Dienstag, 29. Januar 2019

Sabines Bilder vom Folk Club Nr. 98 - Teil 2

Moritz aus Unkel mit Folsom Prison Blues

Dichter und Gedichterezitator Peter Deteren - Generale kommen und gehen

Wolfgang Schriefer singt Aloa-He

Gerald Matuschek - Vorsicht am Zug
Taubenhaucher - Come Again!

Familie Haag als drei Könige unterstützt von Gerhard Lemm

Gerhard Lemm

Jock Stewart - "A Man You Don't Meet Every Day"


Sabines Bilder vom Folk Club 98 am 4. Januar 2019 Part I

Here is the Folk Club Bonn Banner lovingly made by Emily Roshto 
for our 50th celebration in 2014 when we marched through Graurheindorf 

Steve & John
"Are you sure you set the coordinates right for the Tardis Doctor?"

"We seem to have landed amidst a coppice, or indeed
a veritable forest of harps!"
John Harrison & Eva Henneken
"All my life I've been a ramblin' man, sad and
lonely, living the best I can."
Eva Henneken 
plucking staccato

Lavender Blue reminding us,
"That everything that's made of wood, was once a tree."
Support on vocals from father Günter and daughter Eva Engel
and Eva Henneken on fiddle.



Mother Engel (Angel) Gabriella on the harp

Lavender Blue in action featuring not only three harps and a contrabass
but also a hammered dulcimer, which curiously is called a "Hackbrett" in German,
which also means a chopping block for cutting meat or vegetables. 

Lavender Blue, about to take a well-earned bow after their encore.


Wandering Souls from Cologne are a charming young duo comprising

Gerrit Winterhold and Lorena Manz from Cologne,
making their second appearance at Bonn folk club


Our featured artists also from Cologne are the Gerd Schinkel Trio.


Gerd Schinkel is originally from Glückstadt on the Elbe,
in Schleswig-Holstein to the NW of Hamburg.

Chris Biederwolf from Celle has probably got the purest German accent in the room and has played here several times, both with Gerd Schinkel, and as a solo performer.


GeWe Spiller on acoustic bass guitar has left his tuba at home in Beuel this evening.


Montag, 28. Januar 2019

The General Anzeiger was at FCB # 98 on Friday 4th January 2019

The General Anzeiger was at FCB # 98 on Friday 4th January 2019



The reporter Stefan Knopp from the local newspaper, the General Anzeiger, attended FCB#  98 on Friday 04.01.2019 and this article above was published in the newspaper on 07.01.2019.
Thanks for the fine report Stefan

What a great way to kick the year off! 

We had an all-time record crowd, I counted 133 people in the first half of the evening, and we had a wide range of performers and an equally wide range of styles. There was English, German, platt deutsch, guitars, fiddles, mandolins and upright basses and A Cappella voices and harps to simply die for, bands of angels, and of course some poetry.

Now if our host Dotty were to adorn the room with some of her excellent paintings then one could tick all of Goethe's recommended boxes for a "good day" simply by attending Folk Club Bonn on the first Friday of the month.

"Every day one should at least hear one little song, read one good poem, see one fine painting and - if at all possible - speak a few sensible words"  Wolfgang von Goethe 1749-1832

"I'd rather have one man with an opinion, than ten men with none"   John Harrison

Marios Bericht vom Folk Club Nr 98 am 4. Januar 2019

Folk Club Nr. 98 im Januar 2019 – Featured Artist aus Köln, Gerd Schinkel und viel "Kommen und Gehen"


Ja hamm die alle kein Zuhause...?

so meine spontane Reaktion, als ich sehr zeitig zum Folkclubabend ankam – der Raum war voll und das, obwohl das Team von Dotty die Tischanordnung so geschickt gewählt hat, dass mehr Personen Platz finden konnten. Lag der große Ansturm an der noch vorhandenen Feierlaune nach Weihnachten und Silvester? Lag es daran, dass nach diesen Tagen das Kulturangebot der Stadt Bonn noch nicht wieder so richtig in Fahrt gekommen ist, oder waren etwa alle Heizungen an diesem doch recht kalten Tag ausgefallen? - Nein, es lag und liegt einfach daran, dass der Folkclub ein Ort und ein Termin ist, an dem immer wieder hoch qualitatives, aber eben auch authentisches Lied- und Gedichtgut geboten wird und sich die treue Publikums- und Künstlergemeinde stetig vergrößert. Aber der Reihe nach:

Am Anfang stand – wie immer – der Begrüßungsruf des Zeremonienmeisters John Harrison „Laaadies and Gentlemen....“ ein geliebtes Zeremoniell, welches immer durch gespieltes oder echtes Erschrecken erwidert wird. Nach der Begrüßung wurde es schnell musikalisch. Mit dem Song „Close the Coal House Door“ sowie Eva Henneken als Begleitung an der Geige führte John wie gewohnt in den Abend ein. Thema des FCB 98 war „come and go“, und das erste Lied nahm dieses Thema auf. Zu Zeiten, als es noch selbstverständlich war, dass das Abort außerhalb der Wohnung war, musste man also goen, um seine Notdurft zu verrichten. Da in England meist neben dem Außenerleichterungsraum ein Kohlenhäuschen stand, war es selbstverständlich den einen Gang mit dem Gang des Kohlehohlens zu verbinden. Das comen war so mit dem Holen und Bringen verbunden (vllt. ein neues Thema eines Abends?)  – aber der Philosophie an dieser Stelle genug, denn auch der Folkclub verweilte nicht lange bei solchen Überlegungen, sondern ging mit dem „Police Dog Blues“ weiter. In diesem Lied wird berichtet, wie eine Liebschaft denn doch nicht zustande kam, weil die Dame im Spiel einen Police Dog (Schäferhund) hatte, der so wachsam war, dass keine näheren Begegnungen zwischen Mann und Frau möglich waren. Mit den “Rabbit Hills“ beendeten John und Eva den Auftaktgig des Folkclub und beschrieben den Rückblick eines Mannes auf seine lang vergangene Liebe, als er viele Jahre später wieder den gemeinsamen Treffpunkt des Paares betritt.

Bereits beim ersten Gig kündigte sich der zweite Gig an, denn die Bühne war vollgestellt mit großen senkrechten Rahmen, in deren offenen Mitten Draht- und Darmschnüre verliefen – einer dieser Rahmen war allerdings in die Horizontale verbracht und durch eine Holzplatte abgedeckt, sodass die Schnüre nicht zwischen dem Rahmen sondern auf dem Rahmen verliefen. Aufgelöst bedeutet dieses Rätsel, dass sich beim zweiten Auftritt auf der Bühne ein Hackbrett (Katrin Hahn), drei keltische Harfen (Elena Landeck, Iris Maxstadt und Gabriela Engel), ein Kontrabass (Sandra Wierscher) und eine Geige (erneut Eva Henneken) trafen, die bei zwei Stücken auch durch zwei Stimmen gesanglich (Eva und Günter Engel) begleitet wurden. Lavender Blue waren wieder einmal Gast im Folkclub und alle, die dies schon vorher wussten (mich eingeschlossen), warteten mit kindlicher Erregung auf den Auftritt. Und, um das vorweg zu nehmen, sie wurden belohnt.
Weit über das Erwartete hinaus führten die Lavenders das Publikum in eine Welt des Träumens, ja ich möchte schon fast sagen der Entrückung. Mit einem musikalischen Sonnenuntergang („Der letzte Tanz der Sonne“) griffen sie den zweiten Teil des Abendthemas zuerst auf (go). Jeder fortschreitende Zentimeter des Verschwindens der Sonne konnte vom Publikum gespürt werden – ohne Trauer, denn auch die Musik machte klar, dass es nach einem Sonnenuntergang auch wieder einen Sonnenaufgang geben würde. Diesen besangen die Lavenders, gemeinsam mit dem Publikum, mit dem bekannten „Morning has Broken“ (come) - allerdings erst, nachdem die Gänsehaut des ersten Stückes durch eine Interpretation von „The Rose“ noch gesteigert wurde. Aus dem instrumentalen Genuss wurde durch die Stimmen von Günter und (ohne seine Leistung herabwürdigen zu wollen) besonders der grandios zur Musik passenden Stimme von Eva Engel ein weiterer Schritt zum Gesamtkunstwerk gemacht. Wenn ich schon so begeistert schreibe, dann ist auch klar: Lavender Blue durften noch nicht von der Bühne. Als Zugabe spielten sie zum Abschluss ihres Auftritts, wieder rein instrumental, „Ebbe und Flut“ - absolut passend zum Thema des Abends (come and go), und mit Sandra an der Ocean-Drum.

