Folk
Club 41 im Oktober – Musikalische Glanzlichter aus Ost und West
Mit gleich zwei angemeldeten Special Guests
eröffnete der Folk Club die mit weiteren besonderen Gästen gespickte
Herbstperiode. Als ob das nicht schon genug wäre, hatte sich noch eine weitere
Gruppe für einen kleinen Auftritt angemeldet, die selbst auch als Special Guest
durchgegangen wäre und die sicher bald einmal einen ausführlicheren Beitrag
leisten wird. Aber der Reihe nach:
Master John
Harrison betreute das Warm-up routiniert und gekonnt mit einem Mix aus
Blues, Gedicht und Ragtime. „Candy Man“ von Reverend Gary Davis, ein am Ragtime
orientiertes Stück vom Anfang des 20. Jahrhunderts machte den Anfang, bei dem
John sich mit schönem Fingerpicking begleitete. Ebenfalls ein Ragtime ist das
Lied über die schöne Kreolin „Creole Belle“ von Mississippi John Hurt.
Angesichts des herbstlichen Regenwetters durfte Johns Gedicht „Autumn Leaves“
nicht fehlen – bereits ein Folk Club Klassiker! Den Abschluss machte John mit
„Cocain Blues“ ein melodischer und immer wieder gern gehörter Ragtime-Blues
ebenfalls vom Altmeister Reverend Gary Davis.
Was für ein Beach? fragten sich die Zuschauer
bei der Vorstellung der nächsten Gruppe. „VictorsBeach“
lautete die Erklärung von Jasmin Victor,
die mit ihrer Schwester Jessica und
Bruder Frank ohne Umschweife zur
Sache ging. Jasmin am Klavier und mit schöner, intonationsicherer Stimme,
Jessica an der Gitarre und Frank am Schlagzeug präsentierten zwei wundervolle
Chansons aus eigener Feder. „Gladiolen Swing“ lautete der etwas geheimnisvolle
Titel des ersten Stückes, verpackt in einer herrlich jazzigen Melodie.
Geheimnisvoll war nicht nur der Titel sondern auch der Text: „Nein, ich brauch’
keine Eile, bin verstohlen wie Gladiolen, die noch zu - Ich kann warten länger
als ne Weile, weil ich weiß - am Ende blühst mir Du!“. Ist das nicht herrliche
Poesie? So etwas Schönes blüht verstohlen und ohne Eile unter der geschäftigen
Oberfläche unseres Bonner Alltags mitten unter uns. „Island of Your Heart“ war
der Titel des nicht weniger anmutigen und poetischen zweiten Liedes über das
Paradies, das in deinem Herzen schlummert. Ja, leider war danach schon Schluss
dieser kleinen Einlage der wunderbaren Geschwistercombo, die zu den originellen
und anrührenden Texten auch musikalisch auf ihren Instrumenten zu glänzen
wussten. Ein schöner Appetithappen, der Lust auf meeeehr machte.
Ein alter Bekannter ist Mario Dompke, dessen sprudelnde musikalische und poetische
Phantasie dem Folk Club schon viele schöne Erlebnisse beschert hat. Diesmal präsentierte er den „Mundgeruch-Blues“, ein
witziges Lied über eine menschliche Schwäche, die dem Verursacher meist gar
nicht auffällt. John Harrison – hoffentlich ohne Mundgeruch – begleitete
ihn auf seiner Mundharmonika und Jutta Mensing auf der Geige – da spielt der Mundgeruch keine Geige. Jutta
begleitete Mario auch beim zweiten Lied: „Blüten, sie sind rot mein Kind“
lautete der Titel. Das Lied handelt davon, wie man Kindern Eigenständigkeit und Kreativität austreibt. Mario hatte hier
einen eigenen Text auf ein Lied von Harry Chapin geschrieben.
Englischen Besuch aus Berlin erhält der Folk
Club auch nicht alle Tage. Richard de Bastion ist der Name des
englischen Künstlers, der mit Unterbrechungen seit 40 Jahren in der jetzigen
Bundeshauptstadt lebt und mit einem reichen Repertoire an musikalischen
Eigenkreationen glänzen kann. Richard mag Vielen nicht selbst bekannt sein. Er
ist aber im Hintergrund auf der musikalischen Weltbühne aktiv und hat bereits
mit vielen Pop-Größen zusammengearbeitet, darunter John Bonham von Led
Zeppelin, Jim Capaldi, Sally Oldfield und Peter Maffay.
„Love of All“ handelt davon, dass man nicht von
allen geliebt werden kann. Bei „Small Town“, einem Lied über einen Rückblich
auf das vergangene Leben, das einem zeigt, dass man doch alles richtig gemacht
hat, glänzte Richard musikalisch mit wunderbaren Tonartwechseln und einer
zarten schwebenden Melodie.
Überhaupt war Richards Gitarrenspiel herrlich
variantenreich mit schönem und präzisen Fingerpicking. Der Linkshänder verwendete dabei – sehr
ungewöhnlich – eine normal, d.h. für Rechtshänder (was ist schon normal?),
besaitete Gitarre. Vorteil für Richard: Sollte ihm einmal in einem Konzert ein
Malheur mit seinem Instrument passieren, kann er sich eine Gitarre von den
rechtshändigen Kollegen ausborgen und ist nicht auf eine „linkshändig“
besaitete Gitarre angewiesen, die meist nicht gerade herumsteht.
„Bully the Kid“ lautete der Titel mit einer
Anspielung auf den bekannten amerikanischen Revolverhelden Billy The Kid, eine
Persiflage auf die amerikanische Außenpolitik. Bei dem eindringlichen Lied, in
dem ein wenig ambitionierter Schwächerer zum Duell aufgefordert wird, setzte
Richard voll auf seine kraftvolle, raumfüllende Stimme. Bei dem Lied war
Richard von einem Sketch des amerikanischen Komödianten Bill Hicks inspiriert
worden – große Klasse!
„My Mistake“ ist ein Lied mit einem Bezug zu
einem wahren Erlebnis, bei dem es um ein Päckchen geht, das durch einen
Zahlendreher falsch adressiert war und nun einem anderen Empfänger eine Freude
gemacht haben wird. Mentale Arithmetik bemühte Richard mit dem Lied „What I
am“. „I do what I am I do“
lautet eine Passage. Gibt es da etwa eine Anleihe beim Witz: "To be is to
do-Socrates; To do is to be-Sartre; Do be do be do-Sinatra; Scooby dooby
do-scooby do-yaba daba doo!-Fred Flintstone”? Wir wissen es nicht, aber
das Lied war trotzdem schön und nachdenklich.
Mit
„You Are ok“, einem Lied über die Liebe der Eltern zu ihrem Kind und dem
Zuspruch, mit denen sie ihren Kindern den Weg ins Leben erleichtern (sollen),
beschloss er seine Reihe poetischer und nachdenklicher Lieder mit zarter und
doch kraftvoller Gitarrenbegleitung. Viele Grüße von Bonn nach Berlin und
hoffentlich auf ein Wiedersehen!
Ebenfalls aus Berlin kommt Franz Kalina,
der seinen Gig mit dem Stones-Lied „Dead Flowers“ startete. „Pumped up Kicks“
lautete danach der Titel der Band „Foster the People“. Franz glänzte mit
flottem Gitarrenspiel und schöner, kräftiger Stimme. Im zweiten Teil seines
Auftritts gesellte sich unser treuer Gefolgsmann Janero del Rosario
hinzu. Bei „Tender“ der britischen Gruppe „Blur“ durfte auch das Publikum mal
wieder mitwirken und den Refrain „Oh my baby, oh why, oh my“ mitsingen. Den Meisten etwas bekannter dürfte
„Whatever“ von Oasis“ gewesen sein, das die beiden mit Bravour vortrugen. Dabei
flocht Janero zum Schluss noch ein kleines Element aus dem Beatles-Song
„Octopus’ Gardens“ ein: „I’d like to be under the sea“, witzig!
Nach so viel Besuch aus östlicheren Gefilden
übernahmen jetzt Frank Engelen und Piet Vanhoutte aus dem
belgischen Genk (der Industriestadt im östlichen Belgien, nicht zu verwechseln
mit dem mittelalterlichen Gent) das Regiment. Mit berückenden und virtuos
gespielten Gitarrenmelodien beleitet sang Frank seine fast ausschließlich
selbst komponierten und getexteten Lieder. Bei einigen Liedern Piet an der
Bassgitarre (der zweite Linkshänder des Abends, aber diesmal mit
Linkshänder-Besaitung des Instruments), untermalte die Melodien mit seinem
präzisen, aber fast stoischen Spiel und mit zart eingesetzter stimmlicher
Untermalung. Mit „Shores of
Love And Pain – Shores of Fame“ starteten sie den Abend. “Love and
Dreams” glänzte insbesondere durch die fugierten Gitarrensoli beider
Instrumente, die fein abgestimmt ineinander verwoben, eine schwebende Stimmung
erzeugten. Ein Lied darüber, wie man auch mit so gut wie gar keinem Geld reisen
und überleben kann ist „Me And My Body“, „Yes, I’m ok“ klagt die Ignoranz der
Welt darüber an, dass mehr als 3 Milliarden Menschen in tiefster Armut mit
weniger als 2 Dollar pro Tag auskommen müssen. Auch nicht gerade ein
Jubelgesang war der Blues „Oh Lord, I’m Not Your Favourite Boy“ – der Titel
spricht für sich selbst. Weitere Titel im zweiten Teil ihres Auftritts
lauteten: „Sing My Life Away“ über das Musikmachen und Fröhlichsein, „I Play
the Blues“, „When Society is Gone“, I’ll Got a Guitar“, „Mister, Mister“ über
das Wichtige im Leben und „That’s Why Freedom Knows My Name“ darüber, lieber
frei als eingesperrt zu sein. Auch ein „fremdes“ Stück bauten die beiden in ihr
Programm ein, das berühmte „Purple Haze“ von Jimi Hendrix, das quasi als
Hommage an den Übervater der Rockgitarristen gedacht war. Auch ohne elektrische
Verstärkung klang das Stück stark, wenn auch nicht vergleichbar mit dem
E-Gitarrensound von Hendrix. Riesenapplaus für Frank und Piet, denen der Abend
vor einem sehr konzentrierten Publikum auch sichtlichen Spaß gemacht hatte.
Mit diesem musikalischen Feuerwerk und den
Entdeckungen von Edelsteinen des Folk ging der wieder recht lang gewordene
Abend zu Ende, diesmal ohne den sonst obligatorischen Rausschmeißer „Jock
Stuart“, der diesmal niemanden fand, der mit ihm etwas trinken wollte,
vielleicht beim nächsten Mal.
Dann - Achtung!!! - dieses Mal erst am zweiten Freitag im Monat - erwartet die Gemeinde mit Attila Vural aus der Schweiz ein weiteres Glanzlicht: Attila Vural genießt unter den Akustik-Innovatoren seit Jahren ein hohes Renommee. Mit Mut zum Experimentellen spielt er Eigenkompositionen zwischen Atmo-, Blues, Experimental- und Ethno-Sounds. Und das sowohl auf der Sechs- und Zwölf- als auch auf einer speziell für ihn angefertigten Vierzehnseitigen. Wir dürfen gespannt sein, wie die Saiten seiner Gitarren.
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