Folk Club Nr. 103 – Pflanzen und wilde Hühner
Das Bezaubernde am Folk Club ist, dass es jedes Mal
Überraschungen gibt, meist sind es schöne. Aber auch die Überraschungen, die
zunächst weniger schön erscheinen, bekommen dann oftmals doch einen positiven
und bereichernden Aspekt – soweit für den Beginn etwas kryptisch. Insgesamt
bewies der Abend im Juni aber wieder, welch einem Fundus an musikalischem
Talent der Folk Club an die Öffentlichkeit verhilft und welche Freude für ein
großes und treues Publikum allmonatlich ohne großen Aufwand bereitgestellt wird
– hiermit endet der Werbeblock in eigener Sache.
John Harrison und
Muse Eva Henneken gaben den
Startschuss des Abends mit einem Lied von Martin Donelly, einem irischen
Sänger, der vor Jahren den Folk Club beehrt hatte: „The Green Man“ lautet der
Titel der Ballade über eine Figur aus der heidnischen Naturmythologie, die in
Darstellungen oftmals mit Pflanzendekoration versehen wird – sinnigerweise
sogar vielfach an Kirchen. Eine weitere Ballade zum Thema des Abends,
„Pflanzen“, war „Everything That’s Made of Wood Was Once a Tree” ein veritabler
Blues von einem Herrn namens Cousin Joe, der mit richtigem Namen Pleasant
Joseph hieß. Ist das nicht ein schöner Name? Aber was so ein richtiger Blues
ist, der muss auch eine Referenz an das Ende alles Irdischen machen, und so
wird im Lied auch daran erinnert, dass auch der Sarg ein modifizierter Baum
ist. Ja, mit Holz ging es weiter, dem Holz eines Galgens und einer Geige, im
Lied „MacPherson’s Farewell“. Das Lied berichtet von einem jungen Mann, der als
schottischer Robin Hood agierte und letztlich gefangen und am Galgen
hingerichtet wurde. Der Text soll der Legende folgend vom Delinquenten selbst
verfasst worden sein. Verbürgt ist aber, dass der schottische Nationaldichter
Robert Burns Hand bzw. Feder an das Gedicht gelegt hat. Passend zur Jahreszeit
präsentierte John zu guter Letzt sein berückendes Gedicht über die Mauersegler,
die für uns in Bonn und in vielen Städten die typische Geräuschkulisse des
Sommers bilden und die ein rätselhaftes Leben fast ausschließlich im Fluge
leben.
Gert Müller,
unser bönnscher Gedichterezitator, hatte ein Gedicht über Siegfried parat –
natürlich op bönnsch Plaat. Das berühmte Lindenblatt saß, wie könnte es anders
sein, an einer ganz anderen Stelle als uns das Nibelungenlied weismachen will,
zum Piepen! Mit Heinz Erhardts Gedicht über den Urwald, an dessen Urbäumen
Urlaub hängt, rundete Gert (Urgert?) seinen Beitrag zum Thema Pflanzen ab.
Nun ja, mit Pflanzen hatte Lothar Prüntes (alias ELPI)
Beitrag nur sehr indirekt zu tun. Man könnte darauf kommen, dass das Pferd in
„A Horse With no Name“ von der Gruppe America ja ein Pflanzenfresser ist. Aber
es kommen auch einige Textstellen im Lied vor, die auf die Vegetation zum
jeweiligen Zeitpunkt eingehen. Wie dem auch sei, Lothar ist ein toller Barde
und begeisterte mit seiner Interpretation des berühmten Liedes aus dem Jahr
1971.
Bei Hans Ihnen
kam auch unser Klavier zur Geltung, auf dem er sich zu John Lennons Klassiker
„Imagine“ begleitete. Das Lied hat zwar nichts mit Pflanzen zu tun, es geht nur
schlicht unter die Haut. Durchaus zum Thema passten die Lieder „Wildflowers“
von Tom Petty und der „Garden Song“ von John Denver. Bravo Hans, für die
schönen Beiträge.
Die nicht so schöne Überraschung, die ich eingangs
andeutete, bahnte sich an, als Mario
Dompke verkündete, dass dem Trio Damen mit Bube wegen Krankheit die Damen
abhandengekommen waren. Somit müsse er jetzt als Bube ohne Damen mit einem
eilig neu gestrickten und eingeübten Programm allein auftreten. Dickes Lob an
Mario, wie er die Situation meisterte. Bei dem irischen Double Jig ging’s noch
ein wenig holprig, aber „Gabriellas Song“ aus dem Film Wie im Himmel kam in
Marios instrumentaler Gitarrenversion als wahrer Gänsehautfaktor daher. Mario
bewies, dass er ein wunderbarer Gitarrenvirtuose ist. Ebenfalls sehr schön
harmonierte sein Gitarrenspiel mit der Stimme der spontan eingesprungenen Uta Schäfer bei „The Water is Wide“ –
Bravo Mario und auch Uta für euren Beitrag.
Reine Instrumentalmusik an Gitarre und Gitarrenbass
präsentierten Hans Steege und GW Spiller. Hans‘ Eigenkompositionen
Tragen keine Namen sondern sind durchnummeriert. „Nummer Eins“, „TASCAM 0055“
und „TASCAM 0049“ lauten die Titel. Dahinter verbergen sich schöne, ruhige
Melodien, die Hans mit Fingerpicking vortrug – viel Applaus für die beiden.
Wenn sich John Hay
ankündigt, gibt es immer eine schöne Überraschung. Diesmal präsentierte er eine
Gruppe mit Namen „World Music“ bestehend
aus ihm selbst an der Gitarre, Budi Rosadiaván
am Klavier, Alex Paris am Schlagzeug
und Carolin Schaulandt mit ihrer
grandiosen Stimme. Unterstützt wurden die Vier von Allzweckwaffe Eva Henneken an der Geige. Mit „Fly Me
to the Moon“, dem unsterblichen Klassiker von Bart Howard gingen sie an den
Start. Bei „Shallow“ von Lady Gaga konnte Carolin ihrer Stimme freien Lauf
lassen. Das ging fast noch besser bei dem arabischen Hit „Habibi“ (Liebling).
Der Weg durch die Welt führte dann nach Frankreich mit dem Lied der Sängerin ZAZ
„Je Veux“. Als Zugabe gab es dann noch „Hallelujah“ von Leonhard Cohen. Großer
Applaus für die Fünf und für ihre musikalischen Leckerbissen.
Nicht enttäuscht wurden die Zuhörer vom „Featured Artist“
des Abends, Cynthia Nickschas mit
ihren „Friends“ Christoph Wegener am
Bass, Alwin Moser an der Geige und Johannes Schmidt an der Trompete. Kurz
zusammengefasst kann man nur sagen: Phänomenal! Cynthia hat sich zu einer
rasanten und selbstbewussten Musikerin mit unglaublicher Kreativität,
Ausdrucksstärke, grandioser und variabler Stimme, frechen Texten, schwungvollen
Melodien und einer wahnsinnig professionellen und einfühlsamen Band entwickelt.
Ja, die Band verdient eine besondere Erwähnung. Besonders beeindruckt hat mich
Johannes, der seine Trompete so zurückhaltend und zart zu spielen versteht,
dass Cynthias Befürchtung, ohne Verstärkung Probleme zu bekommen, völlig
unbegründet war. Auch um Geiger Alwin und Bassist Christoph kann man Cynthia
beneiden. Wenn Ihr fragt, wen ich denn mit den wilden Hühnern gemeint haben
könnte, dann liegt ihr richtig, wenn ihr auf Cynthia getippt hattet. Aber das
ist ja nur ein Huhn. Das andere kam aus dem Publikum auf die Bühne und war die
kleine Tochter einer Freundin von Cynthia, offenbar Cythias größter Fan im
Fanclub, der die Truppe begleitete. Sie musste unbedingt mit auf die Bühne und
konnte alle Lieder auswendig – herrlich! Ja soll ich hier jetzt noch eine
Litanei über die einzelnen Lieder ablassen? Ich tue es nicht. Cynthia schüttete
jedenfalls ein Füllhorn über dem Publikum aus und beließ es nicht bei den
ursprünglich vorgesehenen drei Liedern im ersten und vier im zweiten Teil des
Abends. Ein paar Glanzlichter will ich doch noch speziell erwähnen. Bei
„Eigentlich“ wurde sie von Alwin, dessen Hauptinstrument die Geige ist, virtuos
am Klavier begleitet. Beim Lied „Wie so oft“ fuhr Cynthia ihre Stimme zu einer
vulkangleichen Eruption aus – und klagte hernach, dass sie gar nicht mehr
gewohnt sei, ohne Verstärkung zu spielen. Nun, das konnte man auch als „fishing
for compliments“ interpretieren – Komplimente, die aber absolut ihre Berechtigung
haben. Cynthias Stimmvulkan wurde durch Johannes‘ samtweiche Trompete
unterstützt. „Stock im Arsch“ lautet der ziemlich drastische Titel, der aber
durchaus realistisch die Situation beschreibt. Hier wechselte Johannes das
Instrument und zeigte sein Können am Flügelhorn mit einem hörenswerten Solo.
Wer mehr wissen und hören will, der sollte Cynthias CD
„Egoschwein“ kaufen. Die Truppe durfte sich im Übrigen gerade über den Förderpreis
der Liederbestenliste freuen, herzlichen Glückwunsch. Cynthia und Friends treten im Übrigen am 3. Juli 2019 um 19.00 Uhr in
der Reihe „Musik im Park“ am Trinkpavillon im Bad Godesberger Stadtpark auf.
Der Eintritt ist frei, und es geht ein Hut rum.
So ging wieder ein Abend mit einer großen Ladung
Glückshormone zu Ende, aber nicht ohne eine gemeinsame Huldigung an den
liebgewonnenen Patron des Folk Clubs, Jock Stewart.
Auf Wiedersehen am 5. Juli mit einem Abend der überwiegend
ohne instrumentale Begleitung stattfindet und für den wir wunderbare Stimmen
erwarten.
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