Sonntag, 20. Oktober 2013

Detlefs Bericht vom Folk Club 41 im Oktober 2013


Folk Club 41 im Oktober – Musikalische Glanzlichter aus Ost und West

Mit gleich zwei angemeldeten Special Guests eröffnete der Folk Club die mit weiteren besonderen Gästen gespickte Herbstperiode. Als ob das nicht schon genug wäre, hatte sich noch eine weitere Gruppe für einen kleinen Auftritt angemeldet, die selbst auch als Special Guest durchgegangen wäre und die sicher bald einmal einen ausführlicheren Beitrag leisten wird. Aber der Reihe nach:

Master John Harrison betreute das Warm-up routiniert und gekonnt mit einem Mix aus Blues, Gedicht und Ragtime. „Candy Man“ von Reverend Gary Davis, ein am Ragtime orientiertes Stück vom Anfang des 20. Jahrhunderts machte den Anfang, bei dem John sich mit schönem Fingerpicking begleitete. Ebenfalls ein Ragtime ist das Lied über die schöne Kreolin „Creole Belle“ von Mississippi John Hurt. Angesichts des herbstlichen Regenwetters durfte Johns Gedicht „Autumn Leaves“ nicht fehlen – bereits ein Folk Club Klassiker! Den Abschluss machte John mit „Cocain Blues“ ein melodischer und immer wieder gern gehörter Ragtime-Blues ebenfalls vom Altmeister Reverend Gary Davis.

Was für ein Beach? fragten sich die Zuschauer bei der Vorstellung der nächsten Gruppe. „VictorsBeach“ lautete die Erklärung von Jasmin Victor, die mit ihrer Schwester Jessica und Bruder Frank ohne Umschweife zur Sache ging. Jasmin am Klavier und mit schöner, intonationsicherer Stimme, Jessica an der Gitarre und Frank am Schlagzeug präsentierten zwei wundervolle Chansons aus eigener Feder. „Gladiolen Swing“ lautete der etwas geheimnisvolle Titel des ersten Stückes, verpackt in einer herrlich jazzigen Melodie. Geheimnisvoll war nicht nur der Titel sondern auch der Text: „Nein, ich brauch’ keine Eile, bin verstohlen wie Gladiolen, die noch zu - Ich kann warten länger als ne Weile, weil ich weiß - am Ende blühst mir Du!“. Ist das nicht herrliche Poesie? So etwas Schönes blüht verstohlen und ohne Eile unter der geschäftigen Oberfläche unseres Bonner Alltags mitten unter uns. „Island of Your Heart“ war der Titel des nicht weniger anmutigen und poetischen zweiten Liedes über das Paradies, das in deinem Herzen schlummert. Ja, leider war danach schon Schluss dieser kleinen Einlage der wunderbaren Geschwistercombo, die zu den originellen und anrührenden Texten auch musikalisch auf ihren Instrumenten zu glänzen wussten. Ein schöner Appetithappen, der Lust auf meeeehr machte.

Ein alter Bekannter ist Mario Dompke, dessen sprudelnde musikalische und poetische Phantasie dem Folk Club schon viele schöne Erlebnisse beschert hat. Diesmal  präsentierte er den „Mundgeruch-Blues“, ein witziges Lied über eine menschliche Schwäche, die dem Verursacher meist gar nicht auffällt. John Harrison – hoffentlich ohne Mundgeruch – begleitete ihn auf seiner Mundharmonika und  Jutta Mensing auf der Geige – da  spielt der Mundgeruch keine Geige. Jutta begleitete Mario auch beim zweiten Lied: „Blüten, sie sind rot mein Kind“ lautete der Titel. Das Lied handelt davon, wie man Kindern Eigenständigkeit und  Kreativität austreibt. Mario hatte hier einen eigenen Text auf ein Lied von Harry Chapin geschrieben.

Englischen Besuch aus Berlin erhält der Folk Club auch nicht alle Tage. Richard de Bastion ist der Name des englischen Künstlers, der mit Unterbrechungen seit 40 Jahren in der jetzigen Bundeshauptstadt lebt und mit einem reichen Repertoire an musikalischen Eigenkreationen glänzen kann. Richard mag Vielen nicht selbst bekannt sein. Er ist aber im Hintergrund auf der musikalischen Weltbühne aktiv und hat bereits mit vielen Pop-Größen zusammengearbeitet, darunter John Bonham von Led Zeppelin, Jim Capaldi, Sally Oldfield und Peter Maffay. 

„Love of All“ handelt davon, dass man nicht von allen geliebt werden kann. Bei „Small Town“, einem Lied über einen Rückblich auf das vergangene Leben, das einem zeigt, dass man doch alles richtig gemacht hat, glänzte Richard musikalisch mit wunderbaren Tonartwechseln und einer zarten schwebenden Melodie.

Überhaupt war Richards Gitarrenspiel herrlich variantenreich mit schönem und präzisen Fingerpicking.  Der Linkshänder verwendete dabei – sehr ungewöhnlich – eine normal, d.h. für Rechtshänder (was ist schon normal?), besaitete Gitarre. Vorteil für Richard: Sollte ihm einmal in einem Konzert ein Malheur mit seinem Instrument passieren, kann er sich eine Gitarre von den rechtshändigen Kollegen ausborgen und ist nicht auf eine „linkshändig“ besaitete Gitarre angewiesen, die meist nicht gerade herumsteht.

„Bully the Kid“ lautete der Titel mit einer Anspielung auf den bekannten amerikanischen Revolverhelden Billy The Kid, eine Persiflage auf die amerikanische Außenpolitik. Bei dem eindringlichen Lied, in dem ein wenig ambitionierter Schwächerer zum Duell aufgefordert wird, setzte Richard voll auf seine kraftvolle, raumfüllende Stimme. Bei dem Lied war Richard von einem Sketch des amerikanischen Komödianten Bill Hicks inspiriert worden – große Klasse!

„My Mistake“ ist ein Lied mit einem Bezug zu einem wahren Erlebnis, bei dem es um ein Päckchen geht, das durch einen Zahlendreher falsch adressiert war und nun einem anderen Empfänger eine Freude gemacht haben wird. Mentale Arithmetik bemühte Richard mit dem Lied „What I am“. „I do what I am I do“ lautet eine Passage. Gibt es da etwa eine Anleihe beim Witz: "To be is to do-Socrates; To do is to be-Sartre; Do be do be do-Sinatra; Scooby dooby do-scooby do-yaba daba doo!-Fred Flintstone”? Wir wissen es nicht, aber das Lied war trotzdem schön und nachdenklich.

Mit  „You Are ok“, einem Lied über die Liebe der Eltern zu ihrem Kind und dem Zuspruch, mit denen sie ihren Kindern den Weg ins Leben erleichtern (sollen), beschloss er seine Reihe poetischer und nachdenklicher Lieder mit zarter und doch kraftvoller Gitarrenbegleitung. Viele Grüße von Bonn nach Berlin und hoffentlich auf ein Wiedersehen!

Ebenfalls aus Berlin kommt Franz Kalina, der seinen Gig mit dem Stones-Lied „Dead Flowers“ startete. „Pumped up Kicks“ lautete danach der Titel der Band „Foster the People“. Franz glänzte mit flottem Gitarrenspiel und schöner, kräftiger Stimme. Im zweiten Teil seines Auftritts gesellte sich unser treuer Gefolgsmann Janero del Rosario hinzu. Bei „Tender“ der britischen Gruppe „Blur“ durfte auch das Publikum mal wieder mitwirken und den Refrain „Oh my baby, oh  why, oh my“ mitsingen. Den Meisten etwas bekannter dürfte „Whatever“ von Oasis“ gewesen sein, das die beiden mit Bravour vortrugen. Dabei flocht Janero zum Schluss noch ein kleines Element aus dem Beatles-Song „Octopus’ Gardens“ ein: „I’d like to be under the sea“, witzig!

Nach so viel Besuch aus östlicheren Gefilden übernahmen jetzt Frank Engelen und Piet Vanhoutte aus dem belgischen Genk (der Industriestadt im östlichen Belgien, nicht zu verwechseln mit dem mittelalterlichen Gent) das Regiment. Mit berückenden und virtuos gespielten Gitarrenmelodien beleitet sang Frank seine fast ausschließlich selbst komponierten und getexteten Lieder. Bei einigen Liedern Piet an der Bassgitarre (der zweite Linkshänder des Abends, aber diesmal mit Linkshänder-Besaitung des Instruments), untermalte die Melodien mit seinem präzisen, aber fast stoischen Spiel und mit zart eingesetzter stimmlicher Untermalung. Mit „Shores of Love And Pain – Shores of Fame“ starteten sie den Abend. “Love and Dreams” glänzte insbesondere durch die fugierten Gitarrensoli beider Instrumente, die fein abgestimmt ineinander verwoben, eine schwebende Stimmung erzeugten. Ein Lied darüber, wie man auch mit so gut wie gar keinem Geld reisen und überleben kann ist „Me And My Body“, „Yes, I’m ok“ klagt die Ignoranz der Welt darüber an, dass mehr als 3 Milliarden Menschen in tiefster Armut mit weniger als 2 Dollar pro Tag auskommen müssen. Auch nicht gerade ein Jubelgesang war der Blues „Oh Lord, I’m Not Your Favourite Boy“ – der Titel spricht für sich selbst. Weitere Titel im zweiten Teil ihres Auftritts lauteten: „Sing My Life Away“ über das Musikmachen und Fröhlichsein, „I Play the Blues“, „When Society is Gone“, I’ll Got a Guitar“, „Mister, Mister“ über das Wichtige im Leben und „That’s Why Freedom Knows My Name“ darüber, lieber frei als eingesperrt zu sein. Auch ein „fremdes“ Stück bauten die beiden in ihr Programm ein, das berühmte „Purple Haze“ von Jimi Hendrix, das quasi als Hommage an den Übervater der Rockgitarristen gedacht war. Auch ohne elektrische Verstärkung klang das Stück stark, wenn auch nicht vergleichbar mit dem E-Gitarrensound von Hendrix. Riesenapplaus für Frank und Piet, denen der Abend vor einem sehr konzentrierten Publikum auch sichtlichen Spaß gemacht hatte.

Mit diesem musikalischen Feuerwerk und den Entdeckungen von Edelsteinen des Folk ging der wieder recht lang gewordene Abend zu Ende, diesmal ohne den sonst obligatorischen Rausschmeißer „Jock Stuart“, der diesmal niemanden fand, der mit ihm etwas trinken wollte, vielleicht beim nächsten Mal.

Dann - Achtung!!! - dieses Mal erst am zweiten Freitag im Monat - erwartet die Gemeinde mit Attila Vural aus der Schweiz ein weiteres Glanzlicht: Attila Vural genießt unter den Akustik-Innovatoren seit Jahren ein hohes Renommee. Mit Mut zum Experimentellen spielt er Eigenkompositionen zwischen Atmo-, Blues, Experimental- und Ethno-Sounds. Und das sowohl auf der Sechs- und Zwölf- als auch auf einer speziell für ihn angefertigten Vierzehnseitigen. Wir dürfen gespannt sein, wie die Saiten seiner Gitarren.




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