Goldener Herbst – Indian Summer - Waldzither
Ja,
das Thema des Folk Clubs im Oktober lautete „goldener Herbst“, und da ein
goldener Herbst dadurch gekennzeichnet ist, dass die grüne Blättervielfalt des
Sommers sich in tausende Farbtöne aus grün, gelb und rot verändert, erinnert
das Thema natürlich an den Indian Summer, welcher wiederum eine trockene
Periode des Spätherbstes im Norden der USA bezeichnet. Und der Indian Summer
war schon immer Anlass zum Komponieren und Singen schöner Lieder, die oft von
Heimat (Nah-), Fern- und Sehnsucht handeln. Und so sind wir den auch schon beim
zweiten Thema des Abends – nämlich der Waldzither. Ein Instrument, welches
gleichzeitig sehr heimatverbunden ist (Entstehungsregion und häufiger Einsatz
ist Thüringen bzw. das gesamte Vogtland) wie auch gleichzeitig reiselustig
daherkommt (deutschlandweit bekannt wurde sie ja erst durch den Herrn Böhm, der
das Instrument mit einer neuen Mechanik zur Saitenstimmung als Hamburger
Waldzither populär machte. Dort wurde sie dann auch als Begleitinstrument zu
lustig geträllerten Liedern ganzer Wandergruppen genutzt.
Nun
ist dieses zweite Thema durch den zurzeit oft nicht goldenen, sondern eher
feuchten Herbst ein wenig kurz gekommen, denn drei der geplanten Floor Spots
mit Waldzither fielen wegen Krankheit aus – aaaber – wett gemacht hat das der Featured
Artist des Abends, der nicht nur aus Thüringen angereist war, sondern auch
gleich zwei Waldzithern als Begleiterinnen im Gepäck hatte. 
Dazu
jedoch später mehr, denn wie gewohnt eröffnete unser Zeremonienmeister John
Harrison den Abend mit der lauten Begrüßungsformel „Laaaaadiiieeeees and
Gentlemen ……“, um dann mit eigenen Beiträgen die Moderation des Abends zu
beginnen. John ist ein Blueser durch und durch, doch diesen Abend eröffnete er
mit einem Folk-Protestsong von Leon Rosselson „The World Turned Upside Down“.
Eigentlich bezieht sich diese Lied auf das von Cromwell verordnete Verbot,
traditionelle Weihnachtslieder im England des 17. Jahrhunderts zu spielen. In
der Version von Leon Rosselson ist es aber mit einem neuen Text versehen,
welcher anprangert, dass das Land den Großgrundbesitzern gehörte und nicht von
allen genutzt werden durfte. Danach kam John aber wieder zum Blues zurück und
holte sich mit Christoph Thiebes mundharmonische Hilfe auf die Bühne.
Mit einem eigenen Text zu einer von uns allen erlebten Pandemie dichtete er den
Blues Corinna, Corinna schnell in „Corona, Corona“ um. Sehr klassisch
bluesig endete er mit „St. James Infirmary“ und bewies wieder einmal,
dass er nicht nur ein hervorragender Musiker, sondern auch ein Poet ist.
Nun
kamen Fomiander (Sonja Daniels, Karin Thomas, Mario Dompke) auf die
Bühne, die dem zweiten Thema des Abend huldigten. Mit einer eigens für die
Waldzither angepassten Version des norddeutschen Liedes „Dat du mien
Leevsten büst“ erlaubten sie dem Publikum gerne mitzusingen, warnten aber
davor, dass der Gesang wahrscheinlich immer wieder unterbrochen würde. So
geschah es auch, denn die Version von Fomiander bindet jede Strophe des Liedes
durch eine schnelle Tanzpassage ab und wechselt so regelmäßig aus dem ¾ Takt in
einen 6/8 Takt. Danach erklang ein langsames und
nachdenkliches Lied aus eigener Feder. „Von Osten nach Westen“
beschreibt die Gedanken über das Leben, welches mit jeden Tag im Osten neu
beginnt und abends im Westen ausklingt. Den Schluss der Waldzitherpräsentation
machte das Lied „Sailing To The Far Side Of The World“, welches noch
einmal das schnelle Zusammenspiel von Querflöte und Waldzither herausforderte.
