Donnerstag, 17. Januar 2013

Folk Club 33

Folkclub (Nr. 33) im Januar 2013

(An english translation of this article can be read at 3SongsBonn.com)
http://3songsbonn.com/2013/01/17/folk-club-33-singing-in-the-new/#more-4738

- Man singt sich ins neue Jahr!

Kaum hat man ins neue Jahr gefeiert und seinen Rausch ausgeschlafen, schon bricht der nächste Folkclub an. Natürlich erwartet man nichts Großartiges in dieser Zeit: Viele sind noch im Urlaub, bei ihren Lieben oder genießen ihre Freizeit, so denkt man. Aber die allgemeinen Erwartungen wurden auf alle Fälle übertroffen! Man sah viele alte und neue Gesichter, als sich der Rheindorfer Hof zu füllen begann. Und kurz nach 19:30 Uhr war von der einsamen Atmosphäre am Anfang nichts mehr zu spüren. Bereits da bahnte sich an: Es wird ein volles Haus und ein voller Abend!

Wie ein Donnerschlag zerschlägt die, eines Boxrings würdige, Ansage John Harrisons den Raum. Mit seinem routiniert nervenerschütternden „LADIES AND GENTLEMEN!“ wird nun, um kurz nach halb acht der erste Folkclub im Jahr 2013 eingeläutet. Wie gewohnt präsentiert John ein paar Stücke A Capella. Jedoch nicht ohne eine kleine Ansage zu jedem Stück, der es weder an Charme, noch an Witz fehlt. In seinen ersten beiden Stücken präsentiert sich John einmal von seiner sentimentalen Seite. In „The Snow It Melts The Soonest“ (trad. ar.), muss John zwar noch etwas gegen die laute Küche des Rheindorfer Hofs ansingen, aber die Herzen des Publikums hat er ab der ersten Zeile schon erobert. Die Vergänglichkeit, die zu dieser kalten Jahreszeit überall zu spüren ist, kommt in diesem Song unfassbar gut zum Vorschein. Genauso in seinem zweiten A Capella Song „January Man“, in dem die Monate allegorisch mit Menschen gleichgesetzt werden. Aber auf der anderen Seite fühlt man dabei wahrhaftig die Aufbruchstimmung, dem neuen Jahr gegenüber. Diese besinnliche Stimmung wird am Ende von Johns Set durch einen urigen Robert Johnson Blues, „Love in vain“ ein wenig aufgelockert. Mit seinem, wie immer, grandiosen Bluesharp-Spiel gab es danach kaum noch offen Wünsche.

Der nächste Floorspot ist Ralf Klein mit seiner spanischen Gitarre. Ohne großes Bohai und mit einfachem Pulli, betritt er unauffällig die „Bühne“ der Gaststätte. Seinem mündlichen intro „Ohne Worte“, ist schlichtweg nichts hinzuzufügen. Ralfs stilles Auftreten unterstreicht nur noch sein gekonntes, klasssiches Gitarrenspiel. Wortlos lässt sich das sowieso besser genießen! Sein barockes Bourrée von Bach hätte kaum besser in die besinnliche Spätwinterzeit hineinpassen können. Nach ein paar neuen Stimmungen (der Luftfeuchtigkeit wegen), gab es noch „Manhã do Carnival“ und „Besame Mucho“ mit dem fröhlichen Grundrhythmus. Auf jeden Fall mit Klasse!

Wie muss es gewesen sein in den Sechiger Jahren, die Treppe in den dunkeln Musikclub namens „Gaslight“ herunter zu laufen, als einem immer lautere Musik und starker Rauch entgegen kam? Ein Ort, wo sich alte traditionelle schwarze Blues Sänger wie Reverend Gary Davis und Mississippi John Hurt und New Age Dichter wie Ginsberg und „moderne“ weiße Folk Sänger wie Tom Paxton und Phil Ochs trafen. Robert Zimmerman (später Bob Dylan), der eines Tages ein Gedicht auf der öffentliche Schreibmaschine im ersten Stock schrieb, trug dieses ein paar Tage später unten im Keller in diesem Musikclub als neues Lied vor. Das Lied hieß „The Times They Are A-Changing“. „The Gaslight Cafe “ Coffee House in New Yorks Greenwich Village, war damals wirklich etwas besonders, da eine friedliche, musikorientierte „Revolution“ gerade im Gange war. Eine Fusion von so vielen Idéen, die plötzlich nahtlos an einander verbunden waren. Die Zeiten änderten sich zu dieser Zeit dort gewaltig.