Wandering Souls, das sind Gerrit Witterhold und Lorena Manz aus Köln. Im Folkclub schon einmal als Walk-in aufgetreten sind sie dort von vielen bestürmt worden, wieder zu kommen und einen kompletten Floorspot zu spielen. Mit ihren Eigenkompositionen „A place to Stay“, „Another Hint“ und „Dreamer“ zeigten sie, dass der Wunsch des Publikums, Wandering Souls wieder zu hören, sehr berechtigt war, so berechtigt, dass die Beiden natürlich nicht von der Bühne gelassen wurden, ohne ihr Walk In vom 96. Folkclub - „Keep On Going“ noch einmal als Zugabe zu spielen. Einen Wermutstropfen hatte der Auftritt für mich – vielleicht lag es an meiner schlechten Sitzposition zur Bühne, aber ich habe die Zwei schlecht verstanden. Zuschauern die direkt vor den Beiden saßen, ging dies nicht so, ganz im Gegenteil – von dort habe ich Aussagen wie „das zarte und feine Zusammenspiel aus Gitarre und Gesang ging direkt unter die Haut“ gehört.

Schnell geht immer wieder die Zeit im Folkclub vorbei und so war auch schon der erste Teil des Gigs von den Featured Artists des Abends angesagt. Das Gerd Schinkel Trio (Gerd Schinkel, Chris Biederwolf und GW Spiller) brachte einen Jahresrückblick 2018 mit auf die Bühne. Wir alle kennen Gerd als jemanden, der jeden Missstand schnell aufgreift und musikalisch als Protestnote kleidet. So schafft es Gerd, dass nicht nur die große Ereignisse, die durch Funk und Fernsehen gehen, sondern auch die kleinen Dinge einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden und zu Aktionen des zivilen Ungehorsam führen. Eine Tradition, ja ich möchte fast schon sagen, eine Verpflichtung, die politisch motivierte Liedermacher haben. In dieser Tradition griff Gerd die Themen der innerparteilichen Querelen in der CDU mit „Muttis Abschied“, der Zweizüngigkeit bei der Nutzung und dem gleichzeitigen Imstichlassen der Kurden in Syrien mit „Der Kurdenfluch“, der doch sehr wirtschaftlich gefärbten und nicht den ökologischen Notwendigkeiten begründeten Genehmigung von Glyphosat in der landwirtschaftlichen Anwendung mit dem fast gleichnamigen Titel „Glypho-Saat“ und dem Streit über religiöse Symbole mit „Kruzifix“ auf. Dass die Art der Darstellung nicht jedem im Publikum gleichermaßen passfähig erschien, machten Zwischenrufe mit der Bitte um weniger Einseitigkeit bei der Darstellung deutlich. Nun, wenn Lieder zu einer Diskussion anregen und Zwischenrufe zeigen, dass dies gelungen ist, dann ist die Absicht des Liedermachers schon fast erreicht. Allerdings bin auch ich nach langem Überlegungen zu dem Schluss gekommen, dass Gerd mit der inhaltlichen Form der Darstellung möglicherweise zu sehr in der Protestbewegung der 70er Jahre stecken geblieben ist. Ich finde es richtig und wichtig, dass in Liedern keine Tabus gelten, ich finde es richtig und wichtig, dass Lieder parteiisch sind. Ich bin mir aber sicher, dass die kollektive Beschuldigung ganzer Gruppen (wie z. B. der Polizei) der Sache nicht hilft oder nur kleine Gruppen, die sowieso schon „katholisch“ sind anspricht.  Ich schätze Gerd als einen Liedermacher, der alle Themen aufgreift und hierbei nicht einseitig agiert. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die dann sehr einseitige Darstellung in den Liedern selbst der Sache dient. 

Aber ungeachtet dieses, nun doch wieder in philosophische Betrachtungen abgewanderten, Ausfluges, mache ich einen Riesenschritt und berichte, dass das Gerd Schinkel Trio in der zweiten Hälfte des Abends natürlich wieder kam und weitere Probleme der Gesellschaft mit dem Songs „Ecken und Kanten“, die unsäglichen durch politische Sprachrohre verharmlosten Geschehnisse der Ausländerverfolgung in „Chemnitz“ und dem thematisch passenden Lied „Auslaufmodell“ als Protest gegen die politische Aufsicht des Innenministers über das Bundesamt für Migration und Flüchtlingspolitik (BAMF) ansprach. Sehr fetzig und eher als Durchhaltesong denn als Diskussionsanregung zu verstehen, kam das Lied „Hambi bleibt“ rüber. Wie wir alle wissen, haben im Hambacher Forst die verschiedentlichen Protestaktionen tatsächlich dazu geführt, dass zumindest ein Aufschub für die Natur über Gerichte erreicht wurde.

