Folk
Club im Juni 2013 – Ein Sommernachtsmärchen
Bestes Biergartenwetter und musikalische
Konkurrenz ohne Ende in Bonn – dennoch zog es wieder viele Begeisterte zum Folk
Club in den Müllestumpe. Schon die angekündigten Special Guests waren eine
Attraktion. Die Stammbesucher wissen aber, dass auch unangekündigt viele
Edelsteine auftauchen. Und sie wurden nicht enttäuscht. Ein wahres Feuerwerk
von erwarteten und unerwarteten Glanzlichtern schlug alle in den Bann.
John
Harrison eröffnete wie üblich mit seinem Schlachtruf die Session und
stimmte dann mit dem Highland-Klassiker (oder ist es doch ein irisches Lied –
die Experten streiten sich) „Wild Mountain Thyme“ die Gemeinde auf den Abend
ein. „The Fox Must Die“ lautet der Titel eines Gedichts von John Clare, das
John Harrison selbst vertont hat. Dazu passend spielte er anschließend auf der
Mundharmonika den „Fox Chase“, ein spektakuläres Instrumental mit eingestreutem
Heulen des gejagten Fuchses.
Gut warmgelaufen erhielt das Publikum eine
Kostprobe der Musik von Janero del
Rosario von den Philippinen. „Amie“ heißt der Titel des Liedes von Damien
Rice, das schön gefühlvoll daherkommt. „Even Just a Little“ heißt übersetzt das
ein Lied in philippinischer Sprache, das von den unerledigten Dingen handelt.
Zum Schluss präsentierte uns Janero ein patriotisches Lied, da ein paar Tage
später am 12. Juni der Nationalfeiertag der Philippinen anstand.
Cynthia
Nickschas und ihre fünf Mitstreiter
waren die Überraschung, die John Harrison dem Publikum präsentierte und die
sich als ein wahrer Knüller entpuppte. John hatte Cynthia am Vortage mit ihrer
Gitarre in der Godesberger Fußgängerzone gesehen und gehört. Ihre „noch ein
paar Leute“, die sie bei ihrer spontanen Zusage für den Folk Club am anderen
Tage ankündigte, entpuppten sich als eine professionelle sechsköpfige Truppe von exzellenten Sängern
und Instrumentalisten. Interessanterweise war mit „Doktor“ Stefan Janzik auch ein hervorragender Musiker dabei, der bereits
2010 im Duo „Mike und der Doktor“ im Folk Club mit großem Erfolg aufgetreten
war. Cynthia legte jedenfalls ohne große Umschweife mit ihren
selbstkomponierten frechen Liedern los, die zum Nachdenken animieren. Mit „Es
läuft immer wie du dich fühlst“ ging es los, einem Lied, mit dem sie und ihre
Freunde gleich alle in ihren Bann zogen. „Egal wie viel Geld es regnet, wachsen
wirst du nicht. Und wenn’s dir mal richtig sch... geht – guck mal nach dem
Licht“ lautete der Refrain, der Mut macht. „Set Myself Free“ in englischer
Sprache sang sie mit ihrer voluminösen und intonationssicheren Stimme, die
wahrlich keinen Verstärker benötigt und die einigen Besuchern gleich
Entzückensbemerkungen entlockte. „Die deutsche Zaz!“ war die Bemerkung aus der
frankophilen Ecke, und „wie Janis Joplin!“ kam von der anderen Seite. Der Chronist
meint: Cynthia ist Cynthia! Im Duett mit Ihrer Freundin Sabrina sang sie ihr nach eigenem Bekunden ältestes Lied mit dem
Titel „Kleines bisschen Schicksal“ – eine schöne Ballade, und das Publikum war
restlos begeistert. Natürlich durften Cynthia und ihre Freunde nicht ohne eine
Zugabe gehen – „Generation Blöd“ lautet der Titel des Liedes, das sich mit der
selbstgerechten Kritik der älteren Generation an der angeblichen mangelnden
Bildung der jungen Leute auseinandersetzt. „Uns wird vorgeworfen, dass wir
nichts auf die Reihe kriegen, aber unsere Ideen werden auch nicht umgesetzt“
kommentierte Cynthias einleitend – Hoffentlich kommt ihr bald wieder zum Folk
Club ist der Kommentar des Chronisten!
Noch voll mit den zuvor gehörten fetzigen
Liedern stimmten nun Monica, Sabine und
Bernd aus Bad Godesberg die Gemeinde zunächst auf dreistimmigen a capella
Gesang ein. „Versuch’s mal mit Gemütlichkeit“ – beim bekannten Lied aus dem
Dschungelbuch brillierten die drei mit gekonnter Stimmbeherrschung und viel
Witz und Charme, ein wahrer Ohrenschmaus. Begleitet von Bernd am Klavier
begeisterten die beiden Frauen danach das Publikum mit Rossinis „Katzenduett“,
witzig vorgetragen und mit toller Stimmkunst. „Das Kazoo Concerto“ von Mary
Donelly war danach der ebenfalls witzige Schlusspunkt eines gelungenen
Vortrags. Sabine und Monica, erneut von Bernd am Klavier begleitet, sorgten mit
ihren schönen Stimmen und mit den Kazoo-Einlagen für viel Spaß.
Ja, die Special Guests des Abends mussten lange
auf ihren Auftritt warten. Das war eigentlich nicht ganz so geplant. Aber bei
Folk Club Abenden muss man mit Überraschungen rechnen, und die sind wie auch
diesmal fast immer positiv. Irische und schottische Folk Musik ist die
Spezialität des Quartetts Currach. Uwe Beyer (Bodhrán, die irische Trommel), Ellen
Jeikner (Gitarre, Mandoline und Tin Whistle), Marie-Luise Hartmann (Geige) und Ralf Wackers (Gitarre, irische Bouzuki und Mundharmonika) waren
nicht zum ersten Mal im Folk Club zu Gast. Sie haben ein umfangreiches Programm
an Gesangs- und Instrumentalstücken, mit dem sie sofort für das richtige
Kelten-Feeling sorgen.
Zum Aufwärmen spielten sie das Kinderlied "Beidh
Aonach Amárach (Morgen ist Jahrmarkt)" über einen Dialog zwischen Mutter und Tochter, das Ellen in
irischer Sprache vortrug. Das Mädchen möchte gern zum Jahrmarkt, aber die
Mutter lässt es nicht, die Arme!. Nach einem schwungvollen
Instrumentalabschnitt mit drei Jigs („Working in the Mill“, „Slieve Russell“
und „Lost and Found“) sang das Quartett das traurige Lied „Cragie Hill“, das
davon handelt, dass jemand das Gespräch eines Paares auf der Parkbank
belauscht, das sich verabschiedet, weil der Mann aus wirtschaftlicher Not nach
Amerika gehen will. Ein weiteres Lied in irischer Sprache („Caide Sin“) sang
Ellen danach mit ihrer schönen warmen Stimme. Dass die Musik von Currach auch
zum Tanzen geeignet ist, bewiesen die vier mit sogenannten Adros, Tänzen aus
der Bretagne, zu denen sich fast der gesamte Saal im Kreis bewegte. Bei einem
weiteren Instrumental-Set mit drei Jigs mit den Titeln „Lilting Banshee“ „The
Barney Pilgrim“ und "Connaughtman’s Rambles“ kam auch die Tin Whistle zu ihrem
Recht. Weniger fröhlich ging es bei einem Lied über den Osteraufstand von 1916
zu („The Foggy Dew“), der ein Meilenstein auf dem Weg zur irischen
Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahre 1921 war.
Als Zugabe bekam das Publikum einen besonderen Ohrwurm mit dem Seemannslied „Farewell to Nova Scotia“ zu hören. Nova Scotia (Neuschottland) liegt
zwar als kanadische Provinz in der neuen Welt, war aber anfangs überwiegend –
wie der Name schon andeutet – von schottischen Auswanderern besiedelt. In dem
Seemannslied verbindet sich das Lebensgefühl der Menschen aus Ländern, in denen
der Abschied von der Heimat – oftmals für immer – nicht selten ist, und dazu
gehört auch Irland. Interessanterweise gehört das Lied zum Repertoire der
kanadischen Band „The Irish Rovers“. Riesenapplaus für Currach, die mit ihren
schönen Liedern, ihrem Gesang und ihren
professionell gespielten Instrumenten begeisterten.
Was wäre ein Folk Club ohne die Mitwirkung des
Publikums? Unser alter Gefolgsmann Günter
Peters hatte ein selbstgeschriebenes Lied auf die Melodie von Beethovens
Ode an die Freude mitgebracht, das die Freude über die Musik besingt. Zusammen mit Günters Begleitung am Klavier war das ein großer Spaß für alle .
Steve
Perry und Benedict Steilmann,
der im März sein Debüt im Folk Club gegeben hatte, formten diesmal ein super
harmonierendes Duo, taten einen tiefen Griff in die Country-Kiste und holten
einige Knüller heraus: „Dim Lights, Thick Smoke and Loud, Loud Music“ lautet
der Klassiker von Joe Maphis aus dem Jahre 1953. Es ist schon ein Wunder, dass
ein Lied mit solchem Text heute noch in
geschlossenen Sälen gesungen werden darf. Wer weiß, wohin uns die
Bevormundungspolitik und der politische Korrektkeitswahn noch führen wird. Aber
zu früh gefreut über die gute alte Zeit: Das Lied hat einen erhobenen
Zeigefinger hoch drei: Es handelt von einer liederlichen Frau, die sich nicht
in ein Leben als fürsorgliche Ehefrau und Mutter einbringt, sondern sich lieber
in Spelunken mit Kerlen herumtreibt. Der Schlusstext lautet: „Go on and have
your fun. You think you've played it smart, I'm sorry for you and your
honkytonk heart”. Auch „Sunday Morning Coming Down“ von Kris Kristofferson
handelt von jemandem, der nicht wirklich nach den Vorschriften der Korrektheit
lebt: “Well, I woke up Sunday morning with no way to hold my head that didn't
hurt, and the beer I had for breakfast wasn't bad so I had one more for desert”
lautet der Einstieg. Nach dem herrlichen Schmalzlied “Silver haired Daddy of
Mine“ von Gene Autry aus dem Jahre 1931, sangen die beiden noch ein
Zugabestück: „My Grandfather’s Clock“ von Henry Clay Work aus dem Jahre 1876
über die geheimnisvolle Standuhr, die das komplette Leben des Großvaters
begleitet und bei seinem Tod für immer stehen bleibt. Großer Applaus für
Benedict und Steve!
Gerd
Schweizer hatte eigentlich bereits beim Folk Club im Mai spielen wollen und
holte seinen Auftritt jetzt mit Liedern von Reinhard Mey (anstelle von
Mai-Liedern) nach. „Keine ruhige Minute“ ist die Hymne an das Neugeborene, das
die frischgebackenen Eltern ebenso verzaubert wie auf Trab hält. „Heute noch“
schwärmt von den Wundern des Jetzt, und das „Lied von der Spieluhr“ preist die
Liebe, die die Haltbarkeit einer Spieluhr überdauert – „überliebt“. Bei Gerds
schön vorgetragenen Liedern zeigte sich auch die spezielle Qualität des Folk
Club Publikums: Wenn die Musik etwas leiser und delikater ist, kann man die
sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Der Applaus war aber alles andere als
zurückhaltend – vielen Dank an Gerd!
Nach dem obligatorischen gemeinsam gesungenen
„Jock Stuart“ als Rausschmeißer war der Vorrat an Glückshormonen wieder
aufgefüllt.
Auf Wiedersehen am 5. Juli mit unserem Special
Guest Simon Wahl. Auch das übrige Programm verspricht wieder viel Freude. Unter
anderem sind geplant: Elena Fricke zusammen mit Steve Perry, Barry Roshto mit
seiner Tochter Emily, Lothar Heinrich, Richard Limbert und ferner Thomas Bandholtz, G.
W. Stiller und Freunde von den „Verstaubten Instrumenten“ (jetzt aber
entstaubt) aus dem Feuerschlösschen in Bad Honnef.