Donnerstag, 30. November 2017

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 85 am 3. November 2017


Folk Club Bonn am 3. November 2017 – Ein Abend zum Träumen

„Träume“ lautete das Motto des Folk-Club-Abends am 3. November 2017, aber dieses Motto ist an sich überflüssig, denn Musik hat immer etwas Traumhaftes – mit oder ohne Motto. Somit passten im Grunde alle Beiträge zum Thema des Abends, fast alle, denn der traditionelle Schlachtruf unseres Zeremonienmeisters John Harrison riss schlagartig alle Gäste aus ihren möglicherweise noch bestehenden Träumen.
Aber dann erlaubte John mit seinen Beiträgen dem Publikum, wieder zu andächtigerer Stimmung zurück zu kehren. „Angel in Disguise“ ist ein Lied eines Jugendfreundes von John namens Jonathan Ole Wales Rogers, der damit den für ihn unverständlichen Wandel seiner Freundin nach den Sommerferien beschrieb. Nur begleitet mit seiner Mundharmonika trug John das bekannte Lied „Come On In My Kitchen“ von Altmeister Robert Johnson vor.  Johnson hatte dieses Lied zur Gitarre gespielt und gesungen. Er war angeblich auch ein sehr guter Mundharmonikaspieler. Von seinen Künsten auf diesem Instrument existieren allerdings keine Tonaufnahmen.
Etwas überrascht waren die Zuhörer, als John sie mit einem kleinen selbst gedichteten Limerick konfrontierte. Ehe das Publikum realiserte, dass ein Gedicht begann, war es auch schon vorbei. Ja, so ist das mit den Limericks. Sie sind kurz und prägnant, und wer träumt, verpasst den Witz (donnerwetter, diese zwei Sätze sind ungewollt schon ein kleines Gedicht, fast ein Limerick). Daher hier noch mal der Text für alle, die geträumt hatten:
Der Titel heißt: „Mint Scented Temporal Limerick Rhyme Perfume“
„Rickie Rhyme had arms of thyme,
And like a clock
he ticked,
In Provence grew lavender,
But it was rosemary he picked.“

Ja, das war schon etwas für Leute, die bei englischen Wortspielen der höheren Art noch mitkommen. Vielleicht sollte John den Limerick mal bei seinen Dienstags-Englischkursen (sehr empfehlenswert – Ende des Werbeblocks) analysieren lassen. Vielleicht ist das aber bereits geschehen. Beim nächsten Folk Club werden wir John bitten, die Geschichte mal (auf Deutsch) für alle aufzudröseln, die nicht Anglistik studiert haben. Immerhin, er erklärte bereits vor seinem Gedichtvortrag, dass ihm erst nach der Fertigstellung des Gedichts klar geworden sei, dass der Bezug zu mint (Pfefferminz), den wir im Titel lesen, insofern einen Sinn ergeben hatte, als die anderen zitierten Pflanzenarten (Thymian, Lavendel und Rosmarin) zur selben Pflanzenfamilie wie die Minze gehören. Das unterbewusst Gewusste hatte sich, quasi über das Medium des Gedichts, seinen Ausdruck verschafft – sehr verwickelte Geschichte.
Etwas lockerer und weniger träumerisch ging’s danach beim „Stone Fox Chase“ zur Sache. Das ist ein wunderbares Instrumental von Charly McCoy, das John auf seiner Mundharmonika spielte. Bravo John und ein herzlichere Applaus von deinen Fans.
Blue Lavender hieß die nachfolgende Gruppe, die mit drei Harfen, einem Hackbrett und einem Kontrabass eine für den Folk Club recht außergewöhnliche Konstellation aufwies. Aber welch herrliche Melodien produzierten die fünf Frauen – wahre musikalische Träumereien! Nach dem ersten rein instrumentalen Stück mit genau diesem Titel „Musikalische Träumerei“ erklang die Komposition „Lavender’s Blue“ mit Gesangsbegleitung, bei der die Fünf noch männliche Stimmunterstützung erhielten. Das für viele sicherlich nicht ganz unbekannte „Scarborough Fair“ ist wie geschaffen für die Begleitung durch Harfen. Das letzte Stück war wieder rein instrumental und trug den Namen „Der letzte Tanz auf der Sonne“ – herrliche Musik für gute Stimmung. Toller Applaus für die Fünf bzw. Sechs verbunden mit der Hoffnung auf einen erneuten Auftritt.
Daniel Nowak aus Köln präsentierte uns seine eigenen Lieder zur Gitarre. Mit der „Der Kirschbaum“ präsentierte er eine musikalische Reminiszenz an seine Jugend in Norddeutschland. Das nachfolgende Lied über unerfüllte Wünsche kommentierte Daniel dann mit den Worten „Manchmal ist es besser, wenn ein Traum sich nicht erfüllt“, wie wahr.
Ganz ungeplant, unerwartet und daher umso froher begrüßt standen plötzlich zwei alte Gefolgsleute des Folk Clubs im Raum: Tatjana Schwarz und Ralf Haupts alias 2Sunny waren nach einem Jahr Auszeit mit Rundreise durch Europa wieder nach Bonn zurückgekehrt. Mit der Rundreise hatten sie sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Einer ihrer ersten Gänge nach ihrer Rückkehr führte sie zum Folk Club – wie rührend und wie schön. Natürlich gaben sie auch etwas zum Besten. Ralf hatte zwar kein Instrument dabei, aber im Folk Club gibt es immer genug Gitarren. „Ruhe nach dem Sturm“ lautete ihr wunderbares eigenes Lied, das schon mehrmals im Folk Club zu hören gewesen ist. Mit einem toll gesungenen und gespielten „Life, Oh Life“ von Des’ree beendeten sie ihren bejubelten Kurzauftritt. Wir dürfen nun wieder von wunderbaren Auftritten der beiden im Folk Club träumen.
Shay McVeigh aus Belfast in Nordirland lebt und arbeitet in Rheinbach. Zusätzlich zu seiner wunderbaren Musik arbeitet er als Maler, Grafiker und Bildhauer, ein echtes Multitalent also. Das Lied „Picasso“ handelt nicht vom unsterblichen Maler, sondern erzählt von einem Obdachlosen, der unter einer Brücke in New York lebt und sich in eine Schönheit auf einem Werbeplakat verliebt. Als das Plakat abgenommen werden soll setzt er durch, dass es bleibt – ein echtes Märchen, das aber tatsächlich so stattgefunden hat. Das Lied stammt von Citizen Cope. Ebenfalls ein Cover ist das Lied „The Lion’s Roar“ von First Aid Kit, einer schwedischen Mädchenband. Mit seiner sonoren Stimme gibt Shay den Liedern eine Atmosphäre, die an Bob Dylan erinnert – eine schöne Abwandlung von den Originalversionen. Applaus für Shay und seine wunderbare Interpretation der Lieder.
