Montag, 17. September 2012

Detlefs Bericht vom FC 29

Folk Club (Nr. 29) im September 2012 -
Die Begeisterung nimmt kein Ende


von Detlef Stachetzki

Auch eine reine Singers’ Night kann begeistern. Das zeigte der jüngste Folk Club Abend am 7. September. Offenbar war die Gemeinde nach der Sommerpause wieder richtig heiß auf Live Musik ohne Verstärker und Firlefanz, denn die Bude war voll und die Auftrittsliste so lang, dass eine Überstunde angesagt war – und das trotz ausnehmend gutem Wetter und WM-Qualifikationsspiel der deutschen Fußball Nationalmannschaft. Steve Perry, der diesmal für die musikalische Organisation zuständig gewesen war, hatte einen sehr guten Job gemacht und ein tolles Programm mit alten Bekannten und neuen Überraschungen zusammengestellt. Beeindruckend war jedenfalls die Gitarrenbatterie, die sich in Bühnennähe stapelte und die als Vorbote guter Unterhaltung auftrat.

Den Anfang machte wie immer unser Master John Harrison mit dem bekannten Schlachtruf (Ladiiiiiies and Gentlemen!!!!!!!!!!!) und einigen wunderbaren Warm ups mit den Blues Stücken des Altmeisters Lightnin’ Hopkins „Mojo Hand“ und „Arkansas“. Danach beweinte John das Ableben seines fast dreißig Jahre alten Mercedes (bis der TÜV uns scheidet), der es nicht mehr in ein würdiges Leben als Auto-Senior (oder müsste es Seniorin bei einem Auto mit Frauennamen heißen?) mit einem H-Kennzeichen geschafft hatte, mit einer gekonnten A capella-Darbietung von Janis Joplins unsterblichem Lied „Mercedes Benz“.

Stephan Weidt, den wir aus früheren Folk Club-Abenden als hervorragenden Solokünstler kannten, kam diesmal mit einem zweiten Stefan als Duo. Er und sein Partner Stefan Engwald trugen dazu bei, dass auch die deutschsprachigen Klassiker eine würdige Vertretung bekommen: „Als ich fortging/Nichts ist unendlich“ lautete der Titel des als „Wendehymne“ geadelten Liedes der DDR-Gruppe „Karussell“ aus dem Jahre 1987. Georg Danzers Lied über die Freiheit, die im Zoo ausgestellt wird und sofort verschwindet („man sperrt sie ein und augenblicklich ist sie weg“). Von Danzers Österreich ging’s danach in die Schweiz mit einem Lied von Stephan Eicher (heute mal ein Abend voller Stef/phans und zwei Stevens noch dazu) „In Wolken“ über die Wahrheit, die ein gefräßiges Tier sei und nicht müde werde. „Am Ende sind die Lügen genauso wahr“ lautet ein ernüchterndes Fazit. Mit Gitarrenbegleitung vom Feinsten und fantastischem zweistimmigem Gesang gaben die beiden ihren Liedern einen professionellen Auftritt, der von der Folk Club-Gemeinde mit besonderem Applaus honoriert wurde, und für den es natürlich eine Zugabe gab: ein von Stephan Weid selbst komponiertes Lied über den Musenkuss.

Ein Wiedersehen nach vielen Monaten gab uns die Gruppe „Happy Hunting Grounds“ mit Barbara Seidel, Frank-Olaf Nagel und Ralf Buchau aus Köln. Barbaras klare und ungekünstelte Stimme brachte das Sting-Lied „Fields of Gold“ zum Blühen und die exzellente Gitarren- und Mundharmonikabegleitung von Frank-Olaf und Ralf ließ die romantische und teilweise auch melancholische Stimmung der Lieder erst richtig zur Geltung kommen. „John Barleycorn“ lautete die Ballade des schottischen Nationaldichters Robert Burns, die die Band „Traffic“ in den 1970ern in leicht abgewandeltem Text mit einer melancholischen Melodie versehen hatte. Gut passend zur Geschichte, die davon handelt, wie man den bösen Alkohol (personifiziert durch John Barleycorn) versucht zur Strecke zu bringen, aber dann doch daran scheitert.

Optisch leicht verändert mit Hut und dickrandiger Brille und erneut deutlich weiter professionalisiert gab uns danach unser treuer Gefolgsmann und musikalischer Philosoph Richard Limbert zwei seiner zahlreichen Eigenkompositionen zum Besten: Einen happy-go-lucky-Song mit dem Titel „Think About Your Eyes“ und ein Lied über die Ewigen Zweiten, die doch so wichtige Leute sind „I’m Doctor Watson“, lautete der Titel. „Harry hol’ schon mal den Wagen“ wäre vielleicht mal eine schöne Alternative auf Deutsch. Mit „Nobody Knows You When You’re Down and Out” präsentierte Richard den alten Bluesklassiker mal auf eine Weise, wie wir sie im Folk Club noch nicht gehört hatten – großer Applaus.

Ebenfalls ein treuer Gefolgsmann ist Lothar Heinrich, der diesmal seine Gitarre daheim gelassen hatte und sich stattdessen musikalische Verstärkung in den Personen von Gerhard Lemm (Gitarre), Siggi Dankwardt (Piano) und Klaus Nick (Saxophon) mitgebracht hatte. Befreit vom Stress der eigenen Gitarrenbegleitung konnte sich Lothars schöne Baritonstimme richtig entfalten und die alten Jazz- und Rockklassiker zur Geltung bringen. Mit ungestümer Energie und Körpersprache brachte er das Publikum in seinen Bann, das gleich mitging mit bei „Route 66“, einem Lied aus den Vierzigern von Bobby Loup und „She may be your Girl“ einem leicht abgewandelten Lied aus der Zeit der Jazz-Größen Trixie Smith und Helen Humes, die das Lied in der Frauenversion „He May be Your Man“ bekannt gemacht hatten. Bei „Willie and The Handjive“ von Johnny Otis konnten die vier dann richtig ihre Rampensauqualitäten loslassen und ernteten natürlich tosenden Applaus.

Humoristisch ging es dann nach der Pause weiter: Unser diesmaliger Cheforganisator Steven Perry legte selbst Hand an seine brasilianische 10saitige Viola Caipira und begleitete sich damit bei dem leicht ironischen Lied „Plastic Jesus“. Dessen Refrain „Plastic Jesus, Plastic Jesus, Riding on the Dashboard of My Car“ sang die Gemeinde dank oder trotz mikroskopisch kleiner Textvorlagen (Herr Professor Perry tut was für die Nachhaltigkeit!) begeistert mit. Das Lied war im Übrigen ursprünglich ein Werbesong einer Firma, die tatsächlich kleine Jesusfiguren für das Armaturenbrett herstellte und vertrieb. Später bekam das Lied von den Folk-Heroen viele ironische Textvarianten zugedacht, die oftmals auch als blasphemisch gebrandmarkt wurden. Offenbar traf der Text mitten ins Schwarze der ambivalenten Religiosität Amerikas. Das Lied reiht sich nahtlos in Stevens mittlerweise zahlreiche augenzwinkernde Beiträge über die amerikanische Seele ein. Vielleicht können wir ja bald mal wieder das schön-schaurige Lied von den Martins und den Coys hören, lieber Steve? Oder hast du noch weitere Edelsteine auf Lager?

Erstmals im Folk Club traten Slinky Williams (alias Manuela Riedel) und P’tit Loup (alias Wolfgang, aha, daher kleine Wolf) auf. Die beiden agieren ansonsten mit zwei weiteren Musikern in der Gruppe „The X-Perts“ in der Aachener Region. Mit schönem zweistimmigen Gesang und variantenreich von Gitarren und Mandoline begleitet spielten sie zunächst den Gassenhauer „Blueberry Hill“ – eine klassische Einladung zum Mitsingen, die vom Publikum dankbar aufgenommen wurde. Beim Blues „My Babe“ von Little Walter begeisterte der Kleine Wolf mit seinem exzellenten Fingerpicking, und auch ohne das sonst übliche Harmonikasolo war das Lied dank des wunderbaren Zusammenspiels der beiden eine runde Sache. Beim J.J. Cale-Lied „These Blues” packte Manuela, pardon Slinky Williams, ihre herrliche Mandoline aus und begeisterte damit die Gemeinde – Super Vorstellung!

