Folk
Club Nr. 36 im April 2013 bringt die Stimmen in Schwung
Eigentlich stand der April Folk Club ja unter
dem Motto: „Work Songs – Lieder, die bei der Arbeit gesungen werden/wurden“.
Zusätzlich hätte aber auch der Anspruch, dass möglichst viele Lieder ohne
Instrumentenbegleitung, also a capella gesungen werden sollten, gestellt werden
können. Der Abend wäre auch diesem Anspruch gerecht geworden. Dabei zeigte sich
wieder einmal, dass die menschliche Stimme das schönste und beglückendste aller
Instrumente ist.
John
Harrison machte ganz in diesem Sinne den Anfang mit „Another Man Done
Gone“, einem Lied der sogenannten Chain Gangs im Süden der USA. Das Lied sang
John im Wechsel mit gekonnten Harmonikapassagen. Witzig dabei waren dabei die
Fragezurufe von Steven Perry, die
jedes Mal mit „I don’t know“ beantwortet wurden. „Take this Hammer“ ebenfalls a
capella gesungen, ist gleichfalls ein Lied der Chain Gangs, das bei
verschiedenen Arbeiten, z.B. beim Eisenbahnbau gesungen wurde. Die
Arbeitskolonnen (Gangs) waren meist schwarze Sträflinge, die für schwere
Arbeiten ausgeliehen wurden. Die Sklavenhaltung wurde so fast hundert Jahre
nach offizieller Abschaffung der Sklaverei in den USA noch bis weit ins 20.
Jahrhundert ungeniert fortgesetzt. Diesmal wurde John durch seinen Namensvetter
John Hurd begleitet. „Riding on a
Donkey“ ist ein sogenannter Sea Shanty aus dem südlichen Wales. Dabei ist der
„Donkey“ eine frühe Dampfmaschine, die beim Be- und Entladen der Schiffe
benutzt wurde. John spielte zu seinem Gesang die Percussion mit Löffeln – sehr
apart!
Erstmals im Folk Club trat Bob aus den USA auf und stellte – ebenfalls ohne
Instrumentenbegleitung gesungen – einige Klassiker vor, bei denen sich das
Publikum schon einmal warm singen durfte. „Cotton Fields“ von Huddy Ledbetter
(„Lead Berry“) hatte natürlich auch etwas mit der Arbeit zu tun, und „Proud
Mary“ von John Fogerty aus der Gruppe Creedence Clearwater Revival besingt eher
das leichte Leben, wenn man von schwerer und schlecht bezahlter Arbeit die Nase
voll hat. Ein echter Klassiker ist der „Banana Boat Song“, bei dem Bob
Unterstützung von Steve Perry
erhielt. Nochmals ganz allein sang ein mit Otis Reddings „Sitting on the Dock
of the Bay“ echtes anti Arbeitslied, das eher von Nichtstun und Melancholie
handelt.
Echte Kracher warf danach unser treuer
Gefolgsmann Lothar Heinrich mit
seinen Mitstreitern Siggi Dankwardt
(Piano), Klaus Nick (Saxophon) und Gerhard Lemm (Gitarre) in den Ring.
Befreit von der Last, selbst ein Begleitinstrument spielen zu müssen, konnte
Lothar seine stimmlichen Kapazitäten voll ausspielen und legte gleich mit Oscar
Browns „Work Song“ los, dessen Titel natürlich die richtige Empfehlung für das
Motto des Abends war. „Farther up the Road“ von 1957, das in der
Originalversion von Bobby ‚Blue’ Bland gesungen wurde, hatte zwar eigentlich
keinen Bezug zum Motto, war dafür aber umso schöner gesungen und umkreist von
zauberhaften Soli der drei Instrumentalisten – ein echter Höhepunkt. Und
natürlich kam es, wie es kommen musste: der Klassiker „Banana Boat Song“ war
auch hier im Repertoire. Jetzt hatte das Publikum schon mal eine Einführung
erhalten und konnte entsprechend mitsingen. Lothar unterstützte den
Calypso-Sound tatkräftig mit Rasseln. Eine etwas andere Art der Arbeit besang
danach das Lied „Buona Sera Senorina“ von Louis Prima aus dem Jahre 1956, bei
dem es eher um die Bemühungen eines Papagallo um die schönen Damen geht.
Gerhard
Schweizer, der im Folk Club bereits im Februar 2013 gespielt hatte, drehte
die Nadel des bisherigen Sprachkompasses ein wenig nach Osten und erinnerte mit
„Heute hier Morgen dort“ an die guten alten Liedermacherzeiten, in denen Hannes
Wader die Säle füllte. Ein ganz aktueller Saalfüller vor allem bei unseren
österreichischen Nachbarn ist Andreas Gabalier, dessen witziges (und völlig
arbeitsfreies) Lied „I sing a Liad für di“ Gerhard gekonnt vortrug, Die Meute
tobte zwar nicht ganz so wie bei Gabaliers Auftritten, aber es war schon ganz
passabel. Einen schönen Schwenk machte Gerhard, als er daran erinnerte, dass
zur Arbeit ja auch der Urlaub gehöre, den man nicht vernachlässigen dürfe.
Folgerichtig kam jetzt „Buenas Dias Mathias“ von den Paveiern zum Zug. Die
hartgesottenen Karnevalisten waren begeistert und sangen alles auswendig mit.
