Mittwoch, 3. Juli 2019

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 103 am 7. Juni 2019


Folk Club Nr. 103 – Pflanzen und wilde Hühner

Das Bezaubernde am Folk Club ist, dass es jedes Mal Überraschungen gibt, meist sind es schöne. Aber auch die Überraschungen, die zunächst weniger schön erscheinen, bekommen dann oftmals doch einen positiven und bereichernden Aspekt – soweit für den Beginn etwas kryptisch. Insgesamt bewies der Abend im Juni aber wieder, welch einem Fundus an musikalischem Talent der Folk Club an die Öffentlichkeit verhilft und welche Freude für ein großes und treues Publikum allmonatlich ohne großen Aufwand bereitgestellt wird – hiermit endet der Werbeblock in eigener Sache.

John Harrison und Muse Eva Henneken gaben den Startschuss des Abends mit einem Lied von Martin Donelly, einem irischen Sänger, der vor Jahren den Folk Club beehrt hatte: „The Green Man“ lautet der Titel der Ballade über eine Figur aus der heidnischen Naturmythologie, die in Darstellungen oftmals mit Pflanzendekoration versehen wird – sinnigerweise sogar vielfach an Kirchen. Eine weitere Ballade zum Thema des Abends, „Pflanzen“, war „Everything That’s Made of Wood Was Once a Tree” ein veritabler Blues von einem Herrn namens Cousin Joe, der mit richtigem Namen Pleasant Joseph hieß. Ist das nicht ein schöner Name? Aber was so ein richtiger Blues ist, der muss auch eine Referenz an das Ende alles Irdischen machen, und so wird im Lied auch daran erinnert, dass auch der Sarg ein modifizierter Baum ist. Ja, mit Holz ging es weiter, dem Holz eines Galgens und einer Geige, im Lied „MacPherson’s Farewell“. Das Lied berichtet von einem jungen Mann, der als schottischer Robin Hood agierte und letztlich gefangen und am Galgen hingerichtet wurde. Der Text soll der Legende folgend vom Delinquenten selbst verfasst worden sein. Verbürgt ist aber, dass der schottische Nationaldichter Robert Burns Hand bzw. Feder an das Gedicht gelegt hat. Passend zur Jahreszeit präsentierte John zu guter Letzt sein berückendes Gedicht über die Mauersegler, die für uns in Bonn und in vielen Städten die typische Geräuschkulisse des Sommers bilden und die ein rätselhaftes Leben fast ausschließlich im Fluge leben.

Gert Müller, unser bönnscher Gedichterezitator, hatte ein Gedicht über Siegfried parat – natürlich op bönnsch Plaat. Das berühmte Lindenblatt saß, wie könnte es anders sein, an einer ganz anderen Stelle als uns das Nibelungenlied weismachen will, zum Piepen! Mit Heinz Erhardts Gedicht über den Urwald, an dessen Urbäumen Urlaub hängt, rundete Gert (Urgert?) seinen Beitrag zum Thema Pflanzen ab.

Nun ja, mit Pflanzen hatte Lothar Prüntes (alias ELPI) Beitrag nur sehr indirekt zu tun. Man könnte darauf kommen, dass das Pferd in „A Horse With no Name“ von der Gruppe America ja ein Pflanzenfresser ist. Aber es kommen auch einige Textstellen im Lied vor, die auf die Vegetation zum jeweiligen Zeitpunkt eingehen. Wie dem auch sei, Lothar ist ein toller Barde und begeisterte mit seiner Interpretation des berühmten Liedes aus dem Jahr 1971. 

Bei Hans Ihnen kam auch unser Klavier zur Geltung, auf dem er sich zu John Lennons Klassiker „Imagine“ begleitete. Das Lied hat zwar nichts mit Pflanzen zu tun, es geht nur schlicht unter die Haut. Durchaus zum Thema passten die Lieder „Wildflowers“ von Tom Petty und der „Garden Song“ von John Denver. Bravo Hans, für die schönen Beiträge.

Die nicht so schöne Überraschung, die ich eingangs andeutete, bahnte sich an, als Mario Dompke verkündete, dass dem Trio Damen mit Bube wegen Krankheit die Damen abhandengekommen waren. Somit müsse er jetzt als Bube ohne Damen mit einem eilig neu gestrickten und eingeübten Programm allein auftreten. Dickes Lob an Mario, wie er die Situation meisterte. Bei dem irischen Double Jig ging’s noch ein wenig holprig, aber „Gabriellas Song“ aus dem Film Wie im Himmel kam in Marios instrumentaler Gitarrenversion als wahrer Gänsehautfaktor daher. Mario bewies, dass er ein wunderbarer Gitarrenvirtuose ist. Ebenfalls sehr schön harmonierte sein Gitarrenspiel mit der Stimme der spontan eingesprungenen Uta Schäfer bei „The Water is Wide“ – Bravo Mario und auch Uta für euren Beitrag.

