Donnerstag, 24. August 2017

Marios Bericht vom Folk Club Nr. 82 im Juli 2017



Bonnef Diaf........

so wurde das altbekannte Laaaddieees and Gentlemen beim 82. Folclub Bonn erweitert. Vielleicht ein bisschen leiser als sonst, vielleicht aber sogar etwas lauter – nur leiser wahrgenommen, denn der  Folkclub fand wegen einer Terminkollision in seinem Stammdomizil diesmal nicht im Dotty's, sondern im Club Galicia statt – war doch die Präsidentin des Clubs beim ersten Folkclub schon mit ihren galizischen Pipes für einen genauso schönen, wie fulminanten Start verantwortlich. Diese alte Verbundenheit fand nun ihren Ausdruck in eben der Beheimatung des 82. Folkclubs. Um es vorweg zu nehmen, so schön es war mit vielen lieben Menschen und durch den Club Galizia auch neuen Gesichtern zusammen zu sein – die Räumlichkeiten eignen sich nur bedingt für eine Konzertveranstaltung – insbesondere für eine unverstärkte und mit leisen Tönen gespickte Veranstaltung. Der geflieste Raum in Verbindung mit Holzstühlen hat einen rustikalen aber weniger musischen Charme.
Trotzdem oder gerade deshalb. Echte Folkies lassen sich durch solche „nebensächlichen“ Widrigkeiten natürlich nicht schrecken – hat doch Orpheus, als einer der ersten Singer- und Songwriter  sogar  Steine zum Weinen gebracht und es mit Furien aufgenommen – nur die Liebe hat mal wieder dazwischen gefunkt (war sie doch eigentlich erst der Anlass). Aber die Liebe spielte beim letzten Folkclub nur eine untergeordnete Rolle (außer der zur Musik natürlich). Additionslieder und Rundgesänge waren das Thema und hierzu hatten sich viele der Künstler in warmen Juni und Julinächten ebenso viele Gedanken gemacht. Additions- und Rundgesänge sind traditionell solche Lieder, die immer weitergehen und in der Regel keinen höheren  (oder war das tieferen) Sinn haben – also nach dem Motto „singing makes the world go round“. Es wird  eine nichts oder wenig aussagende Textzeile durch weitere Strophe erweitert zu einem ebenso nichts aussagenden Höhepunkt getrieben und durch einen Kreisschluss wieder an der Anfang zurückgeführt.
Dies demonstrierte Steve Perry (nach einer spanischen Ansage) mit dem Lied „Jan Jansen“ (auch unter Yon Yonson bekannt): „My name is Jan Jansen, I live in Wisconsin. I work in a lumber yard there. The young girls I meet as I walk down the street says "Hello!" I say "Hello!"  They say "What's your name." I say: My name is Jan Jansen... (repeated again and again).
Mit dieser gut verständlichen Einführung eines Kreisliedes leitete Steve zu einem Additionslied über. „There was an Old Lady“  ist ein sehr typisches Beispiel, versucht in diesem Lied doch eine ältere Dame ein Missgeschick (sie schluckte eine Fliege und war in Gefahr daran zu sterben) durch das Schlucken immer größerer und in der Nahrungskette höher stehender Tiere auszugleichen – also die Spinne sollte im Magen die Fliege erledigen, der Vogel die Spinne, die Katze..........
 Nicht unmittelbar mit dem Thema zu tun hatte das von Master John vorgetragene Lied „If“. Ein Lied von dem Dschungelbuchautor John Kipling, welches er seinem Sohn als Handlungsanleitung für das Leben geschrieben hatte – in gewisser Weise also doch wieder ein Kreis und Additionslied. „Diggers and Levellers“ beschreibt die Situation des britischen Volkes im 16. Jahrhundert, als der damalige König wegen Hochverrates verurteilt und geköpft wurde, der eingesetzte Rat dann aber mit der Regierung nicht wirklich fertig wurde und die Monarchie wieder erneuert wurde (ist das Leben doch ein Kreis?). Mit seinem dritten Lied besang John auch einen sich immer wiederholenden Prozess, der allerdings durch den Songwriter Ron Angel durchbrochen wurde. In der chemischen Industrie war die Lebenserwartung statistisch gesehen bei 42 Jahren und der Chemiearbeiter Ron Angel dachte sich mit 41 Jahren diesen Kreis zu durchbrechen und  hörte mit der Arbeit auf, schrieb dafür das Lied „Butcher Go“ über die Arbeitsbedingungen. Mit dem Lied „Machinegun Kelly“ schloss John seinen Floorspot ab, ein Lied was einen anderen Kreislauf beschreibt: Aus Kleingaunereien werden Verbrechen, diese werden immer härter und brutaler und enden – wie im Lied – in lebenslänglicher Haft.
