From Henry Purcell to Robert Johnson –
Folk Club am 2.12.2011
So breit gefächert wie die Ankündigung war auch das Programm des letzten Folk-Club-Treffens im Jahr 2011 am 2. Dezember. Anders als beim letzten Treffen gab es diesmal in erster Linie eine Plattform für viele altbekannte Musiker, und das Publikum wurde wie üblich nicht enttäuscht. Lag es an der Kälte draußen, oder ist schlichtweg eine „Singers’ Night“ am attraktivsten – die Bude war wieder gerammelt voll und die Atmosphäre dementsprechend kuschelig.
Master John hatte für das Warm up wieder ein paar bislang noch nicht gespielte Stücke ausgegraben und startete auf seiner Resonator-Gitarre mit „Crossroads“ von Robert Johnson (siehe Überschrift!). Aber John hat seine Seele sicherlich nicht wie angeblich Robert Johnson an der Kreuzung der US-Highways 61 und 49 an den Teufel verkauft, um besser spielen zu können – er kann’s auch ohne den Teufel. Der Titel war vielmehr eine kleine Anspielung auf die Überschneidung der musikalischen Wege von John und dem Special Guest des vorigen Folk Club, Simon Kempston. Wer hierzu Details wissen will, dem sei der Blick ins Archiv des Folk Club anempfohlen. Weiter ging’s mit noch mehr waschechtem Blues von Willie Dixon, dem Lied „Little Rooster“, das wahrscheinlich aber von Howling Wolf stammt (so wurde es von John mitgeteilt).
Als kleine Zwischeneinlage verbunden mit einer Programmankündigung des Honnefer FIF (Folk im Feuerschlösschen) spendierte uns die FIF-Organisatorin Jutta Mensing mit ihrer schönen, intonationssicheren Stimme ein a capella gesungenes plattdeutsches Lied über ihre norddeutsche Heimat.
Ja, und die übliche kleine Geschichtsstunde durfte bei Johns Auftritt natürlich nicht fehlen. Diesmal waren es nicht die Schotten, die von den Engländern geknechtet wurden sondern die Iren. „Arthur McBride“ hieß das Lied von Paul Brady, das über die englischen Rekrutierungs(un)sitten im 19. Jahrhundert berichtete. Das Lied erzählt davon, wie sich zwei irische Strandspaziergänger ziemlich drastisch der Annäherung durch englische Werber erwehrten, indem sie die drei nach einem Wortwechsel kurzerhand erstachen.
Mit „Walking Blues“, einem weiteren Lied von Robert Johnson, beendete John seinen Auftritt und gab den Staffelstab weiter an Peter Philips und Lothar Heinrich, die einen ordentlichen Griff in die Country-Kiste taten. „I Never Picked Cotton“ war etwas für alle Johnny Cash Freunde. Für die göttliche Schnulze “Before the Next Teardrop Falls” fehlte nur noch, dass Dolly Parton um die Ecke kam, aber das wäre zu viel verlangt gewesen. Stattdessen ging es weiter mit „Come Sundown“ von Kris Kristofferson/Bobby Bare. Es ist schon ein Hammer, wie wir uns an den Country-Songs ergötzen. Die meist trivialen und oft von bürgerlicher Doppelmoral triefenden Texte sollte mal jemand ins Deutsche übersetzen, dann würden uns die Ohren abfallen – aber auf Amerikanisch – wunderbar! Nach so viel himmlischem Country-Schmalz, gab es noch etwas von Tom Jones. Statt „Sex Bomb“ oder Ähnlichem spielten Lothar und Peter das unerwartet fromme „Ain’t no Grave“ – super gemacht, Jungs!
Als letzter Künstler vor der Pause zeigte Daniel Mennicken sein Können mit Gesang und Gitarre. Seine kunstvoll begleiteten, aber sehr verhalten gesungenen Lieder sorgten dafür, dass das Publikum ganz leise wurde und eine völlig konzentrierte Stimmung aufkam. „Home to you“ war der Titel seines selbstkomponierten Liedes. Danach spielte er die Chris Whitley-Songs „Indian Summer“ und „Living With the Law“. Dazu erzählte er die traurige Geschichte, dass er Chris Whitley vor sieben Jahren in Köln an einer Bar getroffen, aber sich nicht getraut habe, ihn anzusprechen. Ein Jahr später war der berühmte Musiker an Krebs verstorben und die Chance, je mit ihm zu sprechen, vertan.
Nach der Pause hatte Co-Master Barry Roshto wieder ein paar kunstvolle Schmankerl für uns bereit und entführte uns in die musikalische Welt des 16. und 17. Jahrhunderts: Mit seinem Begleiter Thomas Bergner, der das seltene Instrument Viola da Gamba virtuos spielte, stellte er uns mit seiner herrlichen Countertenor-Stimme Lieder von Henry Purcell und John Dowland vor. „Man, Man, Man, is for the Woman Made” ist eine klare Ansage darüber, wohin Mann und Frau gehören, nämlich zueinander. Das Lied „There’s Nothing so Fatal as Woman” und die darin enthaltene Aussage, dass die Flasche den einzige Ausweg aus dem Schlamassel biete, ebenfalls von Purcell, will uns aber in eine völlig andere Richtung lenken – Was sollen wir nun glauben? Wie so oft – es gibt nicht nur eine einzige Wahrheit.
