Folk
Club Nr. 45 im Februar – Cowboys und andere Leute
Cowboy-Lieder sollten das Leitmotiv der
heutigen Singers Night sein, aber einige Künstler errichteten eine eher gewagte
Brückenkonstruktion von den Texten ihrer Lieder zum Thema „Cowboy-Lieder“. Die
schwankenden Brücken taten dem Genuss aber keinerlei Abbruch – im Gegenteil:
wer den Abend, aus welchen Gründen auch immer, versäumt hatte, dem ist etwas
entgangen, so dicht, voller Leben und gespickt mit guter Musik waren die
Beiträge, und so viele Emotionen wurden von den Künstlern ins Publikum
transportiert und auch umgekehrt..
Zu dieser Atmosphäre trug auch bei, dass der
Saal proppenvoll war, wie lange nicht mehr.
Zudem beehrte uns an diesem besonderen Abend
auch der Bonner General-Anzeiger. Der Bericht kann im Blog unter den Bildern
dieses Abends über einen Link aufgerufen werden.
John
Harrison eröffnete den Abend mit dem a capella gesungenen Lied „Oh What a
Beautiful Morning“ aus dem Musical „Oklahoma“ von Rogers und Hammerstein – die
Verbindung zum Thema des Abends war für jene die das Musical kennen, eindeutig.
Zusammen mit Christian Schuster, der die Leadgitarre spielte, sang
er danach eine selbst geschriebenes Protestlied aus den siebziger Jahren mit
dem Vietnamkrieg im Hintergrund: „1001 Protest Song“ lautete der Titel.
Christian glänzte dabei mit virtuosen Gitarrenriffs. Diesmal zusammen mit dem
Mundharmonika-Akrobaten Paolo Pacifico
und unserem englischsprachigen Berichterstatter und famosen Fotografen John Hurd (3Songs Bonn) gab es als Trio
das Lied „People Get Ready“ von Curtis Mayfield.
Walk-in Sebastian
Landwehr wartete mit zwei Liedern auf, die er mit schöner,
intonationssicherer und kräftiger Stimme vortrug. Sebastian ist Mitglied in der
Bonner Irish-Folk Gruppe Crosswind. Deren weiteres Mitglied Stefan Decker ist
alten Folk Club-Hasen durch Auftritte der Gruppe DerElligh aus den Jahren 2010
und 2011 noch gut in Erinnerung. „1952
Vincent Black Lightning“ von Richard Thompson war das erste Lied. Darin spielt
ein in Großbritannien Anfang der 50er Jahre bei Speedjunkies äußerst beliebtes
Motorrad eine prominente Rolle. Mit griffsicherer und feiner, ausgefeilter
Gitarrentechnik sorgte er für eine wunderbare Begleitung. Auch „The County
Down“ von Tommy Sands begeisterte, und das Publikum kam beim einschmeichelnden
Refrain „Oh can you hear me“ in Mitsing-Bewegung. Vielleicht gibt es ja ein
Wiedersehen im Folk Club.
Mario
Dompke, unser alter Gefolgsmann, wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch
zum Thema des Abends ruck-zuck ein Lied aus dem Repertoire-Ärmel zaubern
könnte. Und er tat es natürlich mit dem nach eigenem Bekunden vor 25
Jahren selbst geschriebenen Lied „Der
Kindergarten-Cowboy“. Natürlich hatte das Lied einen witzigen Text über
Kindergartenkinder, die ganz groß sein wollen.
Bob
Marabito aus den USA wartete danach mit zwei altbekannten Gassenhauern auf
die er a capella vortrug und dabei das Publikum mit Erfolg zum Mitsingen
animierte: „I Came From Alabama“ und „Cotton Fields“ – ein schöner Spaß für’s
Publikum. Witzig dabei Bobs kleine Frotzelei über den seltsamen Tonfall der
Südstaaten, aus denen diese hübschen Lieder stammen – nach seinen Worten, das
Bayerisch der USA. Nun, der Bayer an sich findet seine Sprache keineswegs
merkwürdig, und das kann man sicherlich auch für den Südstaatler der USA
annehmen. Wir müssen hierzu einmal unseren Mitstreiter Barry befragen, der aus
dem Staat Louisiana stammt.
