Folk Club (Nr. 31) im November
2012 – Beste Stimmung mit hochklassiger Musik
Wie
immer ist der Chronist beim Bericht erstaunt darüber, wie viele Menschen sich
vom Konzept des Folk Clubs begeistern und anlocken lassen. Es ist zu hoffen,
dass seine kindliche Begeisterungsfähigkeit für das nicht Alltägliche
ungebrochen bleibt und dass er sich vielleicht auch noch nach dem 60. oder
wer-weiß-wievielten Folk Club fasziniert über den Erfolg des doch so einfachen
Konzepts freut. Immerhin, auch ein Allerheiligen-Brückentag bot kein Hindernis:
Die Bude war brechend voll, noch voller war die Erwartung des Publikums und sie wurde nicht
enttäuscht.
Master John
Harrison, diesmal ganz elegant mit Sakko und hellem Hut, sorgte wie immer
für den nötigen Warm up mit einigen Schmankerln aus der Blues-Szene selbst begleitet auf seiner tonmächtigen
Dobro-Gitarre. „Troubled in Mind“ lautete der Titel des leicht melancholischen
Liedes von Richard Marigny Jones aus dem Jahr 1924. Das ursprünglich für
Pianobegleitung komponierte Lied hat unzählige Interpreten zu außerordentlich
unterschiedlichen Interpretationen inspiriert und Johns Version gefiel uns
sehr. Immerhin hat das Lied auch einen tröstlichen Aspekt: „Cause I know the
sun's gonna shine in my back door some day“ lautet eine Zeile. Beim „32-20
Blues“ vom Altmeister Robert Johnson aus dem Jahre 1936 wurde es eher
gefährlich. John erläuterte – ein bisschen Weiterbildung gehört ja bekanntlich
zum Konzept des Folk Clubs – dass beim Blues per se ein Revolver oder ein
Gewehr im Hintergrund lauere. Aber bei diesem Lied sei gleich ein ganzes
Arsenal angesprochen. Wie so oft geht es um enttäuschte Liebe, und das Problem
geht man – ganz amerikanisch – mit der Waffe an. Wie dem auch sei und solle,
das Stück ist einfach gut und speziell, wenn es von einem Kenner und Könner wie
John vorgetragen wird. Etwas glatter kam danach der „St Louis Blues“ daher, ein
Stück, das im Zweiten Weltkrieg Glenn Miller als Vorlage für seinen berühmten
St. Louis Blues March diente. John erläuterte, dass dieses Stück zahlreiche dem
Blues fremde Stilelemente enthalte, aber erstmals den Begriff „Blues“ in seinem
Titel geführt habe.
Eher in die
Welt des Jazz entführten uns danach Faber & Feels, Anderen auch
bekannt als Jenny M. und Volker S.. Gleich mit dem ersten Stück „Mad
World“ trumpften sie mit ihren ganze Klasse auf – Jenny mit ihrer schönen,
tragenden und variablen Stimme und Volker brillant am Klavier und als
kongenialer Begleitsänger. Jenny war Vielen bereits vom vorigen Folk Club
bekannt. Im Oktober hatte sie mit ihren Gesangskolleginnen Elena und Ulrike
Begeisterungsstürme mit ihren A Capella-Stücken ausgelöst. Die nächsten Lieder
waren die den Meisten sicherlich weniger bekannt: Auf „Every Day“ von Eva Jagun
folgte „Be Still my Heart, my Heart be Still“ von Silje Nergaard. Mit „Get
Here“ von Brenda Russel, auch bekannt in der Interpretation von Oleta Adams,
präsentierten die beiden mit Bravour ein weiteres Lied aus der Szene des
gesungenen Jazz. Ja, und dann gab es als Zugabe noch einen Klassiker des Folk von
Joni Mitchell, nämlich „Both Sides Now“. Das schöne Lied mit dem verwirrenden Text (“Bows and flows of angel
hair, and icecream castles in the air, and feather canyons everywhere, I've
looked at clouds that way”) hatten wir bereits beim vorigen Folk Club von Alvaro
Arango gehört. Aber Jennys Bedenken wegen der Dublette waren völlig
unbegründet. Das Publikum schenkte ihr und Volker für ihre schönen
Interpretationen der Lieder einen begeisterten Applaus.
Bert
Kerstin und seine Freunde lautete die Ankündigung für die nächste Gruppe,
die sich als kleiner Chor entpuppte. Neun Sänger unterstützt von Klavier,
Gitarre, Trommel und Rassel zündeten ein wahres Tonfeuerwerk auf der Bühne.
Erst einmal wurde das Publikum aus seiner passiven Rolle geholt, und mit den miteinander
verbundenen Gospel-Klassikern „Rock My Soul – Go, Tell it to the Mountains –
He’s Got the Whole World in His Hand“ kam Leben in die Zuhörer. „O Island in
the Sun“ von Harry Belafonte klang wunderbar rund und voll, und natürlich sang
auch hierbei das Publikum kräftig mit. Auch „Mein kleiner grüner Kaktus“ machte
viel Freude. Hoffentlich kommen Bert und seine Freunde bald wieder.
Großartige
Musik folgte mit den Beiträgen unserer heutigen Special Guests Naomi Paget
und Charlie Evans aus London. Light Falls Forward nennen sie
sich, und ihr Licht fiel tatsächlich bereits voraus und war sicherlich auch
einer der Gründe für den ausnehmend guten Besuch. Die Hoffnung auf neue Stücke
nach ihrem umjubelten Auftritt im Folk Club im April dieses Jahres wurde nicht
enttäuscht. „Fallen Snow“ lautete der Titel ihres ersten Beitrages aus neuer
Produktion, bei dem Naomi noch mit ein wenig verhaltener Stimme sang. „Hope“,
ebenfalls ein neues, wunderbar lyrisches Lied über die Hoffnung („We Are
Supposed to be Strong“), wurde von Charlie gesungen und bot berückend
harmonische Passagen mit herrlichen zweistimmigen Einlagen. Mit jetzt deutlich
kräftigerer und zupackenderer Stimme sang Naomi als nächstes „This is it“.
Neben ihren poetischen Eigenkompositionen mit überraschenden Harmonien und
ruhigen, fast sphärischen Melodieverläufen wagten die beiden sich auch an die
Interpretation von Liedern anderer Folk-Größen. „Old Man“ aus dem berühmten
Album „Harvest“ von Neil Young ist sicherlich ein Brocken, der nicht so einfach
zu stemmen ist. Naomi und Charlie hingegen gaben dem eigenwilligen Lied mit dem
vieldeutigen Text eine wunderbar persönliche Note und blieben doch nahe bei der
Aufführungsweise von Neil Young, ohne sie zu plagiieren. Ganz besonders apart
klang dabei Naomis Klavierbegleitung – einfach begeisternd! Ein weiteres Lied
aus der aktuellen Produktion der beiden war „Weight of the World“. Charlie sang
mit seiner schönen, tragenden Stimme das Lied mit der tröstlichen und
ermunternden Botschaft: „Jeder Schritt, den wir auf dieser Erde machen,
hinterlässt Spuren von unserer Existenz“. Etwas bedrückend war der Text des
Liedes „One by One“ über die abartige Situation in der Londoner U-Bahn, wenn
die Menschen morgens dichtgedrängt und geistig völlig abwesend wie Zombies zur Arbeit
fahren. „Another Language“ lautet der Titel eines weiteren Cover-Liedes, das
von der Kraft der Worte handelt („Words are the brush with which I paint“), Das
Liebeslied „It Can’t be Easy“, und die Zugabe „Green Eyed“ sind weiter
Neuproduktionen aus eigener Feder.
Aber auch die
älteren Lieder kamen zu ihrem Recht: „Little Things“, „Right From the Start“,
„So What“, „Here and Now“ und ganz besonders mein Lieblingslied „Weather The
Storm“ sind für mich schon Klassiker und ich hoffe, dass all diejenigen, die
CDs gekauft haben, die Musik der beiden recht oft hören. „Beautiful simplicity“
lautete Johns kurzer und prägnanter Kommentar zur Musik von Light Falls
Forward, und er hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
Der Auftritt
von Barry Roshto und seiner Tochter Emily musste wegen Emilys Erkrankung
auf den nächsten Folk Club verschoben werden (hoffentlich wird’s was). Aber
Barry konnte sich dennoch nicht der Attacken einiger Sangesbegeisterter
erwehren und so startete er u.a. zusammen mit Claudia Huismann
(„Meoneo“) nach der Pause eine kleine Session. „You Got a Friend” von Carol
King war eine schöne Einstimmung auf den zweiten Teil des Abends.
Etwas
besorgt, dass er überhaupt gehört wurde, äußerte sich Ralf Klein vor
seinem Auftritt. Aber als die ersten seiner kunstvollen Gitarrenakkorde
erklangen, wurde es im Saal sofort mucksmäuschenstill – eine perfekte Situation
für Ralfs Intrumentalauftritt. Bei „Vals Venezolano“ von Antonio Lauro konnte
Ralf seine Gitarrenkunst voll ausspielen, ein Genuss. Bekannter für Viele war
das Stück „Romanza Española
(„Jeux Interdits“). „Cuban Dance“ lautete der Titel eines Stückes, das
vermutlich von dem ukrainischen Komponisten Anatolij Beldinskij stammt und von
dem auch eine außerordentlich schöne Version für zwei Gitarren existiert.
Vielleicht gibt es ja mal einen Duo-Auftritt mit dieser Melodie. Den Abschluss
seines umjubelten Auftritts machte Ralf mit einer Eigenbearbeitung der
technisch überaus schwierigen Komposition von Isaac Albéniz „Asturias“, auch
bekannt als „Leyenda“ – bitte bald mehr davon!
Nach langer
Folk Club-Abstinenz gab sich auch Mario Dompke wieder die Ehre und
beglückte uns in bester Liedermacher-Manier mit seinen poetischen
Eigenkompositionen in deutscher Sprache. „Schau mir in die Augen, Kleines“ war
keine Reminiszenz an Casablanca sondern ein gefühlvolles Lied für jemanden, der
eine schwere Krankheit mit viel Willen und Zuwendung seiner Freunde überwunden
hatte. „Ich möchte einmal eine Nacht mit dir weinen“ heißt der Titel eines
Liebesliedes und auch ein bissig-witziges Sauflied über Selbsttäuschungsmanöver
eines Alkoholikers gehörte zum Programm. Ein ganz besonderes Geschenk hatte
Mario für den Folk Club in Form eines speziellen Folk Club-Refrains mit dem
Titel „Wenn Freunde sich treffen“ im Gepäck. Lieber Mario, sende uns Noten und
Text, damit wir den Refrain möglichst oft spielen und singen können.
Das
Finale bildete wie so oft und immer wieder gern unser Rausschmeißer „Jock
Stewart“, den die Gemeinde mit Inbrunst und inzwischen (fast) auswendig mitsang.
Zum Abschluss
seien noch drei ganz dicke Dankeschöns verteilt: Eines an einen Freund und
Gönner, der immer für die richtige "Stimmung" sorgt. Das andere Dankeschön geht an die Thekenbesatzung des Hauses
Müllestumpe, die trotz der vielen Besucher und der Enge den Getränke- und
Essensnachschub mit Bravour und mit bemerkenswerter akustischer Zurückhaltung
absolvierte. Nummer drei gilt unserem aktuellen musikalischen Organisationschef
Steven Perry, der ein tolles Programm zusammengestellt hatte und der
bereits für den kommenden Folk Club am 7. Dezember Mühe hat, alle Anfragen für
Auftritte unterzubringen. Wir dürfen gespannt sein.
Auf Wiedersehen am 7.
Dezember mit unserem Special Guest Simon Kempston aus Edinburgh.