Montag, 25. November 2013

Detlefs Bericht vom Folk Club 42 im November 2013

Folk Club 42 im November – Atemlose Stille bei Gitarrenakrobatik

Welch ein Abend am Beginn der dunklen Jahreszeit! Diesmal unbedrängt von Länderspielen und Biergartenwetter und befeuert von einem vielversprechenden Special Guest füllte sich der Saal schon beizeiten. Gut achtzig Zuschauer und Musiker sorgten für eine kuschelige Atmosphäre, und die hochklassigen Beiträge für ein wohliges Glücksgefühl.

Master John Harrison besorgte wie üblich den Einstieg. Arthur Blakes (auch genannt Blind Blake) Instrumental „Blind Blake’s Rag“ spielte er gekonnt mit schönem und präzisen Fingerpicking. Natürlich durfte an diesem Tag, drei Tage nach dem Jahrestag des gescheiterten legendären Attentats auf das britische Parlament im Jahre 1605, das traditionelle schaurige Gedicht „Remember, Remember, the 5th of November“ nicht fehlen. Im Gedicht von John Clare „Autumn Birds“ versteht es der Poet, in 14 Zeilen 9 Vogelarten zu besingen. John beschloss sein Set musikalisch mit dem Lied „Over the Hills And Far Away“, einem alten Lied aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, das das Elend der mit ein einem Shilling (the King’s Shilling) für die Armee geköderten Soldaten besingt. Die Textzeile „Fourty Shillings on the Drum“ deutet an, dass der Werber beabsichtigte, mit diesem Geld vierzig Soldaten zu gewinnen, denn wenn der ahnungslose junge Mann den ihm angebotenen Shilling nahm, war er automatisch für die Armee verpflichtet, und es gab kein Entrinnen.

Zweifelsohne der jüngste Musiker des heutigen Tages war der zwölfjährige Leon, der die Zuhörer mit zwei Liedern von den Beatles erfreute. „Let it Be“ ist einer der bekanntesten und reifsten Songs von den Fabulous Four aus der Endphase ihres Bestehens. Leon meisterte die anspruchsvolle Herausforderung mit Bravour und steuerte zu seinem intonationssicheren und kräftigen Gesang eine wunderschöne Gitarrenbegleitung bei. Auch „Here Comes the Sun“ eines der wenigen Beatles-Lieder des seligen George Harrison (nicht verwandt oder verschwägert mit unserem „Master“) meisterte er wunderbar – großer Applaus für Leon und hoffentlich ein Wiedersehen im Folk Club.

2Sunny nennen sich Tatjana Schwarz und Ralf Haupts, aber sie sind keineswegs zu sonnig, denn gerade im November kann man von Sonne gar nicht genug haben. Ihre Musik jedenfalls sprüht geradezu von Energie und Spielfreude – Sonne pur. „Guaranteed“ von Eddie Vedder sangen beide wunderschön zweistimmig. Ralf begleitete auf der Gitarre – herrlich sparsam und zart mit schönen Jazzakkorden und zartem Fingerpicking und zusätzlich auf der Mundharmonika – ein erster Knüller des an Höhepunkten nicht armen Abends. Nicht minder gekonnt sangen und spielten sie ein eigenes Lied, das zum Anlass von Ralfs fünfzigsten Geburtstages entstanden war. „Wenn ich dich so anschau’, wenn wir zusammen sind“ lautet Tatjanas gesungene Liebeserklärung, zu der ihre wunderbare Altstimme die entsprechende Stimmung lieferte. Die Instrumentalpassagen des herrlich jazzigen und doch lyrischen Liedes garnierte Tatjana zudem mit ihrem virtuosen Saxophonspiel – Anlass für Rufe des Publikums nach einer Zugabe. Die gab’s natürlich mit dem Lied von Hidegard Knef „Für dich soll’s rote Rosen regnen“ – ein Lied wie geschaffen für Tatjanas Stimme – Riesenapplaus für die Beiden!