Einen ersten Paukenschlag setzten danach zwei
junge Herren, die sich als die Gruppe Positano
aus Bonn vorstellten. John Brandi
und Daniel Schult gingen ohne
Umschweife ans Werk und brachten mit ihren selbst verfassten Liedern voller
Dynamik und bissigem Humor zu originellen Melodien und professionell gesungen
und gespielt den Saal in Wallung. „Der Streifenpolizist“ wird als Schreck der
Nachbarschaft, der in Wirklichkeit nur ein kleiner Kriecher ist, auf die
Schippe genommen. Bei „Der Große Knall“ geht es um die immerwährende Sucht nach
der Sensation. Nur scheinbar romantisch aber dann mit unerwarteten und
skurrilen Wendungen im Liedtext geht es bei „Bleib heute Nacht bei den Kindern“
auf eine Melodie von Tom Waits zu. Natürlich mussten sie eine Zugabe spielen
und das taten sie gern: „In der Kneipe“ besingt die zahlreichen Bezeichnungen
dieses netten Ortes zum dem es viele immer wieder hinzieht. Leider hat ihre
Lieblingskneipe im Lied am Ende Pleite gemacht. Das wollen wir aber vom
Müllestumpe nicht hoffen. Der Folk Club arbeitet jedenfalls intensiv in die
andere Richtung.
Riesenapplaus für die beiden Musiker der
Extraklasse, die nach ihrem Auftritt noch bis zum Schluss des Abends blieben
und sich von der Atmosphäre des Folk Clubs bezaubern ließen.
Als weiterer Walk-in erschien Hermann-Josef Wolf (genannt Fliege), der singende Taxifahrer aus Köln, auf der Bühne.
Da er immer nur nachts fahre, habe er tagsüber Zeit zum Musik machen, lautete
seine Begründung für sein Hobby. Das Protestlied „Sag mir doch, was Freiheit
ist“ stammt noch von seinem Gitarrenlehrer. Witzig aber auch nachdenklich, war
der Text seines Liedes „Ich bin der Johnny von der Müllabfuhr“ auf die Meldie
von „Cotton Fields“. „Was ihr nicht braucht, das schmeißt ihr weg, mein
Arbeitsplatz ist euer Dreck“ lautete eine Zeile. Zur Gitarre spielte Hermann-Josef noch ein überdimensionales Kazoo.
Liebhaber der Musik aus „Buena Vista Social Club“
konnten beim nächsten Auftritt in den Harmonien und Rhythmen der bekannten
Ohrwürmer der begnadeten Musiker aus Kuba schwelgen. John Hay und Juan und Maria
Isaza-Kasolis spielten und sangen „El Carretero“, ein Lied über die
Hoffnungen und Träume eines kubanischen Bauern. Bei „Chan Chan“ geht es um die
Liebe und „El Quarto del Tula“ setzt noch einen drauf, denn da brennt bei dem
Mädchen Tula die Hütte, und die Feuerwehr in Person eines feschen Liebhabers
muss kommen und löschen. Weitere Details werden nicht verraten, aber die
Symbolik ist eindeutig und deftig. Bravo, und hoffentlich gibt es eine
Fortsetzung dieses famosen Beitrags.
Nach der Pause holte Barry Roshto das Publikum mit dem Cowboylied „There’s Blood on the
Saddle“, das er auf dem Tisch stehend sang, wieder in den Saal. Danach zogen
Barry und seine Tochter Emily das
Publikum in ihren Bann. Mit ihrer zwar etwas verhaltenen aber unglaublich
klaren und eindringlichen Stimme sang sie zu Barrys Klavierbegleitung das zarte
Schlaflied „Lullaby from a Secret Garden“. Fast noch schöner als das erste Lied
war dann das geheimnisvolle „Rains of Castamere“ von Game of Thrones. Barry
begleitete seine Tochter „nur“ mit seiner Stimme, aber das Ergebnis ließ die
bekannte Gänsehaut auf den Armen entstehen – zum Weinen schön – atemlose Stille
im Saal. „I See Fire“ aus dem Film „Der Hobbit“ und das in schottisch-gälischer
Sprache gesungene Lied (erneut ein Schlaflied) „Noble Maiden Fair“ (A Mhaigdean
Bhan Masal) aus dem Disney-Film Brave rundeten das wunderbare Set der beiden
ab. Natürlich gab es wieder stürmischen Applaus und die Hoffnung auf Mehr bei
kommenden Folk Club Abenden.
