Folk
Club 43 im Dezember – Gitarrenkunst und Poesie
Fast schon zur Tradition des Folk Club gehört
der schottische Liedermacher und Gitarrenvirtuose Simon Kempston. Bereits zum dritten Mal beehrt er unseren Club
jeweils im Dezember. Diesmal hatte er es sich nicht nehmen lassen, in original
schottischer Kleidung, also mit Kilt, in den Farben, dem Tartan, seiner Familie
aufzutreten. Es war eine eingelöste Wette, denn John Hurd, der Autor unserer englischsprachigen Berichte im Portal
„3SongsBonn“, hatte gegen Simons Schottenrock-Auftritt gewettet, dass diesmal
seine Freundin, zum Folk Club Abend komme. Manche hatten bereits gewähnt, Anna
sei nur ein Phantom, da nie gesichtet. Aber sie erschien tatsächlich und Simon
musste bzw. durfte im Kilt glänzen.
Jedes Jahr stellt er neue Lieder vor, die im
Laufe des Jahres auf einer neuen CD erschienen waren. Die Stammbesucher von
Simons Auftritten können dabei beobachten, wie sein Stil reift und dabei
filigraner und transparenter wird. Simons diesjähriges neues, im November
erschienenes Album heißt dann auch sinnreich: „A Fine Line“. Allen seinen
Liedtexten liegt eine – oftmals selbst erlebte – Geschichte zugrunde, die Simon
zwischen den Liedern in seinem weichen, melodischen schottischen Akzent mit
feiner Ironie und teils witzigen Details erläutert. Im Gegensatz zur
Leichtigkeit der Geschichten, die er zu den Liedern parat hält, erzählen die
Texte meist vom Widersprüchlichen, dem Scheitern, der Ungerechtigkeit, dem
Fragilen im menschlichen Leben und von den teils existentiellen Problemen der
kleinen Leute. Auch die Liebeslieder haben etwas Verhaltenes und
Melancholisches. Ein wichtiges Thema in seinen Liedern ist der Krieg, der für
ihn indiskutabel ist.
Seine Lieder trägt Simon mit schöner, tragender
und fein modulierter, variabler Stimme vor. Die Gitarrenbegleitung ist von
wunderbarer Klarheit, virtuoser Brillanz und filigraner Präzision. Er benutzt
die sogenannte DADGAD-Stimmung, bei der die hohe und die tiefe E-Saite sowie
die H-Seite jeweils um einen Ganzton tiefer gestimmt werden als in der
Standardstimmung. Die Stimmung ermöglicht einen leichteren Wechsel zwischen Dur
und Moll in bestimmten Tonarten und verleiht dem Instrument einen offeneren,
voluminöseren Klang.
„Underdog Soldier“ lautet der Titel seines
Eröffnungsliedes, das von einem schottischen Politiker (George Galloway)
handelt, einer äußerst kontroversen Persönlichkeit, die sich u.a. als wegen
seiner Ablehnung der britischen Teilnahme am Irakkrieg von der Labour Party
trennte und später für die Partei „Respect the Unity Coalition“ ins britische
Unterhaus einzog. Mit schönem Fingerpicking und stark synkopisierender Melodie
startete Simon sein Set nachdenklicher und doch melodischer Lieder. „Gambling
Blues“ handelt von einem Freund, der auf Fußball wettete und dabei sehr viel
Geld verspielte. Ein bereits bekanntes Lied ist „Careless Interventionist“ über
einen einsamen Schotten im viel zu großen und anonymen London. Simon hat das
Lied schon mehrere Male hier gespielt, aber immer wieder anders interpretiert.
Mir scheint, dass sich gerade in diesem Stück seine allmähliche musikalische
und interpretatorische Wandlung zeigt. Weitere neue Lieder waren u.a. „Fine
Line“, das Titelstück der neuen CD, „Leipzig Frost“ und „The Bus to Nairn“ über
ein Erlebnis in Inverness mit einem schon am Vormittag betrunkenen Mann, der
nach der Abfahrtszeit des Busses fragte, „The Dust and the Paint“ besingt das
Sterben der Plattenläden am Beispiel eines Geschäftes in Dundee, in dem Simon
als Junge seine erste CD gekauft hatte. „To the Wilderness“, „Roland“ und
„Derry Walls“ hatte Simon bereits früher im Folk Club gespielt.
Riesenapplaus für den wieder bemerkenswerten
Auftritt. Wir wünschen Simon viel Erfolg mit seiner Musik bei seinen
zahlreichen Auftritten. Für das kommende Jahr sind schon wieder fast dreißig
Auftritte gebucht, davon viele in Deutschland, der Schweiz und Österreich.
Aber, wie üblich gab es außer Simon am Abend
noch zahlreiche andere Künstler zu erleben.
Unser Zeremonienmeister John Harrison hatte den Abend wie gewohnt mit einigen seiner
Schmankerl eröffnet, die allesamt Schottland – eine Referenz an unseren Special
Guest – zum Thema hatten: „The Berry Fields of Blair“ – von John a capella
gesungen – ist ein Lied über die Beerenpflücker, die sich mit ihrem
Ernteeinsatz in ihrem knapp bemessenen Urlaub ein bisschen Geld zu ihrem
kärglichen Lohn hinzuverdienten. Immer wieder gern gehört wird Johns
Eigenkreation über „Albert McTavish’s Brand New Frigidaire“. Das ist eine in
Prosa vorgetragene witzige Geschichte über die leider vergeblichen Bemühungen
eines Schotten auf einer einsamen Insel, seine Frau mit einem Kühlschrank
glücklich zu machen. Er schleppt nach mühevoller Reise ins entfernte Edinburgh
ein Exemplar mit dem falschen Energiesystem an. Das dazu gehörige Lied entpuppt
sich dann aber als ein respektabel gespieltes Instrumentalstück – Humor at its
British best!. Das ganze Leid der Schotten, die sich von England unterdrückt
und betrogen fühlen, liegt in Robert Burns’ Gedicht „Such a Parcel of Rogues in
a Nation“. Das Gedicht beschreibt, wie sich maßgebliche schottische
Persönlichkeiten im 18. Jahrhundert die Zustimmung zum Anschluss an die
englische Krone für Geld abkaufen ließen – Hochverrat für Robert Burns, den
schottischen Natonaldichter.
