Sonntag, 31. Juli 2016
Mittwoch, 13. Juli 2016
Marios Bericht vom Folk Club Nr. 71 am 1. Juli 2016
Ladies,
Hounds and Gentlemen
Ja,
ihr habt richtig gelesen. Es hat den Anschein, als müsse der musikalische
Schlachtruf unseres Masters of Folkclub erweitert werden – obwohl, noch laufen
die Untersuchungen, ob sich der anwesende Hund erschrocken hat und deshalb
bellte oder ob seine Stimme einen Protest gegen die ständige Unterdrückung der
Rechte des Hundes am musikalischen Werk des Volkes ausdrücken sollte. Nun denn,
sei es wie es sei – der altbekannte Ruf von John Harrison brachte sowohl
Ruhe wie auch Spannung auf den Abend in das Publikum. Dieses war wieder
zahlreich vertreten und so zeigte sich, dass ein Folkie, abweichend vom
gewöhnlichen Homo Sapien, mehr ist als ein Gewohnheitstier. Schon zum zweiten
Termin hat sich die FCB Gemeinde an das neue Domizil gewöhnt und in einer
„orientierenden Abfrage“ sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den neuen
Veranstaltungsort beizubehalten.
Ein
wenig „blamed“ ob des Brexits kommentierte John die Abstimmung seiner
Landsleute und erläuterte. dass er nicht nicht mit abstimmen durfte, da er
bereits seit über 15 Jahren nicht mehr im Königreich lebt – bei der Knappheit
des Ergebnisses wäre es wahrscheinlich anders ausgefallen, wenn alle, die die
Vorteile einer Einheit Europa kennengelernt haben (so wie John) mit hätten
abstimmen dürfen. Aber, was nutzt es „Wenns“ und „Hättes“ aufzuzählen... Viel
wichtiger ist es doch, dass die Musik bereits viel weiter ist. Hier reden wir
nicht über Europa, sondern schon lange über Weltmusik – hier erfreuen wir uns
auch im Folkclub regelmäßig internationaler Künstler mit zollfreier Musik. Und
so fing es denn auch direkt mit Musik aus Übersee an. Edward Kennedy Ellington
besser bekannt als Duke Ellington komponierte das Stück „Rocks in my Bed“
welches John nicht nur metaphorisch nutzte (die weggenommene Geliebte Europa
oder GB aus Europa legt ihm Steine aufs
Gemüt und lässt in nicht mehr schlafen), sondern ihm auch die Möglichkeit gab,
sein Können am Klavier zu zeigen. Fast schon selbstverständlich, dass Paolo
Pacifico ihn auf seiner Mundharmonika unterstützte. Ob es spontan geschah
(wegen der Showeinlage des anwesenden Hundes bei der Begrüßung) oder ob es
geplant war, wird sich dem Zuhörer wohl nie erschließen, auf alle Fälle
brachten John und Paolo als nächstes Stück den 200 Jahre alten „Hunting
Song“ von John Clare, der davon erzählt wie ein „schlauer“ Fuchs zu lange
in der Nacht gejagt hat und deshalb am nächsten Morgen noch nicht in seinem
Versteck war, sondern direkt in eine Jagdgruppe lief – ob die Hunde in erlegten
oder nicht, bleibt dem Geschmack des Zuhörenden zu happy oder unhappy Ends
überlassen.
Als
nächstes erklomm ein „Back officer“ die Bühne des Folkclubs. Gerd Haug,
seit dem ersten Folkclub der Folkclubidee verschrieben und treu, ist eine
„Gelingensbedingung“ im Hintergrund der monatlichen Veranstaltung. Gerd sorgt
sich um das Klavier, in dem er es regelmäßig stimmt und kleinere
Reparaturen direkt durchführt – aber er
kann nicht nur technisch mit diesen Musikinstrumenten umgehen, sondern
beherrscht auch seine Bedienung, was er eindrucksvoll mit den Liedern „Memories“
und „Misty“ unter Beweis stellte. Gerd ist ein weiteres Beispiel, dass
zusammenwachsen und Zusammengehörigkeit und gegenseitige Verantwortung ein
Erfolgsmodell ist – und nicht Abspaltung (aber ich will das Thema Brexit nicht
schon wieder aufnehmen).