Reine Instrumentalmusik an Gitarre und Gitarrenbass präsentierten Hans Steege und GW Spiller. Hans‘ Eigenkompositionen Tragen keine Namen sondern sind durchnummeriert. „Nummer Eins“, „TASCAM 0055“ und „TASCAM 0049“ lauten die Titel. Dahinter verbergen sich schöne, ruhige Melodien, die Hans mit Fingerpicking vortrug – viel Applaus für die beiden.

Wenn sich John Hay ankündigt, gibt es immer eine schöne Überraschung. Diesmal präsentierte er eine Gruppe mit Namen „World Music“ bestehend aus ihm selbst an der Gitarre, Budi Rosadiaván am Klavier, Alex Paris am Schlagzeug und Carolin Schaulandt mit ihrer grandiosen Stimme. Unterstützt wurden die Vier von Allzweckwaffe Eva Henneken an der Geige. Mit „Fly Me to the Moon“, dem unsterblichen Klassiker von Bart Howard gingen sie an den Start. Bei „Shallow“ von Lady Gaga konnte Carolin ihrer Stimme freien Lauf lassen. Das ging fast noch besser bei dem arabischen Hit „Habibi“ (Liebling). Der Weg durch die Welt führte dann nach Frankreich mit dem Lied der Sängerin ZAZ „Je Veux“. Als Zugabe gab es dann noch „Hallelujah“ von Leonhard Cohen. Großer Applaus für die Fünf und für ihre musikalischen Leckerbissen. 

Nicht enttäuscht wurden die Zuhörer vom „Featured Artist“ des Abends, Cynthia Nickschas mit ihren „Friends“ Christoph Wegener am Bass, Alwin Moser an der Geige und Johannes Schmidt an der Trompete. Kurz zusammengefasst kann man nur sagen: Phänomenal! Cynthia hat sich zu einer rasanten und selbstbewussten Musikerin mit unglaublicher Kreativität, Ausdrucksstärke, grandioser und variabler Stimme, frechen Texten, schwungvollen Melodien und einer wahnsinnig professionellen und einfühlsamen Band entwickelt. Ja, die Band verdient eine besondere Erwähnung. Besonders beeindruckt hat mich Johannes, der seine Trompete so zurückhaltend und zart zu spielen versteht, dass Cynthias Befürchtung, ohne Verstärkung Probleme zu bekommen, völlig unbegründet war. Auch um Geiger Alwin und Bassist Christoph kann man Cynthia beneiden. Wenn Ihr fragt, wen ich denn mit den wilden Hühnern gemeint haben könnte, dann liegt ihr richtig, wenn ihr auf Cynthia getippt hattet. Aber das ist ja nur ein Huhn. Das andere kam aus dem Publikum auf die Bühne und war die kleine Tochter einer Freundin von Cynthia, offenbar Cythias größter Fan im Fanclub, der die Truppe begleitete. Sie musste unbedingt mit auf die Bühne und konnte alle Lieder auswendig – herrlich! Ja soll ich hier jetzt noch eine Litanei über die einzelnen Lieder ablassen? Ich tue es nicht. Cynthia schüttete jedenfalls ein Füllhorn über dem Publikum aus und beließ es nicht bei den ursprünglich vorgesehenen drei Liedern im ersten und vier im zweiten Teil des Abends. Ein paar Glanzlichter will ich doch noch speziell erwähnen. Bei „Eigentlich“ wurde sie von Alwin, dessen Hauptinstrument die Geige ist, virtuos am Klavier begleitet. Beim Lied „Wie so oft“ fuhr Cynthia ihre Stimme zu einer vulkangleichen Eruption aus – und klagte hernach, dass sie gar nicht mehr gewohnt sei, ohne Verstärkung zu spielen. Nun, das konnte man auch als „fishing for compliments“ interpretieren – Komplimente, die aber absolut ihre Berechtigung haben. Cynthias Stimmvulkan wurde durch Johannes‘ samtweiche Trompete unterstützt. „Stock im Arsch“ lautet der ziemlich drastische Titel, der aber durchaus realistisch die Situation beschreibt. Hier wechselte Johannes das Instrument und zeigte sein Können am Flügelhorn mit einem hörenswerten Solo.

Wer mehr wissen und hören will, der sollte Cynthias CD „Egoschwein“ kaufen. Die Truppe durfte sich im Übrigen gerade über den Förderpreis der Liederbestenliste freuen, herzlichen Glückwunsch. Cynthia und Friends treten im Übrigen am 3. Juli 2019 um 19.00 Uhr in der Reihe „Musik im Park“ am Trinkpavillon im Bad Godesberger Stadtpark auf. Der Eintritt ist frei, und es geht ein Hut rum.

So ging wieder ein Abend mit einer großen Ladung Glückshormone zu Ende, aber nicht ohne eine gemeinsame Huldigung an den liebgewonnenen Patron des Folk Clubs, Jock Stewart. 

Auf Wiedersehen am 5. Juli mit einem Abend der überwiegend ohne instrumentale Begleitung stattfindet und für den wir wunderbare Stimmen erwarten.

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