Samstag, 25. Januar 2025

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 153 am 3. Januar 2025

 

Folk Club Bonn im Januar 2025 – die spanischsprachige Welt

Das Motto hatten wir auf Wunsch unserer Featured Artists gewählt, die bei ihrem Auftritt das Thema auch vollumfänglich genutzt haben. Natürlich haben sich auch andere Künstler bemüht, etwas zu dem Thema beizutragen. Über das Resultat erfahrt ihr im Verlauf des Berichts.

John Harrison, der wie üblich den Abend eröffnete, hat mit seinem Einstiegslied jedenfalls gar nicht erst versucht, eine Verbindung herzustellen. „The Folker“ von Fred Wedlock, nutzt die Melodie des Liedes The Boxer von Simon and Garfunkel und pflanzt darauf einen witzigen Text einer Persiflage auf die Stücke eines Folkmusikers. Bei „The Snow They Melt The Soonest (When The Winds Begin To Sing)”, das eigentlich auch nicht zum Thema aber zur Jahreszeit passt, stellte er mit einem gewaltigen Spagat dennoch eine Verbindung her: Das englische, melancholische Liebeslied aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwähnt in einer Zeile „The raging mains“. John bringt dies in Verbindung mit der seinerzeitigen Bezeichnung „The Spanish mains“. Dieser Ausdruck bezeichnete zur Zeit der Entstehung des Liedes die Küstenlinie des mittelamerikanischen Festlandes, quasi von Florida bis nach Guyana, die bis auf einige Ausnahmen zu Spanien gehörte. Ob’s stimmt, dass sich die Liedzeile gerade darauf bezieht, sei dahingestellt. Ein schöner Versuch von John ist es aber allemal. Thematisch auch eher in eine andere Ecke gehört „Ramblin‘ Blues“ von Robert Johnson, wir hören den Blues aber immer wieder gern.

Caroline Bernotat hatte auch einige Lieder mitgebracht, die jedoch mehr zum Thema „Freud und Leid der Liebe“ passten. Etwas „spanisches“ war halt nicht im Repertoire. „Halt mich“, „Waiting By The Phone“, „Sweet Thoughts Meandering“ lauteten die Titel ihrer Lieder, mit der Caroline viel über ihr Seelenleben offenbarte – mutig und schön präsentiert – Viel Applaus für Caroline.

Eine Trefferquote von 100 % durfte Miguel Garcia González einsacken. Immerhin stammt er aus Mexiko und hätte auch ohne weitere Anstrengungen das Thema erfüllt. Aber wir bekamen drei schöne Lieder in spanischer Sprache präsentiert. „Luna“ stammt aus Miguels eigener Feder und handelt von eine Jugendliebe zu einer Frau namens Luna. „La Llorona“ (Die Weinende) ist ein Volkslied über ein immer wieder variiertes Thema aus der mexikanischen Sagenwelt. La Llorona stellt eine Frau dar, die von ihrem Mann getäuscht wurde und aus Rache oder Gram ihre eigenen Kinder und sich selbst umbringt. Hernach stellt sie als Geist untreuen Männern nach und bestraft sie – gruselig, aber wunderbar geeignet als Stoff für ein Lied. Im Lied von Miguel geht die Geschichte etwas anders: Der Mann der Frau kommt im Krieg um und sie bleibt schwanger zurück. Aber auch in dieser Variante wandelt sie sich schließlich zu einem Geist. Das Lied „Señor“ stammt von Miguels Freund Daniel Henry Carpintero, mit dem Miguel zusammen in der Band JerMexiCana musiziert. Bei „Señor“ handelt es sich um einen Hund, zu dem Daniel eine besondere Beziehung hatte – berührendes Lied, in dem mehrmals die Sprache von Englisch nach Spanisch und wieder zurück wechselt.

Weiter nach Osten statt nach Westen entführte uns Andreas Kulik mit Liedern aus seiner polnischen Heimat. Andreas‘ Lieblingsband ist die Gruppe Stare Dobre Małzénstwo, zu Deutsch Gute alte Ehe. Die Gruppe ist in Polen sehr populär mit ihren meist poetischen Liedern. Mit „Opadły mgły wstaje nowy dzień“ (Der Nebel legt sich nieder, ein neuer Tag bricht an) ging es los. Andreas erläuterte, der Grundgedanke des Liedes sei, dass wir am nächsten Tag wieder die Gelegenheit hätten, die Dinge anders oder sogar besser zu machen als bisher. „Szczęście“ (Glück) lautet der Titel eines weiteren Liedes derselben Gruppe. Aus Andreas‘ eigener Feder stammt ein Lied, mit dem er die Erlebnisse der Coronazeit verarbeitet hat. „Turn The World Upside Down“ lautet der Titel und ja, für viele von uns erschien „damals“ die Welt auf den Kopf gestellt.

