Folk Club Bonn am 3. November 2017 – Ein Abend zum Träumen
„Träume“ lautete das Motto des
Folk-Club-Abends am 3. November 2017, aber dieses Motto ist an sich
überflüssig, denn Musik hat immer etwas Traumhaftes – mit oder ohne Motto.
Somit passten im Grunde alle Beiträge zum Thema des Abends, fast alle, denn der
traditionelle Schlachtruf unseres Zeremonienmeisters John Harrison riss schlagartig alle Gäste aus ihren möglicherweise
noch bestehenden Träumen.
Aber dann erlaubte John mit
seinen Beiträgen dem Publikum, wieder zu andächtigerer Stimmung zurück zu
kehren. „Angel in Disguise“ ist ein Lied eines Jugendfreundes von John namens
Jonathan Ole Wales Rogers, der damit den für ihn unverständlichen Wandel seiner
Freundin nach den Sommerferien beschrieb. Nur begleitet mit seiner
Mundharmonika trug John das bekannte Lied „Come On In My Kitchen“ von
Altmeister Robert Johnson vor. Johnson
hatte dieses Lied zur Gitarre gespielt und gesungen. Er war angeblich auch ein
sehr guter Mundharmonikaspieler. Von seinen Künsten auf diesem Instrument
existieren allerdings keine Tonaufnahmen.
Etwas überrascht waren die
Zuhörer, als John sie mit einem kleinen selbst gedichteten Limerick
konfrontierte. Ehe das Publikum realiserte, dass ein Gedicht begann, war es
auch schon vorbei. Ja, so ist das mit den Limericks. Sie sind kurz und
prägnant, und wer träumt, verpasst den Witz (donnerwetter, diese zwei Sätze
sind ungewollt schon ein kleines Gedicht, fast ein Limerick). Daher hier noch
mal der Text für alle, die geträumt hatten:
Der Titel heißt: „Mint Scented
Temporal Limerick Rhyme Perfume“
„Rickie Rhyme had arms of thyme,
And like a clock
he ticked,
In Provence grew lavender,
But it was rosemary he picked.“
Ja, das war schon etwas für
Leute, die bei englischen Wortspielen der höheren Art noch mitkommen.
Vielleicht sollte John den Limerick mal bei seinen Dienstags-Englischkursen
(sehr empfehlenswert – Ende des Werbeblocks) analysieren lassen. Vielleicht ist
das aber bereits geschehen. Beim nächsten Folk Club werden wir John bitten, die
Geschichte mal (auf Deutsch) für alle aufzudröseln, die nicht Anglistik
studiert haben. Immerhin, er erklärte bereits vor seinem Gedichtvortrag, dass
ihm erst nach der Fertigstellung des Gedichts klar geworden sei, dass der Bezug
zu mint (Pfefferminz), den wir im Titel lesen, insofern einen Sinn ergeben
hatte, als die anderen zitierten Pflanzenarten (Thymian, Lavendel und Rosmarin)
zur selben Pflanzenfamilie wie die Minze gehören. Das unterbewusst Gewusste
hatte sich, quasi über das Medium des Gedichts, seinen Ausdruck verschafft –
sehr verwickelte Geschichte.
Etwas lockerer und weniger
träumerisch ging’s danach beim „Stone Fox Chase“ zur Sache. Das ist ein
wunderbares Instrumental von Charly McCoy, das John auf seiner Mundharmonika
spielte. Bravo John und ein herzlichere Applaus von deinen Fans.
Blue Lavender hieß die nachfolgende Gruppe, die mit drei Harfen,
einem Hackbrett und einem Kontrabass eine für den Folk Club recht
außergewöhnliche Konstellation aufwies. Aber welch herrliche Melodien
produzierten die fünf Frauen – wahre musikalische Träumereien! Nach dem ersten
rein instrumentalen Stück mit genau diesem Titel „Musikalische Träumerei“
erklang die Komposition „Lavender’s Blue“ mit Gesangsbegleitung, bei der die
Fünf noch männliche Stimmunterstützung erhielten. Das für viele sicherlich
nicht ganz unbekannte „Scarborough Fair“ ist wie geschaffen für die Begleitung
durch Harfen. Das letzte Stück war wieder rein instrumental und trug den Namen
„Der letzte Tanz auf der Sonne“ – herrliche Musik für gute Stimmung. Toller
Applaus für die Fünf bzw. Sechs verbunden mit der Hoffnung auf einen erneuten
Auftritt.
Daniel Nowak aus Köln präsentierte uns seine eigenen Lieder zur
Gitarre. Mit der „Der Kirschbaum“ präsentierte er eine musikalische Reminiszenz
an seine Jugend in Norddeutschland. Das nachfolgende Lied über unerfüllte
Wünsche kommentierte Daniel dann mit den Worten „Manchmal ist es besser, wenn
ein Traum sich nicht erfüllt“, wie wahr.
Ganz ungeplant, unerwartet und
daher umso froher begrüßt standen plötzlich zwei alte Gefolgsleute des Folk
Clubs im Raum: Tatjana Schwarz und Ralf Haupts alias 2Sunny waren nach einem Jahr Auszeit mit Rundreise durch Europa
wieder nach Bonn zurückgekehrt. Mit der Rundreise hatten sie sich einen lang
gehegten Traum erfüllt. Einer ihrer ersten Gänge nach ihrer Rückkehr führte sie
zum Folk Club – wie rührend und wie schön. Natürlich gaben sie auch etwas zum
Besten. Ralf hatte zwar kein Instrument dabei, aber im Folk Club gibt es immer
genug Gitarren. „Ruhe nach dem Sturm“ lautete ihr wunderbares eigenes Lied, das
schon mehrmals im Folk Club zu hören gewesen ist. Mit einem toll gesungenen und
gespielten „Life, Oh Life“ von Des’ree beendeten sie ihren bejubelten
Kurzauftritt. Wir dürfen nun wieder von wunderbaren Auftritten der beiden im
Folk Club träumen.
Shay McVeigh aus Belfast in Nordirland lebt und arbeitet in
Rheinbach. Zusätzlich zu seiner wunderbaren Musik arbeitet er als Maler,
Grafiker und Bildhauer, ein echtes Multitalent also. Das Lied „Picasso“ handelt
nicht vom unsterblichen Maler, sondern erzählt von einem Obdachlosen, der unter
einer Brücke in New York lebt und sich in eine Schönheit auf einem Werbeplakat
verliebt. Als das Plakat abgenommen werden soll setzt er durch, dass es bleibt
– ein echtes Märchen, das aber tatsächlich so stattgefunden hat. Das Lied
stammt von Citizen Cope. Ebenfalls ein Cover ist das Lied „The Lion’s Roar“ von
First Aid Kit, einer schwedischen Mädchenband. Mit seiner sonoren Stimme gibt
Shay den Liedern eine Atmosphäre, die an Bob Dylan erinnert – eine schöne
Abwandlung von den Originalversionen. Applaus für Shay und seine wunderbare
Interpretation der Lieder.
Axel Girnius, einer der Bluesgrößen aus unserer Region und
Mitarbeiter des Godesberger Musikladens Musik Baum startete das nächste Set mit
einem kunstvollen instrumentalen Blues-Walzer – ein wahrer Traum! Zusammen mit Bill (Norfried) Baum an der Slide
Gitarre ging danach die Blues-Post ab, und John Harrison wurde gleich
eingeladen, das Stück mit seiner Harmonika zu komplettieren – herrlich. „It’s
all Right“ von Elvis Presley wurde danach nur von Axel und Bill intoniert. Das
Publikum tobte! Wie Bill dem verdutzten Publikum erklärte, hatten eigentlich
sie die Melodie erdacht, als sie sich 1954 nach einem anstrengenden Tag auf den
Baumwollfeldern von Memphis mit einer kleinen Gitarrensession an einer
Haltestelle niederließen und ein wenig entspannten. Damals kam ein Typ mit
Schmalzlocke vorbei und hörte ihnen ein paar Minuten zu. Erst viel zu spät
merkten sie drei Wochen später, dass dieser Typ mit ihrer Musik im Radio einen
Hit gelandet hatte. Ist es nicht ungerecht? Aber immerhin, wäre die Sache
anders verlaufen, wären die beiden vielleicht bereits im Himmel der Rockstars,
und stattdessen würde jetzt der Typ mit der Schmalztolle beim Folk Club um
einen Floor Spot betteln. Wie doch Kleinigkeiten die Weltgeschichte verändern
können! – Wer Lust hat, kann die Geschichte ja weiterträumen. Wir aber kehren
zurück zu den etwas irdischeren Realitäten: Die beiden schlossen ihr herrliches
Set ab mit der Erkennungsmelodie der Blues Box aus dem legendären Pop Shop im
seinerzeitigen SWF 3. Die Melodie stammt von BB King und Alexis Corner – das
waren Pionierzeiten der Popmusik im öffentlich rechtlichen Radio. Axel und
Bill, Ihr seid echte Könner und Kenner! Noch eine kleine Anmerkung für
Gitarrenspezialisten: Durch die Anwesenheit von Bill und Axel und ihre kleine
Gitarrenpräsentation vor dem eigentlichen Folk Club gab es erstmals
gleichzeitig vier Martin Gitarren im Folk Club.