Als kleines Zwischenspiel nahm uns Steve Perry dann mit seiner Viola Caipira auf eine musikalische Weltreise von Südamerika über Portugal, Spanien, Griechenland, Irland bis nach Deutschland mit.

Als ob der Abend nicht bereits genug Höhepunkte gehabt hätte, übernahmen danach zwei weitere Profis die Bühne: Steve Crawford aus dem schottischen Aberdeen (der aber in nun in Bonn lebt) und Sascha Loss („Salossi“) aus dem bergischen Herrenbröl gingen mit mitreißenden Liedern, perfekter Instrumentenbeherrschung und raumfüllenden, tragenden Stimmen zur Sache. „The Buddha Song“ handelte davon, nicht vorschnell allen Leuten Glauben zu schenken. „5 am“, eine Eigenkomposition von Steve, war ein Lied für Moni, die um fünf Uhr aufstehen muss. Als echter Schotte musste Steve natürlich auch ein Lied des Nationaldichters Robert Burns parat haben: McPherson’s Rant“ war dann ein solches Lied in der Tradition Ost-Schottlands mit Geigenbegleitung von Sascha – Riesenapplaus, und natürlich kamen beide nicht ohne Zugabe von der Bühne: „Sleepy Head“ lautete der Titel.

Mehr zur Steve und Sascha kann man hier erfahren :
http://www.salossi.de/musik/steve_salossi/stevesalossi.html

Und Steve ist auch auf MySpace zu hören:
http://www.myspace.com/thestevecrawford

Am 28. Oktober könnt Ihr Steve mit der Band “Catford“ im „Kult 41“ an der Victoriabrücke in Bonn hören. Die Gruppen „Molehill Mountaineers“ und „Precious Few“ spielen im Vorprogramm.
http://www.catfordmusic.com/index.asp

Was ein rechter Folk Club ist, der braucht auch einen „Walk in“, und der kam in der Person von Philip Hellmann, einem Berliner, der in Köln zu Gast war und „mal im Internet nachgeschaut hatte, wo es was Interessantes gibt“. Wir fühlen uns geehrt! Philip steuerte selbst auf der Gitarre begleitet zwei auf Deutsch gesungene, selbstgeschriebene Lieder bei – hörenswert! „Mein Kind ist tief talentiert und alle anderen hoch“ lautete der Titel des bissig ironischen Liedes über den Talentwahn, mit dem Eltern ihre Kinder trietzen. Tieftraurig und mitfühlend kam das schöne Lied „Ich mag es, wenn du dich versteckst“ daher. Großer Applaus! Vielleicht hören wir ja mal wieder was von Dir.

Lange auf ihren Auftritt warten mussten Petra Brookland und Götz Mennenöh als letzte in der Reihe. Wir hoffen, dass es sich für Euch gelohnt hat, für das Publikum aber auf jeden Fall. „The Poor Wayfaring Stranger”, ein altes amerikanisches Volkslied sang Petra mit ihrer schönen, tragenden Folk-Stimme, die an Joan Baez erinnert, voller Gefühl. Ungewöhnlich war danach ein Liebeslied „bei dem es ganz schön zur Sache geht“ mit dem Titel „Imik Si Mik“, das von der Sängerin Hindi Zahra aus Marokko stammt. „Beautiful Tango“ war ein weiteres Liebeslied von Hindi Zahra, das Petra so zart und schön sang, dass es ganz still im Saal wurde.

Schade dass der Abend dann doch ein Ende hatte. Wegen der reichlichen Verspätung musste diesmal das sonst obligatorische Schlusslied „Jock Stewart“ ausbleiben. Aber beim kommenden Folk Club am 5. Oktober wird es dank des Mottos „A capella“ natürlich dazugehören.