Habe
ich weiter oben von John als Blueser durch und durch gesprochen, so kam nun mit
Rick Fines der Blues höchstpersönlich auf die Bühne. Alle Lieder selbst
geschrieben, beschreibt Rick Situationen aus seinem Leben, die – wie beim Blues
üblich – schwierige oder nervige Lebensabschnitte beschreiben. Aber ich will
hier mal nicht so sehr auf den Inhalt der Lieder „Never Let Go“, „Live
Forever“ und „Six Doors Down“ eingehen, sondern mich mehr dem Spiel von
Rick widmen. Auf einer Single Cone Dobro Gitarre zauberte Rick den Blues. Mit
einer Technik, die den Clawhammerstil des Banjo nachempfand (was wegen der
vorhandenen sechs anstelle von vier Saiten und der beim Banjo vorhandenen 5.
hochgestimmten Saite recht schwierig zu spielen ist) oder dem Einsatz des
Bottlenecks, mit einem den gesamte Dynamikbereich der Gitarre ausnutzenden
Fingerpickings in höchster Perfektion, ließ er so manchen Mund im Publikum
während seines Vortrages aus glücklichem Staunen offenstehen.
Da
wie oben berichtet drei Floor Spots wegen Krankheit ausfielen, war nun schon Tim
Liebert alias Doc Fritz an der Reihe. Eigentlich wollte er mit ein
paar fetzigen Bluesstücken die Einsatzbandbreite der Waldzither demonstrieren,
aber aus Ehrfurcht ob der Darbietung von Rick Fines besann er sich anders und
eröffnete seinen Reigen mit einem Weltenbummlerlied, welches die Momente
beschreibt, in denen an den noch so weit von zuhause entfernten Orten ein „Daheim“
Gefühl aufkommt. Ebenfalls aus seiner Feder war das folgende Lied „Oles
Boot“, in dem ironisch beschrieben wird, dass Ole sich schon mal einen Sarg
zimmert, damit er nicht irgendwann auf Mode von der Stange angewiesen sei. Da
dieser Sarg ausreichend groß ausgefallen war, lud er seine Frau zum Probeliegen
ein, allerdings gemeinsam mit etwas Proviant und ein paar Flaschen Schnaps, so
dass aus der Anprobe ein Fest wurde – die Moral: Das Leben kann so schön sein,
selbst wenn man über das Ende nachdenkt. Seiner Passion folgend stellte Tim im
Folgenden den instrumentalen Tanz „Im böhmischen Wind“ vor, dem sich
ohne Pause seine Interpretation des Volksliedes „Wenn alle Brünnlein
fließen“ anschloss. Natürlich war dies eine Aufforderung an das
sangesfreudige Publikum mitzusingen. Tim Liebert steht unter anderem für den
Erhalt regionalen Kulturgutes, und dazu gehören nun auch unsere schönen
Volkslieder – schade, dass so viele Menschen in diesen Liedern Ideologien sehen
und deshalb eine große Zurückhaltung existiert, diese Lieder wieder zu singen.
Glücklicherweise löst sich diese Zurückhaltung langsam und stückweise auf, auch
angeregt durch eine neue auch junge Folkszene, die gerade aus solchen Liedern
und Tänzen ihr Repertoire zusammenstellt. Ich mache an dieser Stelle mal einen
großen Sprung nach vorne und berichte im Zusammenhang auch gleich über das
zweite Set, welches Tim zum Schluss des Abends spielte. Dort setzte er genau da
an, wo er in der ersten Hälfte aufgehört hatte und spielte den „Winkelmann
Schottisch“ in Verbindung mit dem vogtländischen Lied „Winnerling“.
Ich könnte hier noch stundenlang schwärmen mit welcher Perfektion und Eleganz
Tim Liebert die Waldzither bedient und so mir und allen anderen Zuhörern
zeigte, dass auch alte Lieder in neuen Gewändern zu neuen kulturellen
Erlebnissen führen. Aber ich will den Bericht auch nicht mit meinen Emotionen
überfrachten und erwähne deshalb nur ganz sachlich, dass als nächstes Lied „S’Wertshaus“
mit dem angeschlossen Tanz „wüster Ritt“ dran war. Und dann kam wieder
ein eigenes Lied „Durch’s Delta der Gleise“ erzählt von einer Zugfahrt
und gipfelt in den Instrumental „In voller Fahrt“. Mit dem
Adventsschleifer „Jetzt, heut und hier“ (Schleifer ist ein Tanz) und
einem der schönsten Lieder, um einen gelungenen Abend zu beenden – nämlich „Ade,
nun zur guten Nacht“ - gab Tim zwei Zugaben, wobei das Publikum gerne auch
noch mehr gehört hätte. Wenn bereits durch frühere Darbietungen unseres
allseits beliebten und leider verstorbenen Steve Perry, sowie durch Leginstorp,
Muckenpensel und Fomiander die Waldzither Einzug in die kulturelle Landschaft
des Folk Clubs gehalten hat, so ist sie durch Tim Liebert nun dort für immer
verewigt.