Axel Girnius, einer der Bluesgrößen aus unserer Region und Mitarbeiter des Godesberger Musikladens Musik Baum startete das nächste Set mit einem kunstvollen instrumentalen Blues-Walzer – ein wahrer Traum! Zusammen mit Bill (Norfried) Baum an der Slide Gitarre ging danach die Blues-Post ab, und John Harrison wurde gleich eingeladen, das Stück mit seiner Harmonika zu komplettieren – herrlich. „It’s all Right“ von Elvis Presley wurde danach nur von Axel und Bill intoniert. Das Publikum tobte! Wie Bill dem verdutzten Publikum erklärte, hatten eigentlich sie die Melodie erdacht, als sie sich 1954 nach einem anstrengenden Tag auf den Baumwollfeldern von Memphis mit einer kleinen Gitarrensession an einer Haltestelle niederließen und ein wenig entspannten. Damals kam ein Typ mit Schmalzlocke vorbei und hörte ihnen ein paar Minuten zu. Erst viel zu spät merkten sie drei Wochen später, dass dieser Typ mit ihrer Musik im Radio einen Hit gelandet hatte. Ist es nicht ungerecht? Aber immerhin, wäre die Sache anders verlaufen, wären die beiden vielleicht bereits im Himmel der Rockstars, und stattdessen würde jetzt der Typ mit der Schmalztolle beim Folk Club um einen Floor Spot betteln. Wie doch Kleinigkeiten die Weltgeschichte verändern können! – Wer Lust hat, kann die Geschichte ja weiterträumen. Wir aber kehren zurück zu den etwas irdischeren Realitäten: Die beiden schlossen ihr herrliches Set ab mit der Erkennungsmelodie der Blues Box aus dem legendären Pop Shop im seinerzeitigen SWF 3. Die Melodie stammt von BB King und Alexis Corner – das waren Pionierzeiten der Popmusik im öffentlich rechtlichen Radio. Axel und Bill, Ihr seid echte Könner und Kenner! Noch eine kleine Anmerkung für Gitarrenspezialisten: Durch die Anwesenheit von Bill und Axel und ihre kleine Gitarrenpräsentation vor dem eigentlichen Folk Club gab es erstmals gleichzeitig vier Martin Gitarren im Folk Club.  
Der heutige Tag, war der Tag der großen Gruppen. Als „Hauschor TONS“ (TONS steht für „The One Night Stand“) stellte Bernd Wallau aus Bad Godesberg sein Ensemble vor, das aus zahlreichen FC-bekannten Akteuren bestand und das Bernd zu einem tüchtigen Einweg-Projekt-Ensemble zusammengefügt hatte. Die Auswahl der Stücke hatte Bernd sehr folgsam am Thema des Tages ausgerichtet: Abbas „I Have a Dream“ erklang in wunderbarem mehrstimmigen Satz mit Bernds Klavierbegleitung. Selten gehört im Folk Club sind die wunderbaren Lieder der deutschen Romantik. Das Lied „Das Leben ist ein Traum“, ein Gedicht von Johann Christoph Wannovius und von Franz Schubert mit musikalischem Leben ausgestattet, durfte diese Lücke füllen. Bernd Wallau hat auch etwas dazu beigetragen, indem er die ursprüngliche Fassung für Klavier und drei Frauenstimmen zu einer Fassung für gemischten Chor a capella umgeschrieben hat – sehr professionell, aber Bernd der Schlingel, hat eine Strophe, die für die damalige Zeit bezeichnend ist, einfach weggelassen. Damit ihr nicht im Dunkeln wandeln müsst, hier der Text der weggelassenen Strophe:
„Wohl dem, der nach der Nacht
Des Grabes froh erwacht,
Den nicht die Stimme schreckt,
Die aus dem Schlummer weckt.“
Ja, ja mit dem Jüngsten Gericht haben wir es heute nicht mehr so, aber wir entkommen ihm nicht!
Erneut zurück auf die Erde: Bei „California Dreaming“ von den Muttis und Vatis (The Mamas and the Papas) merkte man, dass der Chor mit der Musik richtig Spaß hatte. Sogar eine kleine gepfiffene Einlage gab es. Das wunderbare Lied beendete der Chor mit einem herrlichen Wechsel in einen Dur-Schlussakkord – Gänsehautmäßig! Den letzten Traum präsentierte uns der Hauschor TONS mit dem Lied „Dream When You’re Feeling Blue“ von Johnny Mercer in einer Barbershop-Version – traumhauft! Großer Applaus für Bernd Wallau und den Hauschor TONS (trotz weggelassener Gerichts-Strophe). Schade, dass der Chor sich nur für den heutigen Abend zusammengefunden hatte.
Dieter Faring, unser Mann für verfeinerte Lyrik-Beiträge hatte sich diesmal etwas ganz besonders Feines ausgedacht: Im Wechsel mit seinen Rezitationen von Gedichten von Rainer Maria Rilke spielte sein Freund Emanuele Torrente (stammt aus Florenz, wohnt aber in Bad Godesberg) auf der Gitarre traumhafte Stücke von Manuel M. Ponce (Prelude Nr. 5), J. S. Bach (Präludium in C, BWV 846 und Andante, BWV 1003) und Heitor Villa Lobos (Etüde Nr. 1), Gitarrenmusik vom Feinsten. Dieter hatte seine Gedichte wunderbar passend zum Thema Träume ausgesucht und trug die nicht unkomplizierten, verschlungenen Texte frei und ohne Spickzettel vor. „Ich bin zuhause zwischen Tag und Traum“, „Rosennacht“, „Ich will du sein“, „Und wie mag die Liebe dir kommen sein“ und „Als Mahl begann’s“ war Dieters Auswahl der romantischen Gedichte, mit der er uns in eine Art verzückten Traumzustand versetzte – großartig. Bravo Dieter und Emanuele!