Auch die Musik von John Dowland, der vor Purcell in der Welt der Renaissance lebte und uns herrliche Lieder vor allem für Lautenbegleitung hinterließ, besingt in vielfältiger Weise die Liebe. Bei „Awake Sweet Love“ konnte Thomas Bergner seine Virtuosität auf der Gambe zeigen und beim Schmachtlied „Come Again Sweet Love“, ebenfalls von Dowland ließ Barry erneut seine voluminöse Falsettstimme hören.
Zurück ungefähr in die Gegenwart! Steve Perry hatte erneut sein amerikanisches Käppi auf und gab zwei schöne schmalzige Country-Lieder zum Besten: „Lightning Express“ besingt einen Jungen, der ohne Fahrschein zu seiner sterbenden Mutter fährt und den Zugschaffner bekniet, ihn nicht aus dem Zug zu werfen – herzerweichend! Das sollte mal einer bei der Deutschen Bahn versuchen!
(N.B. - Steve Perry comments: "Nur.... im 'Lightning Express' ist der Junge nicht zu Nulltarif gefahren. Der Schaffner hat seine Pflicht als Beamter (oder was auch immer) erfüllt. In der zweiten Strophe heisst es: 'A woman nearby was heard to exclaim, If you put him off it's a shame. So taking his hat a collection was made.' The boy's way was paid on the train. ...' Just to set the record straight, und nicht dass alle denken, dass der Junge ein Betrüger war.)
„Dim Lights, Thick Smoke And Loud, Loud Music“ ist ein schönes musikalisches Beispiel für die bürgerliche Moral der 1950er Jahre, die sich an der Verruchtheit erfreut und sie gleichzeitig als unmoralisch verurteilt („A home and little children mean nothing to you – I'm sorry for you and your honky-tonk heart“).
Einen besonderen Glanzpunkt des Abends bot die A-Capella Gruppe bestehend aus Freunden von Barrys Sohn David, die stimmgewaltig und mit prächtigen Soloeinlagen ein Feuerwerk der guten Laune abzogen.
Ohne große Umschweife ging es mit „Rawhide“ („Rolling, Rolling, Rolling“) gleich in die Vollen – die „Blues Brothers“ lassen grüßen! Gottseidank brauchten die Jungs und Mädels kein Gitter wie in dem denkwürdigen Film von John Landis, in dem die Musiker vor fliegenden Flaschen des tobenden Provinzpublikums geschützt werden – es flogen nur die begeisterten Herzen des Folk Clubs auf die Bühne, und die machen nicht so eine Schweinerei. „Scarborough Fair“ war zum Weinen schön und bei „Hit the Road, Jack“ gab es ein witziges musikalisches Zwiegespräch. Das Publikum forderte und bekam mit „Drunken Sailor“ die Zugabe, die gleich auch noch zum Mitsingen animierte – Wann kommt ihr wieder??
Nach einem solchen Knüller musste sich die nächste Gruppe „Rheinfolk“ erst einmal ihren Weg zum Publikum bahnen. Das gelang aber mit „Light my Fire“ von den Doors auf Anhieb. Barbara Kloep an der Violine, Stefan Finke mit Mandoline, Gitarre und Gesang und Thomas Bandholz mit Gitarre und Gesang trafen sofort den richtigen Ton. „Ferry Across the Mersey“, der alte Ohrwurm von Gerry and the Pacemakers aus der Liverpooler Beatles-Zeit in den frühen Sechzigern kam gut an und mit Georges Brassens’ „Chanson pour L’Auvergnat“ konnte Rheinfolk auch auf Französisch glänzen. Aus der jüngeren Musikschiene stammte „Nothing Else Matters“ von Metallica, bei dem Barbara ihre Kunst an der Geige so richtig ausspielen konnte. Den Abschluss bildete Neil Youngs „Keep on Rocking in a Free World“, bei dem das Publikum noch einmal aus vollem Herzen mitsingen konnte – mehr davon!
Der Abend ging zuende – nicht wie so oft mit Jock Stuart – nein, es nähert sich ja Weihnachten, und wir hatten noch gar nichts Weihnachtliches gehört. Das war Ingrid Stachetzkis Stunde. Sie hatte das witzige Lied „Merry Chistmas“ von Udo Jürgens ausgegraben. Dank Textzettel konnten alle das in vortrefflichem Denglisch getextete Lied mitschmettern: „When the snow falls wunderbar, and the children happy are“ und „When the Glatteis on the street, and we all a Glühwein need“ war zum Schießen komisch.
So vortrefflich auf das kommende Weihnachtsfest eingestimmt, war wieder für einen anständigen Pegel der Glückshormone gesorgt, der hoffentlich bis zum nächsten Folk Club am 6. Januar 2012 anhält.
Wie bereits berichtet, wird im Januar 2012 der letzte Folk Club in unserem jetzigen Lokal „Zum Schützenhaus“ stattfinden. Da der Saal des Schützenhauses geschlossen wird, zieht der Folk Club nach einem Monat Pause im März 2012 um in die Gaststätte „Haus Müllestumpe“, An der Rheindorfer Burg 22, 53117 Bonn. Das neue Lokal liegt nicht weit vom Schützenhaus entfernt in Richtung Süden unweit der Straße „An der Josefshöhe“.
Allen Folk Club Freunden wünscht das Organisationsteam ein Frohes Weihnachtsfest und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr 2012. Bleibt dem Folk Club auch weiterhin treu und gewogen.
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