Donnerstag, 18. Oktober 2018

Marios Bericht über den Folk Club Nr. 95 am 5. Oktober 2018

Guten Morgen und schönen Abend
zwei Höflichkeitsfloskeln, die im Folkclub Bonn eine eigene Bedeutung bekamen. Morgen und Abend war das Motto des 95. Folkclubs, der wie immer mit einer weiteren Höflichkeitsfloskel begann: Laaadies and Gentlemen....... Inzwischen werden durch diesen Schlachtruf kaum noch Gespräche unterbrochen, vielmehr wird es im Saal schon vorher ruhig, weil eben alle auf diese Begrüßung warten – aber, ob Überraschung oder Erwartung – die Wirkung ist da und so konnte das gesamte Publikum sich sehr aufmerksam den Eröffnungsliedern von John Harrison und Eva Henneken zuwenden. Silver City ein Blues über eine Stadt am Rande eines Schürfgebietes, wie viele im Silber- bzw. auch im Goldrausch entstanden sind. Danach wurde Creole Belle besungen, eine Frau, die sowohl der schwarzen (weil zu dunkel) wie auch der weißen Rasse (weil zu hell) in den Südstaaten zugeschrieben wurde. Saß sie so immer zwischen den Stühlen, musste sie ihre Anerkennung über ihre Schönheit bekommen. Zu dem folgenden St. Louis Blues muss wohl kaum noch etwas gesagt werden, weil doch fast jeder Folkie ihn kennt und versteht – aber in der vorgetragenen Version mit einer klassisch angehauchten Geige und der „dreckig“ klingenden Tri Cone Resonatorgitarre zumindest für mich ein besonderer Leckerbissen.
Nach den Ausflügen von John und Eva in die ancient time der amerikanischen Geschichte (na gut, nicht ganz, denn die ancient time war ja zwischen 3000 vor bis 500 nach Christi Geburt – wieder was dazu gelernt), wurde es moderner. Karin und Gerald interpretierten in gewohnter Manier den Sunday Morning von Maroon 5 und bereiteten das Publikum so auf das Wochenende nach dem Folkclub vor.
Der Folkclub hat es ja schon oft geschafft viele Musiker zu neuen Formationen zusammenzubringen. Unter dem Namen World Music Bonn traten nun zum zweiten Mal einige bekannte Gesichter aus der Folkclub Szene auf. Mit dem jiddischen Lied Donna, Donna stiegen sie in die Präsentation ihrer Vielfalt ein. Ich finde ein sehr gelungener Einstieg, denn, was kann Musik besser, als durch Metaphern und melodiöser Schönheit den Wunsch nach Würde und Freiheit auszudrücken. Das Lied von dem gebundenen Kalb, was sich zur Schlachtbank führen lässt und dem spottenden Wind, zeigt dies immer wieder eindrucksvoll auf. Mit dem Lied Tsen Brider blieb es jiddisch und so wurde wieder einmal eine Kultur in den Folkclub gebracht, die nicht nur in der Musik großes geleistet hat. Auch bei der WMB gab es nun einen Sprung in neuere Zeiten. Mit dem Lied Vincent beschrieb die Formation die nach wie vor ungebrochene Kraft der Malerei von Vincent Van Gogh – wer sich den Film Vincent angeschaut hat, dieser ist in der Form der Pinsel- und Farbführung seiner Malereien „verfremdet“, wird das Lied jetzt noch besser verstehen. Einen hätten wir noch – wenn ihr wollt, so die Frage von John Hay nach dem Set und natürlich wollten alle. Mit Heute hier, Morgen dort wurde der Floorspot in gemeinsamen Singen beendet.
Und schon war die Zeit da für den ersten featured artist des Abends. Stefan Mönkemeyer, ein Gitarrenvirtuose des Fingerpickings hatte eine staureiche Anfahrt aus Dortmund auf sich genommen, um die Besonderheit des FCB – ausschließlich akustisch – selber zu erleben. War er am Anfang noch skeptisch, ob sein leises und feines Spiel das Ohr auch des hintersten Zuhörers erreicht, so war er am Ende des Abends mehr als überzeugt. Wieder einmal zeigte sich, dass es eine Symbiose aus guten Musikern und gutem Publikum geben kann – im FCB immer gibt.
