Freitag, 4. November 2022

Detlefs Bericht vom Folk Club am 7. Oktober 2022

Folk Club Nr. 128 im Oktober 2022 – Es gibt wieder Zuspruch

Langsam nimmt der Folk Club nach den Monaten der Corona-Einschränkungen wieder Fahrt auf. Ein solch volles Programm wie heute hatten wir lange nicht. Juhana Iivonen (kleine Lesehilfe: der Nachname beginnt mit einem doppelten i. Juhana berichtete, dass viele Menschen den ersten Buchstaben als ein L ansähen) aus Finnland konnte einen Auftritt nachholen, der vor einigen Monaten abgesagt werden musste, und das Publikum durfte einige neue Gesichter begrüßen. Auch der Saal füllt sich inzwischen wieder etwas mehr. Aber wie immer der Reihe nach, und die beginnt – ebenfalls wie immer – mit John Harrison.

„Ricky Rhyme“ ist ein von John verfasstes Gedicht in Form eines Limericks, das von Wortspielen und Anspielungen nur so wimmelt – witzig und immer wieder gern gehört. Der vollständige Titel des Gedichts lautet übrigens etwas umständlich „Mint Scented Temporal Limerick“, und das ist schon wieder fast eine Handvoll von Wortspielen. Bei Janis Joplins Lied „Mercedes Benz“ schnappte er sich die verdutzte Svenja Jesumann aus dem Publikum, die sein „Angebot“ nicht ablehnen konnte und das Lied a capella mit ihm zusammen sang. Alle Achtung, Svenja, dass du das aus dem Stehgreif kannst! „If“ ist das bekannte Gedicht von Rudyard Kipling über die Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn für das Erwachsenwerden. Um dem Publikum die leicht verschachtelten Verse mit zudem nicht alltäglichem Vokabular näher zu bringen, hatte John diesmal eine Übersetzung ins Deutsche mitgebracht, die Detlef vor dem englischen Originaltext vortragen durfte.

Weiter ging’s mit einem Gedicht (aus Johns Feder), diesmal über einen Spiegel, den man nicht als traurig bezeichnen dürfe „Don’t Call A Mirror Sad“ lautet der Titel. Na, ja, wenn man bedenkt, was sich die Spiegel so alles anschauen müssen, da brauchen sie schon viel Geduld, um nicht dann und wann doch traurig zu werden. Zurück zur Musik kam John dann mit dem Lied „Donkey Riding“, einem Sea Shanty. Bei seiner Tour durch die Welt nimmt das Lied die Häfen in diversen Ländern mit angedichteten Eigenschaften gehörig auf die Schippe. John singt es a capella und schlägt den Rhythmus mit zwei Löffeln, mal etwas Anderes!

Ein ukrainisches Liebeslied wurde uns von John Hay, Eva Henneken und Marina Eckhart präsentiert. Eva hatte dazu sogar den Text in ukrainischer Sprache gelernt (auch hier: alle Achtung!). Der junge Mann wird von seiner Angebeteten zuerst verschmäht, aber dann geht es am Wochenende danach plötzlich ganz schnell, und schwupps, sind sie verheiratet.

Eine nicht alltägliche Musik präsentierte Ry(land) Burhans aus Ohio in den USA (er lebt in Bonn): Mit seiner Fiddle und seiner prägnanten Stimme erweckte er die traditionelle Musik der Appalachen zum Leben. John hatte Ry aufgegabelt, als dieser in Bad Godesberg Straßenmusik gemacht hatte. Bei der Gelegenheit gab es gleich wieder eine Anekdote über die Bonner Genehmigungspraxis für Straßenmusikanten zu hören. Immerhin hatte im vergangenen Juli ein findiger Geschäftsmann in Godesberg für den Platz vor seinem Geschäft eine Genehmigung erworben, und diverse Straßenmusiker durften sich dann dort austoben. Darunter war auch Ry, den John bei dieser Gelegenheit für den Folk Club interessiert hat. „Jeff Sturgeon“ ist eine sehr rhythmische Tanzmelodie, bei der man die Beine im Geiste nur so fliegen sieht. Bei „Police“ gibt es auch einen gesungenen Text, der aber der für unsereinen etwas gewöhnungsbedürftig ist: Die Polizei kommt am Morgen, aber weil ich nicht mitgehen will, schieße ich den Beamten schlicht und einfach mit einem Revolver in den Kopf. Nicht weniger absurd, aber witzig sind die übrigen Strophen. „Chinquapin Hunting“ ist ein rein instrumentales, rasantes Stück. Chiquapins sind kleine Eichen mit essbaren Nüssen, die in den Appalachen wachsen. Etwas traurig ist das Thema des Liedes „Soldier’s Joy“, denn darin geht es um den Missbrauch von Morphium durch die Soldaten im amerikanischen Sezessionskrieg. Das Zeug war frei verfügbar und billiger als Bier. Die Soldaten konnten sich damit ein Weilchen von den grauenvollen Gemetzeln ablenken. Super Auftritt von Ry, das Publikum war begeistert!

