Sonntag, 25. Februar 2018

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 88 am 2. Februar 2018


Folk Club Bonn am 2. Februar 2018 – Alt und Neu

Richtig alt ist der Folk Club nicht, aber da wir nun seit acht Jahren erfolgreich unterwegs sind, kann man auch nicht mehr von „neu“ sprechen. Immerhin, der Folk Club ist eine feste Größe im Bonner Musikleben, und obwohl der General-Anzeiger zum wiederholten Mal unsere Terminankündigung nicht abgedruckt hatte, war die Bude wieder gut gefüllt. Für viele Gefolgsleute ist der erste Freitag im Monat offenbar inzwischen ein fest eingeplanter Termin – welch eine Ehre!
Nun, da Lieder entweder alt oder neu sind, war es diesmal kinderleicht, einen Beitrag zum Motto zu finden – schlichtweg alle Beiträge passten.
John Harrison packte gleich die Gelegenheit beim Schopf und steuerte für sein Aufwärmprogramm ein paar ältere Lieder bei, die sich in früheren Ausgaben des Folk Clubs bereits bewährt hatten. Dazu bespielte er seine schöne Resonator-Gitarre. Mit „Police Dog Blues“ von Blind Blake (aus dem Jahre 1929, also durchaus alt) startete er den Abend, kündigte das Lied aber als „Rabbit Hills“ an. Das war vermutlich ein kleiner Test des Publikums, den dieses aber nur höchstens mit einer Vier bestanden hatte. Niemand protestierte, und erst als John seinen kleinen Versprecher beim nächsten Lied zugab, erntete er verlegenes Lachen der Zuhörer. Nun also ging’s tatsächlich weiter mit „Rabbit Hills“ von Michael Chapman, einem Lied, das einen Liebesnachmittag irgendwo an der englischen Küste beschreibt. Das Lied von „Stagger Lee und Billy Lyons“ ist ein alter amerikanischer Song über einen Mord, den der Zuhälter Stagger Lee (es gibt auch andere Schreibweisen wie Stack O’Lee oder Stagolee) an seinem Kumpan Billy Lyons beim Streit über eine Nichtigkeit beging. Das Lied basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit. Der Mörder wurde zwar gefasst, aber nur zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und nach einigen Jahren begnadigt. Wegen weiterer Delikte kam er erneut hinter Gittern und starb dort an Tuberkulose. Im Lied aber, da mag man es drastischer, da baumelte er am Ende am Galgen, der Bösewicht.
Auch in der Bibel mangelt es nicht an drastischen Schilderungen, und die Posaunen von Jericho gehören sicherlich dazu. Unser fleißiger Gedichte-Rezitator Gert Müller präsentierte die Geschichte in der Reim-Version, die sein Freund Ferdinand Böhm in Bonner Platt aufgeschrieben hat. Dort heißt die Geschichte „De Tröten vun Jericho“ – köstlich!
Wolfgang Schriefer spielte sich mit „Something’s Gotten Hold of My Heart“ (bekannt geworden in der Version von Gene Pitney im Jahre 1967) seine Liebesgefühle für seine Frau von der Seele. Er könne sich immer wieder neu in seine Frau verlieben, kommentierte er seinen Beitrag – wie schön, dass es so etwas gibt.
Als erste der beiden Featured Artists-Gruppen des Abends stiegen „Seltsam“ alias Holger Förschler und Wolle Moses in den Ring, die bereits im April vorigen Jahres im Folk Club zu Gast waren. Begleitet mit Gitarre (Wolle) und diversen Blasinstrumenten (Holger) starteten sie ihren Auftritt mit einem furiosen Medley aus den Stücken „Only for a Smile/Missing You/Living Woman“. Während Wolle vor allem durch seine charakteristische und voluminöse Stimme glänzte, bestach Holger mit seinen virtuos gespielten Blasinstrumenten. Tenorsaxophon, Sopransaxophon und Querflöte kamen zum Einsatz – toll! „Stories in the Garden“ schildert die bemerkenswerte Lebensgeschichte des Onkels. Leicht melancholisch klang das Lied „But My Heart Will Cry“ und „You C“ ist ein Lied speziell für Wolles Frau. Wolle und Moses sind wirklich bemerkenswert mit unkonventioneller, selbst geschriebener Musik, mit ihren vielseitigen Instrumenten und mit beeindruckender Bühnenpräsenz. Viel Erfolg für euch!
Ebenfalls nicht ganz unbekannt im Folk Club sind die „Folkscheuchen“ alias Jan Hoffmann (Gitarre und Gesang) und Volker Lindner (Geige und Bouzouki). Teils instrumental, teils mit Gesang fegten sie mit ihren Stücken durch den Saal. Dabei ist vor allem die Instrumentalisierung mit Geige ein besonderes Schmankerl. Neben der Wahl der Instrumente sind auch die Arrangements ihrer Lieder eine spritzige Wanderung zwischen Folk und Rock. Den Start machten die Folkscheuchen mit einem traditionellen jüdischen Stück namens „Scherele“, das aber von einem Intro aus der Rock-Sphäre eingeleitet wurde. „Heldentat“ beschreibt eine Zeit , die noch vor den Hausbesetzungen lag. Auf die bekannte Melodie von „Hava Nagila“ dichteten sie ein sehr schräges und witziges Lied über Udo-Achim, den man eigentlich lieber nicht beim ersten Date mit Clara dabei haben möchte. Ziemlich bizarr war dann der Text des Liedes „Zug nach Flensburg“. Offenbar ging es nur darum, in die Nähe des bekannten Bieres mit dem „Plopp“ zu kommen. Auch bei „Urlaubsangst“ geht es um verquere Gefühle bei einem Ereignis, das doch eigentlich angenehm sein sollte. Zum Schluss, aber nicht ganz zum Schluss, gab es das Instrumental „Drowsy Maggie“, einen traditionellen irischen Reel, also einen Tanz. Die beiden konnten dabei ihr ganzes instrumentales solistisches Können ausspielen. Eine letzte Zugabe vereinigte „Orange Blossom Special“ von Erwin T. Rouse  mit dem Jethro Tull-Hit „Locomotive Breath“, ein wilder Mix und ein großer Spaß – Applaus für die Folkscheuchen.
Mit einer kleinen Einlage garnierte Jutta Mensing ihre Ankündigungen für Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef. Aus einem alten Liederbuch hatte sie das Lied „Es reitet der Herr von Falkenstein“ mitgebracht. Jutta ist wirklich beeindruckend. Mit ihrer schönen, klaren Stimme singt sie das Lied ohne Instrumentalbegleitung. Das Lied beschreibt die Liebe einer jungen Frau, die durch ihre Standhaftigkeit den Herrn so beeindruckt, dass er ihr seinen Gefangenen freigibt.
Ebenfalls beeindruckend präsentierte sich Holger Riedel, der seinen Floor Spot mit dem Beatles-Loblied auf das Rentnerdasein „When I’m 64“ startete. Das spornte die Zuhörerschaft natürlich zum Mitsingen an. Christoph Thiebes, John Harrisons Kollege bei der Nachtwächterarbeit, begleitete Holger danach beim Lied „Working Class Hero“ auf der Mundharmonika. Noch mehr Verstärkung durch Uta Schäfer, John Harrison, Mario Dompke und Christoph Thiebes erhielt Holger schließlich beim Skiffle-Song (stilecht begleitet von Utas Waschbrett) „Mama Don’t Allow“ – ein herrlicher Spaß.
Schon einmal für den Folk Club angekündigt, aber dann wegen Krankheit abgesagt, und nun tatsächlich hier war Juhana Iivonen aus Finnland. Mit seiner ganz ruhigen und bedächtigen Art stand er in kompletten Gegensatz zu den vorherigen Beiträgen. „Two Little Rooms“ war das erste Lied aus einer Serie von drei Stücken, die vor rund zehn Jahren in einem Rutsch entstanden waren, eine melodische Ballade mit unverschnörkelter und klarer Gitarrenbegleitung. Eine bezaubernde Liebesgeschichte beschreibt „Dream We Lived“. Juhana hat sie in eine berückende Melodie mit schönen Tonartwechseln gewandet. Man muss das Lied tatsächlich mehrmals hören, um seine Schönheit wahrzunehmen – mein Lieblingsstück von Juhana. „Break the Chain“ beschreibt, wie zwei Leute sich in der Eisenbahn begegnen. Die hin- und herschwingende Melodie untermalt die Geschichte perfekt. Natürlich durfte auch ein Lied in finnischer Sprache nicht fehlen. Juhana verriet uns leider den Titel nicht, aber schön war’s. „Shine On“ beschreibt das Elend der reisenden Musiker, die ihren Beruf nur schwer mit einer funktionierenden Beziehung kombinieren können. „A Native One“ beschreibt die Situation, dass man so lebt, wie man geboren ist. „Fill This Room“ ist ein Lied über den Paten von Juhanas Sohn, der leider viel zu früh sterben musste. Das Lied spiegelt die Vorliebe des Verstorbenen für Punk Music wider. Auch „Hardly Knew My Name“ hat mit dem zu früh Verstorbenen Freund zu tun, ist aber eine ruhige und besinnliche Ballade. Natürlich durfte Juhana nicht ohne Zugabe gehen. „Taxi Drive“ lautete der Titel. Riesenapplaus für Juhana und seine Musik.
Damit endete wieder ein vielseitiger und unterhaltsamer Abend mit schönen und kunstvollen Beiträgen. Aber es ging natürlich nicht ohne den Abschied mit Jock Stewart, dem alten Schotten, „A man you don’t meet every day“.
Auf Wiedersehen am 2. März diesmal mit einer Singers’ Night.

Sabines Bilder vom Folk Club Nr. 88 am 2. Februar 2018

John Harrisons Resonator Gitarre

John Harrison



Gert Müller


Wolfgang Schriefer


Holger Förschler

Wolle Moses

Jan Hoffmann

Volker Lindner



Juhana Iivonen



Jutta Mensing


Holger Riedel








Christoph Thiebes



John, Holger, Christoph, Uta, Mario




Seltsam, alias Wolle und Holger
















Die Folkscheuchen

Steve Perry und Bob Marabito mit dem aufmerksamsten und ruhigsten Konzertbesucher




Jock Stewart am Ende des Abends