Mit einem Intro, dessen Namen Stefan uns nicht verriet, spielte er sich und uns warm. Sehr feine Töne, sehr harmonische Reihen, aber auch eingebaute überraschende Momente machen sein Spiel ziemlich einzigartig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade reine Instrumentalisten ihrem Spiel immer eine sehr persönliche Note geben, so dass sie aus allen anderen Mitstreitern heraus zu hören sind. Einem Gefühl folgend („Ich sah alles klar vor mir und hatte das Gefühl alles erreichen zu können“) schrieb Stefan den Song The Sky Is The Limit und zeigte damit zumindest mir, wo das Limit meiner Fingerbeweglichkeit auf der Gitarre ist. Wenngleich Stefan - wie er selbst sagte – nicht klüger als Andere ist und deshalb auch keine Universallösungen auf die in den Nachrichten verbreiteten Probleme der Welt hat, so sagt er sich selbst, dass ein Teil der Lösung Liebe ist und weil er mit Liebe immer Musik verbindet, beendete er seinen ersten Auftrittsteil mit einem Lied, das er der Liebe gewidmet und kurz und knapp Love genannt hat.
Als Chronist möchte ich nicht zuviel springen, weshalb ich bereits an dieser Stelle ausführe, dass Stefan im zweiten Set seinen Tribut an das Thema des Abends mit den Stücken After The Sunset und Morning Song brachte. Einer besonderen, sich selbst auferlegten Verpflichtung folgend, erzählte Stefan die Geschichte eines Zusammentreffens auf einem Gitarrenfestival in Chesam in England mit der Tochter einer KZ Gefangenen, die ihn bewusst als Deutschen in die Arme genommen hat und sich für ihr Leben bedankte – ein KZ Aufseher hat ihrer Mutter das Überleben ermöglicht und somit auch ihr die Chance gegeben, auf die Welt zu kommen. Ich glaube auch solche Geschichten zeigen auf, dass wir niemals unsere dunkle Geschichte vergessen dürfen, denn selbst dort zeigen sich Beispiele für die Übernahme von ziviler Verantwortung – und auch heute werden in vielen Zusammenhängen solche couragierten Verantwortungsübernahmen notwendig. Unterstrichen wurde diese Geschichte mit dem Lied Amazing Grace, dem Stefan augenzwinkernd die britische Nationalhymne zufügte. Danach folgten zwei Potpouries ; einmal eines aus Beatles Liedern ("When My Guitar Gently Weeps" und "Let It Be") und eines auf dem Thema Oh, When The Saints aufgebautes (in welches auch die Deutsche Nationalhymne eingebaut war).
Der zweite featured artist des Abends war nicht zum ersten Mal im Folkclub, jedoch zum ersten Mal mit einem Geiger – und brachte so eine völlig neue Note ein (genau genommen waren es sogar sehr viele Noten). Matthew Robb mit Band (diesmal war auch sein Sohn Sam dabei) spielt – wie ihr alle wisst – bluesigen Country und das in lässiger Reinkultur. Keine Schnörkel, keine Tändeleien, was gesagt werden muss wird gesagt und mit verständlichen Melodien unterlegt. Dies so einfach erscheinende Konzept ist bei näherer Betrachtung jedoch alles andere als einfach und fast unnachahmbar. Entweder man kann es oder man wird es nie können. Matt Robb kann es! Mit Spirit Of The Form stiegen sie in den musikalischen Reigen ein. Spätestens beim zweiten Lied Dead Men Have No Dreams war das Publikum dabei. Hörten wir doch diesen Titel nicht zum ersten Mal und außerdem ist der Refrain auch ohne ablesbare Vorlage schnell und leicht zu merken. Eine schon chauvinistisch anmutende Bemerkung war der Titel des nächsten Stückes. Bei You Talk Too Much sangen wieder alle begeistert mit.