Der heutige Tag, war der Tag der
großen Gruppen. Als „Hauschor TONS“
(TONS steht für „The One Night Stand“) stellte Bernd Wallau aus Bad Godesberg sein Ensemble vor, das aus
zahlreichen FC-bekannten Akteuren bestand und das Bernd zu einem tüchtigen
Einweg-Projekt-Ensemble zusammengefügt hatte. Die Auswahl der Stücke hatte
Bernd sehr folgsam am Thema des Tages ausgerichtet: Abbas „I Have a Dream“
erklang in wunderbarem mehrstimmigen Satz mit Bernds Klavierbegleitung. Selten
gehört im Folk Club sind die wunderbaren Lieder der deutschen Romantik. Das
Lied „Das Leben ist ein Traum“, ein Gedicht von Johann Christoph Wannovius und
von Franz Schubert mit musikalischem Leben ausgestattet, durfte diese Lücke
füllen. Bernd Wallau hat auch etwas dazu beigetragen, indem er die
ursprüngliche Fassung für Klavier und drei Frauenstimmen zu einer Fassung für
gemischten Chor a capella umgeschrieben hat – sehr professionell, aber Bernd
der Schlingel, hat eine Strophe, die für die damalige Zeit bezeichnend ist,
einfach weggelassen. Damit ihr nicht im Dunkeln wandeln müsst, hier der Text
der weggelassenen Strophe:
„Wohl dem, der nach der Nacht
Des Grabes froh erwacht,
Den nicht die Stimme schreckt,
Die aus dem Schlummer weckt.“
Des Grabes froh erwacht,
Den nicht die Stimme schreckt,
Die aus dem Schlummer weckt.“
Ja, ja mit dem Jüngsten Gericht
haben wir es heute nicht mehr so, aber wir entkommen ihm nicht!
Erneut zurück auf die Erde: Bei
„California Dreaming“ von den Muttis und Vatis (The Mamas and the Papas) merkte
man, dass der Chor mit der Musik richtig Spaß hatte. Sogar eine kleine
gepfiffene Einlage gab es. Das wunderbare Lied beendete der Chor mit einem
herrlichen Wechsel in einen Dur-Schlussakkord – Gänsehautmäßig! Den letzten
Traum präsentierte uns der Hauschor TONS mit dem Lied „Dream When You’re
Feeling Blue“ von Johnny Mercer in einer Barbershop-Version – traumhauft!
Großer Applaus für Bernd Wallau und den Hauschor TONS (trotz weggelassener
Gerichts-Strophe). Schade, dass der Chor sich nur für den heutigen Abend
zusammengefunden hatte.
Dieter Faring, unser Mann für verfeinerte Lyrik-Beiträge hatte sich
diesmal etwas ganz besonders Feines ausgedacht: Im Wechsel mit seinen
Rezitationen von Gedichten von Rainer Maria Rilke spielte sein Freund Emanuele Torrente (stammt aus Florenz,
wohnt aber in Bad Godesberg) auf der Gitarre traumhafte Stücke von Manuel M.
Ponce (Prelude Nr. 5), J. S. Bach (Präludium in C, BWV 846 und Andante, BWV
1003) und Heitor Villa Lobos (Etüde Nr. 1), Gitarrenmusik vom Feinsten. Dieter
hatte seine Gedichte wunderbar passend zum Thema Träume ausgesucht und trug die
nicht unkomplizierten, verschlungenen Texte frei und ohne Spickzettel vor. „Ich
bin zuhause zwischen Tag und Traum“, „Rosennacht“, „Ich will du sein“, „Und wie
mag die Liebe dir kommen sein“ und „Als Mahl begann’s“ war Dieters Auswahl der
romantischen Gedichte, mit der er uns in eine Art verzückten Traumzustand
versetzte – großartig. Bravo Dieter und Emanuele!
