Folk Club im März (Nr. 35) im Zeichen der romanischen Sprachen
Dominiert ansonsten das Englische bei den Folk
Club-Abenden, so hatten wir im März das seltene Vergnügen, Lieder in allen
großen romanischen Sprachen, also Spanisch, Portugiesisch, Französisch,
Italienisch und auch Rumänisch, präsentiert zu bekommen. Natürlich gab es auch
Lieder in englischer Sprache und – kaum zu glauben – auch etwas aus dem
deutschen Liederschatz.
Wie üblich sorgte Master John Harrison für die Aufwärmübungen. Das Lied über den
amerikanischen Kriminellen „Machine Gun Kelly“ von Danny Kortchmar, das durch
den Sänger und Gitarristen James Taylor bekannt wurde, besingt die Macht, die
Frauen über die Männer haben. Mit dem Thema „Boy meets girl“ oder vielmehr
“Girl leaves boy“ befasste sich auch das Lied „Beeswing“ von Richard Thompson.
Hier geht es um eine Frau, die um jeden Preis unabhängig sein will, auch wenn
sie dabei zugrunde geht.
Benedict
Steilmann, der zum ersten Mal im Folk Club auftrat, setzte die
intellektuelle Schiene fort und verwöhnte uns mit „Best of All Possible Worlds“
von Kris Kristofferson. Ein weiteres Lied, das von der Sehnsucht nach
Unabhängigkeit handelt, ist die Ballade „Old Shoes and Picture Postcards“ von
Tom Waits. Zum Schluss seines vielbeklatschten Auftritts gab er uns noch „That
Lucky Old Sun“ zu hören, das zwar (auch) von Johnny Cash interpretiert worden
war, das aber weit vor Cashs Zeit Beasley Smith und Haven Gillespie geschrieben
hatten. Frankie Laine war damals der Sänger, mit dem das Lied seinen größten
Erfolg feierte – gleich danach kommt natürlich die Interpretation von Benedict!
Wir freuen uns auf weitere Auftritte von dir.
Was wäre ein Folk Club ohne „Walk in“? Marcus Martin aus England, der zufällig
in der Gegend war, hatte ebenfalls etwas aus der Johnny Cash-Kiste im
Repertoire. Aber auch beim Country-Song „Big Iron on his Hip“ handelt es sich
nicht um ein Lied des großen Barden mit der sonoren, tiefen Stimme sondern um
eine Komposition des seinerzeit ebenso berühmten Country-Sängers Marty Robbins.
Tatsächlich ein Lied von Johnny Cash ist hingegen „Redemption“, eine Allegorie
auf die Erlösung durch den Kreuzestod Christi – passend für die Passionszeit.
Das Duo aus unseren alten Bekannten Lothar Heinrich und Peter Philips startete danach mit ihrem
Set den Einstieg in die „romanische Phase“. Zunächst gab es aber noch das Lied
„Blue Moon“ von Richard Rogers und Lorenz Hart, das in der Version der Marcels
weltbekannt wurde. Das italienische Lied „Amara Terra Mia“ (Meine bittere
Heimat) des unvergleichlichen Domenico Modugno kennen vielleicht einige noch
als Titellied des TV-Vierteilers „Blutige Straße“ über die Mafia in Süditalien
aus dem Jahr 1971. Der Chronist saß damals jedenfalls bei jeder Folge gebannt
vor dem Fernseher. Peter begleitete das melodische Lied, das Lothar mit seiner
tragenden Stimme sehr schön sang, gekonnt mit seiner Mundharmonika. Beim
anschließenden Boogie „Feeling Good“ waren die beiden so richtig in ihrem
Element und entließen das jetzt richtig aufgewärmte Publikum in die Hände unserer
temperamentvollen Brigitt’ Annessy.
Brigitt’,
die zusammen mit ihrem Klavierbegleiter Hans
Peter Kempkes eigens aus Solingen angereist war (großes Dankeschön!), hatte
eine Erkältung zwar noch nicht ganz auskuriert, zog aber das Publikum schon
durch ihre pure Bühnenpräsenz sofort in den Bann. Sie griff sodann gleich tief
in die Kiste der guten Bekannten der französischen Chansons: „Champs Elysées“
von Joe Dassin war der Eisbrecher und weiter ging’s mit dem gefühlvoll
vorgetragenen „Besame Mucho“ der Mexikanerin Consuelo Velázqes aus dem Jahre
1941. Immerhin, ohne dass dies jemand zuvor geplant hatte, waren inzwischen
Lieder in bereits drei romanischen Sprachen erklungen. Glanzstück des ersten
Teils ihres Vortrages war das grandiose „La Bohème“ des großen Charles
Aznavour.