Ein
weiteres Beispiel für Erfolg durch Zusammenwachsen haben uns Thomas
Monnerjahn und Werner Krotz-Vogel vorgeführt. Im Folkclub
kennengelernt und musikalisch ähnliche Stilrichtungen vertretend, haben sie
sich bereits mehrfach zusammengetan und den Zuhörern den besonderen Genus der
nicht nur begleitenden, sondern der aussagenden Gitarren nahe gebracht. Es ist
faszinierend zu erleben, wie Töne ohne Worte Geschichten erzählen können, wenn
sie zusammengehören und durch ihre Harmonie Brücken bauen, aber auch mit
Dissonanzen das alltägliche Leben beschreiben. Eine Hochzeit (bitte erste Silbe
mit langem „o“ aussprechen) dieses Genres außerhalb der Klassik waren die
mittleren 60er bis späten siebziger Jahre mit Namen wie Leo Kottke oder dem Duo
Kolbe und Illenberger. Die Musik des letztgenannten Duos brachten Thomas und
Werner dem FCB Publikum dar. Und wer gedacht hätte, dass Geschichten aus
Gitarrenmusik erst langsam verstanden werden müssen, wurde durch den schon fast
frenetisch zu nennenden Applaus eines besseren belehrt. Thomas und Werner
verstehen es nicht nur alleine eine perfekte Gitarre zu spielen, sondern
harmonieren im Zusammenspiel sehr gut und bringen so die Inhalte der wortlosen
Kunst rüber. Wen verwundert es da noch, dass nach den geplanten Stücken „Opening“,
„Sommerabend“ und „Veitstanz“ noch eine Zugabe her musste. Auch
hier bewiesen die Beiden ihr Gespür für das Publikum und wählten den allseits
bekannten Beatles Song „Norwegian Wood“ aus, der allerdings nicht zum
„Mitgrölen“ anregte, sondern die Tonführung in den Vordergrund stellte. So
wurde die Melodie mitgesummt und das Gitarrenspiel blieb der Mittelpunkt.
Was
tut man, wenn man für längere Zeit liebe Freunde verlässt? Man verabschiedet
sich – und das taten auch 2Sunny (namentlich als Ralf und Tatjana
bekannt). Natürlich ließen sie als Gruß das zurück, wofür sie geliebt werden –
Musik zum zuhören und mitmachen. Da die Zwei sich in ein europaweites,
musikalisches Sabbatical begeben, um mit vielen, neu kennenzulernenden Menschen
Musik zu machen, haben sie für ihren Abschieds FCB Lieder ausgesucht, die
sowohl ihrer Reise entsprechen, als auch die Gemeinsamkeit (das gemeinsame Musizieren)
betonen. Mit „Heute hier, morgen dort“, „Life“ und „You've got
a friend“ brachten sie Klassiker der Mitsingtradition mit und schafften es
eine ausgewogene Balance zwischen reiner Lebensfreude und musikalischem
Anspruch herzustellen. Glücklicherweise ist der Abschied nur auf Zeit ausgelegt
und ich bin mir sicher, dass wir im nächsten Juli, spätestens September ein
fulminantes Willkommenskonzert von ihnen hören werden – natürlich mit vielen
neu entdeckten Liedern.
Als
featured Artists kamen nun Gerd Schinkel mit Kanuten zum Zug. Sowohl in
der Kanuten Kombination wie auch (zumindest teilweise) als Einzelkünstler
bekannt, stellten sich Gerd Schinkel, Wolfgang Kassel, Frank Tschinkel und
GeWe Spiller wieder einmal musikalisch mit Lieder von Gerd Schinkel vor.