Weil es sich anbot und er gerade auch ein
Cowboy-Lied in seinem (nahezu unerschöpflichen) Repertoire hatte, gab sich Gerd Schinkel aus Köln die Ehre. Ebenso
wie Mario Dompke war sein Cowboy Lied ein Kinderlied mit dem Titel „Ich bin ein
Cowboy“. Der Cowboy in diesem Lied hat dann aber im Endeffekt von seinen
Abenteuern immer Durst und Hunger, die mit Cola und diversen Würsten gestillt
werden müssen. Auch ein Cowgirl gibt es, das ähnlich veranlagt ist. Aber sowohl
der Junge als auch das Mädchen scheinen aus Köln zu stammen, denn ihr Motto
lautet übereinstimmend: Und ich bin stark und kann auch ganz laut schrein:
„Alaaf!“. Der Karneval lässt grüßen!
Bereits zum zweiten Mal durften wir das Duo 2Sunny alias Tatjana Schwarz und Ralf
Haupts im Folk Club begrüßen. Gut zum zweiten Thema des Abends, das für die
Session nach der Session geplant war, passte das Lied „Freight Train“ von
Elizabeth Cotten. Diese war eng mit der Familie des Folk Idols Pete Seeger
verbunden, der einige Tage zuvor hochbetagt gestorben war. Tatjana und Ralf
sangen und spielten das schlichte Lied mit der gar nicht so einfachen
Gitarrenbegleitung wunderbar – Elizabeth Cotten hätte sich gefreut. Beim Lied
von Hildegard Knef „In dieser Stadt“ konnte Tatjana ihre herrliche Altstimme
perfekt zur Geltung bringen. Aus eigener Feder stammte das Lied „Die Ruhe nach
dem Sturm“ („Frag nicht nach der Erlaubnis, frag nicht nach der Absolution, Deine
Seele will die Ruhe nach dem Sturm“), das beide mit gekonnter Zweistimmigkeit
sangen. Besonders apart klang dabei, dass Ralf die Melodiestimme über der
Stimme von Tajana sang.
Den Abschluss des „offiziellen Teils“ machte Steve Perry, der zur Begleitung seiner
10-saitigen brasilianischen Viola Caipira drei echte Cowboy-Lieder beisteuerte.
„El Paso“ von Marty Robbins ist ein Klassiker schlechthin und purer Schmalz,
der alle Stereotypen bedient. Das sentimentale „Cowboys Lament“ über einen
sterbenden Cowboy steht dem wenig nach. „50 Years Ago“ von Ian Tyson, das den
Wunsch, die Zeit noch einmal zurückzudrehen besingt, ist ein Cowboylied aus
Kanada, Steves Wahlheimat. Wie ähneln sich doch die Themen: Willy Schneider
(Man müsste noch mal zwanzig sein) schmunzelt am Himmelstörchen.
Der unvermeidliche und vom Publikum mit
Inbrunst gesungene Rausschmeißer „Jock Stuart“ machte den Abschluss des
offiziellen Teils, bevor John die
Musiker nach vorn bat für die nachfolgende kleine Session zu Ehren des
gut eine Woche zuvor verstorbenen Bürgerrechts-Aktivisten und Folk- und
Protestlied-Altmeisters Pete Seeger. Das Publikum ließ sich nicht lange bitten
und stimmte ohne Umschweife in die bekannten Lieder ein darunter „Little
Boxes“, "If I Had a Hammer“,
„Where Have all the Flowers Gone“, „We Shall Overcome“.
Die Session hinterließ bei vielen nochmals eine
gehörige Gänsehaut und viel Vorfreude auf den kommenden Folk Abend am 7. März
mit Gerd Schinkel und die Kanuten
(im Kanu sitzen: Wolfgang Kassel, Gitarre; Frank Tschinkel, Mandoline und
Gerd-Wolfgang Spiller, Bass).
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