Mittwoch, 31. Dezember 2014

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 53 am 5. Dezember 2014


Folk Club Nr. 53 – Simon Kempstons dritter Streich

Ab dem dritten Mal betrachtet der Rheinländer ein Ereignis als Tradition, wenn nicht sogar als Brauchtum (Achtung: Anwartschaft auf Weltkulturerbe). Simon Kempstons dritter Auftritt im Folk Club (und das jedes Mal im Dezember!) darf somit als traditionell gewertet werden. Die Gefolgsleute seiner Musik hatten sich denn auch zahlreich eingefunden. Diesmal war Simon mit seinem langjährigen Weggefährten Adam Nash erschienen, der zu Simons Gitarrenmusik die einfühlsame Begleitung lieferte.
Aber wie immer: Lasst uns von vorn beginnen!
Den Anfang machte wie gewohnt Master John Harrison, der nach adäquater Begrüßung zusammen mit Paolo Pacifico das Thema des Abends mit dem Lied „Whisky and Women“ einleitete, nach eigenem Bekunden wunderbar politisch unkorrekt („Give me strong whisky and weak women, everything will be just fine. Give me weak whisky and a strong woman You'll break this heart of mine”). John spielte auf seiner Tri Cone Resonator Gitarre und Paolo auf seiner geliebten Mundharmonika. Die beiden sind ein wirkliches Team. Damit war der Einstieg in das Thema des Abends – „Wine, Women and Whisk(e)y“ gleich geschafft.
Weniger witzig als das Einstiegslied war danach Johns Eigenkomposition „Trouble and Strife“. Der Text beschreibt die unglaublich traurige Situation im Sarajewo des Jahres 1991, als Scharfschützen von den Häusern aus wahllos Passanten abknallten. Paolo konnte hier seine wunderbare stimmliche Begabung bei der Gesangsbegleitung zeigen.
In der Folge hätte Arthur Schnitzler seine Freude gehabt, nur dass der anschließende kleine Reigen weniger erotischer als musikalischer Natur war und sich anders als bei Schnitzler der Kreis am Ende nicht schloss: Paolo (diesmal Gitarre und Gesang) setzte die Reihe zusammen mit Svenja Jesumann (Geige und Gesang) mit Bob Dylans Lied „One More Cup of Coffee for the Road“ fort. Svenja und Paolo harmonierten in den Duopassagen wunderbar.
Anschließend musste Paolo weichen und Svenja stimmte zusammen mit Bastian den einst von Lee Hazlewood und Nancy Sinatra gesungenen Klassiker „Summer Wine“ an – perfekt!
Damit war der kleine Reigen beendet und weiter ging’s mit unserem neuen Fan Lothar Prünte, der mit seiner unglaublichen Stimme „Whisky in the Jar“ anstimmte. er wählte dabei die fetzige Version von Thin Lizzy und brachte seine Stimme, die klang, als sei tatsächlich Whisky drin, perfekt zur Geltung. Das Publikum kam so langsam in Wallung und verlangte eine Zugabe, die es auch erhielt mit dem Lied „Black to Black“ der unvergessenen und unglücklichen Amy Winehouse. Eigentlich sollte es schwer fallen, ein Lied von Amy adäquat zu interpretieren, aber Lothar ist hierfür der Richtige. Mit seiner ungeheuer variablen Stimme, die auch in der Höhe klar und leicht tönt, gab er dem fantastischen Lied eine ganz eigene Prägung. Amy wird sicher am Himmelspöötzche geklatscht haben so wie das Publikum.
Zuwachs im wahrsten Sinne des Wortes gab es mit Annette, die zusammen mit Routinier Werner Krotz-Vogel im Folk Club ihr Debüt gab. Mama Claudia Huismann wird sicherlich mehr gebibbert haben als Tochter Annette, aber so sind Eltern nun mal. Mit noch etwas verhaltener aber schön geführter Stimme sang sie das vieldeutige Lied Lilac Wine von James Shelton, das von Liebeskummer handelt, der möglicherweise mit Wein erheblich erträglicher gestaltet werden kann. Mit Annettes schöner Stimme und Werners professioneller Begleitung wurde das kunstvolle Lied ein Erlebnis. Was haben wir doch für ein tolles Thema des Abends. Kaum ein Auftritt, der sich am Thema vorbeimogelt, wer will dies auch schon! Leider hatten die beiden nur das eine Stück im Gepäck. Hoffentlich gibt es eine Neuauflage.
Jörg  Bohnsack und Steve Perry steuerten danach ihre Interpretation des Themas mit dem Lied von Ian Tyson „Navajo Rug“ bei. Hier geht es etwas deftiger zu als im zarten, zuvor vorgetragenen Lied. Passend zum Country-Stil des Stückes spielte Steve seine Viola Caipira als Slide Instrument. Besonders schön klang der zweistimmige Refrain des Liedes.