Für den Abend richtig ins Zeug gelegt hatte sich Gerd Schinkel, der Lieder des spanischen Sängers Joaquín Sabina für uns ausgegraben und mit einem deutschen Text versehen hat. „Ausgegraben“ ist vielleicht nicht ganz richtig, denn Sabinas Musik ist in Spanien und in anderen spanischsprachigen Ländern (darunter vor allem Argentinien) sehr populär. In Deutschland hört man von ihm in den Medien aber eher wenig bis nichts. Ich habe mal mit meinen allerdings eher bescheidenen Spanischkenntnissen Gerds Texte mit den Originalen verglichen. Gerd hat wirklich eine Meisterleistung darin vollbracht, aus vorhandener Poesie neue Poesie zu schaffen und dabei recht eng an der Bedeutung der Originale zu bleiben, die sich sehr detailliert um das Thema „Er mit ihr und sie mit ihm“ drehen. „Vier, Fünf, Sechs war’n vorbei“ (Y nos dieron las diez), „Und ist es schließlich hell“ (Y si amanece por fin) und „Vor dem Kamin““ (A la orilla de la chimenea) lauten die Titel seiner Lieder. Viel Applaus für Gerd, der uns mit seiner Übertragung ins Deutsche diese schöne Musik nähergebracht hat.

Mario Dompke, unser nimmermüder Troubadur, hatte für den Abend zwei Lieder mit politischem Inhalt mitgebracht, die sich mit Ursachen für Konflikte und Kriege beschäftigen. „Der Gläubige“ spießt das Thema Religion als scheinbar ewige Ursache für Intoleranz und Auseinandersetzungen auf. „Der Tyrann“ bezieht sich auf den Irakkrieg, bei dem zwar ein Tyrann beseitigt wurde, die siegreiche Seite aber mit fadenscheinigen Argumenten und sogar Lügen das Eingreifen begründete und anders als der Verlierer ungestraft davonkam.

In je einem Set im ersten und zweiten Teil des Abends glänzte dann das Duo bestehend aus Ismael de Barcelona und Thomas Monnerjahn mit Melodien, für die das Thema des Abends eigentlich bestimmt war: Die spanischsprachige Welt. „Jazz Meets Flamenco“ lautet der Titel des Albums, aus dem die Beiden Kostproben vorstellten.

Beschreibungen von Instrumentalstücken sind so eine Sache, und ich bin darin nicht gut, aber ich kann Euch versichern: Es war ein phänomenaler Auftritt. Die Virtuosität der Beiden bei den Gitarrenstücken, die auf höchstem technischen Niveau anzusiedeln sind, sprengte jeden Rahmen. Das hatten auch die Zuhörer ganz richtig antizipiert, deren Anzahl ebenfalls beinahe den Raum gesprengt hätte. Wir schätzen, dass nach grober Zählung rund 120 Personen im Raum waren – so viel wie nie oder höchst selten zuvor. Wir nehmen an, dass ein großer Teil speziell gekommen war, um Ismael und Thomas zu hören und zu sehen.

Für alle, die jetzt noch wissen wollen, welche Stücke sie gehört oder eventuell verpasst haben, weil sie nicht gekommen waren, hier die Liste: Entre dos aquas (Paco de Lucia), Bossa Dorado (Dorado Schmitt), Milonga (Jorge Cardoso), Noche en Cartagena (Thomas Monnerjahn), Pharaon (Gipy Kings), A Manuel (Ismael de Barcelona), Nueve de Julio (José Luis Padula), Mediterranean Sundance/Rio Ancho (Al Di Meola/Paco de Lucia) und Concierto de Aranjuez (Beginn des 2. Satzes, von Joaquín Rodrigo). Kenner der Gitarrenmusik können sich vorstellen, mit welchen Brocken der Virtuosität sich die Beiden an diesem Abend beschäftigt haben. Es gibt zudem Videoaufnahmen im Internet unter https://www.ismaelythomas.de/.  Das Publikum war nach jedem Stück und natürlich besonders am Ende des Auftritts von Ismael und Thomas komplett aus dem Häuschen.

Wer die Beiden erneut oder überhaupt einmal hören möchte, der hat dazu in Kürze Gelegenheit am 06. Februar 2025 in der Harmonie (Frongasse 28-30, 53121 Bonn).

Trotz oder eventuell auch gerade wegen der Erschöpfung nach dem Auftritt der beiden Gitarrenvirtuosen stimmte das Publikum den traditionellen Rausschmeißer „Jock Stewart“ an und wanderte hernach, vollgepumpt mit Glückshormonen, heim.

Auf Wiedersehen am 07. Februar 2025 mit einem speziellen Programm anlässlich eines Jubiläums: Der Folk Club öffnete am 05. Februar 2010, also vor 15 Jahren erstmals seine Pforten. Wir planen eine Veranstaltung mit zahlreichen Einzelauftritten von Akteuren, die im Laufe der vielen Jahre bereits aufgetreten sind. Dazu gehört auch das Duo Tangoyim, bestehend aus Stefanie Hölzle (Geige Klarinette, Gesang) und Daniel Marsch (Akkordeon, Gesang), die an dem Abend als Featured Artists mehrere Stücke präsentieren. 

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