als Butterfly Moon bekannt waren. Nun haben sie aber kurzerhand beschlossen, den ehemaligen Bandtitel als Titel ihrer ersten CD zu nehmen und sich selbst noch mysteriöser eben Midnight Fyre zu nennen. Und diese erste CD stellten die Beiden im Folk Club vor (obwohl sie käuflich erwerbbar erst im kommenden Jahr erscheint). Um nicht bei jedem Liedtitel in Begeisterung ob der Darbietung zu verfallen, fasse ich es hier einmal zusammen. Ash und Gaz singen keine Lieder, sie spielen Lieder. Jedes einzelne Lied ist eine dargebotene Geschichte, die durch Stimme, Gitarrenspiel und körperliche, schauspielerische Leistung einem Kurzmusical gleicht. Die Gitarre versteht es durch rhythmische Gestaltung zu brillieren, ohne sich aufzudrängen, versteht es durch Plectronpickung leise Töne mit gestrummten, lauten Akkorden abzuwechseln und zu vereinen und versteht es, ein Rolle in der jeweilig erzählten Geschichte zu übernehmen. Gareth (Gaz) führt hierbei die Regie und ist so, obwohl meist eher ruhender Pol, ebenso ein wesentlicher Teil der Geschichte. Im Vordergrund steht bei allen Minimusicals aber Ashleigh (Ash), die sich selbst in eine ganze Schauspielgruppe aufteilt. Mit witzigen und charmesprühenden Ansagen und Erläuterungen leitet sie in die Handlung ein. Mit ihrer wechselfähigen Stimme führt sie durch die gesungenen Handlungen und erläutert durch die Modulation der Stimme die Geschichten – selbst, wenn die Zuhörer den Text nicht verstehen würden. Mit ihrer Körperuntermalung ihres Vortrages betont sie die Dramaturgie der Geschichte. Nun, ihr merkt, Ich bin nach wie vor begeistert von den Beiden. Ich hatte die Ehre, bereits ihren ersten Auftritt im Folk Club im März 24 zu kommentieren, und meine Begeisterung hat nicht nachgelassen. Nun aber zu den Stücken, die ich hier einfach mal aufzähle, um die Lust auf die bald erscheinende CD zu entfachen.

„Rotate The Night“ ein Lied über die Erlebnisse in Griechenland, „Step Out To The Silence“ die Geschichte über die Ruhe ohne allgegenwärtige Information, „Still Gonna Be There“ die Erzählung über die Schönheit des Lebens, „Go Your Way” angekündigt als britischer Folksong (und als der Einzige des Abends, der nicht aus eigener Feder entsprang), “How’m I Gonna Know” der Bericht über ihr Leben auf einem narrow boat. Anzumerken sei hier, dass Go Your Way“ ein Lied von Robert Plant und Alison Krauss ist; also im eigentlichen Sinne kein Traditionell – aber wie heißt es im Folk Club Bonn – Folksongs sind alle Lieder, die das Folk(Volk) singt. Dann nach der Pause und den Darbietungen anderer regionaler Künstler ging es in der zweiten Hälfte weiter mit den Songs “Northern Lights” welches die Beiden allen Müttern widmen, “Shine Your Lights“ mit dem sie den Beginn ihrer persönlichen Beziehung besingen, „Feels Like Home” eine Ode an das Heimatgefühl bei der Betrachtung des Ozeans, “Second Home” die Beschreibung des Lebens in vielen Hotels (hier einem Hostel in Istanbul), “Happy Song”, welches so heißt, weil es die Beiden beim Spielen immer glücklich macht und “Intertwine”, welches nach der TV Show The Witch geschrieben wurde und dem Abend entsprechend sehr magisch ist. Natürlich wurde Midnight Fyre nicht ohne eine Zugabe entlassen, die sie zum gemeinsamen Singen durch das Lied “House Of The Rising Sun” erfüllten. Da die Beiden immer mal wieder auf Reisen sind, hoffe ich, sie noch oft im Folkclub zu hören.

Aber springen wir zurück zum Beginn der zweiten Hälfte des Folk Clubs, welche durch den Hausmagier – ähh, Hauspoeten – Wolfgang Schriefer eröffnet wurde. Mit seinem Song „Die Magie der Ruhe“ (auf die Melodie von Paul Simons „Sounds Of Silence“) begann er. Ein paar Mal verhaspelt, aber durch spontane Kommentare gerettet und so sein Publikum zum Lachen gebracht, kommentierte Wolfgang später seinen Auftritt mit den Worten „Menschen zum Lachen zu bringen, ist auch eine Kunst“. Seinen Abschluss machte Wolfgang mit seinem Lied „I’m Happy Just To Be With You“, welches im Original „Afterglow Of Your Love“ heißt und von Steve Marriott von den Small Faces stammt, welcher 1991 in seinem Bett verbrannte (auch hier wieder die Weiterbildungsakademie des Folkclubs :-) ).

Daniel Habermann hat die Lust am Folk Club entdeckt, und so kam er nun wieder einmal auf die Bühne, um eigene Lieder zu präsentieren. Im Gegensatz zum weiter oben beschriebenen Klavier kam er eher leise daher, was aber im Folk Club nur bewirkt, dass das Publikum ebenso noch leiser wird, um dem Vortrag andächtig zu lauschen. In seinem ersten Lied beschrieb er die Magie des Lächelns, und genauso hieß der Song auch „S-M-I-L-E“. „Tender World“ ist eine Erzählung – oder Hoffnung? – über unsere Welt, wie sie wäre, wenn sie sich nicht so hart präsentieren würde, sondern etwas zarter daherkäme. Seinen dritten Song bestritt David mit dem Lied „The Universe“ in dem er auch eine Welt in Frieden beschreibt. Ich mag die Musik von David sehr, da er die Seele mit seinen leisen aber nichtsdestoweniger eindrücklichen Tönen berührt.

Die Magie des à cappella-Gesangs durften wir schon häufiger in eben diesem Thema gewidmeten Folk Clubs genießen. Aber auch ohne einen expliziten à cappella-Abend begeistert Barber-Shop-Musik immer wieder. Und so auch im 160. Folk Club mit The Wash Queens (Bettina Vogel, Miriam Mentel, Ulrike Koll, Ines Schoofs). Vier tolle Stimmen, die den tonalen Raum des Barbershop-Gesangs herrlich abbilden, entführten uns mit „Everything“ von Michael Boublé, mit „They Just Keep Moving The Line” aus dem Musical SMASH und dem allseits bekannten “Sing, Sing, Sing” von Louis Prima in eine träumerische Welt. Die Darbietung war so genial, dass natürlich eine der im Folk Club eher seltenen Zugaben (selten? hä???) hermusste. Diese erklang nach der Melodie und mit dem gleichnamigen Titel “Lass mich Dein Badewasser schlürfen“ – allerdings mit einem Text, der die Gleichberechtigung der Frau deutlich machte – dies hier zu beschreiben, wäre nur möglich, in dem der gesamte Text abgedruckt würde. Deshalb empfehle ich euch, das nächste Konzert der Wash Queens zu besuchen und euch das Lied noch einmal genau anzuhören. Es war jedenfalls ein toller Spaß und musikalischer Genuss.

Fast jeder Fluss mündet irgendwann in ein anderes Gewässer, und oft sind solche Mündungen Ansiedlungsorte für unterschiedliche Kulturen, die eben dort eine eigene, neue Kultur begründen. Sehr bekannt ist dieses Phänomen im Mississippi-Delta. Aber so weit mussten wir diesmal nicht reisen, denn Kai Hofstetter führte uns wie gewohnt ins Main Delta, um uns dort mit seinem fränkischen Blues zu beglücken. Kai wählt in seinen Liedern bodenständige Sagen und Aberglauben des Alltags aus, die er mit eigenen Worten zu Liedtexten gestaltet und sie dann zu bluesigen Rhythmen darbietet. Diesmal aber, nach seinen eigenen Worten, Rock ‘n‘ Roll. So beschrieb er mit dem Lied „Der Deifl un der Moust“, wie der Teufel aus Apfelwein Champagner macht.

War’s das? Natürlich nicht, denn alle gemeinsam huldigten dem Schirmherrn des Folk Clubs mit dem Lied „Jock Stewart“ und erinnerten sich daran, dass nach dem Folk Club vor dem Folk Club ist. Am 3. Oktober wird es dann wieder eine Zitterpartie geben – nämlich steht dann die Waldzither ein weiteres Mal im Fokus des Geschehens, um an unseren verstorbenen Steve Perry zu erinnern. Für den 161. Folk Club hat Tim Liebert (Doc Fritz) aus Jena zugesagt, der maßgeblich dazu beigetragen hat, die Waldzither in der Musik wieder salonfähig zu machen.

Also, Out of the Bedroom und seid am 3. Oktober dabei

Euer Mario

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