Nach diesem poetischen Feuerwerk
hatten Gerald Löhrer und Karin Schüler die nicht ganz leichte
Aufgabe zu bewältigen, das Publikum wieder ins Diesseits zurück zu holen. Aber
auch Sie bemühten die Traumwelt mit dem Klassiker der Muttis und Vatis „Dream a
Little Dream of Me“, Karins Kazoo riss uns zwischendurch aus unseren Träumen –
herrlich. Weiter ging es mit den Träumen der Eurythmics. „Sweet Dreams“ heißt
das wohl bekannteste Stück des Duos, das quasi beim Auseinanderbrechen der
beiden entstanden ist – wohlgemerkt der Eurythmics, nicht von Karin und Gerald!
Mit „Change The World“, dem von Eric Clapton bekannt gemachten Lied, beendeten
Karin und Gerald ihr Set. Eurem Hofberichterstatter gefiel dieses Lied am
besten von den drei Stücken der beiden. Angefangen vom herrlich gespielten
Intro über das wunderbare jazzige einfühlsame Zusammenwirken der beiden Stimmen
bis hin zu der immer wieder sparsam aber gekonnt eingeflochtenen
Gitarrenbegleitung von Gerald – wirklich beeindruckend vorgetragen.
Mit einem einzelnen Lied
präsentierte sich Klaus Simon, der
bereits mehrfach im Folk Club aufgetreten war. „Unsicheres Erinnern von Traum
zu Traum“ lautete die erste Zeile seines Liedes, das eine Verbindung zwischen
einem Baum und einer Gewebestruktur im Gehirn des Menschen herzustellen versucht.
Klaus thematisiert eine Beobachtung eines Baumes, der an einem abrutschenden
Hang im Siebengebirge wächst. Der Hang bewegt sich so langsam, dass es dem Baum
gelingt, sich durch neue Wurzeln immer wieder an dem Hang festzuklammern.
Den Abschluss des Abends bildete
die Gruppe „Emdo“, bestehend aus
sechs (Freizeit-)Sängerinnen und vier
Sängern um Uwe Johann. „A Sheiling“
ist ein Lied über eine Liebe im schottischen Hochland. Sheiling bezeichnet die
Hütten im Hochland aber auch die Sommerweiden der Schafe, einen symbolischen
lieblichen Ort also. Weniger lieblich ist der Löwe, der angeblich nachts
schläft. „The Lion Sleeps Tonight“ ist ein Lied mit wechselvoller Geschichte
aus dem Jahr 1939, beginnend mit einem finanziell fast leer ausgegangenen südafrikanischen
Autor und Riesenerfolgen Jahrzehnte später, mit der Version der Tokens aus dem
Jahre 1961 als bekanntester Fassung – und nun in vielstimmiger Präsentation von
Emdo. Dank schöner Frauenstimmen konnte die Gruppe auf die Falsettstimme von
Jay Siegel verzichten – Herrlich! Ja, und was öfter vorkommt im Folk Club, es
gibt Dubletten. Diesmal betraf es das Lied „Sweet Dreams“ von den Eurythmics.
Das war aber alles andere als ein Beinbruch, denn Emdo präsentierten das Lied
in einer völlig anderen Fassung als Karin und Gerald, als kunstvoll
verschlungene a capella Version – beeindruckend! Etwas Deutschsprachiges hatten
sie auch im Gepäck und dann gleich von den Bläck Fööss: „Kütt joot heim“. Das
war natürlich auch was zum Mitsingen. Bravo Emdo!
Der Abend war aber noch nicht
ganz zu Ende. Es hatte sich ein junger Mann aus Belgien zum Folk Club gesellt,
der mit einer Gruppe anlässlich der Weltklimakonferenz mit dem Fahrrad aus
Wallonien nach Bonn gekommen war. „A Heart of Gold“, das legendäre Lied von
Neil Young war der Beitrag von Noe
aus Belgien zum Folk Club Nr. 85.
Es ist schon beeindruckend. Der
Folk Club hatte eigentlich zwei Featured Artists eingeplant, die beide abgesagt
hatten. Dennoch war ein hochkarätiges Programm zusammengekommen, und das alles
ohne Kommerz.
Ja, und dann ging es nicht heim,
ohne den guten Jock Stewart ordentlich hochleben zu lassen – „A Man You Don’t
Meet Every Day“.
Auf Wiedersehen beim Folk Club
Nr. 86 im Dezember erneut mit unserem besonderen und nun schon für den Dezember
traditionellen Gast Simon Kempston
aus Edinburgh.