Folk Club im Juli 2023 mit Besuch aus Kanada
Am letzten Folk-Club-Abend vor der Sommerpause durfte sich
das Publikum auf einen ausführlichen Beitrag unseres Gastes aus Kanada, des
Gitarristen Don Bartlett, freuen. Umrahmt
wurde das Programm wie immer mit Beitragen von John Harrison und Musik lokaler
Künstler. Zudem kam zum zweiten Mal in diesem Jahr die Kölner Gruppe Hofjebräu auf die Folk-Club-Bühne.
Aber wie immer der Reihe nach. Die traditionellen
Aufwärmübungen wurden von John Harrison
absolviert. Als kleine Anspielung auf Don
Bartlett, dessen Heimat die kanadische Provinz Alberta ist (doppelt so groß
wie Deutschland mit rund 4,5 Mio. Einwohnern), startete John mit dem Lied
„Alberta, Alberta“. Das hat allerdings nichts mit Kanada zu tun, sondern ist
auf eine Frau gleichen Namens gemünzt. Der Ursprung der Melodie ist nicht
geklärt. Die erste Aufnahme von 1926 wird dem Blues-Gitarristen Blind Lemon Jefferson
zugeschrieben. Damals hieß das Lied noch „Corrinne, Corrina“. Andere wiederum
geben Bo Carter Chapman als Urheber an. Den Text zu Ehren einer Alberta wurde
erst später mit der Melodie verbunden und stammt von Lead Belly. Aber bei den
alten Blues-Melodien ist es nicht unüblich, dass verschiedene Autoren als
Urheber vermutet werden und einiges miteinander vermischt wurde. Die Keule des
Urheberrechts war noch nicht entwickelt. Eindeutig von John selbst stammt das
Lied „Trouble And Strife“, das sich mit den verheerenden Ereignissen im
Jugoslawienkrieg 1991 beschäftigt. Ebenfalls aus Johns eigener Feder stammt das
Lied „AlbertMc Shah“, das einen etwas ungewöhnlichen Scheich besingt, in dessen
Harem 50 Frauen leben, die gerne Blues singen. Die Frauen singen aber leicht
schräg. Hier setzte John gekonnt seine Resonator-Gitarre mit
Bottleneck-Slide-Technik ein – sehr witzig!
Hans Ihnen hat
immer wieder kleine Edelsteine der Folk Musik früherer Jahre auf Lager. Diesmal
hatte er sich Lieder des unvergessenen John Denver vorgenommen, die gut zum
Thema des Abends „Ankunft und Abschied“ passten: Bei „Leaving On A Jet Plane“
sangen bereits manche Zuhörer mit. „Back Home Again“ war offenbar nicht ganz so
bekannt bei den Zuhörern, aber nicht weniger schön. Das dritte Lied war dann
eine Referenz sowohl an Kanada als auch an Darrel Delaronde, der zusammen mit
seiner Frau Saskia im Mai 2018 im Folk Club als Duo „Great Plains“ begeisterte.
Darrel ist aber traurigerweise im Oktober 2020 verstorben. „My Father’s Land“
ist eines seiner Lieder aus dem Album „Holy Ground“ – Vielen Dank, Hans, für
deine Lieder und besonders für die Erinnerung an Darrel und Saskia.
Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit griff Mario Dompke diesmal auf Lieder anderer
Autoren zurück. „Ich bin Soldat“ ist ein Lied, das erstmals im Zusammenhang mit
dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 bekannt wurde. Das Lied wird dem
sächsischen Sozialisten Max Kegel zugeschrieben, aber auch der Zwickauer Zeitungsredakteur
Karl Hirsch wird als Urheber des Textes vermutet. Mario brachte das Lied zudem
in Verbindung mit den Napoleonischen Kriegen, die rund 70 Jahre früher
stattfanden. Wie dem auch sei, einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde das
Lied in der Interpretation der Gruppe Zupfgeigenhansel im Jahr 1976. Das Lied
„Leicht Gepäck“ mit der Refrainzeile „Mein ganzer Reichtum ist mein Lied“
stammt von Georg Herwegh. Herwegh war ein Zeit- und Gesinnungsgenosse Kegels,
der sich für die Befreiung vom Obrigkeitsstaat einsetzte und sich aktiv an der
Revolution von 1848 beteiligte. Einen Griff in die Volksliederkiste tat Mario
dann mit dem Lied „Lustig, lustig, ihr lieben Brüder“, bei dem das Publikum den
Refrain
Zwar unser Handwerk ist verdorben
Die besten Saufbrüder sind
gestorben
Es lebet keiner mehr als ich und
du
mitsingen durfte. Das Lied handelt von den Erlebnissen eines
wandernden Handwerksgesellen, der durch ganz Europa herumgekommen ist.
Nach dieser etwas längeren Einstimmung gab Don Bartlett, der Featured Artist des
Abends, uns in seinem ersten Set vor der Pause eine Kostprobe seines virtuosen
gitarristischen Könnens. Um es vorwegzunehmen: Wenn Ihr seinen Namen irgendwo
auf einem Programmzettel lest: Nix wie hin! Es war schlicht ein musikalisches
Feuerwerk, wie man es nicht oft zu hören bekommt. Don, der bereits vor vier
Jahren im Folk Club zu Gast war, hat sich seither enorm weiterentwickelt und
ist ein echter musikalischer Glanzpunkt.
Für den heutigen Abend hatte er hauptsächlich die
instrumentale Interpretation von Stücken anderer Autoren ausgesucht. „Spritual
Groove“ von Antoine Dufour ist ein furioses Stück mit Perkussionselementen auf
dem Gitarrenkorpus. „Nothing Else Matters“ von Metallica bekommt durch Dons
Instrumentalversion erst die richtige Wirkung. Zum Weinen schön ist seine
Fassung des Liedes „Here, There And Everywhere“ von den Beatles. Weitere Interpretation
waren „We Don’t Talk Anymore“ von Charlie Puth und ein Arrangement des
Kanadiers Lenny Breau über Bob Dylans „Don’t Think Twice, It’s Allright“ mit kunstvoll
eingeflochtenen Ergänzungen von Jazz-Elementen.
Den zweiten Teil des Abends startete erneut John Harrison, diesmal begleitet von Christoph Thiebes und Michael Ralph Pfeil mit ihren
Mundharmonikas. „Walking Blues“ ist ein Stück aus den 1930er Jahren.
Geschrieben wurde es von Son House, aber seine Popularität bekam es in der
Interpretation von Robert Johnson. „Mr. Solitaire“ stammt aus Johns eigener
Feder, während der Blues „Little Red Rooster“ von Willie Dixon geschrieben
wurde. Bekannt wurde es 1961 in der Aufnahme mit Howling Wolf).
Auch John Hay hatte
zum Motto des Abends passende Lieder ausgesucht, die zudem gut zum Mitsingen
geeignet waren. Offenbar ist John Denver zum Thema Ankunft und Abschied“ eine
echte Fundgrube, hatte sich im ersten Teil des Abends ja schon Hans Ihnen in der Kiste bedient. Der
Text von „Country Road“ erfüllt das Motto-Kriterium vollkommen. Auch „Heute
hier, morgen dort“ von Hannes Wader passte gut und war zudem ein
deutschsprachiger Beitrag, bei dem das Publikum kräftig mitsang. Einen stark
religiösen Bezug hat das Lied „Oceans“ von Hillsong United, einem
Musikkollektiv, das zur australischen „Hillsong-Gemeinde“ gehört, einer zur
christlichen Pfingstkirchen-Bewegung gehörenden Glaubensrichtung.
