Folk Club Bonn am 2. Februar 2018 – Alt und Neu
Richtig alt ist der Folk Club
nicht, aber da wir nun seit acht Jahren erfolgreich unterwegs sind, kann man
auch nicht mehr von „neu“ sprechen. Immerhin, der Folk Club ist eine feste
Größe im Bonner Musikleben, und obwohl der General-Anzeiger zum wiederholten
Mal unsere Terminankündigung nicht abgedruckt hatte, war die Bude wieder gut
gefüllt. Für viele Gefolgsleute ist der erste Freitag im Monat offenbar
inzwischen ein fest eingeplanter Termin – welch eine Ehre!
Nun, da Lieder entweder alt oder
neu sind, war es diesmal kinderleicht, einen Beitrag zum Motto zu finden –
schlichtweg alle Beiträge passten.
John Harrison packte gleich die Gelegenheit beim Schopf und
steuerte für sein Aufwärmprogramm ein paar ältere Lieder bei, die sich in
früheren Ausgaben des Folk Clubs bereits bewährt hatten. Dazu bespielte er
seine schöne Resonator-Gitarre. Mit „Police Dog Blues“ von Blind Blake (aus dem
Jahre 1929, also durchaus alt) startete er den Abend, kündigte das Lied aber als
„Rabbit Hills“ an. Das war vermutlich ein kleiner Test des Publikums, den
dieses aber nur höchstens mit einer Vier bestanden hatte. Niemand protestierte,
und erst als John seinen kleinen Versprecher beim nächsten Lied zugab, erntete
er verlegenes Lachen der Zuhörer. Nun also ging’s tatsächlich weiter mit
„Rabbit Hills“ von Michael Chapman, einem Lied, das einen Liebesnachmittag
irgendwo an der englischen Küste beschreibt. Das Lied von „Stagger Lee und
Billy Lyons“ ist ein alter amerikanischer Song über einen Mord, den der
Zuhälter Stagger Lee (es gibt auch andere Schreibweisen wie Stack O’Lee oder
Stagolee) an seinem Kumpan Billy Lyons beim Streit über eine Nichtigkeit
beging. Das Lied basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit. Der Mörder wurde
zwar gefasst, aber nur zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und nach einigen
Jahren begnadigt. Wegen weiterer Delikte kam er erneut hinter Gittern und starb
dort an Tuberkulose. Im Lied aber, da mag man es drastischer, da baumelte er am
Ende am Galgen, der Bösewicht.
Auch in der Bibel mangelt es
nicht an drastischen Schilderungen, und die Posaunen von Jericho gehören
sicherlich dazu. Unser fleißiger Gedichte-Rezitator Gert Müller präsentierte die Geschichte in der Reim-Version, die
sein Freund Ferdinand Böhm in Bonner Platt aufgeschrieben hat. Dort heißt die
Geschichte „De Tröten vun Jericho“ – köstlich!
Wolfgang Schriefer spielte sich mit „Something’s Gotten Hold of My
Heart“ (bekannt geworden in der Version von Gene Pitney im Jahre 1967) seine
Liebesgefühle für seine Frau von der Seele. Er könne sich immer wieder neu in
seine Frau verlieben, kommentierte er seinen Beitrag – wie schön, dass es so
etwas gibt.
Als erste der beiden Featured
Artists-Gruppen des Abends stiegen „Seltsam“
alias Holger Förschler und Wolle Moses in den Ring, die bereits im
April vorigen Jahres im Folk Club zu Gast waren. Begleitet mit Gitarre (Wolle)
und diversen Blasinstrumenten (Holger) starteten sie ihren Auftritt mit einem
furiosen Medley aus den Stücken „Only for a Smile/Missing You/Living Woman“.
Während Wolle vor allem durch seine charakteristische und voluminöse Stimme
glänzte, bestach Holger mit seinen virtuos gespielten Blasinstrumenten.
Tenorsaxophon, Sopransaxophon und Querflöte kamen zum Einsatz – toll! „Stories
in the Garden“ schildert die bemerkenswerte Lebensgeschichte des Onkels. Leicht
melancholisch klang das Lied „But My Heart Will Cry“ und „You C“ ist ein Lied
speziell für Wolles Frau. Wolle und Moses sind wirklich bemerkenswert mit
unkonventioneller, selbst geschriebener Musik, mit ihren vielseitigen
Instrumenten und mit beeindruckender Bühnenpräsenz. Viel Erfolg für euch!
Ebenfalls nicht ganz unbekannt
im Folk Club sind die „Folkscheuchen“
alias Jan Hoffmann (Gitarre und
Gesang) und Volker Lindner (Geige
und Bouzouki). Teils instrumental, teils mit Gesang fegten sie mit ihren
Stücken durch den Saal. Dabei ist vor allem die Instrumentalisierung mit Geige
ein besonderes Schmankerl. Neben der Wahl der Instrumente sind auch die
Arrangements ihrer Lieder eine spritzige Wanderung zwischen Folk und Rock. Den
Start machten die Folkscheuchen mit einem traditionellen jüdischen Stück namens
„Scherele“, das aber von einem Intro aus der Rock-Sphäre eingeleitet wurde.
„Heldentat“ beschreibt eine Zeit , die noch vor den Hausbesetzungen lag. Auf
die bekannte Melodie von „Hava Nagila“ dichteten sie ein sehr schräges und
witziges Lied über Udo-Achim, den man eigentlich lieber nicht beim ersten Date
mit Clara dabei haben möchte. Ziemlich bizarr war dann der Text des Liedes „Zug
nach Flensburg“. Offenbar ging es nur darum, in die Nähe des bekannten Bieres
mit dem „Plopp“ zu kommen. Auch bei „Urlaubsangst“ geht es um verquere Gefühle
bei einem Ereignis, das doch eigentlich angenehm sein sollte. Zum Schluss, aber
nicht ganz zum Schluss, gab es das Instrumental „Drowsy Maggie“, einen
traditionellen irischen Reel, also einen Tanz. Die beiden konnten dabei ihr
ganzes instrumentales solistisches Können ausspielen. Eine letzte Zugabe
vereinigte „Orange Blossom Special“ von Erwin T. Rouse mit dem Jethro Tull-Hit „Locomotive Breath“,
ein wilder Mix und ein großer Spaß – Applaus für die Folkscheuchen.
Mit einer kleinen Einlage
garnierte Jutta Mensing ihre
Ankündigungen für Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef. Aus einem alten
Liederbuch hatte sie das Lied „Es reitet der Herr von Falkenstein“ mitgebracht.
Jutta ist wirklich beeindruckend. Mit ihrer schönen, klaren Stimme singt sie
das Lied ohne Instrumentalbegleitung. Das Lied beschreibt die Liebe einer
jungen Frau, die durch ihre Standhaftigkeit den Herrn so beeindruckt, dass er
ihr seinen Gefangenen freigibt.
Ebenfalls beeindruckend
präsentierte sich Holger Riedel, der
seinen Floor Spot mit dem Beatles-Loblied auf das Rentnerdasein „When I’m 64“
startete. Das spornte die Zuhörerschaft natürlich zum Mitsingen an. Christoph Thiebes, John Harrisons
Kollege bei der Nachtwächterarbeit, begleitete Holger danach beim Lied „Working
Class Hero“ auf der Mundharmonika. Noch mehr Verstärkung durch Uta Schäfer, John Harrison, Mario Dompke
und Christoph Thiebes erhielt Holger
schließlich beim Skiffle-Song (stilecht begleitet von Utas Waschbrett) „Mama
Don’t Allow“ – ein herrlicher Spaß.
Schon einmal für den Folk Club
angekündigt, aber dann wegen Krankheit abgesagt, und nun tatsächlich hier war Juhana Iivonen aus Finnland. Mit seiner
ganz ruhigen und bedächtigen Art stand er in kompletten Gegensatz zu den
vorherigen Beiträgen. „Two Little Rooms“ war das erste Lied aus einer Serie von
drei Stücken, die vor rund zehn Jahren in einem Rutsch entstanden waren, eine
melodische Ballade mit unverschnörkelter und klarer Gitarrenbegleitung. Eine
bezaubernde Liebesgeschichte beschreibt „Dream We Lived“. Juhana hat sie in
eine berückende Melodie mit schönen Tonartwechseln gewandet. Man muss das Lied
tatsächlich mehrmals hören, um seine Schönheit wahrzunehmen – mein
Lieblingsstück von Juhana. „Break the Chain“ beschreibt, wie zwei Leute sich in
der Eisenbahn begegnen. Die hin- und herschwingende Melodie untermalt die
Geschichte perfekt. Natürlich durfte auch ein Lied in finnischer Sprache nicht
fehlen. Juhana verriet uns leider den Titel nicht, aber schön war’s. „Shine On“
beschreibt das Elend der reisenden Musiker, die ihren Beruf nur schwer mit
einer funktionierenden Beziehung kombinieren können. „A Native One“ beschreibt
die Situation, dass man so lebt, wie man geboren ist. „Fill This Room“ ist ein
Lied über den Paten von Juhanas Sohn, der leider viel zu früh sterben musste.
Das Lied spiegelt die Vorliebe des Verstorbenen für Punk Music wider. Auch
„Hardly Knew My Name“ hat mit dem zu früh Verstorbenen Freund zu tun, ist aber
eine ruhige und besinnliche Ballade. Natürlich durfte Juhana nicht ohne Zugabe
gehen. „Taxi Drive“ lautete der Titel. Riesenapplaus für Juhana und seine
Musik.
Damit endete wieder ein
vielseitiger und unterhaltsamer Abend mit schönen und kunstvollen Beiträgen.
Aber es ging natürlich nicht ohne den Abschied mit Jock Stewart, dem alten
Schotten, „A man you don’t meet every day“.
Auf Wiedersehen am 2. März
diesmal mit einer Singers’ Night.