Ebenfalls stürmischen Beifall erntete die jetzt zwölfjährige Yawen mit ihren Interpretationen von „Count On Me“ von Bruno Mars und „Can't Help Falling In Love“ von Elvis. Fantastisch, wie sie die großen Fußstapfen meisterte. Wir werden sicher noch viel Schönes von ihr zu hören bekommen.

Aus Wien waren Marina Eckhart und Alex Bartunek (alias Under Violet Skies) angereist, um am Tag nach dem Folk Club hier in der Nähe aufzutreten. Der Folk Club diente für sie sozusagen als Aufwärmgelegenheit. Zusammen mit Allzweckwaffe Eva Henneken an der Geige (und bei einem Lied sogar an der Flöte) spielten sie von Marina verfasste Lieder. „I Am Floating“, “Just One Moment”, „Why You Are My Violet Sky” und Your Bitter Taste” waren einige Kostproben aus dem bereits umfangreichen Repertoire des Duos.

Diesmal war Ralf Haupts allein zum Folk Club gekommen, da seine Partnerin im Duo 2Sunny, Tatjana Schwarz, leider erkrankt war. Daher gab es nicht die von vielen erwarteten Lieder mit Tatjanas wunderbarer Altstimme. Ralf widmete sich mit großem Engagement gesellschaftskritischen Liedern. Zur aktuellen Lage passte dabei natürlich Boris Vians Lied „Der Deserteur“ in deutscher Übersetzung. Das Lied, das sich vor allem gegen die Kolonialpolitik Frankreichs richtete, sorgte nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1954 für viel Aufruhr und durfte bis zum Ende des Algerienkrieges im Jahr 1962 nicht im französischen Radio gespielt werden – so viel zu bürgerlichen Rechten und Pressefreiheit in den Ländern des „freien Westens“. Das Lied und seine Geschichte sind aktuell wie nie.

Franz Josef Degenhardt zu ehren, der im Dezember 90 Jahre alt geworden wäre, spielte Ralf dann zwei seiner Lieder: „Wölfe mitten im Mai“ und „Deutscher Sonntag“. Man kann Degenhardt mögen oder nicht. Aber er war ein Mann, der mit scharfer Satire, bissigem Witz oder mit bösen Allegorien wie bei „Wölfe mitten im Mai“ den Finger in die Wunden legen konnte.

Juhana Iivonens Auftritt im Folk Club sollte eigentlich schon vor Monaten stattfinden, aber Ihr wisst ja, was los war. Jetzt war es endlich soweit für den besonderen Gast des Abends. Juhana begann seinen Auftritt mit einem dicken Lob an Yawen und meinte, dass es schon eine Herausforderung sei, nach ihr auf die Bühne zu kommen. Er traute sich, wie zu erwarten war, dennoch und startete mit seinen ruhigen und sehr ergreifenden Liedern in englischer und finnischer Sprache. „Taste This World With Love“ lädt ein, zu bleiben und die Welt positiv zu verändern. Besonders apart fand euer Berichterstatter das Lied „Moonlight“ das mit wunderbaren chromatischen Wendungen garniert ist. Juhana spielt ein herrlich transparentes Fingerpicking zu seinen Liedern. Zwei Lieder in finnischer Sprache – Lieder, die vor hundert Jahren von einer finnischer Revolutionärin und Feministin verfasst wurden – begeisterten, auch ohne dass das Publikum die Worte verstand. Allein Juhanas Musik schaffte es, die Stimmung und die Intentionen der Lieder zu vermitteln – vielleicht stellt Juhana die Texte einmal mit einer Übersetzung ins Englische auf seine Website. Ein weiteres Lied auf Finnisch mit dem Titel „Meri“ (Meer) hatte Juhana speziell für unseren Mitstreiter Steve Perry verfasst, der an diesem Abend nicht dabei sein konnte. Eva Henneken und John Harrison begleiteten ihn dabei. Weitere Titel waren „In The Morning Hours“,  „Dream We Lived” und „Taxi Drive”. Großer Applaus für Juhana verbunden mit dem Wunsch, den Folk Club bald wieder zu besuchen!

Aber der Abend ging natürlich nicht zu Ende bevor die Gemeinde ein Loblied auf den Patron Jock Stewart geschmettert hatte.

Nun, tief durchatmen, der Folk Club lebt und gedeiht trotz Corona. Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe am 4. November 2022.

 

 

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