Zurück auf den Boden der Tatsachen brachten uns „Hofjebräu“, die bereits Anfang des
Jahres einen Auftritt hatten. Die Gruppe besteht aus Michael Ralph Pfeil und
Axel Meyer. Die beiden widmen sich mit großer Inbrunst deutschsprachiger
Rockmusik. Als eine gelungene Kombination aus Ruhrgebiet (Michael) und
Rheinland (Axel) haben sie dann auch Lieder in rheinischer Mundart im
Repertoire. Mit „Helfen kann dir keiner“ von BAP legten sie gleich los und mischten
das Publikum ordentlich auf. Begleitet wurden sie dabei von John Harrison und
Christoph Thiebes auf der Mundharmonika. Die Abteilung Ruhrgebiet bekam danach
ihren Beitrag mit dem Lied „Willie und Gerd“ von Stoppok, bei dem die Beiden
richtig abrockten. Zurück ins Rheinische und Besinnliche ging es danach mit
„Wellenreiter“ von BAP, bei dem Axel zeigen konnte, dass er in der rheinischen
Mundart sattelfest ist. Gut geeignet für eine Hommage an unser Lokal „Dotty’s“
erwies sich Marius Müller-Westernhagens Lied „Hier in der Kneipe“, das die
beiden textlich etwas angepasst hatten. Großer Applaus für „Hofjebräu“!
Anschließend hatte Don
Bartlett den Rest des Abends zur freien Verfügung. Zu Ehren seines Freundes
Steve Perry, der voriges Jahr
verstorben war, hatte sich Don eine von Steve komponierte Melodie vorgenommen
und sie neu arrangiert. „Today Is Forever“ lautet der Titel des Stückes, in das
Don Elemente von Eric Claptons „Tears In Heaven“ eingeflochten hat – Wir sind
sicher, dass es Steve gefällt!
Offenbar auch in Kanada bekannt ist Nenas Lied
„Neunundneunzig Luftballons“, für das Don eine wunderbare Instrumentalversion
arrangiert hat. Erneut eine Kombination aus Elementen verschiedener Melodien
war das folgende Stück. In den „Cannonball Rag“ von Merle Travis (der
Gitarrenvirtuose Tommy Emanuel nennt das Stück „die Hymne der
Fingerpicking-Gitarristen“) wob er „Freight Train“ von Elisabeth Cotten ein und
kombinierte dies mit einem Ritt durch mehrere Tonarten – sehr virtuos und
apart. Zur Abwechselung mal mit Gesang präsentierte Don die heimliche Hymne
Schottlands, „Caledonia“ von Dougie MacLean – eine Referenz an Dons
schottischen Vorfahren. Das Lied gab es schon mehrmals im Folk Club zu hören –
es ist schlicht herzergreifend. Danach ging es mit Instrumentalstücken weiter:
„Can’t Get You Out Of My Head“ von Kylie Minogue, „Mad World“ von Tears for
Fears und zu guter Letzt das bearbeitete und leicht verfremdete Beatles-Lied
„Nowhere Man“. Nein, ganz zu Ende war Dons Auftritt danach nicht. Ohne Zugabe
ließ ihn das begeisterte Publikum nicht gehen. Seine Wahl fiel auf das Stück
„Midna’s Lament“. Witzigerweise ist es ein Titellied eines Videospiels, das Don
als Jugendlicher gespielt hatte: „The Legend Of Zelda“.
Nun, Legenden haben wir nicht zu erzählen, dafür aber „true
stories“. Eine dieser wahren Geschichten ist, dass der Folk Club nach den
Unterbrechungen und Einschränkungen durch die Corona-Welle wieder zu einem
Publikumsmagnet entwickelt hat. Eine weitere „true story“ ist, dass die nächste
Ausgabe des Folk Clubs bereits vor der Tür steht, und zwar am 1. September.
Diesmal gibt es eine Singers‘ Night. Lasst euch überraschen!
Noch etwas: Wer nicht genug bekommen kann von Folk- und Blues-Musik, sollte am 31. August 2023 ab 20 Uhr einmal im Lokal Kater 26 an der Römerstraße 26 vorbeischauen. John Harrison gibt dort ein Konzert unter dem Thema "A little bit of Folk and a whole lotta Blues!"