Richard Limberts erstes Lied hieß „The Gaslight Rag“, und ist ein Spottlied über „The Gaslight Café“ . Es stammt von Dave Van Ronk, der öfters dort auftrat als er heiße Mahlzeiten zu sich nam, und wessen Sofa Bob Dylan’s Bett war als er zuerst nach New York kam. Ob „His Bobness“ wirklich dort Bach gespielt hat, wie in dem Lied gemeint wurde, wissen wir nicht genau, aber so etwas kann in Folk Clubs schon manchmal vorkommen.

Richards nächstes Lied war ein Eigenes: „My Machine Heart“. Er bittet die Zuhörer, ihre eigene Interpretation aus dem Lied zu erschließen. Seltsam war, dass er die obere und untere E Saite zwei Stufen herunter auf D stimmte. Wenn er die A Saite auch zwei Frets herunter gestimmt hätte, hätte es einen offenen G Akkord gegeben, perfekt für Bottleneck, „Crossroads“ und „Walking Blues“. Wenn er statt dessen die B Saite auf A zwei Stufen herunter gestimmt hätte, wären wir schon in DADGAD, ein Lieblings Stimmform von Simon Kempston und vielen Keltic Gitaristen. Richard lässt die Stimmung wie sie ist : Doppel Dropped D. Ungewöhnlich, aber nach Befragung antwortete er, „er experimentiere gerade“. So kann er die Akkorde fortschreiben, in dem er das ständige D Summen von den Außenseiten, auf die inneren vier Saiten überträgt, wie bei Argent’s Lied „Dance in the Smoke“. Einfach und einfallsreich, aber sehr effektiv. Man kann sehen und hören, was ein Mann auf der Gitarre spielt, aber nicht was er denkt. Hat Richard wirklich ein Maschinenherz, wie er behauptet ? Oder bringt er nur die sechs Maschinenköpfe, die Mechanik seiner Gitarre mit seinem Herz durch einander? Ein nüchternes Treppenhaus? Eines Morgens nach einer langen Nacht? "One Meatball" war ein weiterer Favorit von Dave van Ronk. Er dachte, es sei ein altes Blues-Lied, das er von Josh White gelernt hatte, und in seinen eigenen Worten, "damned near played it to death", bevor er es wieder für 20 Jahre auf das Regal ablegte. Es ist, in der Tat, ein sehr seltsames Lied, das gemischte Gefühle evoziert. Trauer für den armen Mann, der nur 15 Cent für einen Fleischball hat, der auch im Restaurant angebrüllt wird, weil er auch noch dazu um Brot bittet! So ein perfektes Lied zum mitsingen, ein Drei-Wort-Refrain und reichlich Schadenfreude! Die wahren Wurzeln dieses Liedes liegen aber nicht im Schwarz Afro-American Blues, sondern in einem Abend mitten im 19.Jahrhundert in Cambridge, Massachusetts, bei einem anspruchsvollen Dinner Party , wo eine Gruppe von literarischen Koryphäen aus Harvard, u.a. James Russell Lowell und Francis James Child und vielleicht auch Henry Wadsworth Longfellow, ein Lied unter den Alkohol von Einfluss, über einen einsamen Fischball mit dem Titel "Il Pescabello" als Anteil an einer italienischen Parodie Operette schrieben. Sachen gibt’s!

Als wohl verdiente und stattgefundener Encore griff Richard zum Klavier und ließ das neue Jahr fröhlich mit einem zeitlosen Stück von den Zombies „This Will Be Our Year“ von 1968 das Neu Jahr 2013 einklingen.

Irgendwo muss der alte Ragtime Gitarist, Dave van Ronk, der musikalische Bürgermeister von MacDougal Street, uns grinsend zuschauen, wahrscheinlich schon Maestro an das heimische Instrument, und die Tatsache, daß er schon 10 Jahre von dieser Erde fort ist, hindert ihn nicht, auch heute immer noch junge Singer/Songwriters zu animieren.

Nun ist mit Annette ein kleines Stück Folkclubgeschichte als Floorspot dran. Mit ihren Floorsports, die nur einen Song lang dauern ( man erinnere sich an ihr „Loch in der Banane“), hat sie sich langsam einen Namen gemacht. Nun nennt man im Folkclub Bonn einen ein-Song-Floorspot inzwischen eine „Annette“. Als erstes spielte sie ( auf Johns Resonator Gitarre) „Acadie“ von Daniel Lanois, als Lied der vertriebenen französischen Minderheit der Ostküste Kanadas. Gefolgt von einem alten bulgarischen Volkslied in 7/8 Takt, namens „Imala Maika“ nach der Fassung von Piirpauke, ein finnische Fusionsband, dieses mal auf die spanische Gitarre mit Wolfgang an der Blockflöte. Definitiv hat dieses Stück eine mystische, osteuropäische Ader, die durch die Blockflöte noch extremer hervorgehoben wurde. Mit diesen mystischen Grundakzenten beendete Annette auch schon nach zwei Liedern ihren Auftritt.

