Folk
Club 40 im September – Wetterlieder und andere Überraschungen
Auch Hitze ist Wetter, hatte sich Petrus
gedacht, und so seinen thematischen Beitrag mit Temperaturen von über
30 °C zum letzten Folk Club des Sommers 2013 geleistet. Die Musiker kamen
jedenfalls kräftig ins Schwitzen, obwohl sich die meisten der heute
präsentierten Wetterlieder mit Sturm und Regen befassten. Sollte Regen
heraufbeschworen werden oder animieren widrige Verhältnisse schlichtweg mehr
zur Poesie. Es wurde ja auch bereits angemerkt, dass Leid, Trauer und
Enttäuschung häufiger in den Liedern aufgegriffen werden als Freude und andere
positive Gemütszustände. Es ist wie in der Zeitungswelt: Only bad news is good
news!
Dennoch gibt es auch etwas Gutes zu vermelden:
Der Saal war trotz der Hitze und der Konkurrenz durch das Fußball
WM-Qualifikationsspiels gegen Österreich gut gefüllt – Der Folk Club hat nun
mal seine Fans.
Mit Regen ging’s also gleich los, denn Master John Harrison eröffnete den Reigen mit
dem Klassiker „Come on in my Kitchen“ von Robert Johnson. „Because it’s raining
outdoors“ lautet eine Zeile des Liedes. John wechselte zwischen
Mundharmonikasolos und Gesang und wurde dabei mehr oder minder „zufällig“ von Stephan Westphals Geige begleitet.
Zuerst kamen Stephans Geigentöne aus dem Publikum am anderen Ende des Saals,
dann wanderte er zu John hin und wurde Teil des Duetts – ein schöner Einfall
der beiden. Vielleicht bekommen wir von Stephan bei künftigen Folk Club Treffen
noch mehr zu hören.
„The King of Rome“ lautete der Titel des
Liedes, bei dem der Sturm eine wichtige Rolle spielt. John trug das Lied über
eine erfolgreiche Brieftaube, die beim Langstreckenrennen von Rom nach Derby in
Mittelengland trotz heftiger Winde gesund heimkam, gekonnt a capella vor.
Ebenfalls stürmisch ging es beim Blues „Stormy Monday“ zu, bei dem Lothar Heinrich von John auf der
Gitarre begleitet wurde. Lothar konnte seine wunderbaren Bluessänger-Qualitäten
voll ausspielen und John glänzte mit gekonnten Riffs – großer Applaus für die
zwei.
Nochmals lautete das Thema „Sturm“ bei „Stormy
Weather“, Lothar jetzt begleitet von Barry
Roshto am Klavier. Lena Horne, die das berühmte Lied in den Vierziger
Jahren unvergleichlich gesungen hatte, hätte an Lothars Interpretation ihre
Freude gehabt. Sturm und Regen hatten es auch Lothar angesichts der
sommerlichen Hitze angetan, denn anschließend hieß seine Wahl „Rainy Night in
Georgia“. Steffi Röben, die beim
vorigen Folk Club das erste Mal aufgetreten war, begleitete ihn bei dem Lied
von Tony Joe White aus dem Jahr 1962 auf dem Cajon.
Ein weiteres neues Gesicht im Folk Club ist Clodi, die selbst
begleitet auf der Gitarre wunderschön gesungene Lieder vortrug. Zum Thema des
Tages passte das Lied der Gruppe Crowded House „Weather With You“ aus dem Jahre
1991. Mit dem melodischen Lied, dessen Originalinterpretation durch Crowded
House stark an den legendären Sound von Crosby, Stills, Nash and Young
erinnert, sang sie sich gleich in die Herzen des Publikums. Aus einer anderen
Ära stammt der Ohrenschmeichler „Smile“. Das Lied aus der Feder des
Multitalents Charly Chaplin, wusste sie ebenfalls mit ihrer schönen, tragenden
Stimme zu interpretieren. Claudia
beendete ihren Auftritt mit Bill Withers’ jazzigem Lied „Just the Two of Us“. Hier
gab es auch wieder eine kleine Anleihe an das Thema des Tages mit der
Eingangs-Liedzeile „I See the Crystal Raindrops Fall“, ebenfalls einfühlsam und
intonationssicher vorgetragen – dicker Applaus für Claudia verbunden mit der
Hoffnung auf weitere Auftritte.
