Folk Club (Nr. 28) im Juli 2012 – Begeisterung durch Spontaneität
Wer hätte gedacht, dass ein Folk Club-Abend ohne Special Guest eine so runde Sache werden sollte? Jedenfalls war der Anmeldezettel gut gefüllt. Barry Roshtos Idee, möglichst Lieder zu spielen, die eine Bezug zum Telefon haben, war von den meisten Teilnehmen begeistert aufgegriffen worden, und so wurde ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Musikrichtungen präsentiert.
Trotz des verlockenden Biergartenwetters hatte
sich auch eine ansehnliche Gemeinde versammelt. Da aber die Terrasse des Hauses
Müllestumpen zusätzlich außerordentlich gut besucht war, gab es mittlere bis
größere Engpässe bei der Getränkeversorgung. Erhebliche Unruhe beim Publikum
war die Folge und so drang Master John Harrison mit seinem Warm up nur
anfangs nur etwas schleppend zum Publikums durch. Mit trockener Kehle ist nun
mal die Aufmerksamkeit etwas behindert.
Dabei hatte John sich mit seiner Tochter
Jenny eine einfühlsame Begleiterin am Klavier mitgebracht. John und Jenny
starteten den Abend mit „Memphis Tennessee“, einem Klassiker von Altmeister
Chuck Berry. Der Telefonbezug ist überdeutlich „Long distance information, give
me Memphis, Tennessee“ lautet die Startzeile. In „Driving Wheel“ von David
Wiffin geht es um einen Mann, der zu seiner Freundin fahren will, aber auf dem
Weg dahin vielfältigen Widrigkeiten ausgesetzt ist. Also muss er sie anrufen,
um ihr zu sagen, dass er sie liebt und dass sich seine Ankunft etwas verzögert.
Bei „Hi Heel Sneakers“; einem Blues von Tommy Tucker, kommt kein Telefon vor,
aber der Mann sagt seiner Freundin auch ohne technische Hilfsmittel, dass sie
sich zum Ausgehen doch bitte schön machen möchte: „Put on your red dress,
baby“. Super vorgetragen und begleitet.
Als nächster war Ralf Klein an der
Reihe. Ralf, der zuvor offenbar monatelang um einen Auftritt herumgeschlichen
war, konnte kaum glauben, dass seine Instrumentalstücke auf der Gitarre auch
ohne Verstärker beim Publikum landen würden. Aber wie so oft bei leisen Stücken
verstummte auch hier plötzlich das Gemurmel. Ralf bot eine wunderbar gespielte
Zusammenstellung verschiedener
spanischer und südamerikanischer Klassiker, darunter auch „Garota de Ipanema“
des Brasilianers Antonio Carlos Jobim, und Eigenkreationen im Tango- und
Flamecostil und erntete großen Applaus. Die Stücke hatten zwar keinen
Telefonbezug, aber „Telefon“ war ja auch keine Bedingung. Die einzige Bedingung
im Folk Club lautet: Keine Verstärker!
Bereits alte Folk Club-Hasen sind Lothar
Heinrich und Gabi Tieboka, die schon mehrmals in unterschiedlichen
Konstellationen im Folk Club aufgetreten waren. Diesmal wagten sich Lothar und
Gabi an gute alte deutsche Kost heran: Mit dem als Duett gesungenen „Was kann
der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ aus der Operette „Im Weißen Rössl“
aus dem Jahr 1930 landeten sie gleich einen Volltreffer. „Green, Green Grass of
Home“, von Curly Putman und bekannt in der Version von Tom Jones, trug Lothar
dann allein mit viel Schmalz in der Stimme vor. Erneut als Duett begeisterten
Lothar und Gabi mit dem Klassiker „Am Sonntag will mein Süßer mit mir Segeln
geh’n“ aus dem Jahre 1929. Das Publikum war inzwischen warm geworden und sang
den Refrain lauthals mit. Die Begeisterung verlangte nach einer Zugabe und
erhielt sie mit dem Calvin Russel-Song „Crossroads“.
Eine wahre Entdeckung ist der junge Kolumbianer
Alvaro Arango. Mit sicherer Gitarrentechnik und raumfüllender Stimme gab
er sein Folk Club-Debüt mit dem Tom Waits-Lied „Telephone Call From Istanbul“ –
Wir waren wieder zurück bei den Telefonliedern. „You Are Song“ lautete eine mit
viel Gefühl gespielte Eigenkomposoition, und mit dem melancholischen „Simple
Twist of Fate“ brachte er zum Schluss ein famos gespieltes und gesungenes
musikalisches Opfer an den Folk-Gott Bob Dylan dar, der zwei Tage zuvor ein
viel umjubeltes Konzert in Bonn gegeben hatte – dicker Applaus vom Publikum,
verbunden mit der Hoffnung auf mehr in kommenden Folk Club-Treffen.