Den Räumlichkeiten angemessen betrat nun ein aus verschiedenen Musikformationen bekanntes Gesicht die Bühne. John Hay hatte diesmal wieder die Flamencogitarre mitgebracht und wollte deshalb auch gerne, dem Ambiente entsprechend, als Juan angesprochen werden. Musikalisch unterstrich er den spanischen Anspruch mit zwei instrumentellen spanischen Musikstücken, die von seinem Kollegen Jelin auf dem Cajon begleitet wurden. Eine langsame „Solea“ wurde durch das folgende „Bulerias“ gesteigert. Juan hat wieder einmal den Beweis erbracht, dass Musik in den unterschiedlichsten Stilrichtungen immer in den Folkclub Bonn passt – solange sie rein akustisch ist und mit Liebe, Freude und Gefühl vorgetragen wird. Liebe, Freude und Gefühl waren auch in dem nächsten Stück reichlich vertreten. Ergänzt wurde nämlich das Duo Juan und Jelin durch eine neue Hauptperson – Juju aus Brasilien. Ein klein wenig schüchtern, ja ängstlich kam sie daher, was sich allerdings sehr schnell als grundlos erweisen sollte., Mit dem Lied „Adios min e Grito“ sang sie sich mit einer tollen Stimme und einem gefühlvollen Vortrag direkt in die Herzen der Zuhörerschaft.
Den Jakobsweg laufen heißt heute zu sich selbst zu finden, früher war dieser Findungsprozess gepaart mit Buße – mag sein, dass das heute bei einigen auch noch eine Rolle spielt. Bei Gerd Schinkel heißt den Jakobsweg gehen natürlich mit einem Koffer voller neuer Lieder zurück nach Hause zu kommen. Und einige dieser Lieder brachte er in angepasster, spanischer Umgebung zu Gehör. Fast schon eine Einleitung als Begründung für die Entscheidung den beschwerlichen Weg zu laufen, hieß sein erstes Lied „Der Weg ist das Ziel“. Nicht lange nachdenken und sich etwas vornehmen, sondern loslaufen und das Beste draus machen – so findest du zu dir. Auch das zweite Lied brachten tiefe Gedanken ans Tageslicht „Bin ich eigentlich bescheuert“ war wohl jeden Abend nach dem Ausziehen der Schuhe und jeden Morgen vor der neuen Tagesetappe der Gedanke, den sich nicht nur Gerd gemacht hat. Die Antwort auf diese Frage wird aber wohl jedem mit dem Glücksgefühl, das Ziel erreicht zu haben, gegeben. Dass sich diese fundamentale Frage nach wenigen Schritten in gedankliche Luft auflöst, beschrieb Gerd mit dem nächsten Lied „Bon Camino“, dem Gruß, der in allen Sprachen verständlich jedem Wanderer entgegenschallt, wenn er auf andere Jakobsbezwinger trifft. Gleichzeitig war dieser Gruß von Gerd auch die Verabschiedung des Publikums in eine kurze Pause. Da der Geräuschpegel inzwischen doch ziemlich angeschwollen war, wurde diese Pause zur Sammlung der Konzentrationsfähigkeit auch benötigt.
Die zweite Hälfte des 82. Folkclubs wurde von dem Großmeister der Tasten und des Rhythmus eingeleutet (das Wort ist extra mit e geschrieben, denn eine Glocke war nicht da, jedoch sollte der Song zum Mitsingen anregen). Barry Roshto bewies sein mathematisches Talent, indem er feststellte, dass die Subtraktion nur eine Addition mit negativem Vorzeichen ist. Was passiert, wenn 100 Flaschen Bier auf dem Regal stehen und eine nach der anderen mit dem Kommentar „trink noch einen Schluck“ herum gereicht werden? Es werden immer weniger Flaschen und die schbraache würd uneutlichär. So geschildert in dem „Bottle Song“, der zur Entlastung des Publikums zwischendurch die Schilderung der Leerung der Flaschen  80 bis 15 ausgelassen hat. Getoppt (oder vielleicht doch gedownt) wurde diese musikalische Schilderung durch eine very British version von John, die allerdings, da nur von 10 Flaschen die Singe war, vollständig gesungen wurde. Als astreines Additionslied zeigte sich dann die Geschichte von dem Stöpsel in dem Loch des Grundes eines Gewässers... Wie es ausgeht? Bitte bemüht das Internet zu dem Text des Liedes „There's a Hole in the Bottom of the Sea“. Die Einleitungsrunde zur zweiten Halbzeit des Folkclubs beschlossen Barry und John gemeinsam mit dem Spaßlied „You Can't Get to Heaven“ - egal welches Fortbewegungsmittel gewählt wurde, der Weg in den Himmel konnte nicht bewältigt werden.