Bekannt aus der Lindenstraße, ist nun Brigitt´ Annessy an der Reihe. Sie ist schon ein bekanntes Gesicht im Folkclub. Vor fast genau einem Jahr legte sie schließlich hier einen unvergesslichen Special Guest, gemeinsam mit ihrem Pianisten hin. Damals schwebten ihre Chansons noch stunden später in der Luft der Gaststätte. Bereits zu Anfang des Abends saß sie direkt vor der Bühne und lauschte mit Freude all ihren Vorgängern. Nachdem sie mit Applaus nach vorne gerufen wurde, blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als zu improvisieren. Doch auch das schafft sie ganz gut. Als erstes hört man von ihr (ganz dem Thema von Annettes erstem Lied entsprechend), ebenfalls ein Stück über französische Kanadier, das zum Mitklatschen animiert. Nach ein wenig Bedenkzeit und Liedvorschlägen aus dem Publikum, wurde endlich das zweite Chanson angestimmt: „La Mer“ von Charles Trenet. Ohne jegliche musikalische Begleitung wurde die Tiefe des Liedes um einiges stärker. Das Publikum wartete gespannt auf jedes Wort, das von ihren Lippen tropfte. Zum Schluss tat Brigitt´ jedem einen Gefallen, indem sie das (von vielen Seiten gewünschte) „Non, je ne Regrette Rien“ von Edith Piaf herausschmetterte. Natürlich wurde fleißig mitgesungen!

Nach einer kurzen Pause für Raucher und jene, die noch ein Bierchen zwischendurch trinken wollten, kam es nun zu einem kurzen Intermezzo von Jutta Mensing, die unter anderem „Es Geht ein dunkler Wolk herein“ mit dem Publikum sang. Dem pessimistischen Evergreen aus dem Barock, lässt sich heute noch viel Modernität abgewinnen. Man kann den „Wolk“ sowohl, als Krieg, als auch als „Atomwolke“ sehen, was ja schließlich auch den Geist vieler Volkslieder ausmacht: zeitlich meilenweit weg, doch thematisch immer ganz nah dran.

Nun kam auch endlich Steve Perry auf die Bühne. Dieses mal bleibt es auch kanadisch. Im Sinne von Gordon Lightfoots „Alberta Bound“ wurde ein Bier der Marke „AGD (Alberta Geuine Draft)“ verschenkt, indem das Publikum zum Song seine Stimmbänder anstrengte. Auf seiner brasilianischen 10-saitigen Gitarre (viola caipira) begleitete sich Steve zu „50 Years Ago“ und „Summer Wages“ vom kanadischen Superstar Ian Tyson. Zwischendurch gab es immer mal wieder kleine Wortbeiträge in Englisch (wenn Steve seine kanadische Wollmütze aufbehielt) und auf Deutsch (ohne Wollmütze), was gehörig für Lacher sorgte. Sehr interessant war auch das traditionelle Folkssong „Un Canadien Errant“, bei dem er, mit der Hilfe von Brigitt´, ihrer acht jähriger Tochter, Marine und Richard Limbert einen vier-stimmigen Chor hatte. Es handelte sich wieder um vertriebene Frankokanadier, aber diesmal aus Québec. Sehr atmosphärisch!

Nachdem uns Lothar Heinrich bereits bei einigen Folkclubs mit seiner einzigartigen Art unterhalten hat (wir erinnern uns an seine grandiose Version von „Highway 66“), kam das Publikum wieder in den Genuss, ihn live zu sehen. Nachdem er neckisch die Anzahl seiner gesungen Songs mit John Harrison hochgehandelt hat, wurde es nun Zeit, die Gitarre anzustimmen. Sein erstes Lied hieß „Parla Piú Piano“. Sofort fühlte man sich an die Küsten Siziliens versetzt. Und was ist das für eine Melodie? Natürlich! Man erkannte die Titelmedlodie des Copolla Films „Der Pate“. Ein romantisches Stück, dass zu Lothar auf jeden Fall wie die Faust aufs Auge passt. Danach gab es (ebenfalls sehr romantisch) „Solamente Una Vez“ von Augustín Lara. Ein Bolero, der ebenfalls vor Fernweh nur so sprudelt. Den größten Gassenhauer hat sich Lothar jedoch fürs Ende aufgehoben: „Take Me Home Country Roads“, bei dem wirklich jeder im Publikum mitsingen konnte, und es auch tat. Mit Applaus und einem Lächeln ging Lothar von der Bühne.