Als Walk in kamen die wohl am weitesten angereisten Gäste des Abends, Aury Carmona, Selma Gutierrez und Gustavo Castillo aus Venzuela. Die drei waren zufällig in Bonn als Gäste der Gemeinde Sankt Marien in der Bonner Altstadt. Aury und Gustavo hatten am Wochenende zuvor mit der Chorgemeinschaft Sankt Marien in einem Konzert als Solisten gesungen und sich spontan entschlossen, auch im Folk Club aufzutreten. Die heimliche Nationalhymne „Venezuela“ von Pablo Herrero und Luis Armentero sorgte beim Publikum sofort für Begeisterung. Aury und Selma mit ihrem herrlichen Sopran und Gustavo mit seiner vollen Baritonstimme bezauberten die Zuhörer. „Los Dos Gavilanes“ (Die zwei Falken) ist ein extrem rhythmisches und synkopisches Lied mit zahlreichen Stolperfallen, das die drei mit großer Selbstverständlichkeit mit ihren wunderbaren Stimmen mehrstimmig sangen. Nur dem Publikum wurde dabei schwindelig. Kein Wunder, denn die drei sind Mitglieder des Chores Camerata Larense aus der Stadt Barquisimeto. Unter anderem mit diesem Stück hatte der Chor im Jahre 2012 bei den Weltchorfestspielen in Cincinnati – quasi der Weltmeisterschaft im Chorsingen – den umjubelten Siegerpreis in der Kategorie Volksmusik eingefahren. Der Chor ist Teil des weltberühmten venezolanischen Musikprojektes „Sistema Nacional de las Orquestas Juveniles e Infantiles de Venezuela“, kurz „El Sistema“. Einer der bekanntesten Musiker, den dieses Projekt hervorgebracht hat, ist der inzwischen weltberühmte Dirigent Gustavo Dudamel, der vor einigen Jahren in Bonn mit dem venezolanischen Jugendorchester einen gefeierten Auftritt beim Beethovenfest hatte. Dickes Lob für Aury, Selma und Gustavo und viel Applaus!

Etwas ruhiger ging es danach zu bei Stephan Weidts poetischen, selbstgeschriebenen Liedern, die er zu seinem schönen Gitarrenspiel sang. „Nah am Licht“ lautet der Titel eines Liedes über die Ermunterung zur Zuversicht in der Lebensmitte. „Die Zukunft ist das Feld, auf dem ein Schatz verborgen liegt“ lautet ein Vers, der das Positive herausstellt. Nicht die Furcht sondern die Zuversicht soll uns leiten – ein guter Rat zu allen Zeiten. Die Idee zu seinem zweiten Lied war Stephan beim Schwimmen auf einem See gekommen, als er sich mit einem mal recht weit vom Ufer wiederfand. „Zwischen Himmel und Erde“ lautet der Titel des poetischen Liedes. Viel Applaus für Stephan, der den Folk Club schon viele Male mit seinen Eigenkompositionen bereichert hat.

Inzwischen gut warmgesungen und –gespielt war das Publikum in bester Laune, um den Special Guest des heutigen Abends zu empfangen. Attila Vural aus Zürich knüpfte denn auch gleich an die dynamische Stimmung an und entzündete mit seiner sieben(!)saitigen Gitarre ein Feuerwerk ohnegleichen. Es ist in Worte nicht zu fassen, was dieser Virtuose mit seinem Instrument anstellt. Aus allen Teilen der Gitarre zaubert er Töne, Geräusche und Perkussionselemente, dass es dem Zuhörern nur so um die Ohren saust. Dabei fliegen Hände und Finger in alle Richtungen über das Instrument. „Time of Gasoline“, „For Maestro Lorenzo“, “Late Night Blues”, „Shawn of Chocolate” lauten seine Eigenkompositionen des ersten Sets ergänzt um eine Adaption von Neill Youngs Stück “Harvest Moon”. Die Titel des zweiten Sets nach der Pause lauteten „Handful of Blues“, „A Thought World Disappears“, „Another Place Tells“, „Sounds of My Feet“ und eine Adaption von Fleetwood Macs „Go Your Own Way” – es war außerirdisch!

Als Zugabe bereits zu vorgerückter Stunde und heftigem Applaus des Publikums (im Theater wären die „Vorhänge“ gezählt worden) spielte er noch sein Stück „Passage to Barjac“ – grandios! Der Chronist erfuhr dann zu seinem Erstaunen beim Bier nach dem fulminanten Abend, dass der Künstler ja sein Brot eigentlich als Architekt verdiene und die Musik nur „so nebenbei“ mache – Sachen gibt’s, es ist unglaublich! All denen, die es nicht miterlebt haben, sei ein kleiner Ausflug ins Land des „Du-Rohrs“ (YouTube) empfohlen, wo Attila in zahlreichen Beiträgen bewundert werden kann. 

Noch besser ist es aber, sich auf seiner Homepage http://www.lavural.ch/ über Konzerttermine zu informieren und dort hinzugehen. In unserer Gegend gibt sich Attila wieder im Januar 2014 die Ehre und zwar am 23.1. in Köln im Kulturcafe Lichtung und am 24.1. im Mc Müller`s Irish-American Pub in Linnich-Kofferen – nichts wie hin!

Attila war im Folk Club im laufenden Jahr im Übrigen bereits der zweite Gitarrenkünstler mit internationaler Reputation, dem man getrost Weltniveau zusprechen kann. Bereits im Juli dieses Jahres hatten wir das Vergnügen, Simon Wahl mit seiner virtuosen Gitarrentechnik im Folk Club erleben zu dürfen. Im Dezember wird mit Simon Kempston ein weiterer Musiker der Kategorie „Outstanding European Guitarist“ bei uns zu Gast sein.

Nun wieder zurück zu irdischen Klängen, die aber nicht minder schön waren. Nach Attilas erstem Set trat Clodi auf die Bühne, die uns schon im September mit ihren Liedern verzaubert hatte. Diesmal hatte sie das Lied „Dance Me to the End of Love” von Leonhard Cohen im Gepäck, dass sie mit ihrer wunderbaren tragenden Stimme begleitet von schönem, melodischen Gitarrenspiel vortrug. „Bluefield Girl“ lautete der Titel ihres schon 1999 selbst geschriebenen Liedes mit einer leicht traurigen Stimmung. Mit Sade Adus „Nor Ordinary Love“ beendete sie ihren viel beklatschten Auftritt.

Der Abend strotzte nur so von Neuem. Darunter war auch eine noch nicht im Folk Club gehörte Sprache: Der zweite Walk in des Abends, Dave Kras alias „Slack Bird“, wartete mit seiner Muttersprache Finnisch auf. Ohne Umschweife ging er zur Sache und sang zu seiner Begleitung auf dem Banjo mit ungeheuer raumgreifender Stimme seine selbstkomponierten Lieder. „Hyva Naapuri“ (Ein guter Nachbar) und „Turvallisuuden Onnettomuus“ (Sicherheit Unfall) waren die Titel seiner Lieder in finnischer Sprache. „The Last Suit“ und „I Used to be in a Band, Too” ergänzten seinen Auftritt. Dave begeisterte mit seinem tollen Banjospiel und einer grandiosen, etwas „schmutzig“ klingenden Stimme, die eine Mischung aus Joe Cocker, Johnny Cash und Dave van Ronk verkörperte und mit der er ohne Mühe den Saal füllte – ein super Auftritt eines nicht alltäglichen Künstlers.

Nach so vielen Knüllern konnte es kaum noch einen weiteren Höhepunkt geben – und ob! Bernd Wallau und seine Nachtigallen Sabine und Monica aus Bad Godesberg rundeten den Abend mit ihrem Auftritt ab. Erneut gab es ein Stück von Leohnard Cohen: „Hallelujah“ sangen Sabine und Monica mit ihren chorerprobten Stimmen zu Bernds Klavierbegleitung so eindringlich und mit schönen zweistimmigen Harmonien, dass es dem Publikum den Rücken rauf und runter kribbelte (zumindest empfand es der Chronist so). Ein wunderbarer Moment zum leisen Mitsingen, was dem Lied einen zusätzlichen Reiz gab – herrlich! Nach so viel Andacht durfte das Publikum dann bei „Always Look on the Bright Side of Life“ auch offiziell mitsingen. Dafür gab es dann noch Mitsingzettel mit dem von Strophe zu Strophe leicht veränderten Refrain – ein toller Spaß zu herrlichem Gesang diesmal von Bernd mit Hintergrundchor von Monica und Sabine mit ihren schönen tragenden und intonationssicheren Stimmen! Bernd wäre kein professioneller Chorleiter, wenn er nicht das Publikum mit einer kleinen Probe zum Chor umfunktionieren könnte – und er konnte! Bei „The Lion Sleeps Tonight, dem Klassiker, der 1961 durch die Gruppe The Tokens zum Nummer Eins Hit in den Charts wurde, durfte das Publikum den Hintergrundchor „owimoweh“ singen. Die Drei machten das Stück mit Publikumsunterstützung zu einem Erfolg – Riesenapplaus für Monica, Sabine und Bernd.
Am Ende war es wieder ziemlich spät geworden, aber der Saal hatte noch nicht genug, und so musste Barry Roshto ans Klavier um die Begleitung für den schon lange vermissten „Jock Stewart“ zu spielen.
Der Abend klang mit viel Lob für die tollen Beiträge aus und machte Lust auf den nächsten Folk Club am Nikolaustag, den 6. Dezember. Wir erwarten dann unseren inzwischen alten Bekannten Simon Kempston aus Edinburgh und freuen uns auf seine neuen Lieder. Simon hat diesen Sommer sein neues Album herausgebracht, wir dürfen gespannt sein.

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