Janero
del Rosario, der bereits im Juni sein Debüt im Folk Club hatte, stieg
ebenfalls mit Musik von Crowded House in den Ring. Seine Wahl fiel auf die
Ballade „Four Seasons in One Day“. Das melodische Lied lag ihm wunderbar,
ebenso wie “Why Does it Always Rain on Me?“ von Travis. Etwas düster kommt das
Lied „Grey Room“ von Damien Rice daher, das Janero wunderbar und mit viel
Gefühl vortrug. Vielen Dank an Janero, der sicher noch viele Pfeile für weitere
Folk Club Abende im Köcher hat.
Etwas sehr Ungewöhnliches hatte unser Walk-in Friedrich im Gepäck: Er brachte eine
sogenannte „Autoharp“ mit, ein Instrument, das auf der Zither basiert, aber
zusätzlich mit Tasten für die Harmonien ausgestattet ist, so dass es auch wie
eine Gitarre geschlagen werden kann. Das Instrument wurde von einem nach
Amerika ausgewanderten, aus dem Erzgebirge stammenden Instrumentenbauer bei
einem Besuch in seiner alten Heimat Ende des 19. Jahrhunderts abgekupfert und
in den USA zum Patent angemeldet. In der Country Musik erlangte das Instrument
einige Bedeutung so z.B. mit der berühmten Carter-Family. Friedrich setzte sein
Instrument für zwei irische Traditionals ein, die er mit viel Schwung vortrug.
Den Abschluss des ersten Teils des Abends
bildeten Ulrike Hund (Flöte), Stephan Weidt und Stefan Engwald (jeweils Gitarre und Gesang). Die Gruppe startete
mit dem Stones-Klassiker „As Tears Go by“ (darin kommen auch ein paar
Regentropfen vor), herrlich arrangiert und vorgetragen von den Dreien. Sehr
schön kam Urikes Flötenbegleitung zur Geltung. Seltenere Kost dürfte der
„Sturm- und Windwalzer“ der regimekritischen und seinerzeit heftig
drangsalierten Musiker Gerulf Pannach und Christian Kunert aus der DDR sein
(Sturm und Wind sind schön, wenn sich Windmühlen dreh’n). Stefan Englert
brillierte mit seinem Fingerpicking, Stephan Weidt konnte seine schöne
Tenorstimme zur Geltung bringen und Ulrike schickte silberne Flötentöne ins
Publikum – herrlich! Noch exklusiver war dann das Lied „Sommerabendstimmung“
(endlich mal was Passendes zum aktuellen Wetter!) aus Stephan Weidts eigener
Feder. „Der Tag ist fast vorbei“ lautete die Eingangszeile des schönen Liedes –
wie wahr! Großer Applaus für die drei und für Stephan Weidts poetisches und
kompositorisches Können, das nicht zum ersten Mal den Folk Club bereichert hat
– und auch hoffentlich nicht zum letzten Mal!
Etwas erstaunt war unser Master John nach der
Pause über die seltsame Dame, die wissen wollte, wer denn der „Herr John“ sei.
Ja, sie sei die Frau Schnobelsberger
von Heizung und Sanitär Schnobelsberger in Kessenich, und wolle mal hören, was
es im Folk Club gebe. Aber eigentlich sei sie ja eher wie die ungeöffnete
Grabkammer, die lieber etwas von André Rieu hören wolle – und schwupps, waren
wir mitten in der witzigen Comedywelt von Gerti Schnobelsberger, die ohne Punkt
und Komma den „Herrn John“ und die gesamte Folk Club Gemeinde zutextete und die
Zwerchfelle kräftig strapazierte – Köstliche Einlage von Gerti Schnobelsberger
alias Esther Runkel, die einen
frenetischen Applaus erntete und nach getaner Arbeit (fast) unerkannt wieder im
Publikum untertauchte.