Aber nun auch zurück zu den weiteren Darbietungen des Abends. Mit einem Walk In begann die zweite Hälfte. Moritz aus Unkel kam, sah und siegte. Nicht nur seine mitgebrachte Interpretation von „Folsom Prison Blues“ begeisterte das Publikum, nein, er wurde auch zu einer Zugabe genötigt, die er gerne mit „Blame It On Me“ gab. Ich bin überzeugt, dass es nicht lange dauern wird, bis aus dem Walk In ein Floorspot wird.

Von der Musik zurück zur Poesie (gibt es da tatsächlich eine Unterscheidung, oder ist die Poesie nur eine auf ein niedriges Wechsellevel der Töne zurück geschraubte Melodie?) - der im Folkclub gut bekannte Peter Deteren zeichnete mit einem Gedicht sein Bild von „Generale“ in Armeen.

Ebenso ein guter Bekannter ist Wolfgang Schriefer. Mit seiner Interpretation des auch gut bekannte Liedes „Aloha He“ kam er nicht nur auf die Bühne, sondern schaffte es, den gesamten Raum zur Bühne zu machen. Es wurde nicht nur mitgesungen, sondern im Publikum entstand schon fast eine entsprechende Theaterdarstellung der Inhalte – mit den richtigen Liedern und den richtigen Leuten kommt auch die richtige Stimmung :-).

Eine weitere „Annette“ (Folkclub-Ausdruck für die  Darbietung nur eines einzelnen Stückes) wurde durch Gerald Matuschek mit dem Stück „Vorsicht am Zug“ geboten. Wie groß doch der Unterschied zwischen dem heimischen Sofa und der Bühne ist, merkt wohl jeder Künstler bei fast jedem Auftritt neu. Gerald hat nach kurzer erster Unsicherheit diesen Unterschied bravourös gemeistert.

Nun aber wieder Floorspots. Auch nicht zum ersten Mal, aber mit immer neuer 
Begeisterung kam die a capella-Gruppe Taubenhaucher auf die Bühne. Drei Personen, die gerne noch eine vierte (eine Sopranistin) hinzugewinnen würden, um den Stimmumfang der Lieder zu vervollständigen und jeder vorhandenen Stimme ihre eigene Komfortzone zu gewähren. Mit den Stücken „In der Bar zum Krokodil“, „You Are The New Day“ und „Come Again“ zeigten sie einen eindrucksvollen Ausschnitt von ihrem Können. Sicher sehen wir die KollegInnen – dann hoffentlich zu Viert – bald wieder.

Die Familie Haag zeigt, dass das Wichtigste am Musizieren der Spaß ist. Werden die eigenen Emotionen rüber gebracht, ist die technische Perfektion nicht mehr so wichtig. Mit einem grundsoliden Können und eben sehr viel Spaß demonstrierten sie uns ihre Spezialität des Singens in rheinischer Mundart mit den Liedern „Wir kommen aus dem Morgenland“, „De Stammboom“ und „Dat du min Leevsten büst“. Lieder, die bei vielen bekannt, sofort mitgesungen wurden. Die Haags wurden spontan auf der Gitarre begleitet von Gerhard Lemm, der zufällig als Zuhörer anwesend war und - man kann ja nie wissen - seine Gitarre dabei hatte. Gerd ist mit den Haags befreundet und musste als echter Bonner sofort mitspielen - das ist echter Folkclub.

Den zweiten Teil der Featured Artists habe ich ja schon behandelt – bliebe mir also nur noch zu sagen, dass für den Patron des Folkclubs natürlich noch Zeit war und mit dem gemeinsam gesungenen (oder war's gegrölt?) „Jock Stewart“ der Abend beendet wurde. Aber wir alle wissen: Nach dem Folkclub ist vor dem Folkclub, deshalb:

