Folk
Club Nr. 39 im Juli – Zauber der Gitarre
Perfektes Biergartenwetter und Katie Melua als
Konkurrenz bei KunstRasen – bleibt da überhaupt noch Publikum übrig für den
Folk Club? Obwohl der Chronist sich diese bange Frage schon so oft gestellt und
darauf immer wieder eine äußerst positive Antwort erhalten hat, staunt er doch
stets angesichts des großen Zuspruchs trotz der vielen anderen Attraktionen. Es
ist halt für Viele Platz.
Traditionell eröffnete John Harrison die Session diesmal mit dem Blues Klassiker „Alberta“
von LeadBelly. Selbst begleitet auf seiner famosen Resonator Gitarre und mit
der Mundharmonika hatte er das Publikum wie immer sofort bei sich. Das witzige
Lied über die beiden verliebten Nilpferde, bei dem das Publikum eingeladen war,
den Refrain mit den Worten „Mud, mud glorious mud, Nothing quite like it for
cooling the blood“, mitzusingen, ging danach schon recht locker über die Bühne.
John hatte das Lied als kleine Erinnerung an seine gerade ausgestandene
Kellerüberschwemmung mit anschließender Schlammschlacht ausgewählt. British humour at its best! Bei
“Nobody Knows You”, einem der ganz großen Klassiker des Blues glänzte John
dann mit eindringlichem Gesang und einem schönen Gitarrenriff.
Als Neuling im Folk Club trat Franz Kalina aus Berlin auf, der bei
einem Freund in Bonn zu Besuch war und die Gunst der Stunde für einen Auftritt
nutzte. Noch ein wenig schüchtern spielte und sang er recht schön das Credence
Clearwater Revival Stück von 1969 „Bad Moon Rising“. Die „reifere Jugend“ reibt
sich verwundert die Augen, auf welche Stücke die „wahre Jugend“ zurückgreift.
Aber die Dinger von CCR waren und bleiben nun mal Knüller und werden immer
wieder gern genommen. Im Unterschied dazu wäre es der Jugend damals nicht in
den Sinn gekommen, sich an den musikalischen Lieblingsstücken aus der Jugend
ihrer Eltern zu ergötzen. Die Zeiten ändern sich, denn auch diese Musik erlebt
ja eine Renaissance. Die beiden Lieder von Oasis „The Importance of Being Idle“
und „Whatever“ sind da schon etwas – aber auch nur etwas – näher am aktuellen
Zeitgeschehen.
Unser „Programmdirektor“ Steve Perry wurde von seiner musikalischen Mitstreiterin bei der
famosen „Rock ‘n’ Rollator Show Elena
Fricke für den heutigen Abend als Begleiter „dienstverpflichtet“. Elena
bringt als Sängerin fast Profiniveau mit und hatte bereits bei ihrem Auftritt
im Oktober 2012 zusammen mit ihren Mitsängerinnen Jennifer und Ulrike
Begeisterungsstürme hervorgerufen. Steve hielt sich wacker und er und Elena
bewiesen musikalisches und komödiantisches Talent. „Crying Time“ ist ein
wunderbar schmalziges Country Lied von Buck Owens aus den Vierzigern, das
seither Generationen von Sängern inspiriert hat. Elena und Steve machten damit
jedenfalls eine super Figur und Appetit auf mehr. Mit „These Boots Are Made for
Walking“ von Nancy Sinatra feuerten sie gleich einen weiteren Schuss ins
Schwarze. Elena glänzte mit ihrer voluminösen und intonationssicheren Stimme.
Der Schmalztopf war noch nicht leer und so holten sie schnell einen weiteren
Ohrwurm hervor: „Something Stupid“, das unsterbliche Lied mit Vater und Tochter
Sinatra, war wie gemacht für die beiden, die natürlich nicht ohne Zugabe von
der Bühne durften. Mit „Ain’t no Sunshine“ von Bill Withers bemühten sie ein
weiteres Mal mit Bravour das Thema unglückliche Liebe – süüüß!
Unser treuer Gefolgsmann Lothar Heinrich präsentierte mit „That Lucky Old Sun“ eine
gefühlvolle Südstaaten-Ballade über das harte Leben eines einfachen Arbeiters,
die ebenso wie z.B. „Crying Time“ bereits zahlreiche bekannte Musiker in die
Aufnahmestudios gelockt hat. Anders als bei vielen etwas süßlichen
Interpretationen aus den US Studios schaffte Lothar es, dem Lied die eigentlich
authentischere herbe Note zu geben. Immerhin spricht der Text davon, dass der
geschundene Arbeiter den Herrgott anruft, ihn aus dem elenden Leben in den
Himmel zu holen.
Lothar hatte offenbar erfolgreich die
Werbetrommel für den Folk Club gerührt und mit Steffi Röben ein neues Gesicht und eine neue Stimme angeheuert.
Steffi sang mit ihrer schönen intonationssicheren Stimme ein russisches Lied
von Wladimir Nikolajew, dessen Titel übersetzt lautet „Ich bin da mal so
vorbeigekommen“ – wie bezeichnend für ihren Auftritt.
Lothar
setzte dann den Auftritt fort mit dem Klassiker in spanischer Sprache „Que
Nadie Sepa Mi Sufrir“ (Dass niemand von meinem Leid erfahre!). Lothar spielte
und sang das schöne Lied in der ursprünglichen Fassung im peruanischen
Walzertakt. Das Lied aus dem Jahre 1936 wurde später vielfach verändert und in
anderen Taktformen z.B. als Rumba präsentiert.
Nur mit seiner Gitarre bewaffnet betrat dann
ein bescheidener junger Mann die Bühne, den einige der Gäste bereits aus seiner
Schulzeit von Schülerkonzerten der Bonner Musikschule kannten. Simon Wahl wohnt und studiert aber
mittlerweile in Linz in Österreich. Gleich mit den ersten Tönen aus seinem
Instrument ging der Geräuschpegel im Publikum schlagartig fast auf Null. Was
dann aus dem Instrument herausgezaubert kam, verschlug den Meisten den Atem.
„Haben wir zufällig gerade die Ehre, einem Genie zuhören zu dürfen?“ raunte mir
einer meiner Tischnachbarn beim tosenden Applaus nach dem ersten Stück „Auf
geht’s“ zu. Simon bringt es fertig, die Gitarre so zu spielen, dass gleich
mehrere Instrumente gleichzeitig ertönen. Die rechte Hand zupft und schlägt die
Saiten und erzeugt zugleich noch kunstvolle Perkussionselemente auf dem
Gitarrenkörper, mit der linken Greifhand zupft und schlägt er ebenfalls die
Saiten und greift nur fast nebenbei in die Bünde – ein verwirrendes
Klangerlebnis, bei dem man nicht glauben möchte, nur einen einzigen Musiker vor
sich zu haben. „Hoffnung“ lautet das leicht melancholische Stück, das wie fast
alle anderen aus Simons eigener Feder stammen. Leicht eingesprenkelte
Flageoletttöne geben dem Stück etwas Luftiges. Das in Moll gesetzte Stück endet
in Dur – die Hoffnung war nicht vergebens. Bei „Fernweh“ sorgt Simon mit Rechts
vor allem für die Percussion und erzeugt die kunstvolle Melodie mit der linken
Greifhand. Ähnlich kunstvolle und virtuose Momente bescherte er dem atemlosen Publikum
bei den Stücken „Am Rhein“ und „A Language Called Music“. Am Ende des Abends
komplettierte Simon seinen furiosen Auftritt u.a. mit den Stücken „Take it
Easy“ (schier unglaubliches Fingerpicking), einem Arrangement von
Eminem-Stücken mit gelöster und für Percussionszwecke gelöster E-Saite, dem
lyrischen und zum Weinen schönen Stück „September“ und einem in Italien
komponierten Sommerlied. Natürlich durfte Simon nicht ohne Zugabe gehen und
beglückte seine neuen Fans mit dem Lied „Rastlos“, das er erst vor Kurzem
pomponiert hat. Riesen Applaus, der fast nicht enden wollte. Wir hoffen, Simon
bei einem Heimatbesuch wieder im Folk Club bewundern zu dürfen.