Bereits den ganzen Abend saß neben dem Piano eine Frau, die immer am lautesten mitgesungen und am begeisterten applaudiert hat. Nun wurde endlich klar, wer es war: Es war Claudia Huismann. Mit ihrer klassischen Gitarre betrat sie das Zentrum des Raumes und spielte. Auf einmal verschwand der alte Charme der Umgebung und es wurde alles jazzig. Als erstes gab es ein französisches Stück, „Merci“ mit fast progrockartiger, jazziger Begleitung. Der Text war natürlich selbstgeschrieben und definitiv eher von der besinnlichen Sorte. Das zweite Lied, „Sant Ajacada“ klang ein wenig spanisch, aber war dies vielleicht Claudia’s Gefühlssprache, „Aukilanisch“ ? Wir dürfen nur zuhören, geniessen und wundern. Den größten Hit bewahrte Claudia aber für den Schluss auf. „Thoughts“ (von ihr und einer Freundin geschrieben), kam am besten beim Publikum an, vor allem durch den Scatartigen Mundtrompete, mit leicht posaunische Untersätze, Soloteil . Auf Englisch und, später auch, auf Deutsch gab es schwingend und summend alles, „Through the Night“ was das Jazzerherz höher schlagen lässt.

Nach reichlich Applaus machte sie Platz für Adam, samt Kopftuch und seinem alten Instrument: Einer sächsischen Konzertina. Die Geschichte sprüht förmlich aus dem Harmonieinstrument! Sehr passend dazu sang er ein altes Lied, „Zu Coblenz auf der Brükken“, (Text aus "Des Knaben Wunderhorn") über die Brücke von Koblenz und (und hier schließt sich der Kreis, den John begonnen hat) Schneefall, die Melodie ist die alte Version des Liedes „Es ist ein Schnee gefallen“. Fast fühlte man sich in eine Taverne von mehren hundert Jahren zurückversetzt. Auf jeden Fall einzigartig.

Recht unvorhergesehen kam nun Katy Sedna dran, die mit einer ziemlich kleinen Taylor-Gitarre und leider nur ein Lied, aber von großem Wiedererkennungswert, sang. Ihre Stimme war wirklich angenehm und harmonierte auch sehr mit ihrer etwas rustikalen Modeauswahl. Die kleine Gitarre und der lange Rock wirkten, genau, wie ihre Musik an keine bestimmte Zeit gebunden. Nach „Saved by a lover“ (text kann man hier nachsehen : http://www.katysedna.com/m_lyrics/main_lyrics_d.php ) war bei ihr leider auch schon Schluss und es bahnte sich schon der letzte Floorspot an.

Mario Dompke war bisher immer ein gern gesehen Musiker und Gast im Folkclub Bonn. Und das sollte dieses mal auch wieder einmal unterstrichen werden! Mit seiner Jumbo Gitarre auf dem Schoß und auf dem Klavierhocker sitzend machte er direkt allen klar : „Ich habe es immer gehasst Mützen zu tragen!“. Im Klartext: Niemand schreibt mir vor auf welcher Sprache und auf welcher Art ich singen soll! Allemal die richtige Einstellung! Nun ging es aber auch schon mit dem ersten Song los. In Hannes Wader-Manier wurde sehr sauber auf der Jumbo gezupft. Dazu gab es ein Lied, dass wirklich zum Nachdenken anregt; „Keiner hats gewusst“ ist ein Lied, dass auch mal die andere Seite der häuslichen Gewalt aufgreift. Vielleicht sind Täter manchmal mehr Opfer, als Täter? Solche Fragen werden aufgeworfen. Nach solchen ernsten Themen gab es endlich mal wieder zum Schmunzeln. Der „Klobürsten Blues“ stellt die eigentliche Thematik des Blueses auf den Kopf und gibt allem eine heitere Stimmung. Zum Schluss wird sogar mitgesungen. So sollte ein Entertainer arbeiten!

Nach all diesen Musikern fehlte nur noch eins, um das Jahr 2013 gut einläuten zu lassen: Unser aller, alter Freund „Jock Stewart“! Endlich wurde mal wieder das alte Lied gesungen. Alle Musiker und jeder der Spaß am Singen hat trällerte mit. Dieses Mal ohne Barrys Piano. Komplett A Capella gab es eine Version, die sich gewaschen hat. Na wenn das mal kein guter Start ins neue Jahr ist!

Cheers!

- Richard Limbert

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