Wir bleiben bei der Country-Musik, aber die Truppe um Jörg und Steve wird deutlich aufgebohrt: Thomas Bandholtz, Barbara Kloep, GW Spiller und Paolo Pacifico sorgen für den richtigen Sound beim Lied „Cigareets, Whuskey and Wild, Wild Women“ von Tim Spencer – eindeutiger geht’s nicht mehr. Dem Dreivierteltakt sei Dank – sofort kam Schunkelatmosphäre auf – der Karneval naht! Beim Einspielen schien GW Spillers Tuba besonders den bis dahin ganz ruhig zuhörenden Airedale Terrier mächtig zu beeindrucken – Das gute Tier wollte auf einmal auch mitsingen!
Kleiner Stilwechsel: Bei „Femme Fatale“ und „Pale Blue Eyes“ von Velvet Underground lebte die Zeit der 60er Jahre wieder auf! Zum Abschluss gab’s noch ein Stück der 17 Hippies: „Marlène“. Hierbei kam Barbaras Geige besonders schön zur Geltung.
Endlich durften die lang erwarteten Gäste aus Schottland ran: Simon Kempston begrüßte die Zuhörer auf Deutsch! Die viele Zeit, die er bei seinen Tourneen in deutschsprachigen Ländern zugebracht hat, ist offenbar nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Simon hatte erstmals seinen langjährigen Begleiter Adam Nash mitgebracht, der mit seiner Geige Simons Liedern einen zarten und eindringlichen Rahmen gab. „To The Wilderness“, „The Underdog Soldier“, „The Bleeding Mile“, „Roland“ und “A Young Soldier in Fort George” waren die Lieder des ersten Sets. Den zweiten Teil startete Simon mit einem wunderbar transparenten Instrumental-Intro („The Flotterstone“), das ansatzlos in das Lied „The Consequences of a Kiss“ überging – eine schöne Kombination. Die Titel der weiteren Stücke lauteten „Estranged“, „Ladies’ Lookout“, „Careless Interventionist“, „The Dust and the Paint“ und „Bus to Nairn“. Großer Applaus für die beiden begnadeten Künstler, die sich schon für den Dezember 2015 angemeldet haben.
Es ist beeindruckend zu erleben, wie sich Simons Musik weiterentwickelt und von Jahr zu Jahr immer neue Facetten hinzu kommen. Auch bereits bekannte Lieder klingen immer wieder anders. Simon erfindet stets leicht abgewandelte, kunstvolle Gitarrenbegleitungen. Überdies ist Adams Geigenspiel mehr als nur eine Umrahmung der Lieder, sondern formt ein filigranes Tongewebe, das Simons ausdruckvolle Lieder perfekt ergänzt.
Nach der Pause wurde es weihnachtlich: Unterstützt von Barry, Detlef und Paolo wurde „Stille Nacht, Heilige Nacht“ in drei Sprachen vorgetragen und das Publikum nahm die Aufforderung zum Mitmachen dankbar an.
Jutta Mensing, Mario Dompke und Janero del Rosario setzten das Weihnachtsthema fort und erinnerten mit einer Adaption von Mike Hardings Lied an Weihnachten 1914, als es zu dem vielzitierten weihnachtlichen, friedlichen Treffen der feindlichen Truppen zwischen den Schützengräben kam – herzergreifend.
Neulinge im Folk Club aber alles andere als Neulinge in der Musik sind Jan Hoffmann (Gesang und Gitarre) und Volker Lindner (Geige), die sich als Duo „Folkscheuche“ vorstellten. Es wurde aber niemand verscheucht und schon gar nicht der Folk. Im Gegenteil, mit ihrer fetzigen Musik machten sie Lust auf Mehr. Den Start bildete ein Instrumental, das sinnigerweise „Vogelscheuche“ hieß. „Urlaubsangst“ war der Titel des folgenden Liedes. Mit dem Lied „Wie beim allerersten Mal“ machten die beiden musikalische Anleihen bei englischer Volkstanzmusik (Jig) und leiteten am Ende über in ein Thema der Rockband East of Eden – sehr apart.
Ute (Flöte) und Genia (Gitarre) zeigten, dass auch rein instrumentale Stücke sehr einnehmend sein können. Sie spielten wunderbar melodisch alte und neue Tänze unter anderem mit französischen Wurzeln, wie den An Dro, den bretonischen Drehtanz. Eine Mazurka hingegen war eine französische Neukomposition. Den Abschluss bildete ein schottisches Stück von Andy Cutting und seiner Band Blowzabella.
Wieder ging ein Abend mit zahlreichen Überraschungen und musikalischen Glanzlichtern zuende, allerdings nicht ohne dass Musiker und Publikum den alten Rausschmeißer „Jock Stewart“ gebührend besungen hätten.
Wir freuen uns auf das sechste Jahr Folk Club Bonn.
Auf Wiedersehen im Januar 2015.

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