Pünktlich wie die Maurer tauchte dann plötzlich
Theo Seitan mir der Gitarre auf dem Rücken zu seinem Auftritt auf, um
mit einem einzelnen Lied seinen Beitrag zum Telefonthema zu leisten. Das Wise
Guys-Lied „9 Live“ traf voll ins Schwarze und Theo brachte die Komik des Liedes
über die unsägliche Anrufsendung, bei der „schwierige“ Rätsel zu lösen sind
(wie heißt Boris Becker mit Vornamen?) und die naiven Anrufer in teuren
Telefonwarteschleifen abgezockt werden, mit viel Witz ins Publikum.
Nach der Pause gab John Harrison zum
Andenken an seinen sehr jung gestorbenen Freund Jonathan Ole Wales Rogers einige
von dessen schönen Liedern zum Besten: „It’s Getting so Very Hard“, „Didn’t
They Even Want to Know You“ und „Geoffrey“ lauteten die Titel.
Annette, die beim vorigen Folk Club ihr
umjubeltes Debüt mit einem Instrumentalstück hatte, brachte uns mit 100 %
Telefon zurück zum Thema: „Hygiaphone“ lautete der Titel der französischen
Rockgruppe „Téléphone“ aus den 70er und 80er Jahren. In dem Lied geht es um die
Sprechgeräte, die hinter Glasscheiben abgeschottete Schalterbeamte (z.B. bei
der Post) mit den Kunden verbinden. Auf der Ukulele begleitete sie sich danach
gekonnt zum Police- bzw. Sting-Lied „I Can’t Stand Losing You“. Besonders Viel
Applaus bekam Annette anschließend für Annett(!) Louisans Lied „Drück die 1“ –
großer Spaß für Publikum und Annette!
Als weiterer Folk Club-Debütant trat der
ansonsten routinierte Gerhard Lemm aus Mehlem auf. Gerhard, eine
publikumserprobte Rampensau, wie sie im Buche steht, fesselte die Menge
augenblicklich. Das Lied von Jean Fauré: „Über sieben Schranken musst du geh’n“
persifliert mit viel Humor zur Melodie von Karat („Über sieben Brücken ...“)
die Leiden des Bonner Südstadtbewohners (auch Lannesdorfer, Friesdorfer,
Dottendorfer und Kessenicher jammern zu recht) wegen der Wartezeit an den
Schranken. Ein wahrer Knüller war das Lied „Handy“, die Kreation der
Eifel-Rockband „Wibbelstetz“ („Handy, Handy, jeder braucht n’ Handy“) zur
Melodie von den Kinks („Dandy“). Gerhard konnte darin auch sein unverfälschtes
Bönnsch Platt einsetzen – echter Folk! Mit seiner souverän beherrschten
zwölfsaitigen Gitarre und mit sicherer, tragender Stimme sorgte er dabei für
satten Sound. Für die unvermeidliche Zugabe angelte er sich Gabi Tieboka für
ein Duett: „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen war schon fast eine Hymne
an den Folk Club. Das Publikum sang den Refrain kräftig mit und war begeistert.
Danach war eine Steigerung fast nicht mehr
möglich, aber nur fast! Daniel Mennicken, der bereits ein alter Bekannter
ist, hatte sich Verstärkung in Person von Michael Isack mitgebracht.
Beide wagten sich an anspruchsvolle Kost, die sie dank souveräner Gitarren- und
Gesangskünste mit Bravour vortrugen: Stephen Stills’ „Haven’t We Lost Enough“
kam brillant gespielt rüber, und das Publikum wurde mucksmäuschenstill. Bei
„Thirty Three“ von Smashin’ Pumpkins und „Add it Up“ von „Violent Femmes“
glänzten sie mit Musikalität, technischer Perfektion und Spielfreude – ein
Genuss.
Perfekt war anschließend das Zusammenspiel der
beiden zusammen mit Gerhard und Annette bei einer Kreativsession zum Abschluss
des Abends, bei dem Barry Roshto, der diesmal eigentlich keinen Beitrag
vorgesehen hatte, spontan eine „Jock Stewart“-Passage in den Refrain von „Lady
in Black“ hineinwebte – perfekte Musikalität zum Abschluss eines ungewöhnlichen
Abends, der eigentlich als ganz gewöhnliche Singers’ Night begonnen hatte. Aber
wie so oft bekommt der Folk Club in seinem Verlauf eine ganz eigene Dynamik,
die nur durch die besondere, inspirierende Kraft der Musik zu erklären ist.
Wir freuen uns auf die nächste Auflage des Folk
Club am 7. September mit einer weiteren Singers’ Night. Wir sind gespannt auf
erneute angenehme Überraschungen.