Sonntag, 15. Juli 2012

Detlefs Bericht vom FC 28


Folk Club (Nr. 28) im Juli 2012 – Begeisterung durch Spontaneität

Wer hätte gedacht, dass ein Folk Club-Abend ohne Special Guest eine so runde Sache werden sollte? Jedenfalls war der Anmeldezettel gut gefüllt. Barry Roshtos Idee, möglichst Lieder zu spielen, die eine Bezug zum Telefon haben, war von den meisten Teilnehmen begeistert aufgegriffen worden, und so wurde ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Musikrichtungen präsentiert.  

Trotz des verlockenden Biergartenwetters hatte sich auch eine ansehnliche Gemeinde versammelt. Da aber die Terrasse des Hauses Müllestumpen zusätzlich außerordentlich gut besucht war, gab es mittlere bis größere Engpässe bei der Getränkeversorgung. Erhebliche Unruhe beim Publikum war die Folge und so drang Master John Harrison mit seinem Warm up nur anfangs nur etwas schleppend zum Publikums durch. Mit trockener Kehle ist nun mal die Aufmerksamkeit etwas behindert.

Dabei hatte John sich mit seiner Tochter Jenny eine einfühlsame Begleiterin am Klavier mitgebracht. John und Jenny starteten den Abend mit „Memphis Tennessee“, einem Klassiker von Altmeister Chuck Berry. Der Telefonbezug ist überdeutlich „Long distance information, give me Memphis, Tennessee“ lautet die Startzeile. In „Driving Wheel“ von David Wiffin geht es um einen Mann, der zu seiner Freundin fahren will, aber auf dem Weg dahin vielfältigen Widrigkeiten ausgesetzt ist. Also muss er sie anrufen, um ihr zu sagen, dass er sie liebt und dass sich seine Ankunft etwas verzögert. Bei „Hi Heel Sneakers“; einem Blues von Tommy Tucker, kommt kein Telefon vor, aber der Mann sagt seiner Freundin auch ohne technische Hilfsmittel, dass sie sich zum Ausgehen doch bitte schön machen möchte: „Put on your red dress, baby“. Super vorgetragen und begleitet.

Als nächster war Ralf Klein an der Reihe. Ralf, der zuvor offenbar monatelang um einen Auftritt herumgeschlichen war, konnte kaum glauben, dass seine Instrumentalstücke auf der Gitarre auch ohne Verstärker beim Publikum landen würden. Aber wie so oft bei leisen Stücken verstummte auch hier plötzlich das Gemurmel. Ralf bot eine wunderbar gespielte Zusammenstellung  verschiedener spanischer und südamerikanischer Klassiker, darunter auch „Garota de Ipanema“ des Brasilianers Antonio Carlos Jobim, und Eigenkreationen im Tango- und Flamecostil und erntete großen Applaus. Die Stücke hatten zwar keinen Telefonbezug, aber „Telefon“ war ja auch keine Bedingung. Die einzige Bedingung im Folk Club lautet: Keine Verstärker!

Bereits alte Folk Club-Hasen sind Lothar Heinrich und Gabi Tieboka, die schon mehrmals in unterschiedlichen Konstellationen im Folk Club aufgetreten waren. Diesmal wagten sich Lothar und Gabi an gute alte deutsche Kost heran: Mit dem als Duett gesungenen „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ aus der Operette „Im Weißen Rössl“ aus dem Jahr 1930 landeten sie gleich einen Volltreffer. „Green, Green Grass of Home“, von Curly Putman und bekannt in der Version von Tom Jones, trug Lothar dann allein mit viel Schmalz in der Stimme vor. Erneut als Duett begeisterten Lothar und Gabi mit dem Klassiker „Am Sonntag will mein Süßer mit mir Segeln geh’n“ aus dem Jahre 1929. Das Publikum war inzwischen warm geworden und sang den Refrain lauthals mit. Die Begeisterung verlangte nach einer Zugabe und erhielt sie mit dem Calvin Russel-Song „Crossroads“.

Eine wahre Entdeckung ist der junge Kolumbianer Alvaro Arango. Mit sicherer Gitarrentechnik und raumfüllender Stimme gab er sein Folk Club-Debüt mit dem Tom Waits-Lied „Telephone Call From Istanbul“ – Wir waren wieder zurück bei den Telefonliedern. „You Are Song“ lautete eine mit viel Gefühl gespielte Eigenkomposoition, und mit dem melancholischen „Simple Twist of Fate“ brachte er zum Schluss ein famos gespieltes und gesungenes musikalisches Opfer an den Folk-Gott Bob Dylan dar, der zwei Tage zuvor ein viel umjubeltes Konzert in Bonn gegeben hatte – dicker Applaus vom Publikum, verbunden mit der Hoffnung auf mehr in kommenden Folk Club-Treffen.

