Dienstag, 23. Juli 2024

Marios Bericht vom FCB # 148 am 05.07.24

 Damit kein Sieg der Spanier stört, man besser a capella hört….

… und genau das war das Motto des 148sten Folk Clubs in Bonn. Ja der Termin fiel mit dem Viertelfinale der Europameisterschaft zusammen, aber trotzdem war der Saal gut gefüllt. Nun sind Fußballfans ja meist auch a capella Fans (denn sie können für Fangesänge auf den Tribünen ja meist keine Instrumente mitbringen – außer vielleicht Trööööten), aber an diesem Abend saßen diese sehr gesittet im Nachbarraum vor dem Fernseher, und die Musik ging im Folk Club ab. Und wie…..!!!

Den Auftakt machte wie immer unser Master of Ceremony John Harrison, der mit The Joy Of „Marston’s Pedigree“, einer Huldigung an sein Lieblingsbier und natürlich den Pub, in dem es ausgeschenkt wurde, den instrumentenlosen Reigen begann. Ungewöhnlich, doch der Situation angepasst übergab John nach diesem Lied bereits den Singstab an die Gruppe Vocalisa – nicht jedoch ohne anzukündigen, dass er noch einmal wieder auf die Bühne zurückkomme. Und Vocalisa legten nun richtig los. Wahnsinn, was mit Stimmen alleine angestellt werden kann. Wie sich verschiedene Tonlagen, wie sich verschiedene harmonische Mehrklänge gesungener Töne, oder auch bewusst disharmonisch eingefügte Intervalle, zu einem zusammengehörigen Ganzen fügen, das ist schon große Kunst – sowohl vom Arrangeur wie auch von den Interpreten. Und Vocalisa machten ihre Sache mehr als nur gut – so gut, dass das Publikum bereits in dem quasi ersten Act des Abends einen Höhepunkt sah und frenetisch eine Zugabe verlangte. Diese wurde mit dem Lied „Tomorrow Is Another Day“ gerne gewährt. Hingearbeitet zu dieser Zugabe wurde mit den Liedern „Can You Feel The Love Tonight“, „Mein Freund der schöne Benjamin“ und dem wohl allen bekannten Klassiker „Moon River“.

Nun hatte John es schwer, die Begeisterung des Publikums aufzunehmen und weiter zu füttern, aber, was hätten wir anderes erwartet, er schaffte es. Mit dem a capella gesungenen Gedicht „If“, welches die guten Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn beschreibt, holte er das Publikum aus den himmlischen Melodiesphären zurück in die, dem wahren Leben angepasste Realität. Beschwingt in der Melodie, doch traurig im Text, ging es dann weiter mit der irischen Weise „Molly Malone“, der Frau, die in Dublin Muscheln („cockles“ sind Herzmuscheln, und „mussels“ sind Miesmuscheln) verkaufte, bis sie nach ihrem Tod nur noch als positiver Geist mit ihrem Fischstand umherfährt.  Und John sollte später in Begleitung anderer Musiker noch einmal wieder kommen – davon aber eben später mehr.

Dieter Müller & Gaby Steinhaus kündigten sich selbst an als „Wir sind heute zum ersten Mal hier und haben trotz des Themas a capella die Gitarren mitgebracht“. Ich darf erwähnen, das war gar nicht schlimm, denn die Beiden ließen ein Feuerwerk von gut interpretierter Musik los. Mit den Beatles fing es an. „Eight Days Week“ regte zum Mitsingen an, und auch „She‘s Always A Woman“ war vielen ausreichend bekannt, um als Backround-Chor zu agieren. Mit „You’ve Got A Friend“ verabschiedeten sich die Beiden, jedoch nicht ohne das Versprechen abgegeben zu haben, noch häufig wiederzukommen. Ich fand es toll, neue Interpretationen von den Liedern zu hören und nicht nur den Versuch Cover als möglichst originalgetreu zu singen.

Ein weiterer Frauenchor kam nun auf die Bühne – deren a capella wurde ein wenig instrumental unterstützt, indem Michael Barfuss der Initiator des Chors „Goldrush“ sich ans Klavier setzte und Igor Lazarev auf der Gitarre sowie Christian Kussmann am Kontrabass dem Gesang zusätzlichen Schwung verliehen. Mit den Songs „April Come She Will“, „Old Man“ und „Crabbuckit“ verzauberte der Chor das Publikum – und wenn es schon kein Tag der Elfmeter wurde, so war es anscheinend der Tag der Zugaben, denn auch Goldrush wurde zur Selbigen genötigt, welche die sieben Frauen und drei Männer aber auch gern mit dem Song „After The Gold Rush“ gewährten.

Gert Müller, der Bewahrer der Bönnschen Mundart, brachte dem Publikum nun zwei Gedichte dar, die leider auch im Andenken an seinen kürzlich verstorbenen Freund Ferdinand Böhm dargebracht werden mussten. „Das Eselsohr“ ist ein Lehrstück zur geschichtlichen Entstehung der geknickten Buchseite, während „Isch mööchens wieder Bönnsch verzelle“ einfach die Sehnsucht nach Erhalt von Dialekten ausdrückte. Wie immer, wenn Gert seine Gedichte vorträgt, war es eine alle Sorgen vergessen machende, heitere Zeit – und an diesem Abend, mit diesem Namen (wenn auch anders geschrieben), sowieso ein Heimspiel :-)

Wolfgang Schriefer ist nicht nur ein hervorragender Musiker, sondern auch ein guter Gedichteschreiber und wie die meisten künstlerisch kreativen Menschen auch ein kritischer Zeitgeist. So dachte er nach einem Bericht über die Autos von Politikern sofort an das sozialkritische Lied von Janis Joplin und brachte eine eigene in kölschem Dialekt gehaltene Version zu „Mercedes Benz“.

