Freitag, 6. Dezember 2019

Detlefs Bericht vom Folk Club am 8. November 2019


Folk Club Nr. 107 am 8. November 2019 – Feuerwerk

Angesichts des verheißungsvollen Themas hätte man vermuten können, dass John Harrison uns wieder die schaurigen Geschichten über Guy Fawkes, den englischen Terroristen (so würde man ihn heute bezeichnen) des 17. Jahrhunderts erzählen würde. Bekanntlich hatte dieser Herr mit seinen Gefolgsleuten am 5. November 1605 versucht, das englische Parlament in die Luft zu sprengen. Der Plan flog auf, die Truppe wurde festgenommen und schließlich hingerichtet. Die Hinrichtungsmethode war die für Hochverräter, nämlich Hängen, Ausweiden und Vierteilen (auf gut Englisch: hung, drawn and quartered – brrrrrrr!). Tot waren die Delinquenten oftmals erst nach dem Vierteilen. Noch das Ausweiden bekamen sie meist bei vollem Bewusstsein mit. Guy Fawkes entzog sich der Qual durch einen beherzten Sprung vom Galgenpodest, nachdem man ihm die Schlinge um den Hals gelegt hatte. Er hatte Courage, er war ja auch im wirklichen Leben ein tapferer Soldat gewesen. Aber wie das so ist mit der religiösen Eiferei. Er war überzeugter Katholik und hasste die Protestanten. Tja, das Feuerwerk am englischen Parlament fand nicht statt, aber stattdessen werden in England seither alljährlich am 5. November große Holzstapel entzündet (bonfires), und mit allerlei zusätzlichem Schabernack wird der Guy Fawkes Day begangen. Nun, all dessen wurde im Folk Club diesmal nicht gedacht. Das Feuerwerk musste allein durch die Musik entfacht werden. Die Aktiven gaben sich dabei redlich Mühe und schafften es tatsächlich.

Wie immer startete John Harrison mit seinem Warm-up, diesmal wieder zusammen mit Eva Henneken, der begnadeten Geigerin, der der Folk Club seit ihrem Auftauchen vor einigen Jahren wunderbare Beiträge zu verdanken hat. Diesmal durften wir sogar feststellen, dass Eva auch eine herrliche Stimme hat.
Den Bezug zum Feuerwerk stellte John mit seinem „Klassiker“ „Zeppelina“ her. Das Lied von der Ente, der seine damals noch kleine Tochter den witzigen Namen gab, und die vom Feuerwerk (Anfang Mai) in der Rheinaue zum Brüten in den Harrisonschen Blumentopf vertrieben wurde. Holla, das Lied ist witzig, mit einer schönen Melodie und dazu noch mehrkampftauglich. Zu ganz vielen Themen kann man es aus dem Notenschrank holen. Mir fallen sofort „Tiere“, „Pflanzen“, „Kinder“ (es gab als Ergebnis des Bemühens auch Küken), „Frühling“, „Jahreszeiten“ ein. Hatten wir alles schon mal gehabt, und deswegen kam Zeppelina auch schon mehrmals in den Folk Club geflogen.

Etwas weniger fröhlich ging es bei dem Lied „On Morecambe Bay von Kevin Littlewood zu. Darin wird der entsetzliche Tod von 23 chinesischen Muschelsuchern in der Morecambe Bucht an der englischen Nordwestküste besungen (alle waren nach England eingeschmuggelt worden; die tatsächliche Zahl der Toten ist vermutlich höher aber nicht verbürgt). Die Muschelsucher wurden bei Ihrer Arbeit am 5. Februar 2004 spät am Abend von der Flut überrascht und ertranken. Hier trug Eva mit ihrer schönen Stimme zum eindringlichen Refrain bei – von ihrem Geigenspiel (u.a. wunderbares Solo) ganz zu schweigen.

Weniger schaurig ist da schon Johns Gedicht „Autumn Colours“, das ich hier einmal komplett wiedergebe (ich hoffe, John haut mir nicht eine Klage wegen Verletzung des Urheberrechtes um die Ohren):

Autumn Colours

Crisp golden coins
Tingle in the till
Swathes of auburn
Burn yonder hill

Bare scorched earth
No body
No wonder
No worth

Dust and ashes
Re-impregnate
Juvenile God’s
Earth

Welch eine Poesie! Ja der Herbst gibt der sommer-verbrannten Erde ihre Frische und das Leben zurück – bis der Winter alles wieder an die Kette legt.