Nach der Pause startete unser „Urgestein“ Günter Peters eine recht ungewöhnliche
Aktion: Zur von ihm am Klavier gespielten Melodie von Beethovens „Freude
schöner Götterfunken“ ließ er das Publikum einen eigens gedichteten Text
singen, wunderbarer Spaß für alle.
Als kleines Intermezzo präsentierte Jutta Mensing eine Dreingabe zu ihren
Ankündigungen der kommenden Veranstaltungen im Bad Honnefer Feuerschlösschen.
Das bezaubernde Lied „Wie schön blüht uns der Maien“ sang sie schnörkellos, ohne
Instrumentalbegleitung nur mit ihrer klaren und intonationssicheren Stimme. So
vorgetragen klingt dieses schlichte Lied von enttäuschter Liebeshoffnung
vollkommen authentisch, ganz im Gegensatz zu leider oft verkitschten Versionen.
Portugiesisch, die vierte romanische Sprache
nahm danach mit unserem Wahlbrasilianer Steve
Perry ihren Einzug: „Felicidade foi se Embora“ heißt die heimliche Hymne
des südlichsten brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul, die er zur
Begleitung auf seiner Viola Caipira, der zehnsaitigen brasilianischen Gitarre
mit der eigentümlichen Stimmung sang. Jutta steuerte hier gekonnt gesangliche Unterstützung bei. Das zweite Lied „Prenda
Minha“ (Mein Geschenk) stammt auch aus Rio Grande do Sul und handelt von einem Mann, der sein Glück auf einem Rodeo sucht und mit einem
Mädchen im Bett landet, die aber beim Morgengrauen abhaut. Aus dem Bundesstaat Mato Grosso, weiter
nördlich angrenzend an den Bundesstaat Amazonas gelegen, stammt das bekannte Lied „O Cuitelinho“ (Der
Kolibri). Bei O Cuitelinho geht es um einen Mann, der sich von Familie und Freunde
verabschiedet und nach Paraguay geht, wo es einen Bürgerkrieg gibt. Dort fühlt
er sich elend, und er hat furchtbare Sehnsucht nach seiner Liebsten. „A
Chalana“, bei dem Steve erneut von Jutta begleitet wurde, handelt von einem Mann, der seine
Liebste gekränkt hatte. Sie verschwindet mit einem Binnenschiff
(Chalana) auf dem Rio Paraguay, ohne sich zu verabschieden.
Treue Folk Club-Gefolgsleute können sich noch
an Christian Schusters Auftritt vor fast genau drei Jahren erinnern, als
viele rätselten, in welcher merkwürdigen Sprache er seinerzeit sang. Es war
Rumänisch, die fünfte der romanischen Sprachen, die wir heute präsentiert
bekamen. Aber erst sang er mit seiner schönen und tragenden Stimme und gekonnt
selbst begleitet auf der Gitarre ein spanisches Lied. Danach folgte der Ohrwurm
„Time in a Bottle“ von Jim Croce aus dem Jahr 1973. Das erste der beiden
folgenden rumänischen Lieder handelte von einem Sänger, der um Unterkunft und
Essen bittet (sollte dies etwa ein Wink mit dem Zaunpfahl für den Folk Club
sein?). Das zweite Lied erzählte ebenfalls von der Musik, aber aus der Sicht
der Zuhörer, die in einer Kneipe sitzen und den Musikanten bitten, ein Lied von
der Liebe zu spielen.
Im letzten Teil des Abends traten dann Brigitt’ Annessy und Hans Peter Kempkes erneut auf und
verzauberten das Publikum. Brigitts Stimme hatte trotz Erkältung ihren Dienst
nicht versagt und so war sie gut gerüstet für Hildegard Knefs „Für mich soll’s
rote Rosen regnen“. Nach „L’Important c’est la Rose“ von Gilbert Bécaud folgte
das mit großer Leidenschaft gesungene „Non, Je Ne Regrette Rien“ der
unsterblichen Edith Piaf. Ebenfalls von Edith Piaf ist das Lied „La Vie en
Rose“. An Ihrer Interpretation von „Ne me quitte pas“ hätte der große belgische
Poet und Sänger Jacqes Brel seine helle Freude gehabt. Einen kleinen Ausflug
ins „Franglais“ gönnte sie sich mit „Chanson d’Amour“ in der Version von
Manhattan Transfer. „Rata, data da“ durfte das Publikum als Refrain beisteuern.
Das Lied war 15 Jahre vor der Veredelung durch Manhattan Transfer ein Hit der
belgischen Sängerin Angèle Durand, die in den 1950er Jahren große Erfolge auch
mit Liedern in deutscher Sprache feierte. Auch „C’est si bon“ war zuerst ihr
Hit und zwar zunächst auf Französisch in Belgien und später in deutscher Version
in Deutschland. Brigitt’ sang das Lied denn auch halb französisch und halb
deutsch – ein schöner Spaß zum Abschluss eines vergnüglichen und äußerst
vielseitigen Abends.
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