Vor dem demnächst anstehenden vollständigen Floor Spot gab Kai Hofstetter am Fußballabend einen weiteren Walk-in zum Besten. Und, wenn auch nicht für diesen Anlass geschrieben, passte der Titel „Reibach“ doch auch hervorragend zu dem EM-Spektakel – oder anders ausgedrückt – zum EM-Milliardengeschäft. Als Blueser des Rhein-Main-Deltas interpretiert Kai ebenfalls in traditioneller (fränkischer) Mundart – und das sehr gut.

Nun wie angekündigt noch einmal John Harrison – diesmal mit Unterstützung von Detlef Stachetzki. Beide führten das Lied (oder ist es eigentlich auch ein Einakt Theaterstück) vom „Hippopotamus“ vor, jenem Tier, welches als Pflanzenfresser trotzdem jährlich mehr Menschen auf dem Gewissen hat als jeder anständige Löwe. Kommt es doch mit Urgewalt und ziemlich sauer aus seinem geliebten Schlamm hervor, wenn Menschen es stören.

Nun durfte auch euer Chronist wieder die Bühne erklimmen, um gemeinsam mit John einen gesungenen tongue twister zum Besten zu geben „Shoeshine Suzie“ beschreibt inhaltlich eigentlich gar nichts, das jedoch in einer für die Zunge knotenbildenden Art. Wir haben es überstanden:-). Weiter ging es nicht mit einem a capella song, sondern mit den Folgen gegröhlter a capella-Fangesänge in Kombination mit übermäßigem Biergenuss – am nächsten Morgen kann man dann den „Bad Breath Blues“ singen. Zurück in die Wandergesellenzeit, wo a capella noch zum guten Ton der Wirtshausmusik gehörte. „Mit Lustig, Lustig“ beendete Mario Dompke seine Darbietung.

Und schon waren wieder Wolfgang Schriefer und John Harrison da, um noch einmal und gemeinsam mit dem Publikum sich dem Original von „Mercedes Benz“ zu widmen.

Mit Anke und Jörg Bohnsack kamen nun alte Bekannte und Vertreter der norddeutschen Mundart auf die Bühne. Diesmal dem Thema angemessen ohne Instrumente, aber wie gewohnt agil, rhythmisch und lebensfroh. Allerdings sangen sie gleich im ersten Lied, was aus falschem Lebensfrohsinn entstehen kann. „Lütt Matten de Haas“ wollte nämlich Tanzen lernen und hat sich mit dem Fuchs den falschen Lehrer gesucht - Ergebnis: er wurde verspeist. Wenn die Beiden schon beim Verspeisen sind, dann auch in großem Maßstab. „Den Herrn Pastor sien Kauh“ war allerdings zu viel für nur einen, weshalb das Lied über die Aufteilung der Kuh im Dorf berichtet. Die Hamburger Hymne darf natürlich bei den Beiden nicht fehlen, und so beendeten sie ihre Darbietung mit dem „Tüddelband“.

Ja, und obwohl man es nach diesen tollen Darbietungen kaum noch erwarten durfte – zum Abschluss des Abends kam noch ein weiterer Höhepunkt. Die Wash Queens machen a capella Musik in Reinkultur. Von „einfach“ mehrstimmigem Gesang bis hin zu astreiner Barber Shop Musik haben sie viel im Programm. Und so durften wir mit den vier Frauen die Gänsehaut erzeugenden Interpretationen von „Mister Sandman“, „You’ve Got A Friend In Me“ (man achte auf das „In Me“, es ist nämlich ein anderes Lied als erst erwartet:-) ) und „Sweet Dreams“ erleben. Nicht unerwähnt bleiben sollte die spontane Kreativität der Gruppe, denn als erstes erwartete uns ein kleines, spontan entstandenes Gedicht zur aktuellen Lage – kurz und bündig „EM Gedicht genannt“. Alles in Allem auch dies eine so gute Vorstellung, dass das geneigte, erfahrene und schon oft verwöhnte Publikum begeistert eine Zugabe verlangte. Und, ich habe es erwartet, wurde diese auch mit dem Lied „Lass mich dein Badewasser schlürfen“ in einer, alle Klischees hervorkramenden, gegenderten Form gewährt. Einfach Klasse.

Und wenn wir schon bei Höhepunkten sind – den letzten Höhepunkt brauche ich wohl kaum zu beschreiben – auch diesmal wieder gaben Künstler und Publikum alles bei der Huldigung des FCB Patrons „Jock Stewart“.

In diesem Sinne bis zum nächsten Mal im August – ach nein, da sind ja Ferien – also am 6.  September.

Out of the bedroom, rein in den Folk Club

Euer

Mario

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