Folk Club Nr. 61 am 4. September 2015 – Die Banjos spielen auf
Alle Besucher
des Folk Club Bonn, die sich nach der Sommerpause auf Banjomusik gefreut
hatten, kamen voll auf ihre Kosten und durften zudem wahre Könner an diesem
Instrument erleben.
John Harrison
blieb aber seinen traditionellen Instrumenten treu und startete den Abend
zusammen mit unserem Harmonikaspezialisten Paolo Pacifico mit einem
Blues. „Police Dog Blues“ von Blind Blake ist eine schräge Geschichte von einem
Stalker, der an eine Frau gerät, die einen Polizeihund namens Rambler hat. Der
Junge hatte halt Pech, und so etwas wird im Blues in vielfältiger Weise
besungen. „Rabbit Hills“ (von Michael Chapman), sehr einfühlsam von Paolos
Mundharmonika begleitet, ist ein trauriges Lied über eine verlorene Liebe, an
die es nur noch eine Erinnerung gibt, die sich langsam verliert wie Fußspuren
am Strand. Sehr beeindruckend spielten John auf seiner Tri Cone Resonator
Gitarre und Paolo den Blues „Oh well, Oh well“. John hatte das Lied, das in den
siebziger Jahren auf recht traditionelle Weise von Lowell Fulson auf
Schallplatte eingespielt worden war, wunderbar neu arrangiert und mit schönen
Instrumentalsoli ausgestattet. Bravo John und bravo Paolo für die tolle
Mundharmonikabegleitung!
Unser treuer
Wegbegleiter Mario Dompke hatte sich sogar speziell zur Feier des Tages
ein Banjo angeschafft, und seine ersten Schritte, bzw. Griffe, darauf konnten
sich hören lassen. Mario und Steve Perry, der für dieses Ereignis seine
Waldzither mitgebracht hatte, starteten ihr Set mit dem Bluegrass-Instrumental
„Cripple Creek“ – nach Marios Aussage das erste, was man als Banjo Neuling
lernt. Das ging schon recht gut. Aber fünf Saiten waren offenbar doch zu viel.
Nach einem Wechsel zum viersaitigen Tenorbanjo mit irischer Stimmung (das ist
eine Info für die Spezialisten) ging es weiter mit einem irischen Lied über das
Altern: „Maids, When You’re Young“. Steve, der die Melodiestimme sang, hatte
eine letzte Strophe hinzugedichtet, um die Geschichte über junge Mädchen und
alte Männer mit „wenigstens einer wahren Strophe“ enden zu lassen (Sie
versucht, den wenig erfolgreichen Liebhaber mit fragwürdigen Mitteln los zu
werden). Nach einem kleinen instrumentalen Zwischenspiel („Drowsy Maggie“) gab
es danach noch das Lied „First You Lose the Rhyming, Then You Lose the Timing“,
bei dem Mario die Melodiestimme sang. Das melancholische Lied handelt von
jungen Musikern, die nach kurzem Erfolg die Bodenhaftung verlieren und
abstürzen – traurig aber doch schön!
Chris
Biederwolf „aus der Gegend von Hannover“, der auch schon mehrmals im Folk
Club aufgetreten war, steuerte diesmal drei selbst geschriebene witzige aber
zum Teil recht bissige Lieder bei. Auch er hatte ein Banjo mitgebracht, das für
ihn aber offenbar nicht ganz neu war. „Erntezeit“ besingt die Zeit, wenn
hübsche Erntehelferinnen aus Polen die Gegend um Braunschweig bevölkern. Bei
„Tot“ begleitete ihn GW Spiller, der Spezialist auf dem
Gitarren-Akustikbass. Der im Lied – passenderweise ein Blues – besungene Akteur
wähnt sich schon im Jenseits, aber offenbar hatte der Kandidat nur schlecht
geträumt. Er war noch nicht dran. „Texas“ war eine kleine hintersinnige
Referenz an die Traditionen der USA.
Nach den
„Banjo-Amateuren“ durfte nun mit Dan
Walsh aus England ein wahrer Profi ans Werk, der zeigte, was alles auf dem
Banjo möglich ist. „Time to Stay“ ist ein selbst geschriebenes Lied über seine
Heimatstadt Stafford in Mittelengland. Bei „With A Memory Like Mine“, einem
Blues von Darrell Scott führte Dan sein akrobatisches Fingerwerk auf dem
Griffbrett vor. Wunderbar dazu seine Stimmbeherrschung, die eine Verstärkung
überflüssig machte. Rein instrumental dagegen waren die vier folgenden
Traditionals „Banish Misfortune“, „Washington’s March“, „Swallow’s Tail“ und
„High Reel“ – ein wahres Feuerwerk an Fingerkunst. „Lost Rambler“, ein Lied
über eine schräge Erfahrung mit merkwürdiger Wegbeschilderung auf einer Reise
durch Irland, stammte wieder von Dan selbst. „I’m Gonna Sleep With One Eye
Open“, dessen Urheberschaft offenbar unbekannt ist, wird Country-Liebhabern
unter anderem in der Interpretation von Dolly Parton bekannt sein. Das Publikum
durfte sich mit dem Refrain „From Now On – All Night On“ beteiligen. Ein
besonderes Schmankerl war das Instrumental „Whiplash Reel“, mit dem Dan sein Programm
unter großem Beifall beendete. Dan baute darin seine musikalischen Mitbringsel
aus einer Reise nach Indien ein, und vereinigte die Form des englischen Tanzes
Reel (zuerst langsam, dann immer schneller) auf wundervolle Weise mit den
fernöstlichen Klängen, die sonst nur von einer Sitar ertönen - großer Applaus
vom Publikum und viele gute Wünsche für Erfolg mit deiner Musik vom Chronisten.
Für einen
nicht erschienenen Künstler sprang Gerd
Schinkel ein und steuerte einige seiner neueren Lieder bei. Mit den Liedern
über die 71 toten Flüchtlinge („Gebt endlich Frieden“) im Lastwagen und über
die von der Bundesanwaltschaft ins Visier genommenen Blogger setzte er
sozusagen die Tradition der Bänkelsänger fort, die dem Publikum in Musik
gekleidete Nachrichten darboten. „Der Mond“ war eine Adaption eines Stückes von
Marili Machado aus Argentinien, die
im Oktober 2014 im Folk Club zu Gast war. Witzig ist dabei der Unterschied im
Genus des Mondes, der in den romanischen Sprachen ja weiblich ist. Es geht
letztlich um den Mond als Frau.
Dieter Faring, der vor der Sommerpause
mit Rezitationskünsten begeisterte, erinnerte mit einem Gedicht daran, dass
meteorologisch gesehen bereits der Herbst Einzug gehalten hatte. „Herbsttag“
von Rainer Maria Rilke schildert in vollkommener Weise den Übergang des Sommers
in den Herbst. Ob von Dieter gewollt oder ungewollt, wir wissen es nicht, aber
mit dem Gedicht spannt er einen Bogen zu Gerd Schinkels düsterem Lied über die
bedauernswerten Flüchtlinge. Herbsttag ist nur vordergründig ein Gedicht über
Sommer und Herbst sondern dreht sich um das Finden oder Verfehlen eines
erfüllten Lebens. In seiner dritten Strophe spricht das Gedicht es gnadenlos
an: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, Wer jetzt allein ist, wird
es lange bleiben“. Was auf die Entwicklung eines Lebens bezogen ist, hat auch
Bezug zu den Menschen, die jetzt entwurzelt und traumatisiert nach einem neuen
Anfang in einem fremden Land suchen.
Zurück zum
Banjo führten uns schließlich Dave Kras (alias Slack Bird) und sein
Begleiter Darek Luja (alias Life Long Hangover) aus Finnland.
Dave hatte schon im November 2013 ein paar Kostproben seines Könnens gegeben.
Seine Musik machte deutlich, dass er in den seitdem vergangenen zwei Jahren
musikalisch deutlich aufgerüstet hat. Darek begleitete Daves meist sehr
rhythmische Lieder auf dem Waschbrett. Mit „Turvallisuuden Onnetomuus“ ging es
sofort schwungvoll los. Leider ist mein Finnisch katastrophal, aber es geht
laut Titel um Sicherheit und einen Unfall. So viel konnte ich über den
Google-Übersetzer herausbekommen. Nun, das Lied endete nicht in einem Unfall,
obwohl es sehr rasant war. Die Nähe zu Daves früherer Mitgliedschaft in einer
Punk Band ist spürbar. „I Used to Be in a Band, Too“, wartete allerdings mit
eher gemütlichem Dreivierteltakt auf.
„Utopia Päissään“ handelt offenbar von einem ordentlichem Rausch, und das wurde
auch durch die rasante Melodie verdeutlicht. Mit „Shady Grove“ präsentierten
die beiden ein amerikanisches Volkslied („Bluegrass“) in slackbirdschem Gewand
– wunderbar. „Jouni“ ist ein Lied – wieder in finnischer Sprache – über einen
Freund, der so heißt. Das Lied verbreitet eine leicht düstere Stimmung. Wir
hoffen, dass mit Daves Freund Jouni nichts Schlimmes geschehen ist. Den
Abschluss von Daves und Dareks Beitrag bildete das Lied „Oottajan Laulu“ („Das Lied eines Wartenden“). Daves
bemerkenswerte Stimme, sein virtuoses Banjospiel und die außergewöhnlichen
Lieder sorgten für ein Erlebnis der besonderen Art – toller Beifall für die
Beiden und viel Erfolg bei den weiteren Auftritten!
Sebastian
Landwehr (mit Gitarre) spielt auch in der Gruppe „Crosswind“ vorwiegend
irische Folkmusik, gab hier aber eine Kostprobe seiner eigenen Lieder. „Ja, die
Wogen steigen weiter“ ist ein Lied über Erinnerungen, die beim Besuch
bestimmter Orte wieder hochkommen. „Morgen fahr’ ich fort von hier“ beschreibt
die Dinge, die uns aufregen, von denen wir aber wissen, dass sie nicht
unbegrenzt dauern. „Alles was mich
stört“ ist trotz seines etwas sperrigen Titels eine zarte Liebeserklärung an
Sebastians alte Studienstadt Bonn. Wie so oft haben wir an den Dingen, die uns
anziehen, auch etwas oder auch etwas mehr auszusetzen. So ist das Leben! Auch
für Sebastian gab es einen großen Applaus.
Wie (fast)
immer ging auch dieser Abend nicht ohne den guten Freund „Jock Stewart“,
gesungen von allen Akteuren und dem Publikum, zuende.
Wir sehen uns wieder am 2. Oktober 2015, diesmal
nicht im Haus Müllestumpe, sondern im ungewöhnlichsten „Hotel“ Bonns, dem Base
Camp Hostel, nahe der Stadtbahnhaltestelle Ollenhauerstraße. Dann erwartet uns
mit Fil Campbell als Featured Artist eine der renommiertesten irischen
Folkmusikerinnen dieser Tage.
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