Montag, 23. April 2012

Detlefs Bericht von FC - 25

Folk Club (Nr. 25) im April 2012 –
Gibt es noch Steigerungsmöglichkeiten?


Das war eine der Fragen, die sich das Folk Club-Team nach dem Abend am Freitag den Dreizehnten beim Absacker stellte. Die Antwort war: Das haben wir uns schon früher gefragt und sind immer wieder aufs Neue positiv überrascht worden. Ja, der Folk Abend im April war etwas ganz Besonderes: Der Saal im Haus Müllestumpe gut gefüllt, die Atmosphäre heiter, die Akustik um Klassen besser als beim vorigen Treffen und die Musik vom Feinsten.

Aber wie immer, der Reihe nach. Nach Master Johns mittlerweile klassischem Schlachtruf sorgte er auch gleich selbst mit einem Sea Shanty (wird das jetzt zum Standard? Der Chronist hätte nichts dagegen) für die nötige Stimmung. Selbst die kleinen organisatorischen Schwierigkeiten für den Mitsingrefrain (Die Frauen: „away, boys, away, die Männer: „hang, boys, hang“) meisterte das Publikum auf Anhieb und mit großer Begeisterung.

Das Zweite Lied entpuppte sich – wie könnte es anders sein – als Johns obligatorische kleine Geschichtsstunde. Diesmal ging es um die Zeit nach dem Ableben (genauer der Hinrichtung) des englischen Königs Karls I. Die Hinrichtung des Königs im Jahre 1649 war der Schlusspunkt des grausamen Englischen Bürgerkriegs, nach dessen Ende Oliver Cromwell mit harter Hand das Regiment übernahm und die Monarchie zeitweilig abschaffte. „The World Turned Upside Down” lautet der Titel des Liedes, das seinerzeit als Protest gegen die Politik Oliver Cromwells zu Weihnachten gesungen wurde. Das Lied ist inzwischen mehr ein Protestlied gegen die Vormacht und die Privilegien der Reichen „You Poor Take Courage, You Rich Take Care, This Earth Was Made a Common Treasury“ lautet eine Zeile in der letzten Strophe.

Genug der Bildung, auf geht’s mit Spaß: „On Ilkla Mooar Baht ’at“ lautet der etwas befremdliche Titel des nächsten Liedes. Das ist der Dialekt von Yorkshire und heißt in „richtigem“ Englisch „On Ilkley Moor without a Hat“. Dunnerlittchen, das erschließt sich dem Normalmenschen nicht so ohne Weiteres. Aber welcher arme Engländer würde hinter dem „Scha kaal Fööss“ des Rheinländers das harmlose „ich habe kalte Füße“ vermuten. Vielleicht sind ja die Leute aus Yorkshire die Rheinländer Englands (ohne Rhein, versteht sich), witzig sind sie allemal. Das Lied jedenfalls ist ein lustiges Spottlied über einen unvorsichtigen Menschen, der sich mit seiner Liebsten im Moor trifft, und das ohne Hut (na, ja vielleicht auch noch ohne was anderes). Jedenfalls verkühlt sich der arme Kerl und stirbt, wird begraben, die Würmer machen sich über ihn her, die Enten machen sich über die Würmer her und schließlich landen die Enten auf unserem Teller und damit ... – Max und Moritz lassen grüßen: „Rickeracke! Rickeracke, geht die Mühle mit Geknacke – Doch sogleich verzehret sie, Meister Müllers Federvieh!“ John wurde bei dem Lied vom Wahl-Yorkshire-Mann Steven Perry tatkräftig unterstützt. Es war eine große Gaudi.

Unser inzwischen treuer Gefolgsmann Richard Limbert aus St. Augustin steuerte danach drei seiner selbstkomponierten Lieder bei. „Good things“ besang die guten Dinge des Lebens, bei denen man nicht lange fackeln darf: „I Know it’s Good, I Know it’s Great, so Don’t be Late“, lautete der Refrain. Bei „Listen“ ging es, wie konnte es anders sein, ums Zuhören. Aber, so Richard: „Meistens ist es gut zuzuhören, aber manchmal bringt es auch nichts“, wie wahr. Mit „Losers“ besang er die, die nicht so gut weggekommen waren.

Eine kleine Instrumentaleinlage auf dem Klavier bescherte uns danach Günter Peters, der bereits zum Folk Club-Urgestein zählt. „Ein kleiner grüner Kaktus“, „As Time Goes by“, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Sunny Side of the Street“, „Kalinka“, „My Way“ und „Freude schöner Götterfunken“, reihte er gekonnt und beschwingt aneinander und animierte mal die eine, mal die andere Fraktion zum Mitsingen.

Die geheimnisvolle Band „FernerLiefen“ entpuppte sich danach als eine zehn Personen starke Gruppe von stimmgewaltigen und -sicheren Freunden Steven Perrys, die ein fulminantes a Capella-Programm (ab und zu kam Stevens Gitarre zum Einsatz) mit dem Titel „Zeitreise“ mitgebracht hatten. Helena, Ulrike, Jenny, Sebastian, Maren, Ute, Uli, Bernd und Steven ihrem Auftritt gegeben hatten. Die Zeitreise begann in den Fünfzigern mit dem legendärem Rhythm-and-Blues Stück „Hound Dog“, das bei uns durch Elvis bekannt wurde, das aber ursprünglich für die phänomenale Sängerin Big Mama Thornton geschrieben wurde. Steve, diesmal ohne das sonst obligatorische Käppi, glänzte mit Sonnenbrille und Gitarre als fetziger Rock-Oldie. „If You Don’ Know I Ain’t Gonna Tell Ya“ erzählt über das Wichtigste im Leben eines Teenagers im Amerika der 1950er und 1960er Jahre, das Auto. Mit dem Auto war nach Steves Schilderung das nächste Ziel in der Reihenfolge der damaligen Wichtigkeit erreichbar: Girls. Das witzige Lied, das seinerzeit von George Hamilton IV gesungen wurde, befand sich auf der sogenannten B-Seite der Platte (wer kennt das Lied auf der A-Seite?). Langsam arbeiten wir uns in die Sechziger vor und landen bei Cliff Richard. „Rote Lippe soll man Küssen“ von 1963 ist ein schönes Beispiel dafür, dass damals noch manches erfolgreiche ausländische Lied vom Original-Interpreten auch mit einen deutschen Text gesungen wurde – Heute kaum mehr denkbar, damals aber offenbar für den Medienerfolg günstig. Auch die Beatles sangen mehrer Lieder auf Deutsch. Natürlich – die Beatles, sie durften nicht fehlen und wurden von ihrem Lied „Lady Madonna“ von 1967 würdig repräsentiert. Was dem Reporter in all den Jahren nie aufgefallen war, wurde jetzt durch Stevens Kommentar gnadenlos enthüllt: Bei der Aufzählung der Wochentage in dem Lied fehlt merkwürdigerweise der Samstag: „Friday night arrives without a suitcase, Sunday morning creeping like a nun“, auch alle anderen Tage sind erwähnt, nur der Samstag nicht – Kennt jemand den Grund? Mit „Ob La Di, Ob La Da“ präsentierte die Gruppe ein weiteres Lied von den Beatles – und hier zeigte Steve eine unvermutete Verbindung zum Rheinland auf: Der Liedtitel kommt aus Nigeria und lautet übersetzt „Et kütt wie et kütt“ – Wer hätte das gedacht?

Riesenapplaus für die Truppe, die mit wirklich gekonnter Mehrstimmigkeit den altbekannten Liedern einen völlig neuen Sound gab und das Publikum begeisterte.

Nach der Pause startete Barry Roshto die Session mit einem neuen „Telefonlied“. Nachdem er beim letzten Folk Club „Kein Schwein ruft mich an“ von Max Raabe gesungen hatte, plant er nun, in lockeren Abständen Lieder mit einem Bezug zum Telefon zu singen. Angeblich gibt es davon Tausende, in denen in irgend einer Weise das Telefon vorkommt. Den Anfang machte Barry in unnachahmlicher Weise mit „Sylvia’s Mother Says“ von Dr Hook (“Sylvia's mother says ‘Sylvia's busy, Too busy to come to the phone’”). Wer Lust hat, kann, bis zum nächsten Folk Club weitere Lieder mit einem Bezug zum Telefon zu nennen, die Barry spielen soll.