Ebenfalls nicht zu ersten Mal im Folk Club trat
Renate Dohm, diesmal mit Ihrer
Freundin Elke Rieck. Alle fragten
sich nach ihrer Ansage, welches Lied den nun folgen sollte, das zu den 12
bekanntesten deutschen Liedern zähle. Es war „Lustig ist das Zigeunerleben“ und
nach der Mitsingintensität zu urteilen, trifft die Einstufung auch zu. Die
beiden sangen und spielten das leider in der Vergangenheit (nicht nur in der
braunen) oft missbrauchte Lied – zum Teufel mit der politischen Korrektheit –
über das eigentlich gar nicht so lustige Leben des fahrenden Volkes mit schönem
zweistimmigen Gesang.
John
Harrison mischte sich nach der Pause erneut ins Geschehen ein mit Fred
Wedlocks Lied über die Schwierigkeiten eines Folksängers (na ja, das kann man
natürlich auch zu den „Work Songs“ zählen). Dabei brachte er eine seiner tollen
Dobro Resonatorgitarren zum Klingen.
Wie immer, wenn sie auftritt, bringt uns Jutta Mensing ein paar Edelsteine aus
dem deutschen und insbesondere aus dem niederdeutschen Liederschatz mit, die in
der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt sind. Diesmal trat sie zusammen mit Mario Dompke auf. Als erstes sangen sie
ein sehr hübsches Hirtenlied (Jutta, schicke mir bitte den Titel!). Natürlich
durfte auch ein anständiges Seemannslied nicht fehlen. „De Hoffnung“ lautete
der Shanty über den Käpt’n einer Windjammer (namens „Hoffnung“), der seine
Seele für den Preis einer schnellen und sicheren Rückreise an den Teufel
vermacht, aber durch die Gewitztheit des Schiffszimmermanns vor der Verdammnis
gerettet wird: Der Zimmermann flicht den Schweif des vor Freude unaufmerksamen
Teufels in die Ankerkette, und schwupps, saust der Satan mit dem Anker in die
Tiefe – so einfach ist das! Das hörte sich natürlich von Marios Gitarre und
Juttas Miniakkordeon begleitet sehr apart an, und die Refrains waren wunderschön
zum Mitsingen geeignet. Nicht nur beim Ankerheben wurde seinerzeit gesungen sondern auch
und vielleicht sogar besonders viel bei Hausarbeiten wie dem Spinnen. „Spinn,
meine liebe Tochter“ ist ein solches Lied, das Spottverse über ein Mädchen
enthält, das sich vorm Spinnen mit der Ausrede schmerzender Finger drückt, aber
bei der Aussicht auf eine Liebschaft alle Schmerzen vergisst. Jutta zeigte
dabei und auch beim nächsten Lied ihre instrumentalische Vielseitigkeit, denn
diesmal war die Geige dran. Einen Griff in die große Literatur taten die beiden
danach mit dem eindringlich vorgetragenen Lied „Wir weben“, das mit dem Text
des berühmten Gedichts von Heinrich Heine das Elend der schlesischen Weber
beschwört: „Deutschland, wir weben dein Leichentuch, wir weben hinein den
dreifachen Fluch“ lautet die düstere Refrainzeile.
Nach diesem eher nachdenklichen Beitrag durfte
es wieder etwas heiterer werden. Steve
Perrys Gesangstruppe „Ferner Liefen“,
diesmal bestehend aus Steve, Jutta Mensing, Uta Schäfer, Maren Huch,
Jürgen Huch und Ulrich Köhler,
brannte danach ein kleines musikalisches a capella-Feuerwerk ab. „Flachsernten“
lautete der Titel des Liedes aus Schweden und „Dreh dich, dreh dich, Rädchen“
war ein weiteres der sicherlich zahlreichen Lieder über das zeitaufwändige
Spinnen von Garn. „Ei ho!“ lautete der Titel eines sehr rhythmischen Liedes,
das nur von den Männern gesungen wurde und das beim an Land ziehen der Boote
den Takt angeben sollte. Wenn den Sängern aber bei jeder Aufforderung im
Liedtext nach einem Schnaps nachgegeben worden wäre, hätte der Abend vielleicht
noch eine sehr unerwartete Wendung genommen. So aber ging’s weiter im Programm
mit der Hymne der deutschen Bergleute „Glück auf, Glück auf, der Steiger
kommt“, bei dem das Publikum mit Inbrunst mitsang. Der dreistimmige Kanon „He,
Ho, spann den Wagen an“ funktionierte sofort und ohne quälendes „jetzt üben wir
erst mal“. Das Folk Club Publikum ist einfach professionell.
Als kleine Zugabe luden Jutta und Mario noch zum Mitsingen des „Hamborger Veermaster“ ein, und der gesamte Saal wurde zum stimmgewaltigen Shantychor – Glücksgefühle pur. Vermutlich gehört auch der "Veermaster" zu den "Top-Zwölf".
Als kleine Zugabe luden Jutta und Mario noch zum Mitsingen des „Hamborger Veermaster“ ein, und der gesamte Saal wurde zum stimmgewaltigen Shantychor – Glücksgefühle pur. Vermutlich gehört auch der "Veermaster" zu den "Top-Zwölf".
Zum Abschied gab es unseren beliebten
Rausschmeißer „Jock Stewart“ und gute Wünsche für den Nachhauseweg.
Die nächste Session ist am 3. Mai mit einer Singers’
Night und schon jetzt sehr vielversprechenden Anmeldungen – lasst euch
überraschen.