Robert Sauerwein mit Andre Hübner brachten nun zwei Songs aus dem Album „Homegrown Projects“ zum Besten. Gewohnt an einen E- Bass musste sich Andre ein klein wenig auf den schnell herbei gezauberten Akustik Bass einstellen (ihr wisst ja, Folkclub Bonn ist immer rein akustisch). Dies gelang ihm aber schnell und so wurden nach den Mitsing- und Spaßliedern zwei popig, rockig angehauchte Lieder im besten Singer- Songwriter Manier vorgetragen. Die Stücke „Waiting for You“ und „A Hundred Ways“ stammen beide aus der Feder von Robert Sauerwein. Ich denke, wir werden die beiden sicher noch häufiger im Folkclub hören.
Mit einem Kinderlied für Vorschulkinder versuchte der Chronist selbst, also ich, Mario Dompke, seinen Beitrag zu den Kreisliedern zu leisten. „Ich bin ein dicker Tanzbär“ ist deshalb ein Kreislied, weil es immer wieder zum Ursprung zurückkommt, allerdings werden die Beteiligten immer mehr (Jede(r) muss sich nach jeder Strophe einen neuen Partner suchen – und das Lied kann viele Strophen haben). Ich danke vor allem Ingrid für ihre mutigen und mitreißenden Tanzeinlagen, so dass das Lied schnell die Tanzfläche füllte. Das nächste Lied war zwar kein ausgesprochenes Additions- oder Kreislied, jedoch beschrieb es eine mathematische Herausforderung. Was passiert wenn ein Sprichwort wörtlich genommen wird, aber sprichwörtlich überprüft wird? „Meine Hälfte“ ist ein Viertel unsrer ganzen Zweisamkeit..... ist ein Liebeslied, das den immer gleichen Kreislauf von verlieben über Familie gründen und versorgen hin zur ungleichen Verteilung von Aufgaben beschreibt.  Mit dem letzten Lied beschritt Mario auch sprachlich ernsten Grund. „Fährmanns Irrtum“ beschreibt die sich vorgestellten Gefühle eines Wachkomapatienten – wer weiß schon, was wirklich in diesen Menschen vorgeht?  Ist Hoffnung oder eher  Hilflosigkeit der erste Gedanke am Morgen? Gehen wir in unserer Gesellschaft eigentlich würdevoll mit solchen Situationen um? Fragen, die gestellt, aber nicht beantwortet werden.
Sebastian Landwehr, ein ehemaliger Irish Tuneist (Tune-ist; einer, der Tunes, also Melodien, zum Besten gibt) und heute hauptsächlich ein Liedermacher, stellte mit drei Liedern seine aktuelle CD vor. Nicht zum ersten Mal Gast im Folkclub, war ihm die Aufmerksamkeit des Publikums sicher. „Kleine Feder“ beschreibt die Sehnsucht, sich frei in den unterschiedlichsten Umgebungen bewegen zu können. Frei von Zwängen gesellschaftlicher Normen. „Es ist schon ok“ beschreibt die Realität nach der Sehnsucht und vor allem nach den Versuchen aus Normen auszubrechen. Aber nur wenige schaffen es wirklich, werden dann aber oft in anderen Normen gefangen. So ist das Lied, dass den Wunsch und Versuch beschreibt von der eigenen Musik zu leben und dann doch in „geordneten“ Bahnen zu landen, auch nur die Beleuchtung einer Seite – also kommt das Fazit wahrscheinlich zwar ein wenig frustriert, aber doch richtig – es ist schon ok. „Die Wogen“ ist auch ein Lied, in dessen Text jeder Hörer seine eigenen Aussagen hineinstecken kann – also ein gutes Lied. Es beschreibt Melancholie genauso wie Hoffnung, Faszination ebenso wie Frustration. Es ist ein Lied aus dem Stoff, aus dem lange haltbare Begleiter des Lebens gemacht sind. Ich hoffe, dass Sebastian nicht den Weg seines zweiten Liedes geht, sondern immer wieder zur Gitarre greifen  und neue Lieder schreiben und vortragen wird.
Was so alles aus einer Partneranzeige erwachsen kann – und das nicht im Sinne der Liebeslebenkontaktbörsen – zeigt das Duo Uwe Gillert und Jakob Sodoge. Uwe hat mal eine Anzeige zur Suche von Mitmusikern aufgegeben und als er gar nicht mehr daran dachte, stand plötzlich Jakob mit seiner Autoharp vor der Tür. Was dabei herausgekommen ist, durften wir mit drei Lieder hören. „Schlecht geträumt“ ist ein in rheinischer Mundart geschriebenes Lied über Fremdenhass und falschem Nationalstolz. Auch wenn in dem Lied nur ein Traum, so drückt es doch die Angst aus, dass nicht etwa Flüchtlinge oder andere Hilfesuchende uns kaputt machen, sondern die pauschalierte Ablehnung einiger Spinner, die aber in der ganzen Welt immer mehr werden und gerade mit ihrer Ablehnung anderen gegenüber die Probleme des Terrors und der Uneinigkeit heraufbeschwören. Mit dem Lied „Curry Wurst“ wurde – bewusst oder unbewusst – die Aussage des ersten Liedes noch einmal unterstrichen. Was gibt es im Leben eines durchschnittlichen Bürgers wichtigeres als Fußball, Fritten und Currywurst – die Reduktion auf das „Wesentliche“ blendet oft die Möglichkeit, sich mit den Problemen anderer auseinandersetzen zu können, aus. Aber das Lied selbst ist sehr gut gemacht. Super Blues und mit der Harp von John auch noch zusätzlich internationalisiert :-). Last but not least wurde noch einmal das Thema „Terror“ mit dem gleichnamigen Lied von Jokob Sudoke aufgenommen. Ich war anfangs etwas irritiert, weil die Melodie des Liedes eher beschwingt daher kommt, aber wahrscheinlich ist dies genau die richtige Art, die Mahnung auszudrücken, dass wir uns langsam aber sicher mit Terror als Alltagsgeschehen abfinden – das darf aber niemals so sein.
Nun folgte ein langer aber informativer Block über den Club Galizia, dem Kulturverein und natürlich der galizischen Pipemusik. Eva Salgado Martinez, ihres Zeichens Präsidentin des Club Galizia, beschrieb anschaulich wie wichtig die Pflege der galizischen Kultur auch für Bonn Bad Godesberg ist und wie bereichernd das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen sein kann. Die Organisation regelmäßiger Kulturveranstaltungen, das Betreiben einer Restauration mit galizischen Speisen und Getränken und der einfache, allabendliche Austausch untereinander bilden die Säulen, dass Freundschaften entstehen und Hass vermieden wird. Besonders emotional wurde Eva natürlich nachdem sie, durch viele Bitten aufgefordert, zu ihrem Dudelsack griff. Da dies sehr spontan erfolgte , durften wir nicht nur miterleben, wie ein solches Instrument zum Spielen vorbereitet wird (Stimmen, einblasen), sondern auch die instrumentalen und kulturellen Hintergründe der Musik erläutert bekommen. Wer hätte gedacht, dass auf einem Instrument, welches mit seiner Lautstärke locker jeder Feuerwehrsirene in den Schatten stellen kann, Schlaflieder für Kinder gespielt werden. Eva zeigte uns an einigen Beispielen wie traditionelle Musik für unterschiedliche Situationen, jeweils eigene Charaktere haben und, wenn man sich darauf einlässt, diese Charaktere auch der Situation angemessen erscheinen.
Den Abschluss des Abends gestaltete wieder Gerd Schinkel, der weitere Lieder aus seinem Jakobswegzyklus vortrug. Die Gesamtstimmung (weniger emotional sonder phonal) hatte weiter zugenommen, so dass es bei einer anschwellenden Lautstärke durch Unterhaltungen schwieriger wurde, Lieder mit notwendigerweise zu verstehenden Texten vorzutragen und diesen zu folgen. Gerade in diesen Situationen zeigt sich Gerds Professionalität und er schaffte es trotzdem die Aufmerksamkeit zu behalten. „Dem Weg ist es egal“ wer ihn geht, ist ein Lied welches sich an dem Abend gut in die Gesamtthematik nach Toleranz bwz. Intoleranz einordnete. Nicht die Umgebung lehnt etwas ab, sondern höchsten die Menschen, die sich die Umgebung unterwerfen wollen. Auch das Lied „Geh deinen Weg“ fordert auf, sich nicht auf die Meinung anderer einzulassen, sondern eine eigenen Meinung zu haben und diese zwar immer wieder zu überdenken, aber dann auch zu vertreten. „Finistra“ war dann, wie der Name schon sagt, das Lied über das Ende des Jokobsweges. Ein Lied über zurückgelassene Wasserflaschen und anderen Müll, aber auch ein Lied über die Frage, was hat es einem selbst gebracht den Weg und ein Stück darüber hinaus zu laufen.
Der schottische Patron „Jock Stewart“ durfte auch im fernen Spanien (zumindest im Club Galizia) nicht fehlen und so bezwangen alle Folkclubbesucher mit einem gemeinsam geschmetterten Abschiedslied noch einmal die Lautstärke der inzwischen entstandenen Alternativgespräche und sogar -konzerte, denn eine Kulturclub wäre keine Kulturclub, wenn nicht zur fortgeschrittenen Stunde auch heimische Musik gemacht würde – und ganz im Sinne des Folkclubs: von Hand und rein akustisch.
Ich hoffe, wir sehen uns am 1. September alle bei Dotty wieder. In diesem Sinne
Out of the bedroom

Mario