Gerd ist ein Vielschreiber, der es liebt, neben eigenen Melodien auch schöne
Lieder anderer mit eigenen Texten neu zu gestalten und sie so in aktuelle
Situationen zu übersetzen. Eine Tradition, die auch viele andere Liedermacher/
Singer- Songwriter pflegen, die Wert auf textliche Inhalte legen. Nicht nur mit
ihrem ersten Lied, sondern auch als Erste des Abends griffen die Kanuten mit
dem Lied „Der Papa backt“ das Motto des FCB 71 auf – Küchenlieder -.
Wenngleich ich erst eine andere Assoziation mit Küchenlieder verband, so ist es
doch folgerichtig, da das Handwerk des familiären Backens in der Küche
betrieben wird und somit ein Lied darüber ein Küchenlied ist. Von der Küche
paddelten die Kanuten aber ganz schnell wieder zu aktuellen, politischen Themen.
Ich kenne Gerd schon sehr lange und so auch sehr viele seiner Lieder – ich darf
sagen, dass er mit dem Lied „Paris“ das für mich schönste,
ansprechendste und gleichzeitig aufrüttelndste Lied geschrieben hat. Es drückt
einen emotionalen Protest gegen Terrorismus und Gewalt aus und versteht es
diesen in ein mit der Stadt Paris verbundenes Gefühl zu verweben, so dass nicht
nur Zorn gegen etwas erweckt wird, sondern auch viel Traurigkeit um den Verlust
eines emotionalen Wahrzeichens (Paris als Inbegriff der Lebensfreude), aber
auch, denn Liedermacher geben nie auf, die Hoffnung auf einen Sieg über
Fanatismus, Terroismus und andere „-ismusmen“ erhält. Mit den nächsten beiden
Liedern („Das Meer ist heilig“ - hier weiß ich nicht, ob der Titel
richtig ist, aber die Zeile kommt im Text mehrfach vor, und „Dann bleib halt
jung“) bewies Gerd, dass neue Texte bereits existierende Lieder neu beleben
können. Mein Urteil steht fest – mit der erweiterten Instrumentierung (Bass,
Mandoline, Mundharmonika) haben die Lieder sehr gewonnen.
So
schön die neue Heimstatt des Folkclub auch ist, ein Raum gefüllt mit etwa 80
Personen an einem heißen Sommertag wird einfach sehr warm – so war es nicht
verwunderlich, dass alle die anstehende Pause begrüßten und sich mit frischer Luft für die zweite Hälfte
versorgten. Diese (die zweite Hälfte) wurde mit der bekannten und geschätzten
Kunst von Barry Roshto eingeläutet, in dem er durch Klaviertöne erst
alle Zuhörer wieder auf ihre Plätze dirigierte und dann mit Annette Huismann
und einem gemeinsam vorgetragenen Lied den Boden für die weiteren Künstler
bereitete (leider war ich selbst noch an der frischen Luft, so dass ich nicht
mitbekommen habe, welches Lied gesungen wurde).
Jutta
Mensing, die
Organisatorin der Folk im Feuerschlösschen Konzerte in Bad Honnef, hat früher
mit der norddeutschen Gruppe Moin professionell Musik gemacht und tourt auch
heute noch hin und wieder mit den alten Kämpen durch die Lande. Zum FCB 71 kam
sie frisch aus dem Norden und hat uns das Gefühl des Meeres in Form eines
vertonten Gedichtes von dem wohl bekanntesten norddeutschen Dichter Klaus Groth
mitgebracht. Das „Heimatlied“ beschreibt den Himmel über dem Meer
genauso wie die Luft am Meer und das Meer selbst. Jutta blieb mit dem nächsten
Lied im Norden, wobei sie von dem Instrument Stimme (zart begleitet von einer
Gitarre) zu ihrem zweiten Standardinstrument – der Geige – wechselte. „Pfingsten
in der Probstei“ ist ein Tanzlied, welches alleine durch seinen Rhythmus
das Bild eines Volksfestes mit Trachten, drehenden Tänzen und dörflichem Spaß
entstehen ließ. Persönliche Traurigkeit kann einen in den Wahnsinn treiben –
wie gut, wenn es dann Menschen gibt, die es verstehen die Kraft der Musik so zu
lenken, dass neue Hoffnung geschöpft wird – so ist es Jutta geschehen und
hieran wollte sie das Publikum teilhaben lassen, in dem sie das ihr geholfene
Lied zum Besten gab. „Mach das Leben schön“ ist ein Lied, dass Lüül von
den 17 Hippies Jutta mitgegeben hat, um ihren persönlichen Tiefpunkt zu
überwinden.
Was
wäre unsere Gesellschaft ohne soziales Engagement? Und wenn dieses Engagement mit besonderen Begabungen verknüpft
wird, entstehen wunderschöne Momente, die sowohl den gebenden wie auch den
empfangenden Personen Lebensfreude bescheren. Günther Peters, selbst
nicht mehr der Jüngste, beschert älteren Menschen solche Momente, indem er mit
ihnen am Klavier neue und alte Lieder singt. Neue insbesondere, in dem er
bekannten Melodien neue Gewänder verpasst (hatten wir das nicht schon bei einem
anderen Künstler?). In diesem Sinne schenkte er der „alten Folkclub Gemeinde“ einen neuen Text zu dem Lied „Auf
der grünen Wiese“. Damit es schnell und gut zusammen gesungen werden
konnte, brachte Günther auch gleich ausgedruckte Texte mit und so wurde aus
Bühne und Publikum ein gemischter Chor. Eine kleine Ragtimeimprovisation
leitete über zu einem Gedicht zur Verkündung einer wahren Lebensweisheit. „Die Alten“ beschreibt den
immerwährenden Kreislauf zwischen Jugend und Erfahrung, zwischen dem Suchen des
eigenen Weges und dem Folgen (oder Verweigern) von Ratschlägen und dem
Erkennen, dass ich nach Jahrzehnten plötzlich genauso geworden bin, wie die
Alten in meiner Jugend waren.
Mit
dem Duo Seltsam erklomm eine bisher im Folkclub noch nicht bekannte
Formation die (virtuellen) Bretter, die die Welt bedeuten. Seltsam ist nicht
nur Name des Duos, sondern auch Programm. Mit einer Mischung aus Rock, Balladen
und Jazz, mit plötzlich auftauchenden Charakteren aus bekannten Musikgrößen wie
beispielsweise Jethro Tull, aber insgesamt mit einem nur dem Duo eigenen Stil,
bestehend aus Gitarre, Saxophon, Querflöte und einer Stimme, die mal kratzend
bis fast kreischend, aber immer
intonationssicher daherkommt, verstanden die Beiden die Lust an mehr zu wecken.
Ihre eigenen Stücke „Me and my Music“, „Rain in Paris“ und „Heart
of the Warrior“ werden hoffentlich nicht die Letzten und Einzigen sein, die
den Folkclub bereicherten.
Ja,
die zweite Hälfte des Folkclubs geht irgendwie immer schneller voran als die
erste, was auch daran liegt, dass die FCB Hälften nicht mathematisch definiert
sind, und so waren schnell wieder die featured Artists, Gerd Schinkel mit
Kanuten, dran. Mit den Liedern „On the road again“, „Zu den Eltern
am Samstag“ und „The way we make a broken heart“ (natürlich mit
neuem deutschen Text) zeigten sie erneut auf, dass Zusammenspiel und das
gegenseitige Unterstützen von Stärken mehr schafft, als die Summe der
Einzelteile – und hiermit rundet der Chronist den Bericht ab, indem die Brücke
zum Ausgangspunkt gebaut wird. Menschen der EU haltet zusammen und macht mehr
draus – der Beweis wird auch zum Schluss eines jeden Folkclub geführt, in dem
der alles zusammenhaltende Patron Jock Stewart nie mehr als gemeinsam
gesungenen Lied fehlen darf.
Ich
freue mich, euch alle nach der Sommerpause am 02. September 2016 im Sträters
wiederzusehen.
Euer
Mario
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