Fast schon zur Tradition gehören Günther Peters’ selbstverfasste Folk
Club-Hymnen zu bekannten Melodien noch bekannterer Musikgenies. Diesmal musste
die „Forelle“ von Franz Schubert dran glauben: Günther begleitete auf dem
Klavier den spontanen Chor, der voller Inbrunst sang:
„Es
geht nicht ohne Singen, weil es uns gut gefällt,
Ganz ohne Saitensprünge, Musik zusammenhält“
Großer Spaß, den Günther mit viel Liebe
gedichtet und auf einem selbst gezeichneten Liedblatt verteilt hatte. Vielen
Dank Günther, und auf dass dir die Einfälle nicht ausgehen, oder waren es doch
die Ausfälle, die eingehen? Wer weiß.
Immer wieder für andächtige Spannung sorgen die
Auftritte von Barry Roshto mit
seiner Tochter Emily. Diesmal hatte
Barry das erste Lied ausgesucht – ein Schmankerl aus seiner Jugend und
natürlich wieder über den Regen: „Rain“ von Uriah Heep aus dem Jahre 1972.
Barry, selbst am Klavier begleitet, trug die melodische Ballade mit seiner
herrlichen Tenorstimme vor und Emily sorgte zum Weinen schön für die
Zweistimmigkeit – Uff!
Allein mit ihrer Gitarre beleitete Emily sich
dann bei „Come in With the Rain“ von Taylor Swift. Emilys Stimme schien wie
gemacht für die melodische Ballade und das Publikum war verzückt. Ein en besonderen
Leckerbissen präsentierten die beiden mit Rihannas Lied „Under my Umbrella“,
das Barry mit dem Lied „I’m Singing in the Rain“ gekoppelt und dazu die
Percussion auf der Salatschüssel aus dünnem Holz vollführt hatte – ein
Wahnsinnsarragenment und perfekt dargeboten von den beiden. Die meisten im
Publikum hatten wohl erst zum Schluss begriffen, was sie da geboten bekommen
hatten – Riesenapplaus für Emily und Barry! Nach all dem Regen gaben die beiden
dann einen Sommerhit (mal was mit der Sonne, die einem das Gesicht verbrennt)
als Zugabe: „Werever You Are“ von Jack Ingram – Das Publikum hing an ihren
Lippen und nochmals gab es mächtigen Applaus.
Sabine
Hellmann, die schon eine alte Bekannte im Folk Club ist, präsentierte
diesmal zwei ihrer eigenen Lieder, die ein wenig melancholisch aber dennoch
sehr schön klangen. „Auf dem warmen Sand flieh’n“ lautete der Anfangsvers ihres
ersten Liedes, das weiter aufforderte: „Komm lass’ uns im Vollmond schwimmen
geh’n!“ – Romantik pur!. Das folgende Lied war dann doch eher traurig (wieder
Regen!): „Der Regen, der von den Fenstern rinnt, der kommt von dir mein Kind“.
Das lässt auf ein schweres Schicksal schließen, aber Sabine hat uns nichts
Näheres verraten. Erneut Regen wurde uns dann mit dem alten Gassenhauer von Credence
Clearwater Revival „Have You Ever Seen the Rain?“ präsentiert – das Publikum
sang mit, und schwitzte. Viel Applaus für Sabine insbesondere für ihre schönen
Eigenkompositionen!
Sie hatten sich nicht mit Sabine abgesprochen,
und deswegen gab’s „Have You Ever Seen the Rain?“ gleich ein weiteres Mal: Für Anke und Jörg Bohnsack, schon Folk Club
erprobt, war dieses Lied ihr Beitrag zum Wetterthema. Die Doublette war
natürlich nicht schlimm und verschaffte dem Publikum die Gelegenheit, ein Lied
in zwei ganz unterschiedlichen Interpretationen zu hören – hochinteressant.
Aber bei Jörg und Anke muss natürlich auch das plattdeutsche Liedgut gepflegt
werden, und so wurde der arme, kleine, leicht naive Hase Matthias besungen,
„Lütt’ Matten de Haas“, der sich vom Fuchs bequatschen lässt, von ihm verspeist
wird und dessen Knochen dann noch von der Krähe abgenagt werden – gruselig! Mit
viel Elan gab’s von den beiden dann zum Abschluss noch den Klassiker „Under the
Boardwalk“ bei dem das Publikum wieder kräftig mitsang.
