Dienstag, 29. September 2015

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 61 am 4. September 2015


Folk Club Nr. 61 am 4. September 2015 – Die Banjos spielen auf

Alle Besucher des Folk Club Bonn, die sich nach der Sommerpause auf Banjomusik gefreut hatten, kamen voll auf ihre Kosten und durften zudem wahre Könner an diesem Instrument erleben.
John Harrison blieb aber seinen traditionellen Instrumenten treu und startete den Abend zusammen mit unserem Harmonikaspezialisten Paolo Pacifico mit einem Blues. „Police Dog Blues“ von Blind Blake ist eine schräge Geschichte von einem Stalker, der an eine Frau gerät, die einen Polizeihund namens Rambler hat. Der Junge hatte halt Pech, und so etwas wird im Blues in vielfältiger Weise besungen. „Rabbit Hills“ (von Michael Chapman), sehr einfühlsam von Paolos Mundharmonika begleitet, ist ein trauriges Lied über eine verlorene Liebe, an die es nur noch eine Erinnerung gibt, die sich langsam verliert wie Fußspuren am Strand. Sehr beeindruckend spielten John auf seiner Tri Cone Resonator Gitarre und Paolo den Blues „Oh well, Oh well“. John hatte das Lied, das in den siebziger Jahren auf recht traditionelle Weise von Lowell Fulson auf Schallplatte eingespielt worden war, wunderbar neu arrangiert und mit schönen Instrumentalsoli ausgestattet. Bravo John und bravo Paolo für die tolle Mundharmonikabegleitung!
Unser treuer Wegbegleiter Mario Dompke hatte sich sogar speziell zur Feier des Tages ein Banjo angeschafft, und seine ersten Schritte, bzw. Griffe, darauf konnten sich hören lassen. Mario und Steve Perry, der für dieses Ereignis seine Waldzither mitgebracht hatte, starteten ihr Set mit dem Bluegrass-Instrumental „Cripple Creek“ – nach Marios Aussage das erste, was man als Banjo Neuling lernt. Das ging schon recht gut. Aber fünf Saiten waren offenbar doch zu viel. Nach einem Wechsel zum viersaitigen Tenorbanjo mit irischer Stimmung (das ist eine Info für die Spezialisten) ging es weiter mit einem irischen Lied über das Altern: „Maids, When You’re Young“. Steve, der die Melodiestimme sang, hatte eine letzte Strophe hinzugedichtet, um die Geschichte über junge Mädchen und alte Männer mit „wenigstens einer wahren Strophe“ enden zu lassen (Sie versucht, den wenig erfolgreichen Liebhaber mit fragwürdigen Mitteln los zu werden). Nach einem kleinen instrumentalen Zwischenspiel („Drowsy Maggie“) gab es danach noch das Lied „First You Lose the Rhyming, Then You Lose the Timing“, bei dem Mario die Melodiestimme sang. Das melancholische Lied handelt von jungen Musikern, die nach kurzem Erfolg die Bodenhaftung verlieren und abstürzen – traurig aber doch schön!
Chris Biederwolf „aus der Gegend von Hannover“, der auch schon mehrmals im Folk Club aufgetreten war, steuerte diesmal drei selbst geschriebene witzige aber zum Teil recht bissige Lieder bei. Auch er hatte ein Banjo mitgebracht, das für ihn aber offenbar nicht ganz neu war. „Erntezeit“ besingt die Zeit, wenn hübsche Erntehelferinnen aus Polen die Gegend um Braunschweig bevölkern. Bei „Tot“ begleitete ihn GW Spiller, der Spezialist auf dem Gitarren-Akustikbass. Der im Lied – passenderweise ein Blues – besungene Akteur wähnt sich schon im Jenseits, aber offenbar hatte der Kandidat nur schlecht geträumt. Er war noch nicht dran. „Texas“ war eine kleine hintersinnige Referenz an die Traditionen der USA.
Nach den „Banjo-Amateuren“ durfte nun mit Dan Walsh aus England ein wahrer Profi ans Werk, der zeigte, was alles auf dem Banjo möglich ist. „Time to Stay“ ist ein selbst geschriebenes Lied über seine Heimatstadt Stafford in Mittelengland. Bei „With A Memory Like Mine“, einem Blues von Darrell Scott führte Dan sein akrobatisches Fingerwerk auf dem Griffbrett vor. Wunderbar dazu seine Stimmbeherrschung, die eine Verstärkung überflüssig machte. Rein instrumental dagegen waren die vier folgenden Traditionals „Banish Misfortune“, „Washington’s March“, „Swallow’s Tail“ und „High Reel“ – ein wahres Feuerwerk an Fingerkunst. „Lost Rambler“, ein Lied über eine schräge Erfahrung mit merkwürdiger Wegbeschilderung auf einer Reise durch Irland, stammte wieder von Dan selbst. „I’m Gonna Sleep With One Eye Open“, dessen Urheberschaft offenbar unbekannt ist, wird Country-Liebhabern unter anderem in der Interpretation von Dolly Parton bekannt sein. Das Publikum durfte sich mit dem Refrain „From Now On – All Night On“ beteiligen. Ein besonderes Schmankerl war das Instrumental „Whiplash Reel“, mit dem Dan sein Programm unter großem Beifall beendete. Dan baute darin seine musikalischen Mitbringsel aus einer Reise nach Indien ein, und vereinigte die Form des englischen Tanzes Reel (zuerst langsam, dann immer schneller) auf wundervolle Weise mit den fernöstlichen Klängen, die sonst nur von einer Sitar ertönen - großer Applaus vom Publikum und viele gute Wünsche für Erfolg mit deiner Musik vom Chronisten.
Für einen nicht erschienenen Künstler sprang Gerd Schinkel ein und steuerte einige seiner neueren Lieder bei. Mit den Liedern über die 71 toten Flüchtlinge („Gebt endlich Frieden“) im Lastwagen und über die von der Bundesanwaltschaft ins Visier genommenen Blogger setzte er sozusagen die Tradition der Bänkelsänger fort, die dem Publikum in Musik gekleidete Nachrichten darboten. „Der Mond“ war eine Adaption eines Stückes von Marili Machado aus Argentinien, die im Oktober 2014 im Folk Club zu Gast war. Witzig ist dabei der Unterschied im Genus des Mondes, der in den romanischen Sprachen ja weiblich ist. Es geht letztlich um den Mond als Frau.
Dieter Faring, der vor der Sommerpause mit Rezitationskünsten begeisterte, erinnerte mit einem Gedicht daran, dass meteorologisch gesehen bereits der Herbst Einzug gehalten hatte. „Herbsttag“ von Rainer Maria Rilke schildert in vollkommener Weise den Übergang des Sommers in den Herbst. Ob von Dieter gewollt oder ungewollt, wir wissen es nicht, aber mit dem Gedicht spannt er einen Bogen zu Gerd Schinkels düsterem Lied über die bedauernswerten Flüchtlinge. Herbsttag ist nur vordergründig ein Gedicht über Sommer und Herbst sondern dreht sich um das Finden oder Verfehlen eines erfüllten Lebens. In seiner dritten Strophe spricht das Gedicht es gnadenlos an: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“. Was auf die Entwicklung eines Lebens bezogen ist, hat auch Bezug zu den Menschen, die jetzt entwurzelt und traumatisiert nach einem neuen Anfang in einem fremden Land suchen.
Zurück zum Banjo führten uns schließlich Dave Kras (alias Slack Bird) und sein Begleiter Darek Luja (alias Life Long Hangover) aus Finnland. Dave hatte schon im November 2013 ein paar Kostproben seines Könnens gegeben. Seine Musik machte deutlich, dass er in den seitdem vergangenen zwei Jahren musikalisch deutlich aufgerüstet hat. Darek begleitete Daves meist sehr rhythmische Lieder auf dem Waschbrett. Mit „Turvallisuuden Onnetomuus“ ging es sofort schwungvoll los. Leider ist mein Finnisch katastrophal, aber es geht laut Titel um Sicherheit und einen Unfall. So viel konnte ich über den Google-Übersetzer herausbekommen. Nun, das Lied endete nicht in einem Unfall, obwohl es sehr rasant war. Die Nähe zu Daves früherer Mitgliedschaft in einer Punk Band ist spürbar. „I Used to Be in a Band, Too“, wartete allerdings mit eher  gemütlichem Dreivierteltakt auf. „Utopia Päissään“ handelt offenbar von einem ordentlichem Rausch, und das wurde auch durch die rasante Melodie verdeutlicht. Mit „Shady Grove“ präsentierten die beiden ein amerikanisches Volkslied („Bluegrass“) in slackbirdschem Gewand – wunderbar. „Jouni“ ist ein Lied – wieder in finnischer Sprache – über einen Freund, der so heißt. Das Lied verbreitet eine leicht düstere Stimmung. Wir hoffen, dass mit Daves Freund Jouni nichts Schlimmes geschehen ist. Den Abschluss von Daves und Dareks Beitrag bildete das Lied „Oottajan Laulu“ („Das Lied eines Wartenden“). Daves bemerkenswerte Stimme, sein virtuoses Banjospiel und die außergewöhnlichen Lieder sorgten für ein Erlebnis der besonderen Art – toller Beifall für die Beiden und viel Erfolg bei den weiteren Auftritten!
Sebastian Landwehr (mit Gitarre) spielt auch in der Gruppe „Crosswind“ vorwiegend irische Folkmusik, gab hier aber eine Kostprobe seiner eigenen Lieder. „Ja, die Wogen steigen weiter“ ist ein Lied über Erinnerungen, die beim Besuch bestimmter Orte wieder hochkommen. „Morgen fahr’ ich fort von hier“ beschreibt die Dinge, die uns aufregen, von denen wir aber wissen, dass sie nicht unbegrenzt dauern.  „Alles was mich stört“ ist trotz seines etwas sperrigen Titels eine zarte Liebeserklärung an Sebastians alte Studienstadt Bonn. Wie so oft haben wir an den Dingen, die uns anziehen, auch etwas oder auch etwas mehr auszusetzen. So ist das Leben! Auch für Sebastian gab es einen großen Applaus.
Wie (fast) immer ging auch dieser Abend nicht ohne den guten Freund „Jock Stewart“, gesungen von allen Akteuren und dem Publikum, zuende.
Wir sehen uns wieder am 2. Oktober 2015, diesmal nicht im Haus Müllestumpe, sondern im ungewöhnlichsten „Hotel“ Bonns, dem Base Camp Hostel, nahe der Stadtbahnhaltestelle Ollenhauerstraße. Dann erwartet uns mit Fil Campbell als Featured Artist eine der renommiertesten irischen Folkmusikerinnen dieser Tage.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen