Sonntag, 14. Juli 2013

Detlefs Bericht vom Folk Club 39 im Juli 2013


Folk Club Nr. 39 im Juli – Zauber der Gitarre 

Perfektes Biergartenwetter und Katie Melua als Konkurrenz bei KunstRasen – bleibt da überhaupt noch Publikum übrig für den Folk Club? Obwohl der Chronist sich diese bange Frage schon so oft gestellt und darauf immer wieder eine äußerst positive Antwort erhalten hat, staunt er doch stets angesichts des großen Zuspruchs trotz der vielen anderen Attraktionen. Es ist halt für Viele Platz.
Traditionell eröffnete John Harrison die Session diesmal mit dem Blues Klassiker „Alberta“ von LeadBelly. Selbst begleitet auf seiner famosen Resonator Gitarre und mit der Mundharmonika hatte er das Publikum wie immer sofort bei sich. Das witzige Lied über die beiden verliebten Nilpferde, bei dem das Publikum eingeladen war, den Refrain mit den Worten „Mud, mud glorious mud, Nothing quite like it for cooling the blood“, mitzusingen, ging danach schon recht locker über die Bühne. John hatte das Lied als kleine Erinnerung an seine gerade ausgestandene Kellerüberschwemmung mit anschließender Schlammschlacht ausgewählt. British humour at its best! Bei “Nobody Knows You”, einem der ganz großen Klassiker des Blues glänzte John dann mit eindringlichem Gesang und einem schönen Gitarrenriff.

Als Neuling im Folk Club trat Franz Kalina aus Berlin auf, der bei einem Freund in Bonn zu Besuch war und die Gunst der Stunde für einen Auftritt nutzte. Noch ein wenig schüchtern spielte und sang er recht schön das Credence Clearwater Revival Stück von 1969 „Bad Moon Rising“. Die „reifere Jugend“ reibt sich verwundert die Augen, auf welche Stücke die „wahre Jugend“ zurückgreift. Aber die Dinger von CCR waren und bleiben nun mal Knüller und werden immer wieder gern genommen. Im Unterschied dazu wäre es der Jugend damals nicht in den Sinn gekommen, sich an den musikalischen Lieblingsstücken aus der Jugend ihrer Eltern zu ergötzen. Die Zeiten ändern sich, denn auch diese Musik erlebt ja eine Renaissance. Die beiden Lieder von Oasis „The Importance of Being Idle“ und „Whatever“ sind da schon etwas – aber auch nur etwas – näher am aktuellen Zeitgeschehen.

Unser „Programmdirektor“ Steve Perry wurde von seiner musikalischen Mitstreiterin bei der famosen „Rock ‘n’ Rollator Show Elena Fricke für den heutigen Abend als Begleiter „dienstverpflichtet“. Elena bringt als Sängerin fast Profiniveau mit und hatte bereits bei ihrem Auftritt im Oktober 2012 zusammen mit ihren Mitsängerinnen Jennifer und Ulrike Begeisterungsstürme hervorgerufen. Steve hielt sich wacker und er und Elena bewiesen musikalisches und komödiantisches Talent. „Crying Time“ ist ein wunderbar schmalziges Country Lied von Buck Owens aus den Vierzigern, das seither Generationen von Sängern inspiriert hat. Elena und Steve machten damit jedenfalls eine super Figur und Appetit auf mehr. Mit „These Boots Are Made for Walking“ von Nancy Sinatra feuerten sie gleich einen weiteren Schuss ins Schwarze. Elena glänzte mit ihrer voluminösen und intonationssicheren Stimme. Der Schmalztopf war noch nicht leer und so holten sie schnell einen weiteren Ohrwurm hervor: „Something Stupid“, das unsterbliche Lied mit Vater und Tochter Sinatra, war wie gemacht für die beiden, die natürlich nicht ohne Zugabe von der Bühne durften. Mit „Ain’t no Sunshine“ von Bill Withers bemühten sie ein weiteres Mal mit Bravour das Thema unglückliche Liebe – süüüß!