Pünktlich wie die Maurer tauchte dann plötzlich Theo Seitan mir der Gitarre auf dem Rücken zu seinem Auftritt auf, um mit einem einzelnen Lied seinen Beitrag zum Telefonthema zu leisten. Das Wise Guys-Lied „9 Live“ traf voll ins Schwarze und Theo brachte die Komik des Liedes über die unsägliche Anrufsendung, bei der „schwierige“ Rätsel zu lösen sind (wie heißt Boris Becker mit Vornamen?) und die naiven Anrufer in teuren Telefonwarteschleifen abgezockt werden, mit viel Witz ins Publikum.

Nach der Pause gab John Harrison zum Andenken an seinen sehr jung gestorbenen Freund Jonathan Ole Wales Rogers einige von dessen schönen Liedern zum Besten: „It’s Getting so Very Hard“, „Didn’t They Even Want to Know You“ und „Geoffrey“ lauteten die Titel.

Annette, die beim vorigen Folk Club ihr umjubeltes Debüt mit einem Instrumentalstück hatte, brachte uns mit 100 % Telefon zurück zum Thema: „Hygiaphone“ lautete der Titel der französischen Rockgruppe „Téléphone“ aus den 70er und 80er Jahren. In dem Lied geht es um die Sprechgeräte, die hinter Glasscheiben abgeschottete Schalterbeamte (z.B. bei der Post) mit den Kunden verbinden. Auf der Ukulele begleitete sie sich danach gekonnt zum Police- bzw. Sting-Lied „I Can’t Stand Losing You“. Besonders Viel Applaus bekam Annette anschließend für Annett(!) Louisans Lied „Drück die 1“ – großer Spaß für Publikum und Annette!

Als weiterer Folk Club-Debütant trat der ansonsten routinierte Gerhard Lemm aus Mehlem auf. Gerhard, eine publikumserprobte Rampensau, wie sie im Buche steht, fesselte die Menge augenblicklich. Das Lied von Jean Fauré: „Über sieben Schranken musst du geh’n“ persifliert mit viel Humor zur Melodie von Karat („Über sieben Brücken ...“) die Leiden des Bonner Südstadtbewohners (auch Lannesdorfer, Friesdorfer, Dottendorfer und Kessenicher jammern zu recht) wegen der Wartezeit an den Schranken. Ein wahrer Knüller war das Lied „Handy“, die Kreation der Eifel-Rockband „Wibbelstetz“ („Handy, Handy, jeder braucht n’ Handy“) zur Melodie von den Kinks („Dandy“). Gerhard konnte darin auch sein unverfälschtes Bönnsch Platt einsetzen – echter Folk! Mit seiner souverän beherrschten zwölfsaitigen Gitarre und mit sicherer, tragender Stimme sorgte er dabei für satten Sound. Für die unvermeidliche Zugabe angelte er sich Gabi Tieboka für ein Duett: „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen war schon fast eine Hymne an den Folk Club. Das Publikum sang den Refrain kräftig mit und war begeistert.

Danach war eine Steigerung fast nicht mehr möglich, aber nur fast! Daniel Mennicken, der bereits ein alter Bekannter ist, hatte sich Verstärkung in Person von Michael Isack mitgebracht. Beide wagten sich an anspruchsvolle Kost, die sie dank souveräner Gitarren- und Gesangskünste mit Bravour vortrugen: Stephen Stills’ „Haven’t We Lost Enough“ kam brillant gespielt rüber, und das Publikum wurde mucksmäuschenstill. Bei „Thirty Three“ von Smashin’ Pumpkins und „Add it Up“ von „Violent Femmes“ glänzten sie mit Musikalität, technischer Perfektion und Spielfreude – ein Genuss.

Perfekt war anschließend das Zusammenspiel der beiden zusammen mit Gerhard und Annette bei einer Kreativsession zum Abschluss des Abends, bei dem Barry Roshto, der diesmal eigentlich keinen Beitrag vorgesehen hatte, spontan eine „Jock Stewart“-Passage in den Refrain von „Lady in Black“ hineinwebte – perfekte Musikalität zum Abschluss eines ungewöhnlichen Abends, der eigentlich als ganz gewöhnliche Singers’ Night begonnen hatte. Aber wie so oft bekommt der Folk Club in seinem Verlauf eine ganz eigene Dynamik, die nur durch die besondere, inspirierende Kraft der Musik zu erklären ist. 

Wir freuen uns auf die nächste Auflage des Folk Club am 7. September mit einer weiteren Singers’ Night. Wir sind gespannt auf erneute angenehme Überraschungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen