Folk Club
Nummer 93 am 6. Juli – A capella
Die Erfahrung zeigt, dass die menschliche Stimme das
„Instrument“ ist, das die Zuhörer am meisten fasziniert. Jegliches andere
Instrument kann vom Publikum als Hintergrundkulisse empfunden werden, der
Gesang steht immer im Mittelpunkt und fesselt unmittelbar. Daher ist es nur
logisch, einen Abend diesem schönsten aller Musikinstrumente zu widmen. Der
Zuspruch der Akteure war großartig. Unsere Cheforganisatoren hatten nicht die
geringste Mühe, ein opulentes Programm zusammenzustellen, bei dem der a
capella-Gesang im Mittelpunkt stand. Zwar nicht genau passend zum Thema aber
nicht minder faszinierend und zudem außergewöhnlich für den Folk Club war eine
Stepptanztruppe, die ein Feuerwerk der guten Laune abbrannte.
Aber wie immer, der Reihe nach. John Harrison eröffnete den Abend – ja natürlich wieder mit dem
Urschrei – aber danach mit dem schönen Lied “The Berry Fields of Blair“, das
die Atmosphäre der Beerenernte im schottischen Ort Blairgowrie schildert.
Dorthin kamen früher zur Sommerzeit alljährlich zahlreiche Menschen aus allen
Teilen Schottlands, um sich ein bisschen zusätzliches Geld mit dem Pflücken von
Beeren zu verdienen. Belle Stewart schrieb dieses Lied und sang es auch
unnachahmlich. Aufnahmen von ihrem Gesang kann man bei Youtube bewundern. John
machte seine Sache aber auch sehr ordentlich, nur mit dem schottischen Dialekt
haperte es etwas. Dafür braucht man nun einmal einen richtigen Schotten.
Dialekte nachzuempfinden ist so eine Sache. Nicht jeder ist so talentiert wie
Konrad Beikircher, aber selbst dessen Fähigkeit in Bezug auf die rheinische
Mundart wird von Fachleuten angezweifelt. Richtigen Bonner Dialekt gibt es aber
bei uns zu hören, dazu später. Bevor es im Programm weiterging, erinnerte John
an unseren treuen Gefolgsmann Dieter
Faring, der den Folk Club bei zahlreichen Auftritten mit dem Vortrag
eigener Gedichte und Gedichten von deutschen Lyrikgrößen wie Ringelnatz,
Morgenstern, Novalis und Rilke bereichert hatte. Dieter war einige Tage zuvor
am 20. Juni 2018 für uns alle sehr überraschend einem Krebsleiden erlegen. Bei
seiner Beisetzung am 10. Juli wurde ihm von einer Gruppe aus dem Folk Club ein
musikalischer Abschiedsgruß dargebracht.
Speziell für Dieter war auch das Gedicht gedacht, das John
danach rezitierte. „If“ von Rudyard Kipling gilt als eines der wichtigsten und
meistrezitierten Gedichte in englischer Sprache. Es ist die Zusammenfassung der
Wünsche eines Vaters an seinen Sohn auf dem Weg zum Manne.
Nach den etwas tiefsinnigeren Elementen durfte auch der
Humor wieder zu seinem Recht kommen. „Molly Malone“ ist auch ohne
Instrumentalbegleitung ein schönes Lied. Er wurde bei den Refrains tatkräftig
vom Publikum unterstützt. Aber es zeigt sich, dass ein Instrument doch eine
gute Stütze für die Tonalität ist. A capella-Gesang, und dann noch ganz allein,
ist letztlich die hohe Schule, die John dann doch wunderbar meisterte.
Gert Müller
widmete sich im Anschluss daran seinem Lieblingsmetier: witzigen Gedichten in
Bonner Sprache alias Bönnsch Plaat. Der Verfasser der Gedichte ist Ferdinand
Böhm. Diesmal wurden Hoffmanns Erzählungen aufs Korn genommen – zum Piepen.
Regine
Perry-Mertens und Ihr Mann Steve
spannten das Publikum bei Ihrem Kanon „I Like the Flowers“ ein. Und auch für
die ganz frommen Sachen ist das Publikum zu haben. Jedenfalls klang das Taizé-Stück
„Magnificat anima meum“ mit dem „Folk Club-Publikum All Stars Chor“ gar nicht
schlecht.
Die Altistin Schirin
Partowi gibt in Bonn Gesangsunterricht in mehreren Gruppen. Zum Abschluss
des Frühjahrskurses hatte sie sich mit ihren Schülern für einen Auftritt
angemeldet, um einige der Lieder zu präsentieren, die im Unterricht geübt
worden waren. Den Beginn machte das witzige Lied „La Marmotte“. Der Hintergrund
für das Lied sind Kinder aus dem damals sehr armen Savoyen, die im 18. und 19.
Jahrhundert von ihren Eltern zum Betteln nach Norden geschickt wurden. Mit
dressierten Murmeltieren (marmotte) und Liedern versuchten sie dem Publikum
einige Kreuzer zu entlocken. Das waren noch Zeiten, als man in der Schweiz so arm
war, dass man Betteln gehen musste. Heute würde man eher in die andere Richtung
zum Betteln wandern. Was uns das Lied nicht ohne Weiteres verrät, ist seine
Urheberschaft. Keine Geringeren als die Herren Goethe und van Beethoven haben
Text und Melodie geschrieben. Vielen bekannt dürfte das Lied „Greensleeves“
sein, ein englisches Liebeslied aus der Zeit der Renaissance. Die Person, die
das Lied singt, hat es aber mit der angebeteten Lady Greensleves nicht leicht.
Ebenfalls aus der Epoche um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert stammt das
Madrigal „Come Again“ von John Dowland. Wunderbar ist darin die Schmachtpassage
mit den sich gegenseitig jagenden Stimmen. Ebenfalls recht alt aber in
modernerem Chorsatzgewand ist das schwedische Lied „Uti var hage“ (Draußen im
Garten), ebenfalls ein Liebeslied. Der Satz von Felizitas Kuckuck, einer
Schülerin Paul Hindemiths, ist nicht von 1914, wie Schirin verkündete. 1914 war
das Geburtsjahr der Künstlerin, der Satz entstand sehr viel später. Die Stimmen
sind sehr kunstvoll ineinander verschlungen und geben dem Lied etwas
Schwebendes.
An Lieder von Gerd
Schinkel ohne Gitarrenbegleitung muss man sich erst gewöhnen. Euer Chronist
hatte den Eindruck, dass Gerd sich auch erst daran gewöhnen musste, ganz allein
mit seiner Stimme und ohne die helfende Gitarre seine Lieder zu präsentieren.
Aber alle Achtung, es ging wirklich gut. „Nichts ist ideal“ ist ein witziger
Titel (aus den Namen der neue deutsche Welle-Gruppen „Nichts“ und „Ideal“
zusammengefügt), aber ernst gemeint und dem „Heimat Horst“ gewidmet. Beim Lied
„Aneli“ über Gerds adoptierte Tochter, die aus Korea stammt, hat sich Gerd von
einem Lied Tom Paxtons inspirieren lassen, das dieser über seine Tochter Katy
geschrieben und gesungen hatte. Auch „geklaut“ ist das dritte Lied, das auf Doc
Watsons „Mama Don’t like no Music in Here“ basiert. Gerd macht daraus „Papa
will keinen Zigarettenqualm im Haus“. Ok, den will der Folk Club auch nicht,
und damit waren wir sogar der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen einen
guten Schritt voraus.
Note für Note ein Genuss gab’s danach im Friseursalon von note-4-note. Die Damen des Quartetts haben
sich der Barbershop-Musik verschrieben und hatten bereits im vorigen Dezember
einen furiosen Auftritt im Folk Club. Miriam, Claudia, Regine und Monika sangen
auf der Suche nach dem Märchenprinzen (mit dem Frosch hatte es nicht
funktioniert) „Come Knock On My Door“. Bei solch einem Sirenengesang müsste es
eigentlich flutschen, wer weiß. Der Klassiker „Dream a Little Dream of Me“
eignet sich perfekt für einen herrlichen Barbershop-Satz, den die vier mit
Bravour meisterten. „Come Fly With Me“, bekannt unter anderem in der
unnachahmlichen Version mit Frankieboy, geht auch als Barbershop-Version, und
note-4-note braucht sich damit nicht hinter Herrn Sinatra zu verstecken (der
war ja auch allein). Als Zugabe gab es danach eine kleine Lehrstunde über
Kaffee- und Teesorten („I Love Coffe, I Love Tea“) – wunderbar. Wir hoffen auf
eine weitere Expansion eures Repertoires, die im Folk Club getestet werden
muss.
An sich sollte es ja ein Abend werden, der ausschließlich
dem Gesang gewidmet war. Dass man aber auch mit Füßen und Händen „singen“ kann,
zeigte uns eindrucksvoll Petra Pickert
mit ihrer Steptanzgruppe. Ohne
sonstige Musik legte die Gruppe zwei fetzige und gekonnte rhythmische
Tanzstücke hin. Die Titel lauteten „Shim, Sham“ und „Rhythm Tap“. Der Saal war
begeistert. Beim dritten Stück, dem
bekannten „Cup Song“ von Pitch Perfect, gab es dann noch gesangliche
Unterstützung. Zudem hexten drei Mädels im Hintergrund mit den Bechern –
Riesenapplaus vom Publikum für Petra Pickert und ihre Tanztruppe.
Der Folk Club hat ja ein großes Herz, und deshalb war es
natürlich erlaubt, dass an diesem Abend statt reiner Vokalmusik auch reine
Instrumentalmusik erklang. John Hay (Gitarre),
Eva Hennekens (Geige) und Thiline (Cajon) hatten sich für ein
paar feine Instrumentalstücke zusammengetan. „Romance Anónimo“ auch bekannt als
„Estudio en Mi de Rubira“ (Übungsstück in E von Rubira) ist schon eine Herausforderung
für den Gitarristen. John meisterte es mit viel Fortune. Durch die Begleitung
von Geige und Schlagwerk bekam das Stück eine ganz besondere Note. Bei „Roma“
von Vicente Amigo wechselten sich Gitarre und Geige in der Führung ab und bei
„Pharaon“ von den Gipsy Kings stand die virtuos von Eva gespielte Geige im
Vordergrund. Bravo, ihr drei, der Folk Club liebt euch!
John Harrison
und Steve Perry sind schon
kongeniale Herren. Steve liebt es, als nordenglischer Landmann aufzutreten und
John ist einer. Da kann ja nichts mehr schief gehen. Den Beginn machten die
beiden mit dem witzigen Lied von den verliebten Nilpferden (Hippopotami). Das
ist ein Couplet von zwei ebenfalls kongenialen englischen Herren, Michael
Flanders und Donald Swann. Die füllten in den fünfziger und sechziger Jahren
des 20. Jahrhunderts mit ihren kabarettistischen und parodistischen Liedern die
Säle. John mutmaßte, dass die beiden, hätten sie später das Licht der Welt
erblickt, bestimmt bei Monty Python’s Flying Circus gelandet wären. Beim
Nilpferd-Lied gibt es einen rasanten Nonsens-Refrain:
Mud, mud,
glorious mud
Nothing
quite like it for cooling the blood
So follow
me, follow / down to the hollow
And there let us wallow in glorious mud
Ist das nicht herrlich? Nicht minder britisch nonsens-mäßig
ging es beim schönen Lied über das Ilka Moor zu. Dieses Moor im rauen Yorkshire
soll man lieber nicht ohne Hut betreten. Anderenfalls erkältet man sich,
stirbt, wird begraben, die Würmer fressen die Überreste, die Enten fressen die
Würmer, und wenn dann der Freund im Moor auf Entenjagd geht und mit
geschossenen Enten heimkommt, dann liegst du letztlich bei deinem Freund im
Topf. Willst du das? Also setz dir gefälligst einen Hut auf. Das Lied dazu – „On
Ilkla Moor Baht 'at“ (On Ilka Moor Without Hat) – ist im schönsten Yorkshire-Dialekt
geschrieben und für unsereinen nur streckenweise zu verstehen.
Nicht minder hintersinnig ist das Lied „The Librarian’s
Lament“ von John Conolly. Conolly arbeitete in einer Bibliothek im englischen
Fischereihafenort Grimsby und hat wohl seine zahlreichen schrägen Erfahrungen
im Umgang mit Kunden in Liedform umgemünzt. Conolly war dort sogar ein früherer
Kollege eures Folk Club Teams, denn er hat in Grimsby einen Folk Club ins Leben
gerufen. Das Lied benutzt ein witziges Wortspiel, das aus der Aussprache von
„pawnbroker“ (Pfandleiher) herrührt. Schnell ist eine unbeabsichtigte
Verbindung zu „Porn“ hergestellt. Das Erkennungszeichen der Pfandleiher, drei
goldene Kugeln an der Geschäftstür werden schließlich für die doppeldeutige Aussage
„he is the man with three balls“ umgemünzt. Witzig auch Steve als Frau des
Pfandleihers mit strubbeliger Perücke. Jungs, Ihr seid begabte Komiker!
„EmDo“, heißt
der Freizeitchor bestehend aus sechs Sängerinnen und vier Sängern um Uwe Johann. Der bizarre Name des Chors
ist eine Abkürzung für Ensemble am Donnerstag. Nun, EmDo hat ein schönes
Repertoire, aus dem sie uns drei Stücke präsentierten. Vielen bekannt ist das
französische Trinklied „Tourdion“, das mehrere Stimmen wunderbar ineinander
webt. Die Stimmen haben nicht nur unterschiedliche Melodien, sondern auch noch
verschiedene Texte, ungefähr wie ein Quodlibet. Ein kleines Rätsel war ein Lied
mit vermeintlich lateinischem Text, der sich aber als ein Ulk herausstellte.
Was Lateinisch klang („Situs vi latingis eta bernit“) war es aber nicht („süht
us wie Lating, is et aber nit). Die Rheinländer im Publikum hatten den Spaß
schnell durchschaut. „Ide were were“ ist ein westafrikanisches Lied, das von
einer Liebesgöttin handelt. Mehrstimmig gesungen klingt es zugleich melodisch
und geheimnisvoll. Vielen Dank für eure schönen Beiträge, ihr
Donnerstagssänger.
Nun kam der Werbeblock für freie Straßenmusik in Bonn. John und Daniel Bongart setzen sich für die Abschaffung starren
Reglementierung der Straßenmusik in Bonn u.a. mit einer Genehmigungsgebühr in
Höhe von 25 € ein. Daniel hat einen Bürgerantrag geschrieben, der am 29.08.2018
im Bürgerausschuss der Stadt Bonn beraten wurde. Offenbar sieht es so aus, dass
Daniels Antrag etwas bewegt hat.
Eines von Johns Argumenten (muss man auch erst einmal
darauf kommen) ist, dass Betteln keiner Genehmigungspflicht unterliegt, wenn
man aber beim Betteln singt, dann muss man eine Gebühr in Höhe von 25 €
entrichten – das kann doch nicht sein. Um das musikalisch zu umrahmen, gab es
von John und Daniel das altenglische Lied „And a Begging I Will Go“. Das alte
Lied aus dem 17. Jahrhundert preist das freie Leben eines Bettlers.
Gerd Schinkel
hatte schon vor einigen Jahren ein Lied zu dem Thema geschrieben. „Beethovens
Schock“ heißt das Protestlied, das Gerd zusammen mit John und Daniel sang.
Nach so viel ernster Kost setzte Daniel noch eins drauf mit dem irischen Abschiedslied „Parting
Glass“. Das zu Herzen gehende Lied, das vielfach als Abschiedslied gesungen
wird, handelt eigentlich vom endgültigen Abschied vom Irdischen. So weit
wollten wir nun doch nicht gehen. Deshalb endete der Folk Club wie fast immer
mit dem traditionellen Rausschmeißer Jock Stewart. So ging wieder ein
wunderbarer, unterhaltsamer Abend mit vielen Glanzlichtern zu Ende.
Auf Wiedersehen nach den Sommerferien am 7. September mit
dem Thema „Celtic Air“ und den Featured Artists „MacAukema and Friends“. Vielleicht singen wir dann ja Parting Glass
noch einmal alle zusammen.
Hallo lieber Detlef! Auf der Suche nach der nächsten Folk-Club Veranstaltung (die letzte habe ich mit Gudrun noch im Haus Müllestumpe erlebt) bin ich bei diesem Blog gelandet. Dir haben wir das also zu verdanken, das habe ich gar nicht gewusst. Danke dafür! Ich kann mir sehr gut vorstellen, den nächsten FCB in Dottendorf zu feiern und würde mich freuen dich und deine Frau dort zu treffen. Bis bald, Grüße von um die Ecke von Michael (...a man you don‘t meet every day...)
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