Out of the bedroom – kommt zum 99. Folkclub am 4. Februar in Dotty's Sports Bar

Mario


Donnerstag, 3. Januar 2019

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr 97 am 7. Dezember 2018


Folk Club Nr. 97 im Dezember 2018 – Special Guest aus Schottland und viele Züge

Inzwischen ist es eine liebgewordene Tradition: Im Dezember bekommet der Folk Club Besuch aus Edinburgh. Simon Kempston, der rastlose schottische Poet an der Gitarre erweist dem Folk Club die Ehre. Wir dürfen dann ungefähr das erste Publikum sein, das die Lieder seiner jeweils neuen CD zu hören bekommt, die alljährlich kurz vor Dezember das Licht der Welt erblickt. Simon, der dem Folk Club schon vor längerem mit dem Prädikat „Best Folk Club outside Scotland“ adelte, setzte diesmal noch einen drauf. Unser Folk Club sei einfach der Beste, sagte er, und das nicht nur außerhalb seiner schottischen Heimat. So viel Lob muss man erst einmal verdauen. Aber wer sich Simons Gig-Liste einmal anschaut, der weiß, dass der Mann sich solche Aussagen durchaus leisten kann. Man hat den Eindruck, dass er in seiner nun schon über zehnjährigen Tournee-Karriere so gut wie alle kleinen und kleineren Spielstätten in Europa aufgesucht hat. 

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Eines der Geheimnisse des Folk Clubs ist der Verzicht auf jegliche Art von elektrischer Verstärkung. Die Unmittelbarkeit des Musikerlebnisses verzaubert die Zuhörer, das reflektiert auf die Musiker, und die wiederum spiegeln den Zauber verstärkt zu den Zuhörern. Die Resonanz aus der Zuhörerschaft ist offenbar ein Faszinosum für die Musiker. Anders ist der Zulauf kaum zu erklären, den der Folk Club von Musikern aller Art hat. Auch im kommenden Jahr machen wieder einige Künstler auch aus dem Ausland Station bei uns, denen es bei ihrem früheren Besuch hier gut gefallen hat, darunter sind Daria Kulesh aus England (Folk Club im April), die vorigen Mai bei uns eine umjubelte Vorstellung gab und Juhana Iivonen aus Finnland (Folk Club im November), der im Februar 2018 erstmals im Folk Club zu Gast war. Auch Simon Kempston hat den Folk Club im kommenden Dezember schon wieder fest im Blick. Macht euch zumindest für diese Abende schon einmal ein Kreuzchen in die Kalender. Das gilt nur für diejenigen (ganz offensichtlich wenigen), die nicht ohnehin jeden ersten Freitag im Monat dick mit dem Vermerk „Folk Club“ markiert haben.

Bevor aber euer Chronist in Schwärmerei abgleitet, will er auch noch ein paar Zeilen über die Ereignisse des Abends loswerden:
Mit einer ganz besonderen Interpretation des Themas des Abends (zur Erinnerung: „Lieder über Züge“) wartete unser Impresario John Harrison auf, an der Geige begleitet von Eva Henneken: Ihr Lied „Over the Hills and far Away“ handelt von ganz besonderen Zügen, Feldzügen nämlich. Das Lied aus dem Endes des 17. Jahrhunderts über einen Soldaten in den damaligen britischen Armeen hat bis heute zahlreiche textliche Versionen bekommen. Von Blues-Altmeister Sam (Lightnin‘) Hopkins stammt das Lied „What’d I Say“. Den Bezug zu Zügen macht die Aussage des enttäuschten Liebhabers: „I'm gonna ship you back to Arkansas“. John und Eva ergänzten sich perfekt, und Eva zeigte ihr Können an der Geige mit einer wilden Improvisation. Bei Curtis Mayfields Lied „People Get Ready“ bekamen die beiden Gesellschaft von John Hurd an der Gitarre. Hier fährt der Zug zum Jordan – eine alte Anspielung im Blues und in vielen Gospels an die Fahrt in Richtung Jenseits. John Hurd und Eva präsentierten zum Schluss des Sets Ralph McTells trauriges Lied „Terminus“. Die „Endstation“ ist letztlich auch eine Allegorie für das Jenseits, das Jeden von uns früher oder später erwartet. McTell ist den meisten von uns sicherlich durch das unsterbliche Lied „Streets of London“ bekannt.

Weniger mit Zügen sondern mehr mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest hatte Gert Müllers Gedichtvortrag über die biblische Weihnachtsgeschichte zu tun, aber natürlich umgedichtet op Bönnsch Plaat. Nun, heute wären Maria und Josef vielleicht mit der S-Bahn von Nazareth nach Bethlehem gefahren (ist ja eigentlich nicht weit – in Luftlinie weniger als von Bonn nach Köln). Aber vielleicht hätten sie sich gar nicht auf den Weg zu machen brauchen, da die römische Regierung für die Volkszählung auch die Online-Teilnahme ermöglicht hätte. Alles dies gab es vor 2000 Jahren noch nicht, und so kam es zu der folgenschweren Begebenheit in Bethlehem – in Bonner Dialekt von einem echten „Eingeborenen“ vorgetragen ein köstlicher Ohrenschmaus.

Holger Riedel wurde von meinem schreibenden Mitstreiter Mario Dompke einst als „musikalisch mutiger Felsen in der Brandung von Tönen“ charakterisiert. Das ist eine wirklich großartige Beschreibung. Holger hat aber auch eine feine Beobachtungsgabe, und aus der Kombination beider Eigenschaften ist das herrliche „Schrankenlied“ über die Warterei an den Eisenbahnschranken in der Bonner Südstadt entstanden. Ich bin sicher, Holger zielt speziell auf die üble Schranke an der Lessingstraße, die tagsüber länger geschlossen als geöffnet ist. Holger wurde bei seinem musikalischen Kabarettstück begleitet von Uta Schäfer auf dem Waschbrett, John Harrison an der Mundharmonika, Thomas Neuhalfen am Kontrabass und Mario Dompke am Banjo.

Mal eben so hereingeschneit kamen Tatjana Schwarz und Ralf Haupts alias „2Sunny“, die als „Walk ins“ zwei schöne Lieder zum Thema beisteuerten. Ikonenstatus hat das Lied „Freight Train“ von Elizabeth Cotten. Das kleine, aber bezaubernde Stück über vorbeifahrende Güterzüge hat, wie bereits vorher kommentierte Lieder, den Tod und die Fahrt ins Jenseits zum Thema – das ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Cotten erst ungefähr 11 Jahre alt gewesen sein soll, als sie das Lied um 1900 schrieb. In der Interpretation mit Ralfs gekonnter Gitarrenbegleitung und Tatjanas berückender Altstimme ein besonderes Erlebnis. „Long Train Running“ von den Doobie Brothers war der zweite Beitrag der beiden gar nicht zu Sonnigen, die viel Applaus für ihre Vorstellung bekamen.

Chris Biederwolf macht sich immer mal wieder aus „der Gegend von Hannover“ (genauere Angaben über seine Herkunft gönnt er uns nicht) auf den Weg zum Folk Club. „Wagon Wheel“, basiert auf einem Lied, das Musiker in den 1960er Jahren von Bob Dylan geklaut haben (netter Euphemismus „Bootleg“) und passt natürlich hervorragend zum Thema des Abends. Chris hatte aber auch eine eigene Kreation im Banjo-Mandolinen-und-Mundharmonikakoffer. Zusammen mit GW Spiller präsentierte er ein Lied über die erste deutsche Eisenbahn, die 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr. Die offizielle Eröffnung fand – und das ist der eigentliche Clou – auf den Tag genau (7. Dezember) vor 183 Jahren statt. Eigentlich war die Bahn schon zahlreiche Male vorher gefahren. Das waren aber Probeläufe, hauptsächlich um die Bremsen zu testen. Damals hatte man keinerlei Problem damit, bei den Probefahrten auch zahlende Passagiere mitfahren zu lassen. Die Eröffnung fand hingegen mit geladenen Gästen statt. Bravo Chris, für das feine Lied mit lehrreichem Hintergrund.

Als „Sparkling Lights“ präsentierte sich eine vierköpfige Truppe bestehend aus Karin Schüler (Gesang), Gerald Löhrer (Gesang und Gitarre) und Thomas Neuhalfen (Kontrabass), die durch den Gitarrenvirtuosen Werner Krotz-Vogel (diesmal aber mit einer schönen Balalaika) unterstützt wurden. Sie hielten sich zwar nicht an das Thema des Abends, entschädigten aber mit ihren wunderbaren Bossa Nova-Liedern. „Agua de Beber“ des Brasilianers Carlos Jobim schien für Karins Gesangsstimme wie gemacht. Ebenfalls von Carlos Jobim (vollständig hieß er ja Antônio Carlos Brasileiro de Almeida Jobim) stammt das Lied „Desafinado“, das anders als sein Titel ankündigt, keineswegs leicht verstimmt war. Bei „Corcovado“ (der Bucklige) hatten die Vier das Publikum endgültig in ihren Bann geschlagen – es war mucksmäuschenstill. Auch das Lied „Vou te Contar“ (auch bekannt unter dem Titel „Wave“) gehört zu den zahlreichen Bossa Nova-Standards aus der Feder Jobims, die sicherlich jeder schon einmal gehört hat, deren Titel aber längst nicht jedem geläufig sind. Karin präsentierte die Lieder auf Englisch und nicht auf Portugiesisch, aber das verzeihen wir ihr gern – Riesenapplaus für das Quartett.

