Folk Club (Nr. 24) im März 2012
– Ein Hoch auf unser neues Domizil!
von Detlef Stachetzki
Große Anspannung und Nervosität vor dem ersten Abend in der neuen Heimat des Folk Clubs, dem Haus Müllestumpe in Graurheindorf:
Werden viele Besucher kommen? Wie ist die Akustik? Wie wird sich das Personal des Lokals auf die neue, ungewohnte Situation einstellen. Das Nervenflattern durfte sich nach traditionellem dem Eröffnungs-Schlachtruf des Zeremonienmeisters (John Harrison) sehr schnell legen und der Zuversicht auf eine gute Zukunft des Folk Clubs weichen. Das Lokal war mit rund 80 Besuchern gut gefüllt, das Programm vielfältig, es gab wunderbare Höhepunkte, niemand verdurstete, das Essen schmeckte, die Besucher lobten die schönen Räumlichkeit, viele von ihnen entdeckten mit dem Müllestumpen ein bislang unbekanntes Ausflugsziel, und die überaus freundliche Müllestumpen-Besatzung rieb sich die Augen über den doch unerwarteten Andrang, meisterte aber die Aufgabe bravourös. Offenbar war der räumliche Abstand zwischen Schützenhaus und Müllestumpe zu groß gewesen (schlappe 800 Meter), um die Kunde über die übliche Besucherzahl glaubwürdig zu überbringen.
Den Auftakt machte John diesmal mit Unterstützung von Paolo Pacifico und seinem überaus gekonnten Mundharmonikaspiel. Mit dem „Stone Fox Chase“, einem Harmonika-Einheizer der Gruppe Area Code 615 aus den 1960ern, brachten die beiden in einer Art Polonaise das Publikum in Stimmung. Das nachfolgende Blues-Lied „Too Poor to Die“ spielten John und Paolo zu Ehren seines Komponisten, des eine Woche zuvor gestorbenen Altmeisters Louisiana Red. Das Publikum durfte auch wieder mitsingen beim witzigen Seemannslied „Riding on a Donkey“, der nur mit Rhythmus-Löffeln begleitet wurde. Beim Lied „Come on in my Kitchen“ von Robert Johnson setzten beide wieder ihre Harmonikas ein – ein Genuss! Schließlich gab es mit dem Lied „Bring me Flowers, When I’m Living“ von Champion Jack Dupree noch eine Referenz an Louisiana Red, waren doch beide Musiker zu Lebzeiten gute Freunde – Vielleicht spielen sie jetzt im Himmel weiter. Barry ließ es sich nicht nehmen und beleitete John und Paolo zu Ehren seiner gefeierten Landsleute aus Louisiana mit gekonnten Improvisationen am neuen Klavier des Folk Clubs.
Vor dem ersten Highlight gab unser treuer Folk Club-Besucher Andreas Gruner ein kleines Intermezzo und spielte und sang mehrere Stücke, bei denen er mit seinem Saxophon eine etwas eigenwillige Improvisationstechnik zeigte. Lothar Heinrich, der nach der Pause einen eigenen Auftritt hatte, sprang ihm quasi aus dem Stand zur Seite und verlieh Andreas’ Darbietungen die nötige Würze – großen Dank an Lothars selbstlosen Einsatz!
Silke Frost zog danach das Publikum in ihren Bann. Lässig auf einem der massiven Tische sitzend verzauberte sie die Zuhörer mit ihren selbstkomponierten und –getexteten Liedern. Mit einem Mal verstummten die bis dahin etwas störenden Hintergrundgeräusche, als Silke mit ihrer klaren und intonationssichern Stimme das Lied „Amnesie“ anstimmte. Das Lied aus ihren „Tagebuchliedern“ beschäftigt sich mit der uralten Frage „wer bin ich?“ bzw. „wer war ich?“ Mit dem Lied „Meins“ betrachtete sie das Tun eines Stalkers mal aus der Sicht des Stalkers selbst. Plötzlich erscheint der Bösewicht in einem neuen und durchaus nicht mehr so unsympathischen Licht. Der arme Mensch meint es doch nur gut, er will seinem Objekt der Begierde nur nahe sein und ihm beistehen! „Ich verlass dich nicht, ich stör dich nicht – du bist meins“ lautet eine Zeile aus dem sehr poetischen und nachdenklichen Stück. „Alles anders“ ist ein Lied über die Veränderung im Leben und den erstaunten Blick zurück mit der Bemerkung „weißt du noch wie’s früher war?“. Das muntere Lied über die „Froschkönigin“ gibt einen ironisch-witzigen Seitenhieb auf die perfekte Frau, die in allen Lebenslagen (wir wollen sie nicht vertieft ausführen) perfekt zu sein hat und das auch leisten will. Aber leider küsst Er wie ein Fisch und kann die Froschkönigin nicht erlösen. Dieses Poesiefeuerwerk forderte förmlich den Schrei nach einer Zugabe heraus, der dann auch ertönte. „Sommer sein“ war die Belohnung an das dankbare Publikum – Ein Lied über die Verbissenheit von Menschen, die den Humor im Blumenbeet begraben haben und ein Plädoyer für mehr Leichtigkeit und Freude. Ja, die Freude war da, und wer mehr davon haben will, kann Silke Frost kommenden Samstag, den 10. März 2012 in der Mausefalle 33 1/3 in der Schumannstr. in Bonn erneut bewundern. auch ihre Internetseite www.silkefrost.de ist zu empfehlen. Dort findet ihr auch weitere Auftrittstermine und Musik zum Reinhören.