Nach diesem poetischen Feuerwerk hatten Gerald Löhrer und Karin Schüler die nicht ganz leichte Aufgabe zu bewältigen, das Publikum wieder ins Diesseits zurück zu holen. Aber auch Sie bemühten die Traumwelt mit dem Klassiker der Muttis und Vatis „Dream a Little Dream of Me“, Karins Kazoo riss uns zwischendurch aus unseren Träumen – herrlich. Weiter ging es mit den Träumen der Eurythmics. „Sweet Dreams“ heißt das wohl bekannteste Stück des Duos, das quasi beim Auseinanderbrechen der beiden entstanden ist – wohlgemerkt der Eurythmics, nicht von Karin und Gerald! Mit „Change The World“, dem von Eric Clapton bekannt gemachten Lied, beendeten Karin und Gerald ihr Set. Eurem Hofberichterstatter gefiel dieses Lied am besten von den drei Stücken der beiden. Angefangen vom herrlich gespielten Intro über das wunderbare jazzige einfühlsame Zusammenwirken der beiden Stimmen bis hin zu der immer wieder sparsam aber gekonnt eingeflochtenen Gitarrenbegleitung von Gerald – wirklich beeindruckend vorgetragen.
Mit einem einzelnen Lied präsentierte sich Klaus Simon, der bereits mehrfach im Folk Club aufgetreten war. „Unsicheres Erinnern von Traum zu Traum“ lautete die erste Zeile seines Liedes, das eine Verbindung zwischen einem Baum und einer Gewebestruktur im Gehirn des Menschen herzustellen versucht. Klaus thematisiert eine Beobachtung eines Baumes, der an einem abrutschenden Hang im Siebengebirge wächst. Der Hang bewegt sich so langsam, dass es dem Baum gelingt, sich durch neue Wurzeln immer wieder an dem Hang festzuklammern.
Den Abschluss des Abends bildete die Gruppe „Emdo“, bestehend aus sechs  (Freizeit-)Sängerinnen und vier Sängern um Uwe Johann. „A Sheiling“ ist ein Lied über eine Liebe im schottischen Hochland. Sheiling bezeichnet die Hütten im Hochland aber auch die Sommerweiden der Schafe, einen symbolischen lieblichen Ort also. Weniger lieblich ist der Löwe, der angeblich nachts schläft. „The Lion Sleeps Tonight“ ist ein Lied mit wechselvoller Geschichte aus dem Jahr 1939, beginnend mit einem finanziell fast leer ausgegangenen südafrikanischen Autor und Riesenerfolgen Jahrzehnte später, mit der Version der Tokens aus dem Jahre 1961 als bekanntester Fassung – und nun in vielstimmiger Präsentation von Emdo. Dank schöner Frauenstimmen konnte die Gruppe auf die Falsettstimme von Jay Siegel verzichten – Herrlich! Ja, und was öfter vorkommt im Folk Club, es gibt Dubletten. Diesmal betraf es das Lied „Sweet Dreams“ von den Eurythmics. Das war aber alles andere als ein Beinbruch, denn Emdo präsentierten das Lied in einer völlig anderen Fassung als Karin und Gerald, als kunstvoll verschlungene a capella Version – beeindruckend! Etwas Deutschsprachiges hatten sie auch im Gepäck und dann gleich von den Bläck Fööss: „Kütt joot heim“. Das war natürlich auch was zum Mitsingen. Bravo Emdo!
Der Abend war aber noch nicht ganz zu Ende. Es hatte sich ein junger Mann aus Belgien zum Folk Club gesellt, der mit einer Gruppe anlässlich der Weltklimakonferenz mit dem Fahrrad aus Wallonien nach Bonn gekommen war. „A Heart of Gold“, das legendäre Lied von Neil Young war der Beitrag von Noe aus Belgien zum Folk Club Nr. 85.
Es ist schon beeindruckend. Der Folk Club hatte eigentlich zwei Featured Artists eingeplant, die beide abgesagt hatten. Dennoch war ein hochkarätiges Programm zusammengekommen, und das alles ohne Kommerz.
Ja, und dann ging es nicht heim, ohne den guten Jock Stewart ordentlich hochleben zu lassen – „A Man You Don’t Meet Every Day“.
Auf Wiedersehen beim Folk Club Nr. 86 im Dezember erneut mit unserem besonderen und nun schon für den Dezember traditionellen Gast Simon Kempston aus Edinburgh.

1 Kommentar:

  1. ".....werden wir John bitten, die Geschichte mal (auf Deutsch) für alle aufzudröseln, die nicht Anglistik studiert haben."

    Mint scented temporal Limerick rhyme perfume

    Rickie Rhyme had arms of thyme
    and like a clock
    he ticked
    in Provence grew lavender
    but it was rosemary he picked


    Minze-duftendes temporales Limerick-Reim-Parfüm

    Rickie Rhyme hatte Thymianarme
    und wie eine Uhr
    Er tickte
    In der Provence wuchs Lavendel
    aber es war Rosmarin, den er pflückte


    John Harrison

    AntwortenLöschen