Als Walk in stellte Philipp Grimm alias „Maps and Keys“ zwei selbstverfasste Lieder
vor. „Bald Trees“, kahle Bäume, handelt von Menschen, die zu früh abgeschrieben
werden. Seine Stimme, mit der er schön zwischen Kopf- und Brustregister
variierte, erinnerte bei diesem Lied ein wenig an Bryan Ferry von Roxy Music.
„Heroine“, Heldin, war speziell Janero del Rosario, unserem philippinischen
Mitstreiter, der sich u.a. um die Filmaufnahmen kümmert, gewidmet. Vielleicht
gibt es von Philipp bald mehr zu hören.
Für ein zusätzliches Glanzlicht sorgte Kenny Legendre, ein Amerikaner, der in
Bad Kreuznach lebt und dort als „Majiken“ mit einigen Mitstreitern den
Talentschuppen „Majik Lounge“ im Markthaus betreibt. Das Lied von Country Joe
McDonald „1, 2, 3 What Are We Fighting For?”, eines der bekanntesten Lieder des
Woodstock Festivals, hatte Kenny von Vietnam auf Afghanistan ungedichtet und
auch einen neuen titel verpasst: „21st Century Fixin’ to Die Rag“ heißt es in
seiner Version. Natürlich durfte auch die Referenz an Schottland nicht fehlen.
„Pink Sheep“, rosa Schafe, waren seine in ein Lied gegossenen Eindrücke von
einer Schottlandreise. Ein Schelm, der Böses dabei vermutet. Immerhin gab’s
auch eine Moral dazu: „Wenn du etwas siehst, das du nicht kennst, muss es nicht
unbedingt schlecht sein“.
Mit „Heidi Hottmehl“, einem witzigen Lied über
Bekanntschaften aus den beliebten Sozialen Internet-Netzwerken, beschloss er
sein Set. Wir hoffen, Kenny mit seiner voluminösen Stimme, der wunderbaren
Begleitung auf Banjo und Resonator Gitarrre und den originellen,
selbstkomponierten Liedern bald wieder im Folk Club begrüßen zu können – großer
Applaus für Kenny alias „Majiken“.
Schon ein alter Bekannter ist Gerd Schweizer, der eine besondere
Vorliebe hat für Lieder von Reinhard Mey. „Zeugnistag“ ist eines der Lieder,
die er heute spielte – eine wundervolle Hommage an Eltern, die ihren Kindern
beistehen. „Aber deine Ruhe findest du nicht mehr“ ist, anders als der Titel
vermuten lässt, auch eine Hommage, aber diesmal von jungen Eltern an ihre
neugeborenen Kinder, derentwegen sie nachts nicht mehr schlafen können. Ein
schöner Beitrag von Gerd, der bei dieser Gelegenheit seine neue Gitarre
präsentierte.
Ein weiterer Walk in war Olli Bud aus England, der uns mit seiner charakteristischen Stimme
zwei seiner Eigenkreationen vorstellte. „You Are the Only One“ und “Times Are
Getting Rough” lauteten die beiden schönen, poetischen Lieder, in melodischer
Musik verpackt. Vielleicht schaut Olli ja bald mal wieder vorbei und stellt
weitere seiner Lieder vor.
Nach längrer Abstinenz schaute auch Jutta Mensing wieder vorbei und hatte
sich mit Thomas Bandholz, Gerd-Wolfgang
Spiller und Steven Perry
Verstärkung aus der „Verstaubte Instrumente“ Szene aus Bad Honnef mitgebracht.
Wo Jutta ist, da gibt es traditionelles deutsches Liedgut zu hören, und so war
es auch diesmal, und zwar ganz der Jahreszeit entsprechend: „Schneeflöckchen,
weiß Röckchen“ spielten und sangen die vier begleitet mit Gitarren, Stevens
Mandoline und Juttas Geige, und das Publikum sang fleißig mit. Als kleines
Intermezzo gab es dann Loriots Gedicht „Advent“ – schwarzer Humor pur. Kein
Humor und auch kein Schwarzer war danach das Lied „Ach bitt’rer Winter“, das
uns die Beschwernisse der Kalten Jahreszeit in früheren Jahren vor Augen
führte, als es noch eine Herausforderung war, die Periode zwischen Ernte und
Frühjahr ohne Schaden zu nehmen zu überstehen.
Zum Glück ging der Abend nicht mit diesem
melancholischen Lied zuende. „Jock Stewart“, unser regelmäßiger Begleiter, war
der Rausschmeißer des Abends und entließ Publikum und Musiker mit den üblichen
Glücksgefühlen und der Aussicht auf ein ereignisreiches Folk Club Jahr 2014. Am
3. Januar 2014 geht es an gleicher Stelle weiter mit einer schon jetzt prall
mit Akteuren gefüllten Singers’ Night.