Leidenschaft und Sehnsucht – die ultimative Inspiration für die Musik
Es gibt wohl kaum andere
menschliche Empfindungen, die mehr dazu angeregt haben, Lieder zu komponieren
und zu singen als Leidenschaft und Sehnsucht. Mit solch einem Thema kann man
bei den Musikern aus dem Vollen schöpfen.
Und so legte unser Spiritus
Rector John Harrison auch gleich mit
einem Blues los, der von unerwiderter Liebe handelt: „Police Dog Blues“ von
Blind Blake. Auf seiner Resonator Gitarre begleitete John sich dabei mit einer besonderen
Technik, die es ermöglicht, Harmonien mit mehr als sechs Tönen zu erzeugen.
„Rabbit Hills“ lautete danach der Titel des melancholischen Liedes von Michael
Chapman, das, was auch sonst, von der Liebe handelt, einer Liebe, die erst
besungen wurde, nachdem sie bereits vergangen war – sehr traurig.
Lustiger, aber nicht minder
leidenschaftlich ging es danach mit einer Kinderband bestehend aus 7 kleinen
Musikerinnen und Musikern zur Sache. Die Band „Kids For Music Cologne“ (ohne Englisch geht es offenbar nicht)
besteht aus Grundschulkindern aus dem Kölner Süden, die musikalisch unter der
Obhut von Ralf Wackers stehen. Ralf
ist ein alter Bekannter im Folk Club und war schon mehrmals mit seiner Band
Currach bei uns zu Gast. Die Kinder sangen und spielten auf ihren Ukulelen, als
wenn das ihr Alltag wäre. „Der Löwe schläft heut Nacht“ und „Von den blauen
Bergen kommen wir“ regten das Publikum sofort zum Mitsingen an. „Die neue
Schule“ war dem Publikum aber sicherlich neu, denn das Lied hatte ein Kind aus
der Gruppe selbst geschrieben. Für den schönen Auftritt gab es einen
Bombenapplaus, und ich hoffe, kein Geheimnis zu verraten, wenn ich hier schon
mal ankündige, dass die Kinder schon bald, sehr bald, wieder beim Folk Club zu
Gast sein werden.
Als Herzensbrecher betätigten
sich danach die vier Herren Günter
Peters, Mario Dompke, Steve Perry und John Harrison mit dem Lied „Ich
brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n“. Stilecht in Frack und Zylinder
gewandet, natürlich mit dem obligatorischen weißen Schal um den Hals sangen sie
zu Günters Klavierbegleitung den Klassiker, der einst von Heinz Rühmann
unvergleichlich im Film „Fünf Millionen suchen einen Erben“ gesungen wurde. Ob
eine der zahlreichen Besucherinnen schwach geworden ist, wurde uns nicht
überliefert.
Mario blieb gleich auf der Bühne und Uta Schäfer gesellte sich zu ihm. Ulrich Roskis schräges Lied „Gib
mir Feuer“ dichtete Uta gleich in die weibliche Variante um und bat einen
heißen Mann um den Gefallen. Bei Roski ging es noch um Feuer von einer heißen
Frau. Das gefühlvolle „Book of Love“ von Stephin Merritt – geschrieben für die
Gruppe Magnetic Fields, aber bekannt geworden vor allem durch die
Interpretation von Peter Gabriel – sangen beide wunderbar gemeinsam zweistimmig
zu Marios kunstvoller Gitarrenbegleitung. Welch eine schöne Einstimmung auf
unseren nächsten Gast:
Simon Wahl kann sich schon richtig heimisch fühlen im Folk Club,
ist er doch bereits das dritte Mal bei uns. Wir dürfen uns aber im Gegenzug als
besonders geehrt ansehen, denn Simon ist ein echter Profi und bezaubert mit
seinen Gitarrenkünsten, die eine unglaubliche Leichtigkeit ausstrahlen, große
Auditorien. Simon, ein Junge aus Bonn, hat in Linz an der Donau bei Prof.
Michael Langer Konzertgitarre studiert und das Studium 2015 mit Auszeichnung
abgeschlossen. Seither hat es ihn nach Wien verschlagen und er beglückt dort
seine Schüler. Ganz nebenbei geht er auf Tourneen und hat für das laufende Jahr
über 30 Konzerte und Workshops auf seinem Programmzettel. Wer ihn beim Folk
Club verpasst hat oder nicht genug von seiner Musik kriegen kann (oder beides)
kann ihn am 30. April im Kulturzentrum Altes Rathaus bei der Oberkasseler
Matinee in Bonn-Oberkassel hören – nichts wie hin!
Über die Stücke an sich habe ich
noch gar nichts geschrieben – nun, über Instrumentalstücke zu schreiben, ist
nicht ganz einfach. Man muss sie einfach hören. Ich kann sie nicht besser
beschreiben als der Text über Simons Musik in der Ankündigung der Oberkasseler
Matinee:
„Die Konzerte von Simon Wahl sind ein Genuss für die Seele,
er wird als ‚Meister der Melodien’ bezeichnet und lässt die Hörer in
andere Welten eintauchen. ... Schon einmal Bass Slapping, Percussion,
Fingerpicking und Melodiespiel auf einer Gitarre gleichzeitig gehört? Als
‚One Man Band’ verbindet Simon Wahl virtuose
Rhythmen mit gefühlvollen Melodien und entwickelt seinen eigenen Stil,
einen Crossover von Pop, Rock, Hip Hop und Flamenco. Er entlockt aus
seiner Gitarre neue Töne und Geräusche, die man nicht einer einzigen
Gitarre zuordnen würde. Was bleibt, ist Zuhören, Genießen und Staunen.“
Ja, genauso war es. Der Saal war
mucksmäuschenstill, die Zuhörer schienen atemlos entrückt, und Simons Finger
und sonstige Bestandteile seiner Hände hüpften scheinbar mühelos und unfehlbar
zielsicher über Saiten, Gitarrenhals und ‑korpus und zauberten Melodien und
perkussive Rhythmen, als hätte man eine Gruppe von Musikern vor sich.
Die Namen der Stücke? Sie
lauteten: Fernweh, Take it Easy, Passione, Hoffnung, Déja vu, Auf geht’s. Dies
waren die Stücke aus eigener Feder. Zusätzlich gab es noch einige
Interpretationen von Liedern anderer Meister: Minor Swing (Django Reinhard),
eine Kombination von All You Need is Love und Ealeanor Rigby (Beatles) und
zuletzt Guitar Boogie von Arthur Smith. Am Ende standen nur noch tobender Applaus
und die besten Wünsche für Simons weitere Karriere.
Kann man nach solchen
Lobeshymnen eigentlich noch über die weiteren Künstler des Abends schreiben?
Man kann, und das bewiesen gleich nach Simon die TangoMusen, eine aus vier Musikerinnen bestehenden
Frauenband aus Hennef, Eitorf und Umgebung, die sich dem Tango verschrieben
haben. „La Cumparsita“ (Der Karnevalsumzug) ist eine der klassischen
Tangomelodien aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, die quasi die zweite Hymne
Uruguays darstellt. Mit den Instrumenten Klarinette (Katalin van Riesen),
Cello (Sibylle Wollersheim), Akkordeon (Claudia Meyendriesch) und
Saxophon (Karin Hüsken) ist die Truppe wunderbar besetzt und zauberte
vom Start weg eine tolle Stimmung, bei der nur eins fehlte: Tanzpaare, die in
erotischen Figuren lasziv über die Bühne schwebten. Aber genug der
ausschweifenden Männerfantasien, weiter mit Musik. „Suerte Negra“ (Schwarzes
Schicksal) einst in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gesungen vom
legendären Carlos Gardel, ist ein Vals, also ein Walzer im ¾ Takt, der ebenso
wie der Tango und die Milonga zu den typischen Musik-Stilrichtungen Uruguays
und Argentiniens gehört. Natürlich geht es im Lied um Liebe und Sehnsucht –
aber wir bekamen „nur“ die instrumentale Variante zu hören. Mit „Olé Guapa“
(Hallo Schöne!) setzten die Musen ihren Reigen der Tangoklassiker fort. „Besame
Mucho“ (Küss mich ganz doll!) ist zwar südamerikanisch, aber kein Tango. Das
Lied, eines der meistgesungenen und -gespielten der Welt, stammt aus Mexiko und
ist ein Bolero. Ein weiterer Tangoklassiker hingegen ist „El Choclo“ (Der
Maiskolben) aus dem Jahr 1903. Der Titel weist angeblich auf den Spitznamen
eines Nachtklubbesitzers in Buenos Aires hin. „Nomade“ ist ein neuerer Tango
von Juan Maria Solare, einem Argentinier, der Anfang der neunziger Jahre zu
einem Aufbaustudium, man glaubt es kaum, an die Kölner Musikhochschule kam und
in Deutschland hängen blieb. Er lebt jetzt teils in Bremen, teils in Köln und
ist nun selbst Hochschullehrer. Das Stück hat Solare speziell für sie
geschrieben – welch eine Ehre! Und eurem Chronisten hat dieses leicht
melancholische und sehr zarte Stück auch wirklich am besten von allen Stücken
der TangoMusen gefallen. Etwas für das Publikum war „Kriminal Tango“ von Hazy
Osterwald, das ab 1959 mit Ralf Bendix als Hauptsänger die deutschen Radiohörer
begeisterte – das Lied begeistert noch immer, und alle sangen fleißig mit. Dass
tolle Tangos auch aus dem Norden kommen können, bewiesen die Musen mit „Satumaa“ (Das Märchenland), einem Tango des
finnischen Komponisten Unto Mononen. Was euer Chronist auch erst jetzt aus dem
allwissenden Internet erfahren hat: Tangotanzen ist in Finnland so eine Art
Volkssport, und das bietet natürlich auch eine Basis für Komponisten. Mononen,
der sich traurigerweise mit 37 Jahren im Jahre 1968 das Leben nahm, ist eine
Ikone unter den Tangoschöpfern Finnlands. Die TangoMusen waren eine Wucht und
erhielten einen Riesenapplaus. Vielleicht dürfen wir ja auf eine Neuauflage des
Konzerts hoffen.
Wenn Ihr glaubt, mit dieser
Fülle an toller Musik sei der Abend ausreichend bestückt gewesen, habt ihr euch
getäuscht. Mit einer neu formierten Gruppe von Musikern, die im Folk Club
bereits gut bekannt sind, ging es weiter: Die „Passionate Penguins“ bestehend aus den vier Pinguinen Nick Nuttall (Gesang), Christian Schuster und Thomas Monnerjahn (Gitarre und Gesang)
und John Hay (Percussion und Gesang)
wagten sich bei ihrem Auftritt an zwei Lieder, die von Amy Winehouse in
unnachahmlicher Weise gesungen worden waren: Bei „Back to Black“ und „Valerie“
bewiesen sie, dass sie den Liedern eine ganz eigene Note zu geben vermochten.
Nick und Christian wechselten sich beim Leadgesang ab, und die übrigen ergänzten
mit mehrstimmiger Begleitung – wunderbar. Die Jungs haben es wirklich drauf.
Thomas krönte die Vorstellung zudem mit einem brillanten Gitarrensolo bei
„Valerie“. Das Set wurde beschlossen mit der pinguinischen Version von „Caravan
of Love“, einem Lied ursprünglich von den Isley Brothers und später neu
interpretiert von den „Housemartins“ aus Kingston upon Hull in Nordengland. Die
Version der Pinguine überzeugte das Publikum, und sie bekamen einen
Riesenapplaus – bravo Ihr Pinguine!
Mein Bericht gibt nicht genau
die Abfolge der Auftritte wieder, da Simon Wahl und die TangoMusen je ein Set
vor und nach der Pause hatten. Dadurch ist beinahe das bezaubernde Lied unter
den Tisch gefallen, mit dem Barry Roshto
die Zuhörer nach der Pause wieder auf die Musik einstimmte. „Have I Told You
Lately“ sang Barry zur eigenen Begleitung auf dem Klavier – ein wunderschönes
Liebeslied von Van Morrison, dessen Interpretation von Rod Stewart bekannter
ist. Barry braucht sich mit seiner Version hinter denen der Stars aber nicht zu
verstecken.
Ja und dann kamen noch die drei
roten Pfosten. „Red Peg“ nennt sich
die Gruppe bestehend aus Wolfgang Koch
(Gesang), Rolf Funken und Wolfgang Schmeil (Gitarren und
Begleitgesang). Das Lied „Solsbury Hill“ von Peter Gabriel aus dem Jahre 1977
beschreibt eine spirituelle Erfahrung beim Aufstieg auf einen Hügel in der Grafschaft Somerset im englischen Südwesten, auf dem sich ein vorgeschichtliches Denkmal befindet.
Wolfgang Koch gab dem Lied mit seiner tollen, kräftigen Stimme die Seele und
die beiden Gitarristen rundeten es gekonnt ab. Was vielleicht manch ein
Musikfan beim Hören des Stückes nie mitbekam: Wer aufmerksam den Takt mitzählt,
stellt fest, dass das Stück im wenig gebräuchlichen 7/8 Takt geschrieben ist.
Ganz am Ende geht es dann in einen Takt mit gerader Schlagzahl über. „Chasing
Cars“ von Snow Patrol ist nach Wolfgang K.s Meinung das gezähmteste
Leidenschafts-, Liebes-, Ich-verzehr-mich-nach-dir-Lied, das er kenne. Ganz
britisch also. Red Peg brachten diese Sehnsucht gekonnt zum Ausdruck. Den
Abschluss ihres Sets bildete das U2-Lied „Still Haven’t Found What I’m Looking
For“, auch ein Lied über wahre Leidenschaft. Das Publikum ließ es sich nicht
nehmen, den Refrain mitzusingen – ebenfalls wahre Leidenschaft.
Echte Leidenschaft bewiesen alle
Musiker und das Publikum am Ende auch beim traditionellen Rausschmeißer, dem
ollen Schotten Jock Stewart, the man you don’t meet every day.
So ging wieder ein wunderbarer
Abend mit vielen musikalischen Edelsteinen zu Ende, und wir dürfen uns auf die
79. Ausgabe des Folk Club Bonn am 7. April 2017 freuen, bei der wir als
Featured Artists das Duo „Seltsam“ alias Wolle Moses und Holger Förschler
erwarten.
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