Folk Club am 1. April 2016 – ... der macht, was
er will
Alle Jahre
wieder im April ist das Thema des Abends eigentlich klar. Jedoch waren die
Beiträge mit Veräppelungscharakter nicht so zahlreich, wie vielleicht zu
erwarten – Lieder mit einem irgendwie gearteten Bezug zum April gab es aber in
Fülle.
Den Anfang
machte John Harrison mit seinem
unverwüstlichen Lied – oder ist es doch eher eine Geschichte – über Albert
McTavishs Kühlschrank. Die witzige Geschichte – wer den Inhalt wissen will,
recherchiere in früheren Folk Club-Berichten – wird erst erzählt (jedes Mal ein
wenig anders – Ich habe noch nicht zwei gleiche Versionen gehört) und dann
folgt sie musikalisch, aber nur als Instrumental. Zusammen mit Paolo Pacifico gab es dann das etwas
traurige Lied „Beeswing“ (Bienenflügel) über das Mädchen, das seine
Unabhängigkeit ganz oben an stellt und dafür den eigenen Untergang in Kauf
nimmt. Natürlich gab es zum Frühlingsbeginn von John auch ein frühlingshaftes
Gedicht über die Magnolien, die die meiste Zeit des Jahres unscheinbar sind und
unbeachtet bleiben und sich dann im frühen Frühjahr mit einem Mal zu ungeheurer
Pracht entfalten. Das Ganze in deutscher Sprache – bravo John. Das nächste
Gedicht widmet sich eher dem Vergehen als dem Werden und hätte somit besser in
den Herbst gepasst. Aber eindrucksvoll von John vorgetragen gestatten wir es
auch für den April: „Do Not Go Gentle Into That Good Night“ lautet der Titel
des Gedichtes von Dylan Thomas, dem ebenso begabten wie versoffenen walisischen
Dichter aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Thomas, der nur 39 Jahre
alt wurde, schrieb das Werk am Totenbett seines Vaters. Das Können des Mannes
beeindruckte einen anderen Herrn namens Robert Allen Zimmerman so sehr, dass er
sich fortan Bob Dylan nannte. An den geheimnisvollen Texten seines
Namenspatrons nahm er sich ein gekonntes Beispiel, mit der Liebe zum Alkohol
hielt er sich offenbar etwas zurück. Immerhin ist der spätere Dylan inzwischen
fast 75 Jahre alt (beim Juni-Folk Club könnt Ihr ihm ein Ständchen bringen, der
Geburtstag ist am 24. Mai) und noch immer aktiv. Ein Lied, das eine gewisse
Beziehung zu Bob Dylan hat, ist „Isn’t it Grand, Boys“. Johns Aussagen zufolge
wurde es u.a. von Joan Baez gesungen, die eine Liebschaft mit Bob Dylan hatte.
Das Lied handelt aber, anders als der Titel vermuten lässt, nicht vom Leben und
der Liebe sondern vom Sterben. Das Sterben wird aber herrlich auf die Schippe
genommen. Der Text („And always remember: The longer you live, the sooner
you’ll bloody well die“) erinnert ein wenig an den Filmtitel „Wer früher
stirbt, ist länger tot“. Das witzige Lied stammt im übrigen nicht von Ihrer
Hoheit Joan Baez, sondern ist ein Traditional. Eine deftige Interpretation
bietet die irischen Gruppe „The Clancy Brothers and Tommy Makem“ aus den
sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. John und Paolo ergänzten sich
beim Singen in unnachahmlicher Weise – fröhlicher Applaus. Ein richtiger Blues
darf aber bei John und Paolo nicht fehlen: „Black Bottom“ erzählt die
Geschichte der armen (schwarzen) Leute, die am Fluss leben müssen, weil dort im
Überflutungsgebiet (Black Bottom), die Grundstücke billiger sind. Toll gesungen
und gespielt mit klasse Mundharmonikariffs von Paolo.
Mit Gedichten
ging es weiter mit unserem Rezitationskünstler Dieter Faring. Sein selbst geschriebenes Gedicht über die beiden
Kater, die sich in einer Aprilnacht an eine weiße Katze ranmachen, ist immer
wieder ein Knaller. Das Gedicht über die Fliegen und die Mücken widmete er
speziell Steve, der, so Dieter, eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun
könne. Der Zoologieprofessor, dem die Mücke ziemlich zugesetzt hatte, behilft
sich dann tatsächlich doch damit, die Mücke durchs offene Fenster zu verjagen.
Dass dies aber ausgerechnet im April stattgefunden haben soll, ist vermutlich
unserem heutigen Thema geschuldet. Die Mücken lassen sich mit ihrem Unwesen
normalerweise etwas Zeit und plagen uns erst in späteren Monaten.
Eine kleine
Gedächtnisstunde für den kurz zuvor verstorbenen Keith Emerson, dem Kopf der
legendären Band Emerson, Lake and Palmer, präsentierte John Hurd flankiert von Paolo
Pacifico und John Harrison.
„Lucky Man“ heißt das allseits bekannte Lied.
Bob Marabito wurde bei seinem Lied
tatkräftig von Steve Perry
unterstützt, denn Regine Mertens, Uta Schäfer und Karin Schüler sind der Meinung „Hit the Road, Jack“ – ein munterer
musikalischer Spaß.
Als Quartett
fanden sich danach Mario Dompke, Paolo Pacifico, John Harrison und Jörg
Bohnsack zusammen. „Angel from Montgomery“ von John Prine war ihr Lied,
dass herrlich melodisch und melancholisch daherkommt.
Mal etwas Deutsches boten Anke und Jörg Bohnsack,
die immer wieder schöne plattdeutsche Lieder aus ihrer norddeutschen Heimat zum
Besten geben. „Lütt Matten, de Has“ erzählt die Geschichte vom leichtsinnigen
Hasen, der tanzen will und am Ende vom Fuchs gefressen wird. Das Leben ist
grausam. „An de Eck steit’n Jung mit’n Tüdelband“ ist ein Hamburger
Gassenhauer, der einen lustigen Text und eine fröhliche Melodie hat, aber mit
einer bewegten und durchaus traurigen Geschichte verknüpft ist. Der jüdische
Textdichter Ludwig Wolf überlebte die nationalsozialistische Zeit nur mit
knapper Not. „You’ve Got to Hide Your Love Away“ ist eines der weniger häufig
gespielten aber umso schöneren Lieder der Fabulous Four – wunderbar gesungen
und gespielt von den beiden – Applaus!
Als Floor Spot mit einem einzelnen und dazu noch
selbstverfassten Lied spielten sich Marie
und ihre Begleiterin in die Herzen
des Publikums. „You Are Like April“ lautete der Titel des Liedes – Der Bezug
zum Thema des Abends wurde zu 100 % erfüllt!
Jutta Mensing
ist immer für ein a capella gesungenes Lied gut. Zum Frühlingsbeginn spornte
sie das Publikum zum Kanon „Es tönen die Lieder“ an, und das Publikum machte
begeistert mit.
Steve Perry hat
ebenfalls immer eine Überraschung auf Lager. Nachträglich zum Namenstag des
Heiligen David, des Schutzheiligen der Waliser am 1. März, hatte er seine bunte
Gruppe aus Hausmitbewohnern und Freunden zusammengetrommelt (Bandname „One Night Stand“), um die Walisische
Nationalhymne zu singen – toll mit vielen Stimmen und begleitet mit einer
Harfe. Wer es genau wissen will: Der Titel der Hymne lautet: „Hen Wlad fy
Nhadau“
Bernd Wallau
leitete danach die Truppe beim Madrigal von Thomas Morley „April is in My
Mistress’ Face“. Das ist ein kunstvoll kompliziertes und verwickeltes Lied, wie
es die Madrigale nun mal so an sich haben. „One Night Stand“ machte seine Sache
supertoll und erntete einen besonderen Applaus. Nochmal einen Bezug zum April
bot das Lied „Little April Shower“, aus dem Disney-Film „Bambi“. Herrlich dabei
die Trennung von Männer- und Frauenstimmen.
Ins Deutschland des 19. Jahrhunderts mit literarisch
verpackter ironischer Kritik an verschrobenen und eingebildeten Intellektuellen
entführte uns Bernd danach. August von Kotzebue, der umstrittene Vielschreiber
verfasste einst den Text des Liedes „Gern lachen die Heiden“, und Friedrich
Kuhlau lieferte dazu die Melodie. Das Stück stammt aus der weitgehend
vergessenen Oper „Die Brillen-Insel“ (ist das nicht ein wahnsinniger Titel für
eine Oper?). Aber Bernd Wallau ist ein Meister des Lieder-Ausgrabens, und seine
Chöre haben dann ihren Spaß an den ungewöhnlichen Stücken. Erneut großer
Applaus an Bernd Wallau und „One Night Stand“.
Karin Schüler
und Gerald Löhrer ließen es danach
besinnlich angehen. Bei „M’envoyer des fleurs“ (von Sandrine Kiberlaine) konnte
Karin ihre herrliche Stimme und Gerald sein gekonntes Gitarrenspiel zur Geltung
bringen. Cindy Laupers unsterbliches Lied „Time After Time“ scheint beiden
ebenfalls wie auf den Leib geschrieben. Gerald steuert wunderbar sparsame und
doch einfühlsame Gitarrenakkorde bei und begleitet Karin gesanglich bei den
zweistimmigen Passagen – wunderschön anzuhören. Zum Thema des Abends steuerten beide das Lied „Girl With April in Her
Eyes“ von Chris de Burgh bei. Für meinen Geschmack war dies das schönste der
drei Lieder mit wunderbaren zweistimmigen Passagen und kunstvollen
Gitarrenriffs – die Rufe aus dem Publikum nach einer Zugabe blieben leider
unerhört.
Zum Abschluss des Abends durfte Paolo Pacifico einmal seine Qualitäten als Sänger unter Beweis
stellen, am Klavier begleitet von Robert
Hrubes aus San Francisco. Von Van Morrison stammten „And it Stoned Me“,
„Bring it on Home to Me“ und das geniale „Moondance“. Allseits bekannt waren
die Lieder „Don’t Let Me Be Misunderstood“ und „House of the Rising Sun“ von
den Animals. Robert sorgte für den perfekten Groove und Paolo erwies sich als
ein richtiger Jazzsänger – bitte demnächst mehr davon.
Auch ein noch so schöner Abend geht einmal zuende, nicht
aber ohne ihn mit dem Rausschmeißer „Jock Stewart“ zu verabschieden. Alle
Musiker und das Publikum fanden sich wie immer am Schluss der Folk Club-Abende
in diesem Lied zusammen.
Auf Wiedersehen am 6. Mai mit den Featured Artists Tom Copson und Richard de Bastion.