Folk Club (Nr. 27) im Juni 2012 – Four Fiddlers
begeistern
Jeder Folk Club Abend hat seine eigene Geschichte
und Dynamik. Der Juni Treff hatte dem Organisationsteam zunächst
etwas Lampenfieber bereitet, weil für diese eine Veranstaltung
erneut ein neues Lokal ausprobiert werden musste. Aber – alles lief
hervorragend, trotz des etwas kleineren Raumes. Die rund 70 Besucher
rückten ein wenig zusammen und so entstand eine fast intime
Atmosphäre, bei der sich Musiker und Publikum nahe kamen. Dem
Rheindorfer Hof wurde von Besuchern und Musikern gleichermaßen eine
besonders schöne Atmosphäre bescheinigt einschließlich der
wunderbaren Bewirtung.
Aber nun zum eigentlichen, der Musik:
Gibt es noch Steigerungsmöglichkeiten für den
kleinen, improvisierten und in der Freizeit organisierten Folk Club?
Ja sie gibt es, und die Four Fiddlers sind der lebende Beweis
dafür. Die Special Guests des Abends schickten ein wahres Feuerwerk
an Spielfreude, Musikalität, Vielseitigkeit und Originalität in das
Publikum herab, das sich bei den vier Musikern mit Begeisterung und
absoluter Hingabe revanchierte.
Das Quartett aus dem Bergischen Land hat sich erst
vor etwa einem Jahr zusammengefunden, aber bereits ein abendfüllendes
Repertoire mit Volksliedern aus zahlreichen Regionen der Welt
erarbeitet. Die Gruppenmitglieder sind Steffi Hölzle (Geige und
Bratsche) und Daniel Marsch (Geige und Akkordeon), die bereits vor
einiger Zeit als Duo „Tangoyim“ mit hauptsächlich jiddischer
Musik im Folk Club aufgetreten sind, sowie Ariane Böker mit Geige,
Gitarre und Klavier und Ecki Schwandke mit Geige und Bratsche.
Den Auftakt machten sie mit zwei schwedischen
Liedern, den Instrumentals „Äppelbo Gånglåt“ und „Gärdeby
Gånglåt“ und dem romantischen Lied „O Skåne Lann“ (O schönes
Schonen). Steffi und Ariane konnten dabei auch ihre Gesangsqualitäten
demonstrieren. Ecki hatte ihnen nach eigenen Berichten zuvor die
korrekte schwedische Aussprache des Textes beigebracht.
Danach gab es einen kleinen Abstecher über den
Atlantik mit dem Bluegrass Lied „Faded Love“, einem in den USA
viel gespielten, traditionellen Lied. Weiter ging’s mit „Southern
Flavor“ und irischen und schottischen Jigs. Zum Abschluss des
ersten Teils spielten sie ein Set von Tänzen aus Ungarn.
Aber zurück zur Reihenfolge:
Wie immer wurde der Abend von John Harrison
eröffnet. Der Warm up startete diesmal aber nicht mit einem Blues
sondern mit dem a Capella gesungenen Lied „Oh What a Beautiful
Morning“ eines Cowboys aus dem berühmten Musical Oklahoma von
Rodgers and Hammerstein. An Johns Interpretation des Jazz-Songs
„Nobody Knows You, When You’re Down And Out” von Jimmie Cox
hätte Bessie Smith ihre helle Freude gehabt. Das instrumental auf
der Dobro Gitarre gespielte, von John selbst komponierte Stück
“Whistling Walvis” war ein kleiner Leckerbissen. Die
unvermeidliche aber immer wieder gern genommene kleine
Geschichtsstunde (Bildungsauftrag!) folgte mit dem „Chemical
Worker’s Song“ von Ron Angel über das Elend unzureichend
geschützter Chemiearbeiter im England des 19. Jahrhunderts, den John
a Capella vortrug und den das Publikum dank vorhandener Textzettel
lautstark mitsang. Abgerundet wurde der Einstieg durch den Blues “All
by Myself” des Altmeisters Big Bill Broonzy.
Inzwischen ein alter Folk Club-Hase ist der
ansonsten noch recht junge Richard Limbert, der wieder einige
seiner selbstkomponierten Lieder vorstellte. Bemerkenswert sind die
Zusammenhänge, die er mit seinen Texten aufgreift: „It’s a
Beautiful Sin“ lautete der Refrain des ersten Liedes – Liebt
Richard etwa die Sünde? Beim nächsten Lied ging es um die das
Sprichwort aus Indonesien, dass es besser sei, etwas gehabt und dann
verloren, als es überhaupt nicht gehabt zu haben. Ein weiteres Lied
beschäftigte sich damit, dass es auch vorangehen kann, wenn es
gelegentlich rückwärts oder seitwärts geht. Leider konnte der
Chronist nicht dem gesamten Text folgen. Vielleicht stiftet Richard
ja mal seine philosophischen Liedtexte dem Folk Club Archiv. Zum
Abschluss seines Auftritt sang Richard das bekannte Lied über die
Niederlage der Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg und das
bedrückende Gefühl ihrer Bewohner in der Zeit danach „The Night,
They Drove Old Dixie Down“. Beeindruckend, wie Richard gleichzeitig
Gitarre, Mundharmonika und mit dem Fuß ein Tamburin spielte.
Nach der Pause beglückte uns Barry Roshto
mit den lange angekündigten Telefonliedern, das heißt mit Liedern,
in denen in irgendeiner Weise das Telefon vorkommt. Vor zwei Monaten
hatte er uns schon mit einer wunderbaren Interpretation des Max Raabe
Liedes „Kein Schwein ruft mich an“ auf diese Serie eingestimmt.
Mit
einem kurzen Medley aus den schon vorgetragenen „Kein Schwein ruft
mich an“ und „Silvia's Mother“ mit einem Chorus von „Wähle
333 auf dem Telefon“, machte er den Anfang, schwenkte dann aber in
einen kleinen Abstecher ins Land der Beatles. Das
Lied „When I’m Sixty-four“ münzte er mit einer gekonnten
Jazz-Interpretation auf seinen eigenen Geburtstag just an diesem Tage
um in „When I’m Fifty-four“ – Das Publikum war begeistert,
und offenbar hatten viele die Platte Sgt. Pepper’s Lonely Hearts
Club Band oft genug gedreht, um den Text auswendig mitsingen zu
können – perfekt! Mit Patty Larkins „Booth of Glass“ waren wir
wieder bei den Telefonliedern und bei „Call Me” von Blondie
konnte das Publikum effektvoll das Echo des Hintergrundchors singen,
Barry sorgte dabei für eine kleine Dirigentenunterstützung.
Nach
einem Monat Abstinenz hatte Steve Perry wieder eine kleine
Kostprobe aus seiner Heimat für uns bereit. Für alle, die es noch
nicht kannten und natürlich auch für die, die es kannten, trug er
in bestem, breiten Amerikanisch den unnachahmlichen Radio-Werbespot
für eine Bibel für $ 29,99 vor, die mit Bildern aus der Zeit „When
Jesus walked on earth“ ausgestattet sei. Als Dreingabe für
schnelle Besteller pries der Spot ein Bild von Jesus mit seinem
eigenen leuchtenden Autogramm an – zum Schreien! Zum Thema passte
dann der „niedliche” Country Song „We Need a Whole Lot More of
Jesus – And A Lot Less Rock And Roll” von Wayne Raney, den Steve
zur Begleitung mit seiner brasilianischen Viola Caipira sang. Der
Text ist beeindruckend – unvorstellbar, dass Lieder mit solchen
Texten („We Need More Old Fashioned Preachers“) landesweit
populär waren – und vermutlich noch sind.
Aber danach ging es mit „godless music“ weiter,
die von Steves Mitstreitern aus seiner Band „FernerLiefen“
präsentiert wurden. Uli Köhler und Anke und Jörg Bohnsack
rockten mit dem Credence Clearwater Revival Song „Down on the
Corner“ von den Drifters mächtig los und ließen das Publikum dank
ihrer Liedzettel kräftig mitsingen. „Under The Boardwalk“ wurde
ebenso dankbar aufgenommen, und als Zugabe wurde „Hello Mary Lou“
von Ricky Nelson gespielt – vergnüglich!
Mit (leider) nur einem Stück wartete danach Annette
auf: Ein instrumentales Gitarrenstück, das vor allem vielen
Norddeutschen geläufig sein müsste. Der NDR benutzte es in den
Achtzigern als Pausenfüller zwischen Fernsehsendungen in seinem
Regionalprogramm. Das Stück heißt „Das Loch in der Banane“ von
Klaus Weiland, einem früheren Weggefährten von Hannes Wader und
Werner Lämmerhirt – super gespielt Annette, und hoffentlich gibt
es bald eine Zugabe.
Als krönenden Abschluss gaben die Four Fiddlers
weitere Kostproben ihres Könnens. Nach einem weiteren schwedischen
Stück ging es ab in Richtung Südosten mit einem Set von Tänzen aus
der nordrumänischen Provinz Maramures. Danach wurde es russisch mit
den „Russen am Rhein“. Zum Abschluss ging es über die Schweiz
(u.a. „Am Landsgemeindssunntig“) Richtung Bayern. Dort war Ariane
in ihrem Element und konnte ihr Heimatidiom richtig ausspielen. „D’Simmasmoad z’ Heigendorf“, ein Lied über zu viele Flöhe, wurde
stilecht gesungen. Das Stück „Klarinettenmuckl“ perfekt von
Ariane angekündigt, hört sich auch mit Geigen gespielt super an.
Mit „Hans bleib da, man weiß ja nicht wie’s Wetter wird“ ging
die Exkursion in unseren südlichen Landesteil zuende. Ohne Zugabe
durften die Fiddlers nicht fortgehen, und so stimmten sie die
Titelmusik von „Pippi Langstrumpf“ an mit entsprechender Resonanz
aus dem Publikum – eine große Gaudi mit viiieeel Applaus!
Die Four Fiddlers können demnächst auch in
Düsseldorf (am 15. Juni im Café Startklar) und in Hagen (am 24.
August im Kulturhof Emst) gehört werden.
Ein Folk Club geht nicht stilecht zuende ohne „Jock
Stewart“, diesmal mit tatkräftiger Hilfe der Four Fiddlers.
Auf Wiedersehen am 6. Juli 2012, diesmal wieder im
Haus Müllestumpe mit einer reinen Singer’s Night.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen