Folk
Club Nr. 48 im Mai - Mehr als nur ein Mai-Ansingen
Mailieder gab es zwar auch
beim Folk Club-Treffen im Mai, aber der Abend stand eindeutig im Zeichen der
beiden Special Guests aus Mexiko und Irland/Amerika. Die Programmplaner hatten
sich diesmal nicht dazu hinreißen lassen, zusätzlich noch zahlreiche Floor Spots
einzubauen. Das Publikum konnte sich voll auf das dennoch sehr
abwechslungsreiche Programm der beiden Gruppen konzentrieren und durfte einen
fulminanten Abend erleben. Wie in den letzten Monaten fast schon gewohnt war der
Saal gerammelt voll, und die Müllestumpen-Besatzung musste zusätzliche Stühle
für die hereindrängenden Gäste bereitstellen.
Der „Tradition“ folgend
eröffnete John Harrison den Abend
mit einigen schönen Liedern aus seinem Repertoire: „Police Dog Blues“ von Blind
Blake war vielleicht sogar programmatisch, um damit der anfänglichen Unruhe im
Saal ein polizeihündliches „Halt!“ entgegenzuschleudern. Aber
Disziplinarmaßnahmen sind dem Folk Club fremd und so ging’s gleich weiter in
die Welt der Disziplinlosigkeit mit „Stack-a-Lee“ einem Lied, das von einem
Streit um einen Hut handelt, der mit einem tödlichen Schuss beendet wird. Der
Bösewicht endet freilich – Ordnung muss sein – am Galgen. Mit dem Traditional
„Oh Well, Oh Well“ und „Rabbit Hills“ von Michael Chapman beendete John das beklatschte
Warm up.
Der als Isaac Tabor
angekündigte Special Guest entpuppte sich als ein wunderbar spielfreudiges Trio
bestehend aus Isaac Tabor (Gitarre
und Gesang) sowie Neil Fitzgibbon
(Geige) und Bean Dolan (Kontrabass),
die Isaac aber auch gesanglich unterstützten. Isaac ist ein wahrer Kosmopolit, mit
amerikanischen Wurzeln in den Niederlanden aufgewachsen und tourt in Europa
herum. Sein nächstes Ziel nach dem Auftritt in Bonn war in Irland. Seine beiden
Mitstreiter sind Iren und perfekte Repräsentanten ihres musikbegeisterten und
für Musik begeisternden Landes. Ihre Lieder sind allesamt Eigenkompositionen
mit poetischen Texten und mitreißenden Melodien. Alle drei Musiker spielten ihr
wunderbares Talent voll aus. „Down To the Water“ beispielsweise startet mit
einem schönen Geigensolo von Neil. Das Lied handelt von den Sorgen und Nöten von
jemandem, der ständig auf Achse ist und nach seinem Ruhepol sucht. Die Lieder
pendeln zwischen vielen Stilrichtungen hin und her. Das schwungvolle „Arkansas“
ist ein waschechtes amerikanisches Country-Lied, ebenso wie „This is it“. „More
Than You“ ist ein Blues, und „Don’t Let the Winds Pass Us By” ist ein poetisches
Lied in bester Dylan-Manier mit herrlichem dreistimmigem Gesang. „Something’s
Gotta Change“ mit schönem Gitarrensolo von Isaac drückt das Bedauern über ein
Leben aus, das aus dem Vollen schöpft, aber dabei wichtige Aspekte des Daseins
außer Acht gelassen hat. Ragtimes und Irish Folk Lieder komplettierten das
Programm, bei dem auch Bean Dolan bei etlichen Basssoli sein Können unter
Beweis stellte. Riesenapplaus für die Drei von einem dankbaren Publkum und gute
Wünsche für die weitere Tour. Vielleicht sind Isaac, Neil und Bean bald wieder
in unserer Gegend zu sehen und zu hören. Erste Anbahnungsgespräche konnten
bereits belauscht werden.
Natürlich durften auch die
Mailieder nicht fehlen. Unser treuer Gefolgsmann Günther Peters legte schon während der Pause auf dem Klavier los
und stimmte zusammen mit Ingrid
Stachetzki das Lied „Komm lieber Mai und mache“ an, das dank verteilter
Textzettel vom Publikum vielstimmig mitgesungen wurde. Natürlich durfte auch
der Klassiker „Der Mai ist gekommen“ nicht fehlen. Immerhin ist es ein „Bonner
Lied“, denn der Textdichter Emanuel Geibel soll dieses Lied angeblich im Jahre
1835 während seiner Bonner Studentenzeit im Lokal „Ruland am Markt“ erstmalig
vorgetragen haben. Wir glauben diese Version der Entstehungsgeschichte
natürlich gern.
Einen englischsprachigen Beitrag Lieferten Barry Roshto und Steve Perry
mit dem schönen Lied „Hail, hail, the first of May-oh, for it is the first
summer’s day-oh“. Auch dieses Lied hat eine nette Geschichte: Das Lied, das wie
ein altes traditionelles Volkslied klingt, stammt tatsächlich vom Folksänger Dave
Webber aus dem Jahr 1990. Webber trug dieses Lied einst bei einem
traditionellen Maiansingen in Padstow, in Cornwall, vor. Er wurde sofort dafür
ausgeschimpft, ein traditionelles „Padstow-Lied“ geklaut zu haben. Den
Einheimischen war offenbar nicht bewusst, dass sie es waren, die ein Lied von
Webber „eingemeindet“ hatten, indirekt ein schönes Kompliment für den Komponisten.
Der zweite, oder sollte ich
besser sagen d e r Knüller des Abends war der Auftritt unserer Gäste aus dem
fernen Mexiko. Los Pájaros del Alba,
die Vögel der Morgendämmerung, sind eine Musiktruppe, die sich der Pflege
traditioneller mexikanischer Musik verschrieben hat. Die Musikrichtung nennt
sich „Son Jarocho“ und ist entstanden aus der Verschmelzung von Musik der
indianischen Einheimischen mit Musik der hauptsächlich spanischen Einwanderer
speziell in der Provinz Veracruz an der Karibikküste Mexikos. Dazu wird oftmals
der „Zapateado“ (Zapato = Schuh) getanzt. Los Pájaros waren auf einer
Europatournee mit Stationen unter anderem in Frankfurt und Troisdorf. Mit
mitreißenden Rhythmen ihrer speziellen gitarrenähnlichen Instrumente und
bombastischen Stimmvolumens rissen sie vom Fleck weg den Saal mit. Wenn es
eines Beweises bedurft hätte, dass das Konzept „ohne elektronische Verstärker“
seine Berechtigung hat, hier wurde er mit großer Energie angetreten.
Den Anfang machte allerdings
der mit den Pájaros gereiste Miguel Centeno mit einem Soloauftritt zur Gitarre und startete mit einem Lied im
Stil des kubanischen „El Mozambiqe“. Ein eher zartes Lied im Drevierteltakt folgte,
das die Schmerzen der Liebe besingt. „El Rey“, der König, ist ein in Mexiko
berühmtes Lied des Sängers und Komponisten José Alfredo Jiménez, das von einem
eher armen Menschen, einem Landstreicher, handelt, der ohne Geld irgendwie
zurecht kommt und dadurch unabhängig und stark ist. Großer Dank an Miguel für
seine mit schöner tragender Stimme gesungenen Lieder.
Los Pájaros übernahmen
danach und starteten mit „Maria Chuchena“, einem echten Gassenhauer, mit dem
die Pájaros sofort alle in ihren Bann schlugen. Wir müssen natürlich noch die
„Vögel“ vorstellen:
Saél
Bernal y Samudio und Saél
Giovanni Carrizosa, genannt "Chopo", spielen die kleine
viersaitige „Jarana Jarocha“. Das Instrument ist typisch für die Region
Veracruz. Das Instrument von Nazario
Martínez y Amaro ist die etwas größere sechssaitige „Requinto“. Für die
nötige Bassbasis sorgte Alberto Vásques
mit seinem Marimbol, einer Art Aufsitztrommel à la Cajon. Der Marimbol ist aber
nur ein großer Resonanzkörper mit Stimmzungen, die mit der Hand angerissen
werden und die Musik mit vollem, sattem Bassklang stützen.
Weiter ging’s mit
„Butaquito“ und dem hintersinnigen „La Bruja“, die Hexe. Den zweiten Teil ihres
Auftritts starteten sie mit „Pájaro Cu“, einem sehr rhythmischen Lied. Zu „Asi
se goza“ luden sie das Publikum ein, ein paar Tanzschritte des „Zapateado“ zu
wagen, und siehe da, eine mutige Zuschauerin wagte sich auf die Bühne und wurde
von Saél Bernal einfühlsam angeleitet. „La Morena“ war danach ein Lied über
eine dunkelhäutige Schönheit. Weitere Titel lauteten: „El Balajú“, „El Ahualuco“,
„La Guacamata“, „El Buscapes“. Den meisten bekannt gewesen sein dürfte das Lied
„La Bamba“, bei dem sich alle Musiker des Abends zusammen einbrachten. Isaac,
Neil und Bean zauberten jeweils schöne Instrumentalsoli aus dem Hut – ein
tolles Beispiel für Kontinent übergreifende musikalische Zusammenarbeit. Als
Zugabe gab es das schöne Lied über den Hahn „El Gallo“ – ein Feuerwerk der
guten Laune und mitreißenden Musik war beendet, und es folgte ein stürmischer,
anhaltender Applaus. Die „Vögel“ aus Mexiko waren nicht vergebens nach Bonn
geflattert.
Der Abend war aber nicht zu
Ende ohne „Jock Stuart“, den traditionellen Rausschmeißer. Besonders schön war
diesmal, dass sich auch hierbei alle Musiker des Abends in das Abschiedslied
einbrachten und so dem „Man, you won’t meet every day“ einen würdigen
musikalischen Rahmen gaben.
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