Irgendwie hatte John es offenbar mit den Muscheln, denn auch beim bekannten irischen Gassenhauer „Molly Malone“ geht es um „cockles and mussels“. Am Ende ist Molly auch tot, aber sie ist nicht ertrunken, sondern ein banales Fieber hat sie dahingerafft. Daniel Bongart begleitete die beiden bei diesem schönen Lied auf seiner Bodhrán (irische Trommel), die er jüngst von einer Reise nach Irland mitgebracht hatte (sicherlich hat er bei der Gelegenheit auch Mollys Statue in Dublin einen Besuch abgestattet).

Unser Urgestein Günter Peters erinnerte uns daran, dass der Folk Club auch ein Klavier besitzt und präsentierte eine unterhaltsame Zusammenstellung bekannter Melodien, die teilweise auch zum Mitsingen animierten. Großer Applaus für Günter!

Michael Barfuß‘ Erfindung „The Rock n‘ Rollator Show“ war ja eigentlich nur für ein paar Aufführungen gedacht. Die Musical-Truppe „Groove@Grufties“ tingelt damit aber mittlerweile seit Jahren durch inzwischen fast immer große Säle, und die satirische Show über die munteren Senioren im Altersheim ist nicht totzukriegen. Das Publikum bekam vom harten Kern der „Grufties“ unter Leitung des Maestros höchstselbst am Klavier einige Auskopplungen zu hören und zu sehen. Es ist köstlich und zum Piepen. Einige Lieder sind eigens für das Musical geschrieben, wie „Das Leben“ und Gert Müllers „Rap“ darüber, wie er zur Musik fand. „Keep on Running“ mit Wolfgang Schriefer als Solisten, und „Gimme Some Lovin, beides von The Spencer Davies Group passten wie angegossen in die Rollator Show. „It Was a Very Good Year (When I Was Seventeen)“, bekannt in der Interpretation von Frank Sinatra, wurde von Steve Perry vorgetragen und sorgte für Gänsehauteffekte – die Grufties und Michael Barfuß sind eine Wucht.

World Music Bonn“ ist eine Truppe, die sich im UN-Silo (Langer Eugen) zusammengefunden hat. John Hay, mittlerweile eine feste Größe im Folk-Club-Geschehen, hält die Fäden in der Hand.  Neben ihm selbst an der Gitarre, musizierten Budi Rosadiaván am Klavier, Alex Paris am Schlagzeug, Carolin Schaulandt mit ihrer grandiosen Stimme, Daniel Klein, der Tenorsaxofon und Akkordeon spielte und – Allzweckwaffe Eva Henneken. Um es vorweg zu nehmen: eine wahre Pracht. Der Folk Club sorgt für musikalische Verbindungen, die es in sich haben. Gleich vom Start weg präsentierte sich Carolin bei „This Is Home“ von Sabrina Francis in fantastischer stimmlicher Verfassung. „Bossma“ (beinahe hätten wir den Titel bei Johns Ankündigung nicht verstanden) heißt das Lied, das Carolin selbst geschrieben hat. Eva und Daniel konnten mit Soli an der Geige und dem Saxofon glänzen. „Djelem, Djelem“, die quasi-Nationalhymne der Roma (nicht der Sinti, wie betont wurde), war das Paradestück für Carolins voluminöse und kehlige Stimme – Gänsehaut pur. Die Musiker hatten eine perfekte Gelegenheit, herrliche Soli abzuliefern, selbst unser nicht ganz perfekt gestimmtes Klavier verströmte dank Budis Können wahren Charme. Liebe Leute, alle die nicht da waren, haben etwas verpasst – die Präsentation des Lieds von World Music ist ein Hammer! Wenn Ihr ganz lieb Bitte, Bitte sagt, gibt euch World Music vielleicht die Aufnahme, die Mario während des Abends gemacht hat.

„Nossa, Nossa“ von Michel Telo mit dem leicht anzüglichen Nebentitel „Ai se eu ti pego“ (Ei, wenn ich dich kriege), war dann für alle ein großer Spaß zum Abschluss des Sets.