Unser treuer Gefolgsmann Lothar Heinrich präsentierte mit „That Lucky Old Sun“ eine gefühlvolle Südstaaten-Ballade über das harte Leben eines einfachen Arbeiters, die ebenso wie z.B. „Crying Time“ bereits zahlreiche bekannte Musiker in die Aufnahmestudios gelockt hat. Anders als bei vielen etwas süßlichen Interpretationen aus den US Studios schaffte Lothar es, dem Lied die eigentlich authentischere herbe Note zu geben. Immerhin spricht der Text davon, dass der geschundene Arbeiter den Herrgott anruft, ihn aus dem elenden Leben in den Himmel zu holen.

Lothar hatte offenbar erfolgreich die Werbetrommel für den Folk Club gerührt und mit Steffi Röben ein neues Gesicht und eine neue Stimme angeheuert. Steffi sang mit ihrer schönen intonationssicheren Stimme ein russisches Lied von Wladimir Nikolajew, dessen Titel übersetzt lautet „Ich bin da mal so vorbeigekommen“ – wie bezeichnend für ihren Auftritt. 

Lothar setzte dann den Auftritt fort mit dem Klassiker in spanischer Sprache „Que Nadie Sepa Mi Sufrir“ (Dass niemand von meinem Leid erfahre!). Lothar spielte und sang das schöne Lied in der ursprünglichen Fassung im peruanischen Walzertakt. Das Lied aus dem Jahre 1936 wurde später vielfach verändert und in anderen Taktformen z.B. als Rumba präsentiert.

Nur mit seiner Gitarre bewaffnet betrat dann ein bescheidener junger Mann die Bühne, den einige der Gäste bereits aus seiner Schulzeit von Schülerkonzerten der Bonner Musikschule kannten. Simon Wahl wohnt und studiert aber mittlerweile in Linz in Österreich. Gleich mit den ersten Tönen aus seinem Instrument ging der Geräuschpegel im Publikum schlagartig fast auf Null. Was dann aus dem Instrument herausgezaubert kam, verschlug den Meisten den Atem. „Haben wir zufällig gerade die Ehre, einem Genie zuhören zu dürfen?“ raunte mir einer meiner Tischnachbarn beim tosenden Applaus nach dem ersten Stück „Auf geht’s“ zu. Simon bringt es fertig, die Gitarre so zu spielen, dass gleich mehrere Instrumente gleichzeitig ertönen. Die rechte Hand zupft und schlägt die Saiten und erzeugt zugleich noch kunstvolle Perkussionselemente auf dem Gitarrenkörper, mit der linken Greifhand zupft und schlägt er ebenfalls die Saiten und greift nur fast nebenbei in die Bünde – ein verwirrendes Klangerlebnis, bei dem man nicht glauben möchte, nur einen einzigen Musiker vor sich zu haben. „Hoffnung“ lautet das leicht melancholische Stück, das wie fast alle anderen aus Simons eigener Feder stammen. Leicht eingesprenkelte Flageoletttöne geben dem Stück etwas Luftiges. Das in Moll gesetzte Stück endet in Dur – die Hoffnung war nicht vergebens. Bei „Fernweh“ sorgt Simon mit Rechts vor allem für die Percussion und erzeugt die kunstvolle Melodie mit der linken Greifhand. Ähnlich kunstvolle und virtuose Momente bescherte er dem atemlosen Publikum bei den Stücken „Am Rhein“ und „A Language Called Music“. Am Ende des Abends komplettierte Simon seinen furiosen Auftritt u.a. mit den Stücken „Take it Easy“ (schier unglaubliches Fingerpicking), einem Arrangement von Eminem-Stücken mit gelöster und für Percussionszwecke gelöster E-Saite, dem lyrischen und zum Weinen schönen Stück „September“ und einem in Italien komponierten Sommerlied. Natürlich durfte Simon nicht ohne Zugabe gehen und beglückte seine neuen Fans mit dem Lied „Rastlos“, das er erst vor Kurzem pomponiert hat. Riesen Applaus, der fast nicht enden wollte. Wir hoffen, Simon bei einem Heimatbesuch wieder im Folk Club bewundern zu dürfen.

Auch diesmal setzte unser alter Freund Günther Peters seine vor einiger Zeit begonnene Serie fort und lud das Publikum zu einem gemeinsamen Lied ein. Zur bekannten Melodie von „Komm lieber Mai und mache“ – wer es nicht weiß: die Melodie stammt von W. A. Mozart, und das Lied hat den Originaltitel „Sehnsucht nach dem Frühling“, KV 596 – hatte Günter ein witziges Lied über den Folk Club gedichtet und zudem auf einem Liedblatt mit einem hübschen selbstgezeichneten Bild verteilt, ein großer Spaß für alle und ein prima Einstieg in die zweite Hälfte der Session. 

Hier setzten wieder Barry Roshto und seine Tochter Emily die Maßstäbe mit einigen wundervoll arrangierten und vorgetragenen Stücken: Bei „I am a Zombie“ von The „Pretty Reckless“ konnte Emily ihre zarte und doch kraftvolle Stimme sehr schön zur Geltung bringen. Barry ist dabei ein herrlich einfühlsamer Begleiter mit seiner schönen melodischen Tenorstimme und natürlich seinen Klavierarrangements. Göttlicher Schmalz ist das Lied „We’re Gonna Find it“ aus dem Animationsfilm „Barbie & The Diamond Castle“. Nachdenklicher ging’s zu beim Lied „People, Help The People“ von „Birdy“, bei dem das Duo mit seinen wundervollen Stimmen dem Publikum direkt ins Herz sang. Ihren Auftritt beendeten die Beiden mit dem witzigen Cup Song „When I’m Gone“ von „Pitch Perfect“. Bei dem Lied, das a capella vorgetragen wird, muss zum Gesang ein Becher in rhythmischer Folge als Perkussionselement auf einem Tisch gedreht werden und zwischendrin in die Hände geklatscht wird. Ihr könnt euch das ja mal auf Youtube anschauen (Beispiel: http://www.youtube.com/watch?v=HqLBYgmG16s). Die beiden meisterten die Akrobatikübung jeder mit seinem Becher mit Bravour, ohne dabei einen Knoten im Gehirn zu kriegen.

Erstmals seit einiger Zeit gab Richard Limbert wieder eine Kostprobe seines Könnens. Mit „Tangled up in Blue“ von Bob Dylan tauchte er nach seinen Worten in die Teenagephase ab, um danach die „kriminelle Phase“ anzusteuern: Das Lied „Hang me o Hang me“ von Dave van Ronk handelt von einem Landstreicher, der immer hungrig ist und dem es fast lieber ist, hingerichtet zu werden. Irgendwie hat Richard ein Faible für morbide Themen, denn sein letztes, diesmal selbstgeschriebenes, Lied hatte den Titel „Hang me Higher“. Der Aufforderung ist das Publikum dann doch nicht nachgekommen. Stattdessen gab es Applaus für seinen schönen Beitrag und seinen kraftvollen Gesang.

Ebenfalls stimmlich glänzen konnte Theo Meh, der auch nicht das Erste Mal im Folk Club auftrat, der sich aber diesmal mit einer selbstgeschriebenen Hommage an den Folk Club nach Berlin verabschiedete, wo er in Kürze eine neue Arbeit aufnimmt. Viel Glück für deine Zukunft Theo, vielleicht kannst du ja in Berlin einen Folk Club aufmachen.

Der Abend ging wie üblich mit der „Hymne“ „Jock Stuart“ zuende und entließ das Publikum mit der Vorfreude auf die nächste Session am 6. September (im August sind Folk Club-Ferien). Dann gibt es einen Themenabend unter dem Motto „Wetterlieder“. Wer einen Beitrag zum oder über das Wetter machen möchte, ist herzlich willkommen.

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