„Lights Fall Forward“ heißt die Formation aus London, die den Höhepunkt des zweiten Teils bildete. Naomi Paget, Gesang/Klavier und Charlie Evans, Gesang/Gitarre, versetzten den Saal in Verzückung. Die beiden zeigten mit ihren Eigenkompositionen, dass jenseits der bekannten Stars wahre Kleinodien am Musikhimmel zu entdecken sind. Ihren Musikstil beschreiben sie mit „IndieFolk“ den sie Ende vorigen Jahres auf eine sechs Stücke umfassende CD verewigt haben. Mit ihren tragenden und intonationssicheren Stimmen wechselten sie sich bei den Liedern ab und ergänzen sich perfekt mit ihren Instrumenten bei ihren wunderbar melodischen und poetischen Liedern, die eine positive und leicht entrückte Stimmung erzeugen. Das ist mal ein Kontrast zu den oft düsteren und deprimierenden Liedinhalten anderer Künstler. Mit dem zarten Lied „Falling“ eröffnete Naomi den Reigen und setzte mit „Weather the Storm“ danach einen Höhepunkt einfühlsam durch Charlies Gitarrenbegleitung ergänzt. „As the dawn turns into day, And we pack our dreams away, There's a warmth here that remains, And we both know, we'll be ok, Yeah we both know, it's all ok “ singt Naomi zuversichtlich und unterstreicht dies durch ihr klares, perlendes Klavierspiel. Bei „Right From the Start“ kam erstmals Charlies schöne und tragende Stimme zum Einsatz „You Are Not Alone, Underneath You Know“ lautet die ermutigende Schlusszeile. „So What“ ist ein weiteres von Charlie gesungenes Lied. Bei „Little Things“ singt Naomi über die kleinen Dinge, die das Leben schön machen. Ein ähnliche Thema hat das etwas spröde aber dennoch ergreifende Lied „Here and Now“. „And That is All That Counts, And That is All You Need to Know“ heißt es dort. Bei „Rise Above it“, der ersten der beiden Zugaben, zeigte sich, dass beide besonders apart im Duett klingen. „Big Open Sky“ setzte den Schlusspunkt des umjubelten Auftritts der beiden. Dickes Kompliment zudem für Naomis wunderbares Deutsch, mit dem sie die Lieder vorstellte. Wer einen Eindruck von der Musik bekommen möchte, kann sich auf der Internet-Seite von Light Falls Forward Einiges anhören: http://www.lightfallsforward.com

Zum Abschluss des Abends kam nochmals FernerLiefen zum Einsatz und heizte dem Saal mit gekonnt interpretierten Bekanntheiten ein: „King of the Road“ von Roger Miller singt von der Pennerkarriere des Interpreten. Nachdem er das Lied am Plattenmarkt untergebracht hatte, war das Geld plötzlich da und er kein Penner mehr. Bei der italienischen Alpen-Schnulze „Montanara“ konnte die Truppe so richtig vom Leder ziehen. „Ein Schiff wird kommen“ erinnerte an Lale Andersen. Die Zeitreise ging zuende mit einer Reverenz an das schöne Rheinland. Mit „Kutt jot heim“ von den Bläck Fööss wurde das Publikum in den Abend verabschiedet. Erneut riesiger Applaus!

Aber halt – noch war das Ende des Abends nicht ganz erreicht. „Jock Stewart“ der Standard-Rausschmeißer des Folk Club wurde von der Gemeinde zum Abschluss mit großer Inbrunst gesungen.

Auf Wiedersehen beim nächsten Folk Club am 4. Mai mit unserem Special Guest Martin Donnelly aus Irland, der auf einer Deutschlandtournee auch einen Abstecher zum Folk Club macht.