Auch bei Matthew springe ich zum zweiten Teil des Sets. Mit den Songs Come Back Home und Slave Song ging der Reigen weiter und auch wenn es sich anhören könnte, als wäre alles gleich gewesen – nein, der Stil blieb sich treu, aber die Stücke haben immer wieder neue Erlebnisse beim Hinhören aufgetan. Mit dem mitreißenden Rhythmus und den Geigensolis ging die Zeit der Musik schon fast zu schnell vorbei. Und was für Soli dies waren!! Sascha Loss ist Autodidact und beweist damit, dass Professionalität nicht immer von einer Ausbildung abhängt (bzw. diese Ausbildung auch durch üben und Erfahrung mit vielen Musikern zusammen erlangt werden kann. Auch zeigte Sascha wie wichtig es ist, mit Enthusiasmus bei der Sache zu sein und den Funken des eigenen Feuers auf das Publikum überspringen zu lassen (Eine Stimme nach dem Konzert: „He played like his arse was on fire“) Mit Sinner Man und dem als letztes Stück angekündigten The River war der Gig jedoch noch nicht vorbei. Natürlich wurden auch Matt und Band zu einer Zugabe genötigt, die sie auch gerne mit dem Stück Pass The Buck gaben.
Blieb noch zu vermerken, dass direkt nach der Pause Steve Perry nicht nur die Ansagen zu weiteren Veranstaltungen zum Besten gab, sondern selbst auch zum Instrument griff und ein weiteres walisisches Lied aus seinem Repertoire zum Besten gab. „Ar Hyd y Nos“ oder „All Through The Night“ sind eigentlich zwei Lieder mit einer Melodie wobei der walisische Text die Sterne als Himmelspforten besingt, die mit ihrem Strahlen auch traurigen Menschen Trost spenden, während der englische Text ein Lulaby, also ein Schlaflied beschreibt. Steve sagte zwar, dass er das Lied nur gesungen hat, um beim abschließenden Jock Stewart mit auf der Bühne sein zu dürfen – jedoch waren sowohl sein Augenzwinkern, wie auch die wirklich tolle Interpretation Zeugen, dass es doch eher um das Lied als solches ging.
Ein weiterer Fingerstylist nach Steve auf die Bühne. Knut Rausch war zum ersten Mal im Folkclub und zeigte, dass auch auf der 12saitigen Gitarre Fingerstyle möglich ist. Den Älteren ist noch Leo Kottke bekannt, der ja in den siebziger Jahren wohl der bekannteste Vertreter des 12saitigen Fingerstyles war. Von Leo hatte Knut zwar keine Lieder im Gepäck (deshalb dieser kleine Tip für Knut von mir), aber mit dem Traditionell John Barleycorn Must Die, der Komposition Daybreak In May von Ulli Bögershausen und dem Beatles Stück Here Comes The Sun legte Knut ein tolles Debut auf die Bühne.
Schon angemerkt und deshalb nicht weiter ausgeführt – natürlich endete der Folkclub mit dem Tribut an unseren Schirmherren Jock Stewart.
So, wie ihr merkt, ist ein Bericht immer nur eine Erinnerung oder – wie ich hoffe – ein anfixen für die nächste Veranstaltung. Deshalb denkt daran: Am 2. November gibt es wieder den FCB – see you at Dotty's . Out of the bedroom!

Mario

1 Kommentar:

  1. Hallo Mario,
    vielen Dank für Deine überaus netten Worte. Eigentlich wollte ich die Gitarre nach dem Auftritt ja an den Nagel, aber nach Deiner Kritik überlege ich mir das nochmal :-).
    Mit Leo Kottke hast Du mir ein gutes Stichwort gegeben und ich hatte auch noch "Living in the Country" in seiner Version als kleine Zugabe vorbereitet, es aber dann doch nicht gespielt. Wie Du aber auf meinem Youtube Kanal (Knut Rausch) sehen kannst, habe ich schon einige Lieder von Ihm aufgenommen, bin großer Fan seiner Musik und er war auch die Initialzündung, die mich zur 12-saitigen Fingerstyle-Gitarre gebracht hat.
    Beste Grüße
    Knut

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