Nach der verdienten Pause kam der große, aber leider viel zu kurze Auftritt von Co-Master Barry Roshto. Beim Lied „Mr Bojangles“ über den berühmten Stepptänzer Bill Robinson konnte Barry seine Virtuosität am Klavier voll ausspielen. Wunderbar einfühlend und nuancenreich setzte er dazu seine weiche Baritonstimme für das schöne Lied im eher ungewöhnlichen Dreivierteltakt ein. Ein absoluter Knüller war danach Barrys Interpretation des Max Raabe-Liedes „Kein Schwein ruft mich an“. Am Ende wurde der arme, unter Telefonentzug leidende Mensch dann doch tatsächlich durch einen Anruf auf dem Handy erlöst. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Nach der leider viel zu kurzen Einführung in die Abteilung Kunstgesang entführte uns Lothar Heinrich in seine eher raue Welt der amerikanischen Country-Musik. „Big River“ von Johnny Cash besingt die Fahrt auf dem großen Fluss von St. Paul im nördlichen Minnesota hinab nach New Orleans auf der vergeblichen Suche nach einer Frau. Ebenfalls von vergeblicher Liebe handelte das italienische Lied „Roberta“ von Peppino di Capri. Die Frau ist dem Mann weggelaufen, und er bittet sie zurückzukommen. Die fatale Liebe zu Waffen hingegen war das Thema des Liedes „Devil’s Right Hand“ von Steve Earl, das aber auch von Johnny Cash bekannt gemacht wurde. Auch das nächste Lied war aus Johnny Cashs Repertoire, diesmal aber kein Liebeslied: Beim Cowboy-Song „Ghost Riders in the Sky“ konnte die Gemeinde ordentlich mitschmettern „Yippie yi Ohhhhh, Yippie yi yaaaaay, Ghost Riders in the sky“ – Herrlich!
Im letzten Set zeigte uns Richard Limbert mit seinen locker vorgetragenen Liedern, die er mit 12saitiger Gitarre und Mundharmonika selbst begleitete, was in ihm steckt – kein Vergleich zum eher schüchternen Auftritt beim Folk Club im Januar. Im ersten selbst komponierten Stück über das Warten ließ er Richard I. und Richard II. (seine beiden Ichs?) einander begegnen und riet, zwar zu warten aber nicht zu zögern („So I wait but never hesitate“). „On my Mind“ war die zweite Eigenkomposition, bevor er mit „St. James Infirmary“ auf ein bewährtes Stück der Altmeister zurückgriff, und das mit Bravour. Zwischendurch ließ er seiner 12saitigen keine Eigenmächtigkeiten durch und rief sie ohne Nervosität mit professionellem Stimmgerät mehrmals konsequent zur Ordnung – recht so! Bewundernswert war sein Gespür für die Eigenheiten des Raumes, dessen zwei Säulen zwar den Blick aus manchem Winkel versperrten, die Richard aber geschickt zu nutzen verstand, indem er singend mit seiner Gitarre durch den Raum wanderte und sich dann wieder lässig an die Pfeiler lehnte. Mit der vom Publikum lautstark geforderten Zugabe griff er das Thema des Anfangs, das Warten, wieder auf. Den Ragtime „Hesitation Blues“, ein Lied aus dem Süden Amerikas, das unter anderem von Reverend Gary Davis interpretiert wurde, spielte er mit gekonntem Fingerpicking und machte uns Lust auf Mehr in kommenden Folk-Abenden.
Mit dem gemeinsam und schön getragen gesungenen Rausschmeißer „Jock Stuart“ beendete Master John den gelungenen ersten Abend des Folk Clubs im neuen Domizil.
Auf Wiedersehen im April, diesmal wegen des Osterfestes um einen Freitag verschoben am 13.4.2012.
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