Uff, bei so viel Temperament der „Vorgruppe“ musste unser Featured Artist aus Finnland die Gemüter erst mal wieder etwas runterkochen. Die Spezialität von Juhana Iivonen sind gemächliche, ruhige Lieder mit viel Gefühl, schöner, oft gezupfter Gitarrenbegleitung. Mit einem Lied in seiner Muttersprache „En Milloinkaan“ (Niemals werde ich) startete er sein Set. Aus neuester Produktion stammt das Lied „Moonlight“ mit herrlicher Fingerpicking-Gitarrenbegleitung, reizvollen Tonartwechseln und chromatischen Akkordfolgen. Bei „This Corner Must Be Strange“ kam Juhanas wunderbare, volle, voluminöse Bassstimme so richtig zur Geltung – das Publikum dankte es ihm mit konzentrierter Stille und viel Beifall. „Native One“ ist Juhanas Widmung zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer – ganz herzlichen Dank für so viel Empathie! Und Humor hat er auch: Er erzählte, dass er bei einem Konzert in Münster einst gefragt wurde, ob er auch etwas Fröhliches im Repertoire habe (witzig, ausgerechnet im Münsterland!). Juhanas Antwort auf die Frage waren drei Lieder, die von Sonne und Helligkeit handeln. „Dream We Lived“, „Season’s Sun“ und „Paradise“ sind wunderschön, aber auch eher von der bedächtigen Sorte. „Again“ hat auch etwas mit Sonne zu tun, die scheint aber erst nachdem es ordentlich geregnet hat. Als Zugabe schenkte er dem Publikum das Lied „Some Good Time“. Viel Applaus für Juhana. Wer seine CDs gekauft hat, wird mit wunderbarer Musik für stille Abende bei Kerzenschein belohnt. John Harrison brachte es am Schluss mit einem Satz auf den Punkt: „You are a wonderful island of tranquility“.

Wie so oft spiegeln unsere Auftrittsbeschreibungen der Featured Artists nicht die chronologische Reihenfolge wider, dass es gibt ja ein Set vor und eins nach der Pause. Daher dürfen wir nicht die Musiker vergessen, die dazwischen auftraten. 

Barry Roshto ist unser bewährter Nachpausen-Animator (die Kunst, das Publikum wieder in den Saal und zur Konzentration zu bewegen). Als musikalischer Profi beherrscht er diese Kunst perfekt. Mit seiner herrlichen Baritonstimme und gekonnter Klavierbegleitung hatte er mit dem Schmuselied „Color My World“ von James Pankow das Publikum sofort auf seiner Seite. Ebenfalls aus den Kategorien „samtweich“ und „Gänsehaut“ ist das Lied „You Decorated My Life“ von Kenny Rogers. Dorthin gehört natürlich auch Crystal Gayles Lied „Don’t You Make My Brown Eyes Blue”. Ich sage euch, wenn Barry das Lied singt, kann Crystal Gayles mir gestohlen bleiben. 

Steve Perry, hat ein Faible für englische Gassenhauer. Ein solcher ist das Juxlied „Three Jolly Coachmen“ – wunderbar mit Kommentaren nach jeder Strophe wie „hear, hear“ „pity“ oder „no!“ in hochnäsigem Oberklassen-Britisch.

Jutta Mensing steuerte anlässlich der 200. Geburtstags (24. April 1819) des Dithmarscher Mundartdichters Klaus Grothe Gedicht von Grothe bei. Jutta sang das Gedicht nach der Melodie des amerikanischen Liedes „The Lakes Of Pontchartrain“ Jutta ist ein Phänomen. Es gibt nur wenige Sängerinnen, die sich einfach hinstellen und a capella mit klarer und intonationssicherer Stimme ein nicht einfaches Lied präsentieren. Bravo Jutta. Als Belohnung gibt es hier den Originaltext des Gedichtes:

Mien Vaderland
      
Dar ligt in’t Noorn en Ländeken deep,
     en Ländeken deep,
Un eensam liggt de Strand.
Dar blenkt de See, dar blenkert de Scheep,
     dar blenkert de Scheep,
Dat is mien Vaderland.

Ik seeg an Heben Wulken so blank,
     de Wulken so blank,
se kaamt ut’t blaue Haff,
Un öwer dat Ländeken trocken se lang,
     dar trocken se lang,
Un Regen druus heraf.

Nu blenkt wull de Dau op Wischen un Holt,
   op Wischen un Holt,
Un dufti steiht de Saat,
Un du liggst still, du Ländeken stolt,
   du Ländeken stolt,
In al dien Pracht un Staat. 

Schien nich de Fleier as Gold op’n Toorn,
   as Gold op’n Toorn,
Wenn avends de Beedklock summ?
Un öwer dat Feld blöh Hecken un Doorn,
   de Hecken un Doorn
Un de Marsch war wied un stumm

Denn glänz as Sülwer unendli dat Meer,
   unendli dat Meer,
Un flö un ebb heraf;
Un klingt dat deep as Klocken darher:
   As Klocken darher:
Höör to! Denn bruust dat Haff — 

Blendt de Wulken so, nu dat dämmri ward?
   nu dat dämmri ward?
Weer dat dat Haff, wat klung?
Och ne, den Toon in mien egen Hart,
   in mien egen Hart
Hett liesen de Wehmot sung’n.   

Hans Ihnen hat offenbar auch Gefallen am Folk Club gefunden und steuerte drei schöne Lieder bei. Am Klavier begleitete er sich zum Lied „Open Seasons On My Heart“ von Tim Mc Graw – herrlicher Country-Schmalz. Bei seiner Suche nach etwas Passendem zum Thema Feuerwerk ist Hans auf das Lied „Indoor Fireworks“ von Elvis Costello gestoßen. „Ich hätte nie gedacht, mal etwas von Elvis Costello zu singen“ kommentierte er schmunzelnd. Dafür hast du es aber fein gemacht, Hans, ist mein Kommentar. „No Borders“ von „The Mick Fleetwood Blues Band“ ist eine Entdeckung von Hans beim Stöbern in CDs, die er gebraucht für kleines Geld kaufen konnte. „The Only Passport Is My Heart“ lautet eine Zeile, die Hans aber auch uns überzeugte. Viel Applaus für Hans.

TaRo nennt sich das Duo bestehend aus Karolin (Gitarre und Gesang) und Katalin (Klarinette und Akkordeon). Karolin war bereits mit einer anderen Mitspielerin im September im Folk Club zu Gast. In der Kombination mit ihrer Begleitung am Blasinstrument bzw. Akkordeon ergab sich ein völlig neuer Sound. Die beiden zeigten temperamentvolle Spielfreude und eine wunderbare Interpretation z.B. bei „Autumn Leaves“, dem unsterblichen Jazzklassiker von Joseph Kosma. Beeindruckend Karolins kraftvolle Stimme. Karolins kernige Stimme war dann auch ein Glanzlicht beim Lied „Warum“ der deutschen Band Juli. Mir gefällt diese Version denn auch viel besser als die Originalfassung mit dem mädchenhaften Gesang von Eva Briegel. Zusätzlich konnte Katalin mit der Umrahmung des Stücks auf der Klarinette glänzen – von „Begleitung“ zu sprechen wäre wesentlich zu kurz gesprungen gewesen. Von den Dubliners bekannt ist das Lied „Spanish Lady“.  Katalin packte dafür das Akkordeon aus. Auch hier brauchten sich die beiden nicht hinter den irischen Profis zu verstecken. Auch hier ein großes Bravo für die beiden und tosenden Applaus.

Ja, liebe Folk-Club-Freunde, der Abend war wieder einmal ein wahres Feuerwerk auch ohne den ollen Terroristen aus London. Aber ohne einen geht es nun wirklich nicht, und das ist wie immer Jock Stewart, der den Abschluss des unterhaltsamen Abends bildete.

Auf Wiedersehen am 6. Dezember, wie alle Jahre zum Jahresende mit Simon Kempston aus Edinburgh in Schottland. Wir freuen uns bereits.

1 Kommentar:

  1. Hi

    Ausgesprochen gute Informationen, die Sie hier veröffentlichen! Außerordentlich gute Aussagen! Exakt das habe ich gesucht!

    MfG,
    Adpoint

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