Unser treuer Gefolgsmann Andreas Gruner griff danach zur Gitarre. Eigentlich hatte er ja mit
seinem Dudelsack kommen wollen, aber der sei von den Motten zerfressen worden,
also sei es bei der Gitarre geblieben. Und so steuerte Andreas zwei witzige
selbstverfasste Lieder bei. In einem trieb er seinen Schabernack mit dem
fiktiven englischen Wetter, das ja bekanntlich sehr regnerisch sei, jedenfalls
in den Grafschaften mit –ex am Ende. Seine Lieder begleitete er gekonnt und
steuerte einige schöne Gitarrenriffs bei. Aber Legenden werden durch häufige
Wiederholung und auch durch witzige Lieder nicht wahrer: Zur Ehrenrettung der
Insel sei gesagt, es gibt zwar auch sehr regnerische Ecken – extrem ist da der
Lake District mit der dreifachen Regenmenge des Sauerlandes, aber da wohnt ja
auch kaum jemand. In vielen Gegenden und insbesondere in den Grafschaften im
Südosten des Landes – denen mit dem -ex am Ende – fällt aber nicht mehr Regen
als in Bonn.
Am Ende des Abends gaben sich nochmals Lothar Heinrich und Steffi Gröben die Ehre. Korrekterweise
muss die Reihenfolge Steffi und Lothar lauten, denn Lothar war „nur“ Begleitung bei Steffis Liedern. „Le Vent Nous
Portera“ (Der Wind wird uns tragen) lautet der Titel des poetischen Liedes der
französischen Band mit dem geheimnisvollen Namen „Noir Désir“. Lothar
begleitete Steffi bei ihrem gefühlvollen Gesang auf der Gitarre. Mal zur
Jahreszeit passend war die Wahl auf das Lied von den Wise Guys „Jetzt ist
Sommer“ gefallen. Steffi begleitete sich selbst auf der Gitarre und wurde von
Lothar auf dem Cajon unterstützt. Witziges Lied über einen Sommer, der keiner
ist, aber eisern als Sommer definiert wird – das trifft zum Glück auf 2013
nicht zu.
Wer sich bis hierher durch den Bericht des
Chronisten durchgearbeitet hat, dem ist sicherlich aufgefallen, dass der Abend
angesichts er zahlreichen Auftritte schon ziemlich fortgeschritten sein musste
– und das traf auch zu. Aber es war noch nicht Schluss, und wie aus dem Nichts
trat Gerd Schinkel auf die Bühne.
Gerd, der gerade von einem Auftritt in Köln kam, machte noch einen „kleinen“
Abstecher beim Folk Club und verzauberte die Gäste mit seinen überwiegend
selbst komponierten Liedern in deutscher Sprache. Mit seiner kraftvollen Stimme
und gekonntem Fingerpicking brachte er die teilweise schon etwas erschöpften
Zuhörer noch einmal richtig in Schwung. „Altweibersommerwetter“ war sein
Beitrag zum Themenabend und auch gleich eine Ballade zum anstehenden Wahltag:
„Endlos quäl’ ich mich und grübel’, was ist bloß das kleinste Übel“ lautete eine
sinnige Zeile. Natürlich durfte ein Lied über den unvermeidlichen Regen nicht
fehlen. „Und schon steh’ ich mit der Ferse in der Pfütze, in der Pfütze hat ‘ne
Mütze wenig Sinn“ – zum Piepen! Es folgten ein Lied über Sternschnuppen, eine
Ode auf den in der Nordsee versunkenen reichen Ort Rungholt und ein Lied über
das Älterwerden – Poesie und gekonnte Gitarrenbegleitung pur. Auch eine Anleihe
an Bob Dylans Lied „Hard Rain“ war dabei, das Gerd in „Regen fällt“ umgetextet
hatte – ein böses Lied über den Regen, der das Leben gefährdet. Der Abend
schloss mit dem chilenischen Lied „Todo Cambia“ (Alles ändert sich), einer
Hoffnungshymne aus der Zeit der Pinochet-Diktatur, für das Gerd ebenfalls einen deutschen Text verfasst hatte –
offenbar ist Gerds poetische und musikalische Phantasie unerschöpflich. Wer
Lust hat, kann sich auf Youtube ein Bild davon machen und eine große Zahl von
Gerds Liedern anhören.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen