Wo sind wir – wo gehen wir hin?
Diese
Frage stellte sich so mancher Besucher des 62ten Folkclub Bonn
nachdem das bekannte „Laaaadiiies and Gentlemen“ ertönte. Mit
einem Nachhall von mindestens 45 Sekunden hatten alle ausreichend
Zeit sich Gedanken zu machen, ob dieser Ruf in einem nicht
vollständig gefüllten Dom, einer, eine neue Zukunft versprechenden,
Bahnhofshalle oder tatsächlich aus Wartungshallen der ESA (European
Space Agency) erschallte – kurz bevor die Rakete einer Arche Noah
gleich in den Weltall abhob, um alle Folkies in eine glücklichere
Welt zu entführen (hier klicken für ein Tondokument).
Doch ein kurzer Blick (oder auch ein
längerer Blick – es lohnt sich) durch die gastgebende Halle führte
eher in die jüngere Vergangenheit, eine Vergangenheit der zeitlosen
Sehnsucht nach Freiheit, nach Natur und nach Loslassen
zivilisationsbedingter Fesseln. Gastgeber des 62ten Folkclubs war das
Base Camp in Bonn, welches als schrillstes Hotel eben dieses Gefühl
vermittelt. Eine Ansammlung liebevoll restaurierter Wohnwagen,
angefangen beim Hakengnubbel (also die Zweimenschkugel für
Kleinwagen) über luxuriöse, ziehbare Heimstätten bis hin zu der
Zeltstatt auf dem Trabi – alles ist vertreten; ja sogar ein
Eisenbahnwagon mit Schlafpritschen und eine ehemalige Kabine der
Wupertaler Schwebebahn. Alles in einer Lagerhalle, wie auf einem
Camplingplatz arrangiert, ergibt ein unvergleichliches Gefühl.
Für den Folkclub besonders wichtig
jedoch – eine Bühne. Ungewöhnlich für den FCB zwar, dass die
Künstler erhöht und das Publikum in Stuhlreihen angeordnet waren,
aber für ein Ausweichquartier ein super tolle Erfahrung. So wurde,
zwar leicht grummelnd, auch der Hall hingenommen, wurde die schlechte
Durchdringung der Stimmen bis zu den letzten Stuhlrehen in Kauf
genommen und auch die kleinen Partys vor den Wohnwagen, die sich
nicht so recht in das Musikereignis eingliedern ließen, ertragen.
Immerhin, standen doch mit Fill Campbell und Tom Mc Farland special
guests auf dem Programm, die zu hören nicht alltäglich ist. Aber,
wie immer, versetzten auch die local Heroes, die Musiker und
Musikerinnen aus dem Bonner Umland das Publikum in eine freudige
Stimmung.
Nachdem ihr euch jetzt an den Hall
gewöhnt habt, heben wir gemeinsam in das Land der musikalischen
Freiheit ab. Wer, wenn nicht John Harrison himself, sollte nach dem
Begrüßungsruf den musikalischen Auftakt machen. „Take this
hammer“ passte nicht nur in die hallige Wartungshallenatmosphäre,
sondern regte schon als erstes Lied zum Mitsingen an. Es hörte sich
sehr nach a capella an, jedoch schon nach wenigen Takten war ein
tiefes Tüten zu hören – fas so als würde ein Überseedampfer
ablegen (in den Weltraum?). GeWe, bekannter Weggefährte und für die
tiefen Resonancen im Folkclub zuständig (er spielt auch den
Akustikbass) hatte heute dem Motto entsprechend (Wind Instruments -
Blasinstrumente) seine Tuba mit gebracht. Und die führte er im
zweiten Stück mit John dann richtig vor; spricht doch der „Tuba
Blues“ auch die Sinnfrage „to be or not Tuba“ an.
In echter, musikalischer
Rattenfängermanie erweiterte sich die Gruppe auf der Bühne von
Stück zu Stück und so waren beim „Harmonica Blues“ und bei der
Feststellung „Nobody knows“ nun drei Musiker auf der Bühne. Erst
mit zwei Wind Instruments (Harmonoca und Tuba) dann mit zwei
Gitarren, die unterschiedlicher nicht sein können (Metallresonator
und Gypsie Jazzgitarre).
Nach reichlich Applaus leerte sich die
Bühne nicht ganz – GeWe Spiller blieb und erwartete seine Freunde
Mary Krah und Ivo Janzik. Eine neue Kreation von Blasinstrumenten
entstand. Unüblich aber sehr schön, spielten Tuba und Querflöte
von der Gitarre begleitet ein Petite expérience, nämlich das Lied
„Petite fleur“ in dieser unüblichen Besetzung. Deep and high –
so wie im Leben, aus der Tiefe der Erde hollte die Tuba die Blume
hervor, um sie dann mit der Querflöte im Sonnenlicht spielen zu
lassen.
Wie auf einem richtigen Campinplatz war
nach erstem gemeinsamen Musizieren die Volkerverständigung an der
Reihe. Irland tauchte auf – genauer gesagt Nordirland, denn von
dort kommen Fill Campbell und Tom McFarland (Tom ist der Mann betonte
Fill, denn in England glauben alle Fill wäre ein Männername. Feine
Töne wurden angechlagen, keine robuste Lagerfeuermusik, keine
gröllfreudigen Trinklieder, sondern ein Irland, welches sich durch
sein mildes und doch meeresrauhe Klima, seine durch Weitläufigket
geprägte Zusammengehörigkeit und die Romantik beinhaltende,
allgegenwärtige Frabe grün wurde dem Publikum nahegebracht. Die
Iren sind es gewohnt auch mit widrigen Randbedingungen fertig zu
werden, ohne ihre Freude insbesondere an der Musik zu verlieren. Und
so verzauberte Fill mit ihrer klaren und Intonatuionssicheren, auch
die Oktavgrenzen überschreitende Stimme die Zuhörer. Die Gitarre
war der leisen und romantischen Stimmung angepasst – ebenso die
Perkusionsbegleitung mit Congas und Bodhran – leise, mild und
trotzdem die Seele ausfüllend, zweistimmig und zum Mitsingen
animierend – ein Irland also, dass sich jeder wünscht, wenn
er/sie/es an Urlaub, wandern und musizieren denkt. Ich will hier gar
nicht alle Titel einzeln aufführen, die gesungen und gespielt
wurden. Nachzuhören sind sie alle auf den CDs, die die beiden im
Gepäck hatten, aber neben Tradinionals wie „Connemara
Cradle Song“ oder „It's better to be a single“ „Down the
Moor“ oder „Let Mr Maguire sit down“ in englischer Sprache
wurden auch gälische Traditonals wie „Seoladh na nGamhna“ oder
„Níl Sé'n Lá“ gesungen. Ebenso kamen irische Komponisten wie
David Francey mit „Come Rain and Come Shine“ und der Nachbar der
beiden Barden Tommy Sands mit „Home Away From Home“ zu Wort (oder
besser zu Gesang?). Aber natürlich bewiesen sich die Zwei auch
selbst als Komponisten und Texter mit den Liedern „This is Home“
oder „The White Beach“.
Auch
wenn ich mit den genannten Liedern schon das zweite Set
vorweggenommen habe, sei gesagt, dass es auch ein Pause gab. Diese
wurde reichlich genutzt, um die Leckereien des Base Camp Imbiss zu
genießen – unter anderem gab es chilie con carne mit vielen Bohnen
– ob die Programmdirektion dies gewusst hat und deshalb das Motto
Wind Instruments gewählt hat :-).
Die
zweite Hälfte eröffnete die im Folkclub auch schon bekannte Gruppe
Pisco Sour. Jose
und Maria Isaza-Kazolis, Adriana und Thomas Monnerjahn sowie John
Hay haben eine Puerto Ricoanische, englische und deutsche Gruppe
aufgestellt, die sehr feurig und stimmungsvoll Lieder aus Kuba („Hasta Siempre, Comandante“
und „Chan Chan“) und Spanien („Me
Llaman Calle“) auf die Bühne brachten. Hier zeigte sich auch
wieder, dass die Musiker durch den und im Folkclub immer wieder zu
neuen Formationen kommen, denn Thomas Monnerjahn war ja nun zum
dritten Mal, jeweils in unterschiedlicher Bestzung auf der Bühne.
Nach Psico Sour kamen wieder Fill und Tom zum Einsatz – geschrieben
habe ich darüber bereits. Bliebe aber noch zu erwähnen, dass trotz
der ruhigen Musik und der unruhigen Umgebung, das Publikum vehement
eine Zugabe forderte, die natürlich gerne gegeben wurde.
Das
abschließende Jock Stewart durfte natürlich nicht fehlen – wenn
es auch diesmal keine Texte zum verteilen gab. Detlef, der sonst
immer dafür sorgt, dass alle den Text vor Augen haben, hat sich den
Fuß gebrochen und konnte deshalb nicht da sein (weshalb ich jetzt
versuche einen Bericht zu schreiben) – Lieber Detlef, von dieser
Stelle sei dir von uns allen ein aus tiefstem Herzen kommendes „Gute
Besserung“ zugerufen. Aber auch rufe ich allen Künstlern,
Strammgästen usw zu – der Text ist im Blog zu finden – lernt ihn
auswendig :-)
So
nun aber: lernen, üben und aufs nächstemal freuen.
Mario
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