Folk Club am 5. Februar 2016 – Freiheit für den Folk Club
Welches Thema
könnte besser zum Folk Club passen als „Freiheit“? Und natürlich passt es
besonders in die Thematik unserer Tage, sind doch Millionen Menschen aktuell ganz augenfällig auf der Suche nach
Befreiung von allen möglichen Formen der Bedrängnis, die sie jeden Tag erfahren
und nehmen bei ihrem Bemühen, diese Freiheit zu finden, schier unvorstellbare
Gefahren in Kauf. All dies findet mitten in der heißen Phase des rheinischen
Karnevals statt, der in seinem Wesen auch eine Form der zeitweiligen Befreiung
von Zwängen des Alltags darstellt und in der autoritären Zeit früherer
Jahrhunderte auch ein Mittel des Protests gegen die Obrigkeit war. Von Karneval
war beim Folk Club allerdings recht wenig zu spüren, über Freiheit gab es
hingegen viel zu hören.
Den Anfang
machte unser Protagonist John Harrison
mit dem selbstverfassten Lied „Garden Gnomes“ (Gartenzwerge), das er für die
drei eingesperrten „Whistleblower“ Edward Snowden, Bradley/Chelsea Manning und
Julian Assange aus der Konserve geholt hat. Das Lied hatte John bereits in den
siebziger Jahren – wie man sagt, des vorigen Jahrhunderts – geschrieben. John
ist nun mal seiner Zeit voraus. Die drei Gartenzwerge in seinem Lied haben es
sehr schwer und träumen davon, mal raus zu kommen, um eine Gartenzwergband zu
gründen. John wird von Paolo Pacifico
auf der Mundharmonika begleitet, der mit einem tollen Solo glänzen darf.
Etwas
traditioneller ging es zu beim klassischen Blues „Rambling“ von Robert Johnson,
bei dem das Zusammenspiel von John und Paolo wunderbar harmonierte und beide
tolle Soli auf ihren Instrumenten ablieferten. John wäre nicht John, hätte er
nicht noch ein besonderes Schmankerl im Gepäck. Rudyard Kiplings wunderbares
Gedicht „If“, das ein unsterbliches Vermächtnis des Vaters an seinen
heranwachsenden Sohn darstellt trug er in einer a capella gesungenen Version
vor – herzerwärmend! – toller Applaus für John und natürlich auch für Paolo.
John Hurd, der regelmäßig über den Folk
Club in seinem englischsprachigen Internetmagazin 3SongsBonn berichtet, griff
selbst zur Gitarre und brachte dem vor kurzen verstorbenen David Bowie ein
Gedenkständchen. „Heroes“ war sein schöner Beitrag.
John Harrison
hatte die Gelegenheit ergriffen, das Thema des heutigen Tages mit einem etwas
ungewöhnlichen Beitrag von Christian
Storm, dem Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ im Haus
Müllestumpe anzureichern. John hatte Christian gebeten, dem Folk Club-Publikum
einmal einen kurzen Einblick in seine Arbeit und in das Projekt des betreuten
Wohnens für behinderte Menschen zu geben. 2012 konnte der Verein Haus
Müllestumpe zwölf Wohnungen für Menschen mit Behinderungen bereitstellen, die
bei Bedarf in ihrem Tagesablauf unterstützt werden. Die Einrichtung schafft für
die behinderten Menschen die Möglichkeit für ein Leben in Freiheit und
weitreichender Selbstbestimmtheit. Das Haus Müllestumpe bietet den Bewohnern
zudem eine Beschäftigungsmöglichkeit im Hause. Christian, jetzt Rentner mit
viel Energie, Ideen und Idealismus stellt als Geschäftsführer ehrenamtlich sein
organisatorisches Know-how und sein Engagement für diese tolle Sache zur
Verfügung. Riesenapplaus für Christian Storm und das Haus Müllestumpe.
Anders, aber
nicht minder ungewöhnlich, war das musikalische Experiment das unser
Filmemacher Janero del Rosario
anschließend wagte. Das Publikum wurde eingestimmt auf ein Medley mit mehreren
Melodien, die aufeinander gestapelt wurden: „Whatever“ von Oasis, „Octopus’s
Gardens“ von den Beatles und „All the Young Dudes Carry the News“ von David
Bowie. Das Publikum bewies einmal mehr seine musikalischen Qualitäten, und das
Experiment klappte super – Bravo Janero, das macht Spaß.
Gerd Schinkel, unser unverwüstliche
Barde, hatte natürlich zum Thema Freiheit auch ein Lied im Gepäck. Diesmal
bediente er sich der Melodie von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“. Dem Lied
hatte Gerd einen deutschen Text mit Road-Movie-Inhalt gegeben. „Freiheit hat
nur der, der weiß, er kann nichts mehr verlier’n“ lautet der Refrain. Wie sich
die Ansichten und Aspekte zur Freiheit seit Martin Luther („Von der Freyheith
eines Christenmenschen“) doch verändert haben. Applaus für Gerd, dem
immer etwas einfällt und der seine thematischen Ideen mit teils eigenen, teils
entlehnten Melodien, gekonnter Gitarrenbegleitung und stimmlicher Brillanz
präsentiert
Ein neues
Gesicht präsentierte sich den Folk Club-Jüngern mit Dennis Ledermann, der schöne, selbstgeschriebene Lieder vorstellte.
„The Old Me“ handelt von Grenzen im eigenen Kopf, „3000 Meilen weg“ beschreibt
die Liebe, die bleibt, auch wenn man weit voneinander entfernt ist und „Oh
Baby“ besingt die Schwierigkeiten, die ein Mann mit seiner schönen aber
kapriziösen Freundin hat und von der er zur Weißglut getrieben wird. Kompliment
an Dennis für seine einfallsreichen Lieder mit interessanten Melodien und zudem
für seinen selbstbewussten Vortrag mit voluminöser und intonationssicherer
Stimme. Schade nur für die Texte in englischer Sprache, dass sie für die
meisten Zuhörer hier im Saal unverständlich blieben. Euer Chronist versteht es
nicht oder will es nicht verstehen, warum so viele unserer deutschen
Verseschmiede ihre Muttersprache für Lieder aus eigener Feder verschmähen. Es
kann doch nicht an der Hoffnung liegen, mit Englisch ein größeres Publikum zu
erreichen.
Uwe
Gillert und Sohn Max konnten ihr tolles Zusammenspiel dem Publikum
präsentieren. Ihr Repertoire bestand aus drei hörenswerten Stücken aus der
alten Blues-Schule und machten mit T-Bone Walkers „She’s my Old Time Used to
be“ den Anfang. Das Publikum konnte ein wunderbares Zusammenspiel zwischen den
beiden Gitarren und schöne Soli und Vater Uwes markanten Gesang bewundern. Auch
Eric Claptons „Before You Accuse Me“ erntete tollen Applaus. Ein viel
beklatschtes Solo von Max gab es bei Peter Greens (Fleetwood Mac) „I Loved
Another Woman“. Perfekt ausgesuchte Blues-Stücke, schönes Zusammenspiel,
wunderbare Solos – Herz was willst du mehr – ein großes Bravo an die beiden.
Der Featured
Artist (kennt jemand einen passenden deutschen Ausdruck dafür?? – ich gebe beim
nächsten Folk Club dem Erfinder ein Getränk aus) des Abends, David Blair aus Kanada, hatte
kurzerhand seine Landsfrau Jessica
Alossery mitgebracht, die ebenfalls in Deutschland unterwegs ist und
überließ ihr vor der Pause weitgehend die Bühne. David und Jessica hatten sich
mehr oder weniger zufällig in London getroffen, obwohl sie sich schon zuvor
über das Internet kennen gelernt hatten.
Mit ihrer
Eigenkomposition „You Are the Apple of My Eyes“ stimmte Jessica das Publikum direkt auf sich ein. Trotz – oder vielleicht
sogar wegen – ihrer etwas leisen Stimme war es sofort ruhig im Saal und alle
konnten Jessicas gefühlvollen Gesang zu sparsamer Gitarrenbegleitung genießen.
Leonhard Cohens „Hallelujah“ ist in einer solchen Stimmung genau die richtige
Fortsetzung. Das Publikum nahm es dankbar auf und revanchierte sich mit
bezauberndem Begleitgesang – Der Folk Club sollte einen Chor aufmachen. „Bare
Feet“ lautete der Titel eines neuen Liedes von Jessica. Es dreht sich um Leute,
die auf der Straße leben – In Kanada in Winterzeiten sicher eine schreckliche
Vorstellung, dennoch tanzt die besungene Person.
Gemeinsam
sangen Jessica und David dann vor der Pause das Lied von
David Grammer „Honey I’m Good“, eine wunderbare Basis für die beiden schönen
Stimmen.
Nach der
Pause bevölkerte zunächst die Gruppe Zaiten-Pfeiffer
aus Windeck an der Sieg die Bühne. Mit sechs Personen brachten sie richtig
Schwung in die Bude. Die Gruppe besteht aus Frank Christgen (Gitarre/Gesang), Richard Wegmann (Klarinetten und Flöte), Willi Fichtel (Gesang, Flöte und diverse Saiteninstrumente), Norbert Schuster (Kontrabass), Christoph Nigg (Drehleier, Mandoline)
und Monika Pleschka (Gesang). Die Gruppe, die bereits vor einem Jahr im Folk
Club aufgetreten war, hatte sich thematisch super auf den Abend eingestellt:
„Freiheit“ von Georg Danzer beschreibt ironisch wie die Freiheit sofort
verschwindet, wenn man ihrer habhaft werden will – herrlich hintersinnig. „Wenn
ich einmal der Herrgott wär“, das ursprüngliche Sauflied mit der Melodie von
Karl Binder und dem Text von Eduard Amthor hatte von Zupfgeigenhansel einen
neuen Text mit eher revolutionärem Inhalt bekommen, den Zaiten-Pfeiffer nun
einsetzte. „Auf See“ (Frei, wie der Wind) von Santiano passt natürlich auch in
die Thematik – Das Publikum gerät bei dem mitreißenden Lied in Wallung. „Ade
Mein Lieb“ ist ein ursprünglich von Robert Burns geschriebenes Lied mit einem
ins Deutsche übertragenen Text. Monika konnte hier ihre schöne Solostimme hören
lassen. Für alle Freunde des rheinischen Idioms gab es zum Schluss noch von De
Höhner „Wann jeht de Himmel widder op“ – ein Beitrag zur Flüchtlingsthematik.
Riesenapplaus für die Sechs, die das Publikum restlos begeisterten.
Neu im Folk
Club war Philipp Ossen aus Köln, der
zwei eigene anrührende Lieder beisteuerte: „Die rote Uhr“, auf dem Klavier
begleitet, beschreibt ein Erlebnis mit seiner Oma, die im Sterben lag und
deren rote Uhr ihm nun als Symbol für
die Vergänglichkeit dient. „Wenn der Zeiger nicht mehr wandert, bist du endlich
frei“ lautet eine Zeile. „Das kleine Licht“ – mit Begleitung auf der Gitarre –
besingt witzig und doch nachdenklich die Probleme von Menschen, die niemand
wahrnimmt. Egal was sie tun, es geht schief oder es wird von anderem
überstrahlt. Philipp, du meinst doch nicht wirklich dich selbst, oder? Das
Publikum ist jedenfalls angetan und fordert ein Zugabe. Philipp singt „Little
Lionman“ von Mumford & Sons. Recherche im Internet ergibt in den
amerikanischen Quellen gleich den prüden Hinweis auf „explicit language“, also
schmutzige Ausdrücke mit meist vier Buchstaben („f..k“ usw. für alle, die nicht
wissen, was gemeint ist). Gott sei Dank gibt es im Folk Club keine schrillen
Piepser, die die unliebsamen „Stellen“ übertönen wie im amerikanischen Radio.
Stimmgewaltig,
mit Gäsehautfaktor und schönem Timbre präsentierte sich Janine Schneider-Gündel aus Wesseling mit ihrem selbst
geschriebenen Lied „Lead Me Home“, wunderbar einfühlsam auf der Gitarre
begleitet von ihrem Mann Sascha –
eine tolle Entdeckung für den Folk Club. Vielleicht dürfen wir die beiden, die
sich „Second Movement“ nennen,
einmal wieder im Folk Club begrüßen.
Zum Thema des
Abends ließ es sich dann unser Mitstreiter Steve
Perry nicht nehmen, noch eines seiner schön-schmalzigen Cowboylieder
beizutragen: Ian Tysons „50 Years Ago“ – herrlich.
Zum Abschluss
des Abends und nach langer Zeit geduldigen Wartens spielte David Blair bekannte und neue Lieder aus seinem Repertoire. Und wie
bereits bei seinem umjubelten Auftritt vor genau einem Jahr bannte er das
Publikum mit seinem Witz, seiner stimmlichen Präsenz, dem gekonnten
Gitarrenspiel und seinen einfach schönen Liedern. „This is the Soundtrack to
Our Conversation“, „Say No“, „When I Think of You“, und „Stronger, Higher,
Faster“ lauteten die Liedtitel aus eigener Feder. Zum Schluss gab es noch als
Zugabe Gänsehaut pur mit dem unsterblichen Lied von Louis Armstrong „What a
Wonderful World“. David ist ein wahrer Edelstein und wir können ihm und seine
Entdeckung Jessica Alossery mit ihrer Musik nur viel Erfolg wünschen. Kompliment
auch an David für seine erfolgreichen Bemühungen mit der deutschen Sprache.
Nun, das
Publikum und – euer Chronist ist davon überzeugt – auch die Musiker waren
wieder vollgepumpt mit den allseits beliebten Glückshormonen und
verabschiedeten sich wie immer mit dem traditionellen Rausschmeißer „Jock
Stewart“.
Auf
Wiedersehen am 4. März bei einem Abend u.a. mit der US-Amerikanerin (die
momentan in Berlin lebt) Lauren Napier und dem Thema „Himmelskörper“. Wir sind
wie immer gespannt und dürfen uns auf einen schönen Abend freuen.
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