Aber
springe ich zurück, denn eine weitere Folklegende wartete zu Beginn der zweiten
Hälfte bereits auf seinen Einsatz. Dieser kam aber erst, nachdem unsere
Zeremonienmeister John Harrison noch ein sehr schönes Herbstgedicht zum Besten
gegeben hatte („Autumn Colours“) und Wolfgang Schriefer aus dem
doch eher dem Genre Herzschmerz zuzuordnenden „Capri Fischer Lied“ mit
einem eigenen Text zur prekären Situation der Überfischung der Meere, ein
handfestes Protestlied gemacht hatte.
Dann
aber war es so weit, und Tom Kannmacher, ein Liedermacher und Folkpoet
der ersten Stunde, erläuterte ein weiteres in der Folkszene nicht alltägliches,
Instrument: die Basslaute – eine Rundbauchlaute in Gitarrenstimmung mit sechs
zusätzlichen Basssaiten, die nach Art der Harfe nur in ihrer eigenen Stimmung
als Bassbegleitung angezupft werden. Tom ist nicht nur ein hervorragender
Musiker, sondern auch ein Forscher deutschen Liedgutes. Heute allerdings ist er
auch wieder als Texter zu einer alten Melodie unterwegs. Das „Lied von einem
Bettelmann“ wurde so zum anklagenden Lied der „Ahrflut“ und
beschreibt die Situation, in der nach wie vor viele Betroffene sich befinden.
Häuser sind noch nicht wieder aufgebaut, Straßen und andere Infrastrukturen
noch nicht repariert und die Schuld noch nicht aufgearbeitet – so wird das
Lernen für die Zukunft, um solche Katastrophen zu vermeiden, nicht leicht. Nach
diesem Lied kehrte Tom zu seinem Genre der sehr alten Lieder zurück und sang
das „Winterquartier“, in dem beschrieben wird, wie sich Söldner in eben
Winterquartieren benommen haben und somit auch in den Kriegspausen weiteres
Leid über die Bevölkerung brachten. Den Abschluss machte Tom mit dem Stück „Nur
für Fremde“ und zeigte damit, wie aktuell heute noch und immer wieder die
Inhalte alter Lieder sind.
Tja,
hörte es denn an diesem Abend gar nicht auf mit den Höhepunkten? Lange nicht
mehr im Folk Club gesehen, kamen nun Meoneo (Claudia Huismann und Werner
Krotz-Vogel) auf die Bühne. Mit jazzigem und swingendem Rhythmus und Sound
begeisterten sie das Publikum. Mit ihrem eigenen Stücken „Become One“, „Blue
Moon“ und „Stay“ stellten sie mehrere Lieder aus ihrer neuen CD vor.
Und wer es noch nicht weiß – Werner spielte wie gewohnt eine super
Gitarrenbegleitung, die mit ausgefeilten Akkorden und Läufen den Charakter der
Lieder bestens unterstrichen. Claudia hat sich zu früher in meinen Ohren noch
einmal wesentlich weiterentwickelt. Mit welcher Stimmdynamik sie es versteht,
unterschiedliche Färbungen in den Gesang zu bringen, ist schon phantastisch. So
schaffte sie es durch ihre Stimmmodulation in dem Song „Blue Moon“ ein
witziges Zwiegespräch zwischen einer Mondliebhaberin und dem Mond selber zu
„spielen“.
Nun
kam noch Gerd Schinkel auf die Bühne, um eine wunderschöne
Interpretation mit einem eigenen deutschen Text des Liedes „Summer’s End“
von John Prine darzubieten. Gerd hat es sich ja unter anderem zur Aufgabe
gemacht, Liedgut aus fremdsprachigen Ländern mit deutschen Texten zu versehen,
um Musik und Inhalt auch denen nahezubringen, die eben die fremde Sprache nicht
verstehen.
Nach
Gerd kam noch einmal Tim – aber darüber habe ich ja weiter oben berichtet.
Bliebe vielleicht noch zu sagen, dass der Appetit, der durch Tims Auftritt
erweckt wurde, durch seine verschiedenen Projekte mit anderen Musikern, die oft
auf CD verewigt sind, gestillt werden kann.
Na
ja und, dass unserem Patron Jock Stewart wie immer zum Abschluss gemeinsam
gehuldigt wurde.
Und
auch wie immer: Nach dem Folk Club ist vor dem Folk Club. Am 7. November 2025
mit Juhana Iivonen aus Finnland – deshalb Out of the bedroom, rein in den Folk
Club
 
euer
Mario