Auch diesmal setzte unser alter Freund Günther Peters seine vor einiger Zeit
begonnene Serie fort und lud das Publikum zu einem gemeinsamen Lied ein. Zur
bekannten Melodie von „Komm lieber Mai und mache“ – wer es nicht weiß: die
Melodie stammt von W. A. Mozart, und das Lied hat den Originaltitel „Sehnsucht
nach dem Frühling“, KV 596 – hatte Günter ein witziges Lied über den Folk Club
gedichtet und zudem auf einem Liedblatt mit einem hübschen selbstgezeichneten
Bild verteilt, ein großer Spaß für alle und ein prima Einstieg in die zweite
Hälfte der Session.
Hier setzten wieder Barry Roshto und seine Tochter Emily
die Maßstäbe mit einigen wundervoll arrangierten und vorgetragenen Stücken: Bei
„I am a Zombie“ von The „Pretty Reckless“ konnte Emily ihre zarte und doch
kraftvolle Stimme sehr schön zur Geltung bringen. Barry ist dabei ein herrlich
einfühlsamer Begleiter mit seiner schönen melodischen Tenorstimme und natürlich
seinen Klavierarrangements. Göttlicher Schmalz ist das Lied „We’re Gonna Find
it“ aus dem Animationsfilm „Barbie & The Diamond Castle“. Nachdenklicher
ging’s zu beim Lied „People, Help The People“ von „Birdy“, bei dem das Duo mit
seinen wundervollen Stimmen dem Publikum direkt ins Herz sang. Ihren Auftritt
beendeten die Beiden mit dem witzigen Cup Song „When I’m Gone“ von „Pitch
Perfect“. Bei dem Lied, das a capella vorgetragen wird, muss zum Gesang ein
Becher in rhythmischer Folge als Perkussionselement auf einem Tisch gedreht
werden und zwischendrin in die Hände geklatscht wird. Ihr könnt euch das ja mal
auf Youtube anschauen (Beispiel: http://www.youtube.com/watch?v=HqLBYgmG16s).
Die beiden meisterten die Akrobatikübung jeder mit seinem Becher mit Bravour,
ohne dabei einen Knoten im Gehirn zu kriegen.
Erstmals seit einiger Zeit gab Richard Limbert wieder eine Kostprobe
seines Könnens. Mit „Tangled up in Blue“ von Bob Dylan tauchte er nach seinen
Worten in die Teenagephase ab, um danach die „kriminelle Phase“ anzusteuern:
Das Lied „Hang me o Hang me“ von Dave van Ronk handelt von einem Landstreicher,
der immer hungrig ist und dem es fast lieber ist, hingerichtet zu werden.
Irgendwie hat Richard ein Faible für morbide Themen, denn sein letztes, diesmal
selbstgeschriebenes, Lied hatte den Titel „Hang me Higher“. Der Aufforderung
ist das Publikum dann doch nicht nachgekommen. Stattdessen gab es Applaus für
seinen schönen Beitrag und seinen kraftvollen Gesang.
Ebenfalls stimmlich glänzen konnte Theo Meh, der auch nicht das Erste Mal
im Folk Club auftrat, der sich aber diesmal mit einer selbstgeschriebenen
Hommage an den Folk Club nach Berlin verabschiedete, wo er in Kürze eine neue
Arbeit aufnimmt. Viel Glück für deine Zukunft Theo, vielleicht kannst du ja in
Berlin einen Folk Club aufmachen.
Der Abend ging wie üblich mit der „Hymne“ „Jock
Stuart“ zuende und entließ das Publikum mit der Vorfreude auf die nächste
Session am 6. September (im August sind Folk Club-Ferien). Dann gibt es einen
Themenabend unter dem Motto „Wetterlieder“. Wer einen Beitrag zum oder über das
Wetter machen möchte, ist herzlich willkommen.
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