Es ist das Los der besonderen Gäste des Abends im Folk Club, dass sie als letzte vor der Pause drankommen und meist viele andere Akteure vor ihnen ihre Lieder spielen dürfen. Aber ein Profi wie Simon Kempston kennt das bereits und hat offenbar nichts dagegen einzuwenden. 

Wenn er die Bühne betritt, spürt jeder, dass es etwas Besonderes zu erleben gibt. Wir haben seine Entwicklung hier über die Jahre verfolgen können und sind beeindruckt. Dieses Jahr präsentierte er fast ausschließlich seine Lieder von der neuen CD „Broken Before“, die einen tiefen Einblick in sein Seelenleben erlauben. Wie der Titel der CD andeutet, handeln die meisten Lieder des neuen Albums von Beschwernissen des Lebens, unerfüllter und unerwiderter Liebe und darüber, wie Menschen damit fertig werden oder auch manchmal daran zugrunde gehen. Lieder Grau in Grau meint ihr? Mitnichten! Mit feinfühliger Poesie, zarten Melodien, vorgetragen mit perfekt beherrschter Gitarrenbegleitung (in DADGAD-Stimmung) und klarer und volltönender Stimme umkleidet Simon seine Geschichten, die unsereiner sicherlich mehrmals hören oder auch lesen muss, um sie in sich aufzunehmen. Wer hierzulande versteht schon beispielsweise folgende Zeilen beim ersten Mal (englische Muttersprachler mögen diesen Part bitte gnädig überspringen):

„I can be relentless, a temper furious. Boredom can cause me to stray. But if can battle bedlam, stave off loss, perhaps we’ll find our way“.

Dies ist der Schluss des Liedes „Run With You, Darling“, mit dem Simon sein Set eröffnete. Damit wird Zuversicht für eine gemeinsame Zukunft mit der Liebsten ausgedrückt. Die Sache hat aber auch ihre Tücken. „Your Breaking Heart“ ist das Bekenntnis zu einer gescheiterten Liebesbeziehung und eine Klage über die Unfähigkeit, sie ohne Blessuren zu beenden. Und auch „Love Her Still“ besingt eine vergangene Liebe, die noch nicht ganz erloschen aber unerreichbar geworden ist. 

„Mit „Broken Before“ setzt Simon ein musikalisches Denkmal für einen Boxer, den er in Glasgow getroffen hat. Natürlich, wie könnte es auch anders sein, ist der Boxer kein Siegertyp, sondern einer, der viel Male Niederlagen einstecken musste. „He Remembers You“ greift wieder das Thema von ungleich verteilter Hingabe in einer Liebesbeziehung auf. Die Leichtigkeit der Melodie steht dabei aber in krassem Gegensatz zum beschriebenen Thema. Dass das Lied „I Would Not Take This Chance Again“ die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl als Hintergrund hat, muss man auch erst gesagt bekommen. Das Lied entstand bei einer Reise in die Ukraine und illustriert die zerrissenen Gefühle eines Menschen, der in der Gegend des Unglücks lebt. Auch die zwiespältige Situation in der rheinischen Tagebauregion hat Simon zu einem Lied inspiriert: „Time Now to Go“ lautet der Titel. Auch in diesem Fall ist es ein Betroffener, der aus der Gegend fortziehen muss, dem Simon mit seinem Lied eine Stimme verleiht. „Mohammad’s Story“ skizziert die gefahrvolle und von rasenden Ängsten begleitete Flucht aus dem Kriegsgebiet und die totale Erschöpfung bei der fast nicht mehr für möglich gehaltenen Ankunft im sicheren Land. „Who Took Ivan’s Soul?“ greift das alte Thema von einem Menschen auf, der für den Erfolg seine Seele an den Teufel verkauft. Trotz seiner Siege wird der Pariser Schachmeister nicht glücklich.

