Folk Club Nr. 104 – A Cappella
Gesang ohne Instrumente und Sprachlosigkeit
beim Publikum
So in etwa kann der Juli Folkclub in aller Kürze
zusammengefasst werden. Es war ein a cappella-Abend – also ein Abend
an dem „im Stile der Kapelle“, allerdings ohne Instrumente
musiziert wird; sprich Gesang und Begleitung werden alle durch die
menschliche Fähigkeit Töne und Sprache zu produzieren ersetzt. Nun
ist der Folkclub nicht päpstlicher als der Papst und so kamen
natürlich auch Interpretationen zu Gehör, die nicht im Stile der
Kapelle, sondern einfach als Einzelgesang oder sogar mal mit einer
instrumentellen Begleitung daherkamen. Aber nun im Einzelnen.
Eröffnet wurde der Reigen wie immer vom
Zeremonienmeister John Harrison, der nach dem Begrüßungs-
und Ordnungsruf „Laaddiees and Gentlemen....“ und einer
Einführung in die Bedeutung des a cappella-Gesangs das Lied „A
Begging I Will Go“ zum Besten gab – hier passt die a
cappella-Darstellung auch sehr gut, denn ein Bettler benötigt das
erbettelte Geld für Nahrung und nicht für Instrumente. Weiter ging
es mit dem „King Of Rome“, der nicht etwa ein Herrscher
der italienischen Hauptstadt ist, sondern eine Taube, die bei einem
Wettflug als einzige das Ziel erreichte. Mit „The Badger“ ein Gedicht von John Clare und „The Berry Fields o' Blair“ ein Lied von Belle Stewart rundete John seinen Beitrag ab
und leitete gekonnt zu einer besonderen Darbietung über (die erste
dieses Abends – es sollten noch weitere folgen).
Nahid Ensafpour eine iranische Dichterin,
die seit 30 Jahren in Deutschland lebt, las einen Auszug aus ihren
Werken vor und brachte diese Gedichte dann noch einmal in typischer
iranischer Vertonung und in persischer und deutscher Sprache zu Gehör
– das ist Freundschaft der Kulturen, nicht nur ein Hochgenuss an
klanglichem, für unsere Ohren fremdartigem Erlebnis, sondern auch
die Verknüpfung deutsch gedichteter Werke mit orientalischen
Klängen. Zuerst kam das Gedicht „Kerze und Schmetterling“
zum Vortrag, welches nicht etwa den Verbrennungstod des
Schmetterlings beschreibt, sondern die Frage der Schönheit an die
Vergänglichkeit behandelt. Der kurze Satz „ich beleuchte den Weg,
in dem ich vergehe“ drückt so viel von sozialer Verantwortung aus,
dass sich ein jeder eine Kerze zum Vorbild nehmen darf. Dann das nie
endende Thema Liebe in dem gleichnamigen Vortrag „Liebe“.
Eine Bitte an die Liebe verschiedene Glückszustände herzustellen.
Auch dieses Gedicht wurde mit einer typischen persischen Melodie
versehen, allerdings blieb der Text diesmal auf Deutsch. Abgerundet
wurde der Vortrag durch ein „persisches Liebesgedicht“
(nicht aus der Feder von Nahid Ensafpour), welches auch über die
Liebe handelt und direkt mit einer Melodie vorgetragen wurde.
War die Bühne mit zwei Einzelkünstlern bisher
mit viel Platz versehen, wurde es nun eng. Etwa zwanzig geschulte
Westerwälder Stimmen drängten sich dicht an dicht auf die Bühne.
„ChoriAnders“ begannen Ihren Chorgesang mit dem Lied „The Sound of Silence“ - sicher in sich fast ein Wiederspruch mit
20 Stimmen das Geräusch der Stille nachzustellen, aber wie ja auch
der Liedtext aussagt, Stille ist nicht still, sondern voll der
unterschiedlichsten Geräusche. Bei Chorianders waren dies
verschiedene Stimmfarben, Stimmlagen, ineinander verwobenen
Melodieführungen und einem Klavier :-) . Mit „Evening Rise“
ging es dann weiter (diesmal ganz a cappella) – die Stimmen wurden
sicherer und sowohl aus Stimmen, Bewegungen und Gesichtsausdrücken
der KünsterInnen konnte der Spaß an der Sache abgelesen werden. Die
Abendstimmung wurde perfekt beschrieben. Als (vorläufigen) Abschluss
holte ein Chormitglied seine Gitarre heraus und der Chor besang mit
viel Enthusiasmus seine Heimat „Wir leben im Westerwlad“
drückt so viel Spaß und Heimatstolz aus, dass die Authentizität
durch eine vom Publikum vehement geforderte Zusage belohnt wurde. Und
die war dann eine logische Folge des Programmablaufes – beschrieben
ChoriAnders eben noch, dass sie im Westerwald leben, sagten sie nun
schlicht und einfach aus: Wir sind „ChoriAnders“ und
sangen ihre eigene Hymne.
A cappella (und eigentlich
jede Art von Musik – außer vielleicht die von Jimi Hendrix) wird
Note für Note dargebracht, und so kam die im Folkclub bereits
bestens bekannte Damenformation note-4-note auf die Bühne.
Mit „Java Jive“, „Birth Of The Blues“ und „Lazy
Night“ legten sie ein Feuerwerk an Musikalität und Emotionen
an den Tag, welches bei vielen im Publikum nur noch Staunen mit
offenem Mund hervorrief. Ich gehe nicht auf die einzelnen Lieder ein,
denn nicht das Lied selbst, sondern die Art wie es dargeboten wurde,
wie es in eine Geschichte, die bei note-4-note sowohl aus Erzählung
wie auch aus schauspielerischer und körperlicher Darstellung
besteht, eingebettet wird, war es, was das Publikum begeisterte.
Klare Stimmführung, exakte Einsätze Melodielianen, die sich um Bass
und Grundmelodie schlingen – all das macht den Vortrag von
note-4-note aus. Und, um direkt auf den zweiten Teil ihres Auftritts
zu springen – auch die Art, wie sie zum Publikum kommen,
note-4-note gingen nicht auf die Bühne und begannen, sondern sie
kamen beginnend auf die Bühne – macht einen großen Teil ihres
hervorragenden Programms aus. So wurde das Publikum dann auch noch
mit „Back In Business“, „Knock On My Door“,
„Love Letters“, „Sing, Sing, Sing“ und der
Zugabe “Come Fly With Me“ beglückt und für den
frenetischen Applaus belohnt.
Gibt es eine Steigerungsform eines Superlativs – ja, sowohl in der Sprache aber noch viel mehr in der Realität. Perfekt ist perfekt und trotzdem wird über perfekter und am perfektesten gesprochen (rein philosophisch könnte jetzt gesagt werden, dass am perfektesten eigentlich schon wieder eine Minderung von perfekt ist, da nun eine Vergleichsbasis herangezogen werden muss und somit am perfektesten nichts mit perfekt zu tun haben muss – aber lassen wir das, denn es geht um Musik und nicht um Philosophie). Trotzdem – für mich kam das „Quartett“ noch ein Stück spritziger, neuer, ideenreicher und überraschender rüber. Nein ich sage bewusst nicht besser, sondern ganz subjektiv „mir besser gefallend“ – ach, ist Lob schwierig! Quartett, das Team um David Roshto (der nur als Sohn vom FCB Organisator Barry Roshto der bekannteste Name ist, sich selbst aber nicht als Bandleader oder etwas Ähnliches sieht) bot uns Jazzgesang in Perfektion – auch hier will ich nicht auf die Lieder eingehen, sondern auf die Darbietung. Ob „Moonlight“, „Oh Waly Waly“, Almost Like Being In Love“, „Bad Leroy Brown“, „Tea For Two“, „Shiny Stockings“ oder die zwei Zugaben „I'll Be Seeing You“ und „When I Fall In Love“, alles wurde in perfekter Einheit dargeboten. Zumindest für die Zuhörerschaft gab es keine Brüche (die Künstler selbst sind da oft kritischer), die Stimmen passten zusammen, ergänzten sich, trieben in hohe Höhen oder stellten den Bass in den Vordergrund. Das gegenseitige Umwerben der Stimmen, um Kontrapunkte herauszuarbeiten oder die gemeinsame Stimmführung, um Zusammenhalt zu demonstrieren – ein Gänsehautgefühl ohne Ende. Ich höre hier lieber mit dem Bericht über Quartett auf, denn es waren ja auch noch andere Künstler zugegen, denen eine Erwähnung gebührt.
So z. B. der schon namentlich erwähnte Barry Roshto, der es wieder einmal glänzend verstand, nach der Pause die Aufmerksamkeit des Publikums zu bündeln und neue Konzentration herzustellen. Mit „Down In The River To Pray“ versammelte er alle wieder, um dann, unterstützt vom Quartett das „Shortnin‘ Bread“ zu singen. Hier wurde bereits das Publikum einbezogen, sozusagen als Übung, um bei „The Cat Came Back“ richtig mitzumachen. Barry hat wieder einmal gezeigt, dass er nicht nur musikalisch gut drauf, sondern auch ein großer Musikpädagoge ist.
Weiter ging es mit den Announcments zu anstehenden Veranstaltungen, die Steve Perry gekonnt mit dem a cappella gesungenen Lied „If I Had To Go“ von Tom Waits abschloss – dies, um beim gemeinsamen Schlusslied Jock Stewart mit auf der Bühne stehen zu dürfen :-).
Als spontaner Special Guest aus Kanada kam nun Don Bartlett an die Reihe. Eigentlich ein Bruch im Motto des Abends, er ist Instrumentalist auf der Gitarre, würdigte er den Abend dennoch, in dem er als erstes Stück ein Barbershop Lehrstück, einen sogenannten Tag gemeinsam mit uns allen einstudierte. Ein Tag, ist nicht das Gegenstück zur Nacht, sondern bezeichnet, englisch ausgesprochen, in der Welt des Barbershops kleine vierstimmige Gesangsstücke, die aus wenigen Takten bestehen und mit denen man mit der typischen Barbershop-Harmonik herrliche Gänsehauteffekte erzeugen kann. „When It's Sleepy Time Down South“ wurde in allen beteiligten Stimmlagen (Lead, Tenor, Baritone, Bass) vorgesungen, eingeübt und dann als gemeinsames Lied zusammen dargebracht.
Mit den anschließenden a guitarra Stücken „Spiritual Groove“, „Make me Cry“ und „Right Hand Man“ zeigte Don sein Können in feinstem Fingerpicking, gespickt mit strumming-Einlagen, die gemeinsam zu einer eingängigen und wohlgefälligen Melodieführung wurden – auch wenn nicht mit der Stimme dargebracht, es passte bestens in den Charakter des Abends.
ELPI, auch als Lothar Prünte bekannt, zeigte sein stimmliches Können (trotz einer am Abend festgestellten gewissen, witterungsbedingten Heiserkeit) mit dem Phil Collins-Lied „In The Air Tonight“. Natürlich legte er dann mit einem fast schon volksliedcharakteristischem a cappella-Stück nach. Bei „Mercedes Benz“ wurde er von Wolfgang Schriefer und John Harrison unterstützt – Wolfgang legte noch eine Schüppe mit einer kölschen Strophe drauf: „Und jetzt stelle mir uns allens vöör, de Janis Joplin wäär ins Vengst Veedel opjewachsen“ - aus Mercedes Benz („Mörcidies“) wurde das Original Mercedes Benz. (Das Original heißt auch Mercedes Benz, auch wenn du einen VieDabbelju hast).
EmDo – wie war das noch? Ein Akronym aus
den Namen oder e-Moll am Donnerstag? Ich weiß nicht mehr wie der
Name entstanden ist, aber die Musik ist toll. Ebenfalls im
Barbershop-Stil wurden dem Publikum „Barbara Ann“ (kennt
wohl jeder), „Epo E Tai Tai“ (ein neuseeländisches Lied
über das Glücklichsein) und „Do Lord, Remember Me“ (ein
einmal als Kinderlied, mal als Gospel eingestuftes Lied) dargebracht.
Bliebe nur noch zu erwähnen, dass unser bekanntes und liebes Gesicht aus Köln – Fliege – in altbekannter und spontaner Straßenmusikermanier ein a cappella-Potpourri darbrachte, mit dem er das Publikum an verschiedenen Stellen zum Mitsingen animierte.
Und natürlich das gemeinsame Jock Stewart bei dem
es nicht nur durch ChoriAnders auf der Bühne eng wurde (es waren
wirklich viele Künstler an dem Abend anwesend), sondern auch Steve –
das sei besonders zu erwähnen – aufgrund seiner Liedeinlage
während des Programms eine Bühnenpräsenz hatte.
Also, lasst die Gänsehaut noch ein wenig wirken
und denkt daran: Nach dem Folkclub ist Vor dem Folkclub – out of
the bedroom, kommt am 6. September zu Dotty's.
Mario
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