Für aufgehelltere Stimmung sorgte Simon mit den Instrumentalstücken „The Winter Chimes of Romainmôtier“ (Eindrücke eines Konzertauftritts in dem Schweizer Kloster im Kanton Waad) und „Onwards She Travels“ (ein Stück aus Simons Instrumental-CD von 2017). Insgesamt also keine leichte Kost, aber außerordentlich hörenswert und besonders genussvoll in der Live-Präsentation von Simon Kempston. Simon hat sich bereits für den 6. Dezember 2019 angemeldet. Wie schon eingangs gesagt, macht euch auch hierfür schon einmal ein dickes Kreuz in den Kalender. Der Nikolaus kann warten.

Nun, euer Chronist hat die Abfolge der Ereignisse etwas verfälscht. Zwischen Simons zwei Auftritten gab es noch ein paar andere, sehr hörenswerte Sets. Nach der Pause eröffnete Barry Roshto mit dem alten Frank Sinatra-Lied „In the Wee Small Hours of the Morning“ die Bühne – wunderbar vorgetragen und auf dem Klavier begleitet. Barry widmete das Lied einem Musiker, der schon oft im Folk Club aufgetreten ist, der aber zurzeit schwer erkrankt ist und den Berichten zufolge mit dem Tode ringt.

Aus der Kategorie „leichtere Kost“ präsentierte Wolfgang Schriefer das schöne Lied „Homeward Bound“ von Simon und Garfunkel. Leicht umgedichtet in „Why Don’t We Do it in the Train“ und damit an das Thema des Abends angepasst hatte Wolfgang das Lied von dem berühmten „Weißen Doppelalbum“ der Beatles. „My Body is a Cage“ von Peter Gabriel ist ein Stück, dessen Text man nach Wolfgangs Aussage anders interpretieren kann je nachdem ob man alt oder jung ist. Wolfgang schlug den Bogen zur Eisenbahn mit der Aussage „Gefangen sein im Zug“. Ganz gleich, ob man der Verbindung folgen mag, ein Lied, das den Zuhörer gefangen nimmt, ist es allemal und gekonnt vorgetragen zudem – Viel Applaus für Wolfgang!

Volker Lindner und Jan Hoffmann alias „Die Folkscheuchen“ hatten Ihr Repertoire nach passenden Stücken durchforstet und waren fündig geworden: Von „Locomotive Breath“ von Jethro Tull haben die beiden eine schwungvolle Version für Gitarre (Jan) und Geige (Volker) auf Lager, die so richtig schön rockt. Komplett aus eigener Feder ist das witzige Lied über den Zug nach Flensburg. Die Reisenden haben nur ein Ziel: den Gerstensaft aus der Flasche mit dem „Plopp“.

Aus der Wohlfühlecke bedienten sich Steve Perry, Regine Perry-Mertens und Mario Dompke mit dem Lied „Lightning Express“. Das gefühlvolle Lied, das die Everly Brothers bekannt gemacht hatten, besingt einen Jungen, der ohne Fahrschein mit dem Zug zu seiner sterbenden Mutter fährt und den Zugschaffner bekniet, ihn nicht aus dem Zug zu werfen – herzerweichend! Das sollte mal einer bei der Deutschen Bahn versuchen! Immerhin, auch der amerikanische Schaffner musste erst dadurch besänftigt werden, dass die anderen Fahrgäste für den Fahrschein zusammenlegten, Das ist noch uramerikanischer Gemeinschaftssinn. Ein eher fiktionaler Zug ist der „Wabash Cannonball“, dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Lied gewidmet wurde. Um den Zug ranken sich den Berichten zufolge mindestens so viele Legenden, wie es Textversionen von dem Lied gibt. Wie dem auch sei, es ist ein schönes Country-Lied, das von den Dreien mit Inbrunst und Können vorgetragen wurde. Zu guter Letzt stellte das Trio ein witziges Lied vor, das von den Wise Guys stammt: „Deutsche Bahn“ mit der Refrainzeile „Sssenk ju for trewweling wiss Deutsche Bahn!“ ist eine Persiflage auf die Unzuverlässigkeit und die zahlreichen Zumutungen der DB – zum Piepen!

Immerhin, ist die Bahn auch unkalkulierbar geworden, auf den FC (nicht den aus Kölle, sondern den aus Bonn) kann man sich verlassen: Am 4. Januar 2019 hält er wieder pünktlich um 19.00 Uhr an Gleis 1 in Dottys Dottendorfer Bahnhof. Im Sonderwagen fährt diesmal Gerd Schinkel mit seinem Trio ein und hat im Gepäckwaggon einen musikalischen Jahresrückblick verstaut. In der ersten Klasse reisen aber zahlreiche weitere illustre Gäste an. Lasst euch überraschen.